Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 II 363



118 II 363

71. Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. August 1992 i.S. F. gegen X.
(Berufung) Regeste

    Bestimmung des Streitwerts (Art. 36 Abs. 3 OG).

    Soweit ein Schadenszins akzessorisch zu einer streitigen
Kapitalforderung und nicht als eigenständige Forderung geltend gemacht
wird, ist er bei der Ermittlung des Streitwerts nicht mitzuzählen.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

    Es ist von Amtes wegen zu prüfen, ob der für die Berufungsfähigkeit
geforderte Streitwert von wenigstens 8'000 Franken gegeben ist. Gemäss
Art. 46 OG ist dabei auf die Rechtsbegehren abzustellen, wie sie vor
der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren. Zinsen und andere
als Nebenrechte geltend gemachte Ansprüche fallen bei der Bestimmung des
Streitwertes nicht in Betracht (Art. 36 Abs. 3 OG).

    Vor der Rekurskommission des Kantons Thurgau war eine
Schadenersatzforderung von Fr. 7'435.-- aus dem Verkehrsunfall vom
6. Oktober 1984 nebst 5% Zins seit Unfalldatum streitig. Der Kläger glaubt
sich zur Berufung berechtigt, weil der geforderte Zins Schadenszins
und damit ein dem bezifferten Betrag gleichwertiger Bestandteil des
eingeklagten Schadens sei. Dem ist insoweit beizupflichten, als der
Zinsanspruch nicht in einem Schuldnerverzug des Schadenersatzpflichtigen,
sondern in der Verursachung des Schadens gründet, demnach Schadenszins
darstellt und Teil der Schadenersatzforderung ist (BGE 81 II 519; BREHM,
N 97 zu Art. 41 OR; OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band I,
4. Auflage, S. 174). Damit ist freilich die Frage, ob er deswegen bei
der Berechnung des Streitwertes mitzuzählen ist, noch nicht beantwortet.

    Gemäss Rechtsprechung sind Zinsen, soweit sie akzessorisch zu
einer streitigen Kapitalforderung und nicht als eigenständige Forderung
geltend gemacht werden, ausnahmslos nicht in die Streitwertberechnung
einzubeziehen. Diese Praxis hat das Bundesgericht schon zum früheren
Art. 54 Abs. 1 OG, der inhaltlich mit dem heutigen Art. 36 Abs. 3 OG
übereinstimmt, begründet und seither stillschweigend weiter befolgt (BGE 67
II 41, 64 II 134, 61 II 335 E. 1; BIRCHMEIER, N 4 zu Art. 36 OG; POUDRET,
N 7.2 zu Art. 36 OG; MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel
in Zivilsachen, S. 83; WEISS, Die Berufung an das Bundesgericht in
Zivilsachen, Bern 1908, S. 60; WURZBURGER, Les conditions objectives du
recours en réforme au Tribunal fédéral, Diss. Lausanne 1964, S. 139 ff.;
analog zum kantonalen Recht: STRÄULI/MESSMER, N 1 zu § 20 ZPO/ZH sowie
LEUCH, N 2 zu Art. 138 ZPO/BE). Das gilt ebenso für rückständige Zinsen,
Zinsverluste und zum Kapital aufgerechnete Zinsen, bei Forderungen aus
Wertpapieren auch für den Gegenwert der ihnen beigegebenen Coupons (BGE
61 II 335 E. 1, 31 II 795). Nicht akzessorisch sind hingegen jene Zinsen,
die Berechnungskomponenten für Regressforderungen oder für Forderungen
aus ungerechtfertigter Bereicherung darstellen und in diesen neuen
Hauptforderungen aufgegangen sind (BGE 67 II 41, 64 II 134; POUDRET,
N 7.6 zu Art. 36 OG, STRÄULI/MESSMER, N 1 zu § 20 ZPO/ZH; LEUCH, aaO).

    Entscheidend unter dem Gesichtspunkt von Art. 36 OG ist dabei allein
das Merkmal der Akzessorietät zur eingeklagten Hauptforderung. Weder in
der Rechtsprechung noch im Schrifttum wird eine Unterscheidung nach der
Natur der Zinsforderung vorgenommen, dem Schadenszins mithin gegenüber
dem Verzugszins keine Sonderstellung eingeräumt. Dafür bietet weder das
Gesetz eine Handhabe, noch lässt sich eine Rechtfertigung erkennen. Beide
Zinsen dienen dazu, den Gläubiger schadlos zu halten, und beide sind
einer Hauptforderung zugeordnet, von der sie abhängen. Dass der eine Zins
als Bestandteil der materiellen Forderung, der andere als Abgeltung des
Schadens aus dem Schuldnerverzug aufgefasst wird, rechtfertigt nicht, ihre
Akzessorietät zur Hauptforderung prozessual unterschiedlich zu beurteilen.

    Auch im vorliegenden Fall hat daher die Zinsforderung bei
der Ermittlung des Streitwertes ausser Betracht zu fallen. Da die
Kapitalforderung allein die von Art. 46 OG verlangte Streitwertgrenze
nicht erreicht, ist auf die Berufung nicht einzutreten.