Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 II 392



118 II 392

77. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Dezember 1992 i.S.
Werner S. gegen Katharina S. (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Vollstreckung des Besuchsrechtes (Art. 273 ZGB).

    1. Die Vollstreckung eines Besuchs- und Ferienrechts richtet sich
nach kantonalem Verfahrensrecht.

    2. Der Besuchsberechtigte hat konkret die Übergabe der Kinder gemäss
den im Urteil festgelegten Modalitäten zu verlangen.

    3. Sobald eine Klage auf Abänderung des Scheidungsurteils in bezug
auf das Besuchsrecht eingereicht worden ist, ist es nicht willkürlich,
dessen Vollstreckung zu verweigern.

Sachverhalt

    A.- Der Gerichtspräsident von T. wies das folgende Vollstreckungsgesuch
von Werner S. gegen Katharina S. ab:

    "1. Die Gesuchsgegnerin sei gerichtlich anzuweisen, jede Handlung, die
   das gemäss Scheidungsurteil des Appellationshofs des Kantons Bern
   vom 19.

    Dezember 1990 eingeräumte Besuchs- und Ferienrecht des Gesuchstellers
   gegenüber den Kindern Bernhard, Pia und Peter erschwert bzw.
   verunmöglicht, zu unterlassen.

    2. Die Gesuchsgegnerin sei gerichtlich anzuweisen, gegenüber den drei

    Kindern die nötigen Anordnungen zu treffen, um das Besuchs- und

    Ferienrecht des Gesuchstellers zu erleichtern bzw. zu ermöglichen.

    3. Die Anweisungen gemäss Ziffern 1 und 2 hiervor seien mit der

    Strafdrohung gemäss Art. 403 ZPO zu verbinden."

    B.- Zwischenzeitlich beantragte Katharina S. beim Zivilamtsgericht
von B., das Besuchs- und Ferienrecht von Werner S. sei in Abänderung des
Scheidungsurteils zu sistieren.

    Der Appellationshof des Kantons Bern bestätigte auf Berufung hin den
Entscheid des Gerichtspräsidenten von T.

    C.- Dagegen wendet sich Werner S. nun mit staatsrechtlicher Beschwerde
an das Bundesgericht.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer rügt im wesentlichen die willkürliche
Anwendung kantonalen Verfahrensrechts, die Verletzung seines rechtlichen
Gehörs und eine willkürliche Beweiswürdigung.

    a) Die Vollstreckung eines Besuchs- und Ferienrechts ist
gemäss kantonalem Verfahrensrecht vorzunehmen (VOGEL, Grundriss des
Zivilprozessrechts, 3. A. Bern 1992, S. 376 N 7). Dabei hat der
Besuchsberechtigte konkret die Übergabe der Kinder gemäss den im
Urteil festgelegten Modalitäten wie Zeitpunkt und Dauer zu verlangen
(BÜHLER/SPÜHLER, Art. 156 ZGB N 354, N 355). Damit ist aber noch nicht
gesagt, dass im Falle der Weigerung der Kinder, ihren Vater zu besuchen,
direkter Zwang zur Anwendung gelangen könnte (BGE 111 II 409; VOGEL, aaO,
S. 382 N 29). Im vorliegenden Falle sind die Begehren derart unbestimmt
abgefasst, dass es - im Falle einer Gutheissung - nicht möglich wäre,
deren tatsächliche Einhaltung zu überprüfen und eine allenfalls angedrohte
Strafe zu verhängen. Bereits unter diesem Gesichtspunkt ist es somit
nicht willkürlich, wenn die kantonale Instanz eine Vollstreckung der
eingereichten Begehren verweigert hat.

    b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist Art. 399
ZPO/BE durch das angefochtene Urteil nicht willkürlich angewendet
worden. Die genannte Bestimmung gewährleistet die Hilfe der Beamten bei der
Durchsetzung von Urteilen, sobald die Bedingungen der Vollstreckung gegeben
sind. Gerade letzteres ist im vorliegenden Falle jedoch umstritten. Wie
das Vollstreckungsbegehren an sich abzufassen ist, darüber spricht sich
Art. 399 ZPO/BE nicht aus. Weshalb die kantonale Instanz hier dennoch
kantonales Verfahrensrecht willkürlich angewendet haben soll, wird in
der Beschwerdeschrift nicht dargelegt.

    c) Ist im gleichen Zeitraum bezüglich des Besuchsrechts ein
Vollstreckungsbegehren und eine Klage auf Abänderung des Scheidungsurteils
eingereicht worden, so ist es - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers
- nicht willkürlich, wenn die Vollstreckung während der Dauer eines
Abänderungsverfahrens verweigert wird (BGE 107 II 305), auch wenn mit
einem Entscheid erst in sechs Monaten gerechnet werden kann.