Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 II 322



118 II 322

64. Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. April 1992 i.S. Ferosped AG
gegen Fertrans AG (Berufung) Regeste

    Art. 951 Abs. 2 OR. Unterscheidbarkeit der Firmen von
Aktiengesellschaften.

    Anforderungen bei Firmen, die aus Sach- und Gattungsbegriffen mit
assoziativem Charakter zusammengesetzt sind. Erhöhte Verwechslungsgefahr
als Folge der besonderen Nähe von Konkurrenzunternehmen (E. 1). Ungenügende
Unterscheidbarkeit zweier Firmen (Fertrans AG und Ferosped AG), deren
Nebenbestandteile sich zwar klanglich und vom Schriftbild her klar
unterscheiden, jedoch in Verbindung mit dem identischen Hauptbestandteil
auf die gleiche unternehmerische Tätigkeit hinweisen (E. 2). Verwechslungen
ausserhalb konkreter Geschäftsbeziehungen als Indiz für die fehlende
Unterscheidungskraft (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Die im Jahr 1972 gegründete Fertrans AG mit Rechtsdomizil und
tatsächlichem Geschäftssitz an der Fabrikstrasse 19 in Buchs bezweckt die
"Annahme und Durchführung von internationalen Speditionsaufträgen)... sowie
die Durchführung von Warentransporten im In- und Ausland" Die tatsächlich
zwar in Grabs, rechtlich jedoch ebenfalls an der Fabrikstrasse 19 in
Buchs domizilierte Ferosped AG ist im Jahr 1990 gegründet worden und
bezweckt die "Durchführung und Vermittlung von internationaler Spedition
und Transporten, insbesondere auf dem Gebiet der Bahnfracht".

    B.- Aus Firmen- und Wettbewerbsrecht erhob die Fertrans AG gegen die
Ferosped AG Klage beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen, das die
Beklagte am 15. November 1991 verpflichtete, den Bestandteil "Ferosped"
aus ihrer Firma zu entfernen, weil sich die jüngere Firma nicht genügend
von der älteren unterscheide und auch eine angebotene Sitzverlegung
innerhalb der Gemeinde Buchs die Verwechslungsgefahr nicht beseitige.

    C.- Mit eidgenössischer Berufung beantragt die Beklagte die Aufhebung
des handelsgerichtlichen Urteils und die Abweisung der Klage, eventuell
sei bloss eine Sitzverlegung innerhalb der Gemeinde Buchs anzuordnen. Das
Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil

Auszug aus den Erwägungen:

                aus den folgenden Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Firma einer Aktiengesellschaft muss sich von jeder in der
Schweiz bereits eingetragenen Firma deutlich unterscheiden (Art. 951 Abs. 2
OR), ansonst der Inhaber der älteren Firma wegen Verwechslungsgefahr
auf Unterlassung des Gebrauchs der jüngeren Firma klagen kann (Art. 956
Abs. 2 OR). Weil Aktiengesellschaften in der Wahl ihrer Firma unter
Vorbehalt der allgemeinen Grundsätze der Firmenbildung frei sind (Art. 950
Abs. 1 OR), werden strenge Anforderungen an die Unterscheidbarkeit gestellt
(BGE 92 II 97 E. 2). Ob zwei Firmen genügend unterscheidbar sind oder ob
Verwechslungsgefahr besteht, hängt in erster Linie von der Aufmerksamkeit
ab, die in den Kreisen üblich ist, mit denen die betreffenden Unternehmen
geschäftlich verkehren. Die firmenrechtlich gebotene Unterscheidbarkeit
dient jedoch nicht allein der Ordnung des Wettbewerbs; sie schützt den
Träger der älteren Firma vielmehr umfassend um seiner Persönlichkeit und
seiner gesamten Geschäftsinteressen willen. Ganz allgemein soll dieses
Erfordernis schliesslich verhindern, dass das Publikum, zu dem neben
den Kunden insbesondere auch Stellensuchende, Behörden und öffentliche
Dienste gehören, getäuscht wird (BGE 100 II 226 E. 2 mit Hinweisen).

    Entsprechend den strengen Anforderungen an die Unterscheidbarkeit
ist nicht erst dann Verwechslungsgefahr anzunehmen, wenn die Firma eines
Unternehmens für die eines anderen Unternehmens gehalten werden kann; es
genügt die Gefahr, dass bei Aussenstehenden der unzutreffende Eindruck
entsteht, das mit der Firma gekennzeichnete Unternehmen sei mit einem
anderen Unternehmen rechtlich oder wirtschaftlich verbunden (BGE 109 II
489 E. 5 mit Hinweisen, 90 II 202 E. 5a; vgl. auch BGE 116 II 368 E. 3a;
MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Grundriss des schweizerischen Gesellschaftsrechts,
6. A., S. 128 Rz. 162; PATRICK TROLLER, Kollisionen zwischen Firmen,
Handelsnamen und Marken, Diss. Bern 1979, S. 78; ROLAND BÜHLER, Grundlagen
des materiellen Firmenrechts, Diss. Zürich 1991, S. 129). Haben sodann
zwei Unternehmen ihren Sitz am gleichen Ort, stehen sie miteinander im
Wettbewerb oder wenden sie sich aus andern Gründen an die gleichen Kreise,
erheischt die Firmenwahl besondere Zurückhaltung, weil solche Umstände
die Gefahr von Verwechslungen erhöhen (BGE 97 II 235 E. 1).

    Über das Vorliegen dieser Gefahr im konkreten Fall befindet der
Richter aufgrund der gesamten Umstände nach seinem Ermessen (Art. 4 ZGB;
MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, aaO S. 128 f. Rz. 163). Abzustellen hat er auf
den Gesamteindruck einer Firma nach ihrem Schriftbild und Wortklang. Dabei
genügt nicht, dass zwei gleichzeitig und aufmerksam miteinander verglichene
Firmen unterscheidbar sind; sie müssen auch in der Erinnerung deutlich
auseinandergehalten werden können. Deshalb kommt Bestandteilen, die durch
ihren Klang oder Sinn hervorstechen, erhöhte Bedeutung zu, weil sie in der
Erinnerung besser haftenbleiben und im mündlichen wie schriftlichen Verkehr
oft allein verwendet werden (BGE 114 II 433 E. 2c). Je nachdem, ob es sich
bei diesen Bestandteilen um Personen-, Sach- oder Phantasiebezeichnungen
handelt, hat der Richter auch die Unterscheidbarkeit differenziert zu
beurteilen (MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, aaO S. 130 Rz. 168). So sind bei
reinen Phantasiebezeichnungen besonders strenge Massstäbe anzulegen,
weil hier im Vergleich zu Personen- und Sachbezeichnungen die grössere
Auswahl an unterscheidungskräftigen Zeichen zur Verfügung steht (BGE
97 II 235 E. 1). Indessen gilt auch für Firmenbestandteile, die als
Sachbezeichnungen Art und Tätigkeit eines Unternehmens beschreiben oder
wenigstens darauf hinweisen, indem sie Gedankenassoziationen wecken,
dass sie zu keinen Täuschungen Anlass geben dürfen (Art. 944 Abs. 1 OR)
und den Ausschliesslichkeitsanspruch der älteren Firma (Art. 951 Abs. 2
und 956 OR) zu beachten haben (BGE 100 II 228 E. 4). Erforderlich ist
daher auch bei Firmen, die gleich der streitigen Bezeichnung "Ferosped AG"
aus Sach- und Gattungsbegriffen mit assoziativem Charakter zusammengesetzt
sind, dass der Nachbenützer für eine deutliche Abhebung von älteren Firmen
sorgt, indem er seine Firma eigenständig ausgestaltet oder im Falle reiner
und damit gemeinfreier Sachbezeichnungen der Verwechslungsgefahr mit
individualisierenden Zusätzen begegnet (BGE 114 II 433 E. 2a mit Hinweis).

Erwägung 2

    2.- a) Beide Parteien haben ihr rechtliches Domizil an derselben
Adresse in Buchs, an der sich auch der tatsächliche Geschäftssitz
der Klägerin befindet. Derjenige der Beklagten in Grabs ist nur
einige Kilometer davon entfernt. Beide Gesellschaften sind sodann
im Speditionsgeschäft tätig, wenden sich an denselben Kundenkreis
und stehen daher miteinander im Wettbewerb. Dass die Klägerin nach den
vorinstanzlichen Feststellungen als Direktanbieterin auftritt, die Beklagte
dagegen eher als blosse Vermittlerin, ändert am Wettbewerbsverhältnis
nichts, kann dieses doch auch zwischen Marktteilnehmern verschiedener
Wirtschaftsstufen oder zwischen unmittelbaren und mittelbaren Anbietern
bestehen (BGE 114 II 109). Damit sich die als Folge dieser Umstände
erhöhte Verwechslungsgefahr nicht verwirklicht, sind nach dem Gesagten
strenge Anforderungen an die Unterscheidbarkeit der Firma "Ferosped AG"
von der älteren Firma "Fertrans AG" zu stellen.

    b) Beide Firmen beginnen mit der Buchstabenfolge "FER" und enden
wiederum identisch mit dem Hinweis auf die Gesellschaftsform (AG). Der
Bestandteil "FER" weckt im schweizerischen, namentlich im französischen
und italienischen Sprachgebrauch Assoziationen mit dem Transportmittel der
Eisenbahn (chemin de fer, ferrovia). Auch die nachfolgenden Bestandteile
"TRANS" bzw. "O-SPED" rufen Assoziationen hervor. Während "TRANS" auf
"Transport" deutet, wird "O-SPED" als Hinweis auf "Spedition" verstanden,
und zwar unbekümmert um das vorangestellte "O", das offenkundig nur der
Geläufigkeit in der Aussprache dient. Die Begriffe des Transports und der
Spedition stehen in engem Zusammenhang. Sie werden als sinnverwandt oder
inhaltlich gar als identisch aufgefasst, weil dem Begriff der Spedition
nach allgemeinem Sprachgebrauch die Bedeutung des gewerbsmässigen
Warentransports beigelegt wird (DUDEN, Bd. 5, Fremdwörterbuch, 5. A.,
S. 733, Bd. 8, Sinn- und sachverwandte Wörter, 2. A., S. 616 und 667).

    Hauptbestandteil beider Firmen ist die am Anfang stehende, identische
Buchstabenfolge "FER". Als sogenannt starker Bestandteil (KRAMER, "Starke"
und "schwache" Firmenbestandteile, in Festschrift Pedrazzini, S. 603 ff.,
S. 611 mit Hinweisen auf die Praxis) prägt sie die Erinnerung. Gegen die
dadurch geschaffene Verwechslungsgefahr vermag der Nebenbestandteil "SPED"
nicht aufzukommen. Er unterscheidet sich zwar klanglich wie vom Schriftbild
her eindeutig vom Nebenbestandteil "TRANS" der älteren Firma. Gleich
wie dieser deutet die Buchstabenfolge "SPED" jedoch vom Inhalt her
auf ein im Bereich des Transportwesens tätiges Unternehmen. Tritt zu
dieser gedanklichen Verbindung die Assoziation aus dem identischen, auf
das Transportmittel der Eisenbahn hinweisenden Hauptbestandteil "FER"
hinzu, so entsteht unweigerlich die Gefahr, dass in der Erinnerung der
massgeblichen Personenkreise die irrige Vorstellung haftenbleibt, die
Firmen der Parteien würden wirtschaftlich oder rechtlich verbundene
Unternehmen für Eisenbahntransporte bezeichnen. Das reicht nach dem
vorstehend Ausgeführten aus, um die durch die besondere Nähe der beiden
Konkurrenten erhöhte Verwechslungsgefahr zu bejahen. Sie läge auch dann
vor, wenn die Auffassung der Beklagten zuträfe und die Bestandteile ihrer
Firma als gemeinfreie Sachbezeichnungen zu qualifizieren wären. Denn
selbst bei Firmen, die aus reinen, als alleinige Firmeninhalte nicht
mehr eintragungsfähigen Sachbezeichnungen (BGE 101 Ib 361 sowie BGE 114
II 286 E. 2b) zusammengesetzt sind, hat das Bundesgericht stets verlangt,
dass sich die jüngere Firma wenigstens durch einprägsame Zusätze deutlich
von der älteren Firma unterscheide (BGE 94 II 130 mit Hinweis).

Erwägung 3

    3.- Unbehelflich sind auch die übrigen Berufungsvorbringen: Fehl
geht namentlich der Einwand, Verwechslungen seien deshalb ausgeschlossen,
weil die Parteien ausschliesslich mit branchenkundigen Geschäftskreisen
verkehren würden. Dass es nämlich zu den vom Firmenrecht ebenfalls
verpönten Verwechslungen ausserhalb konkreter Geschäftsbeziehungen
(E. 1 hievor) gekommen ist, hat das Handelsgericht verbindlich
festgestellt (Art. 63 Abs. 2 OG) und zu Recht als Indiz für die fehlende
Unterscheidbarkeit gewertet. Ausserdem könnte als Folge der beiden
nur unzureichend unterscheidbaren Firmen selbst in branchenkundigen
Kreisen die irrige Meinung aufkommen, die Parteien seien konzernmässig
verbunden. Entgegen der Auffassung der Beklagten vermag sodann auch das
unterschiedliche Schriftbild die Verwechslungsgefahr nicht zu bannen, da
dieses registermässig nicht in Erscheinung tritt, vom Firmeninhaber nicht
beibehalten werden muss und im Verkehr oft unbeachtet bleibt (BGE 92 II
98 E. 3). Dass schliesslich die im Eventualbegehren beantragte Anordnung
einer Sitzverlegung innerhalb der Gemeinde Buchs die Verwechslungsgefahr
nicht beseitigen würde, bedarf keiner Ausführungen.