Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 II 32



118 II 32

6. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. März 1992 i.S. Leo K.
gegen Peter und Martha Z. (Berufung) Regeste

    1. Art. 22 OR. Ein Vorvertrag ist dem Hauptvertrag gleichzusetzen,
wenn die gleichen Parteien den im Vorvertrag vorgesehenen Hauptvertrag
zu den gleichen Bedingungen abschliessen sollen (E. 3b).

    Enthält der Vorvertrag bereits alle wesentlichen Elemente des
Hauptvertrages, kann direkt auf Erfüllung geklagt werden (E. 3c).

    2. Art. 2 Abs. 1 OR. Wer objektiv unwesentliche Punkte als Bedingung
seines Vertragswillens ansieht, muss das deutlich zu erkennen geben
(E. 3d).

    3. Art. 72 OR. Soll nicht ein bestimmtes Grundstück übertragen werden,
steht das Wahlrecht dem Verkäufer zu (E. 3d/bb).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Der Beklagte macht geltend, der Vorvertrag vom 7.  Dezember
1983 über den Kauf eines Parkplatzes in der Autoeinstellhalle und eines
Parkplatzes im Freien sei mangels Einigung über die subjektiv und objektiv
wesentlichen Vertragselemente nicht rechtsverbindlich. Ein Vorvertrag sei
nur gültig, wenn er bereits alle wesentlichen Vertragspunkte enthalte,
so dass der Hauptvertrag lediglich noch dem Vollzug diene.

    b) Der Vorvertrag ist gültig, wenn sein Inhalt bestimmt oder bestimmbar
ist (BGE 98 II 307). Diese Voraussetzung gibt einem Teil der Lehre Anlass,
die Rechtsfigur des Vorvertrages generell in Frage zu stellen. Enthalte der
Vorvertrag die wesentlichen Punkte des Hauptvertrages, dann sei letzterer
kein Vertrag mehr, oder treffe dies nicht zu, dann sei der Vorvertrag noch
kein Vertrag (GUHL/MERZ/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht,
8. Aufl., S. 101; MERZ, Vertrag und Vertragsschluss, Rz. 290, 301
ff.). Das Bundesgericht hat sich in BGE 105 III 16 E. 4 und 103 III 106
ff. klar zu dieser Auffassung bekannt (anderer Meinung TERCIER, Défense
et illustration de la promesse de vente immobilière, BR 1985, S. 27, 29;
vermittelnd GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner
Teil, 5. Aufl., Bd. I, Rz. 1080, 1087, und KRAMER, N. 90 ff. zu Art. 22
OR). Die in den beiden zuletzt genannten Bundesgerichtsurteilen vertretene
Ansicht spricht dem Vorvertrag die Existenzberechtigung nicht ab, auch wenn
damit in der Praxis der Vorvertrag oft dem Hauptvertrag gleichzusetzen
ist. Eine solche Identität ist jedenfalls gegeben, wenn es darum geht,
dass die gleichen Parteien den im "Vorvertrag" vorgesehenen "Hauptvertrag"
zu den gleichen Bedingungen abschliessen sollen. Dies trifft hier zu. In
diesen Fällen besteht aber in der Tat, wie in BGE 103 III 107 ausgeführt
wird, kein vernünftiger Grund, zwischen Vorvertrag und Hauptvertrag einen
Unterschied zu machen.

    c) Die zitierte Rechtsprechung ist zu bestätigen. Damit erweist
sich jedoch der von der herrschenden Lehre (GUHL/MERZ/KOLLER, aaO,
S. 102; KUMMER, ZSR 73/1954, S. 172; KUMMER, ZBJV 109/1973, S. 149 f.;
von TUHR/PETER, Bd. I, S. 275; ENGEL, Traité des obligations en droit
suisse, S. 131, N. 39; MERZ, aaO, Rz. 324; MESSERLI, Die Vollstreckung des
Urteils auf Abgabe einer Willenserklärung nach Art. 407/408 der Bernischen
Zivilprozessordnung, Diss. Bern 1983, S. 115 f.; CAVIN, SemJud 1970,
S. 330; Bernischer Appellationshof, in ZBJV 95/1959, S. 70, ZBJV 121/1985,
S. 249; BR 1988, S. 67 f.; anderer Meinung GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches
Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1991, Rz. 1083; BUCHER, Die
verschiedenen Bedeutungsstufen des Vorvertrages, in Berner Festgabe zum
Schweizerischen Juristentag 1979, S. 178; KRAMER, N. 121 zu Art. 22 OR) zu
Recht kritisierte Bundesgerichtsentscheid 97 II 51 f. (Zweistufentheorie)
als überholt. Wenn der Vorvertrag bereits alle wesentlichen Elemente des
Hauptvertrages enthält, kann direkt auf Erfüllung geklagt werden.

    d) Im Vorvertrag vom 7. Dezember 1983 ist der Kaufpreis beziffert
und der Kaufgegenstand bezeichnet. Auch die Form der öffentlichen
Beurkundung ist eingehalten (BGE 106 II 39 E. 3). Nicht festgelegt
ist, welche Parkplätze die Käufer nach erfolgter Parzellierung des
Grundstückes erhalten sollen. Die Zuteilung sollte gemäss Schreiben
von Notar K. vom 28. November 1986 zwischen den Parteien vorgenommen
werden. Der Vorvertrag wie auch der Entwurf des Hauptvertrages wurden vom
gleichen Notar verfasst. Wo das Bundesrecht die öffentliche Beurkundung
eines Vertrages fordert, verfolgt es den Zweck, die Vertragsparteien
vor unüberlegten Entschlüssen zu bewahren und dafür zu sorgen, dass
sie die Tragweite ihrer Verpflichtung erkennen und dass ihr Wille klar
und vollständig zum Ausdruck kommt. Die öffentliche Beurkundung bewirkt
nach Art. 9 ZGB, dass die Urkunde für die durch sie bezeugten Tatsachen
vollen Beweis erbringt, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhaltes
nachgewiesen ist. Im Hinblick auf diesen Zweck und diese Wirkung gehört
nach Bundesrecht zur öffentlichen Beurkundung eines Vertrages, dass
die Urkundsperson in der von ihr errichteten Urkunde die Tatsachen und
Willenserklärungen feststellt, die für das in Frage stehende Geschäft
wesentlich sind (BGE 90 II 281 f.). Wer objektiv unwesentliche Punkte als
Bedingung seines Vertragswillens ansieht, muss das deutlich zu erkennen
geben, sonst wirkt die Vermutung aus Art. 2 Abs. 1 OR gegen ihn und für
die Bindung (BGE 103 II 194 E. 2; GUHL/MERZ/KOLLER, aaO, S. 101; KRAMER,
N. 11 zu Art. 2 OR; GAUCH/SCHLUEP, aaO, Rz. 996).

    Gestützt auf diese Ausführungen sind die Einwände des Beklagten
abzuweisen:

    aa) Der Beklagte wirft dem Obergericht vor, es habe Bundesrecht
verletzt, indem es die Aufnahme eines Baubeschriebes in den Vorvertrag als
unnötig erachtet habe. Gemäss Vorvertrag haben die Kläger einen Parkplatz
in der Einstellhalle gekauft. Dass das Obergericht technische Einzelheiten
der zu errichtenden Baute nicht als essentialia negotii qualifiziert hat,
ist in keiner Weise zu beanstanden. Massgeblich war vielmehr, dass eine
geschützte und nicht für jedermann zugängliche Abstellfläche für die
Fahrzeuge erstellt wird.

    bb) Haltlos ist die Behauptung, der Vertrag enthalte keinerlei
Anhaltspunkte, wie der zu übereignende Einstellplatz bestimmt werden
könne. Die Einstellplätze seien bezüglich Lage und Grösse nicht identisch
und wichen auch betreffend Länge und Breite voneinander ab.

    Der Umstand, dass die Wertquoten der zu erstellenden Parkplätze am 7.
Dezember 1983 noch nicht bekannt waren, hat die Parteien zum Abschluss
eines Vorvertrages bewogen. Wie dem angefochtenen Urteil entnommen
werden kann, sind die Miteigentumsanteile inzwischen festgelegt worden,
nämlich 1/32 Miteigentum am Grundstück Nr. 795, GB Hämikon, betreffend
den Autoabstellplatz in der Einstellhalle, und 1/17 Miteigentum am
Grundstück Nr. 814, GB Hämikon, betreffend einen Parkplatz an der
Erschliessungsstrasse. Dass der Autoeinstellplatz nicht genauer bestimmt
war, hat das Obergericht als unwesentlich erachtet, weil dem Beklagten
als Schuldner der Leistung gemäss BGE 95 II 310 das Wahlrecht zugestanden
habe. Nach diesem Entscheid muss die öffentliche Urkunde nur dann alle
wesentlichen Punkte des Vertrages decken, wenn die Vertragsschliessenden
die Verpflichtung zur Übertragung eines ganz bestimmten Grundstückes
begründen wollen. Das war hier nicht der Fall. Es kann denn auch nicht
wesentlich sein, welchen Parkplatz die Kläger erhalten werden, sofern
dieser dem vorausgesetzten Zweck entspricht. Die Kläger geben sich in der
Tat mit einem Einstellplatz mittlerer Qualität zufrieden. Für sie war der
Kaufvertrag über das Land und der Abschluss des Generalunternehmervertrages
zur Erstellung eines Einfamilienhauses von grösserer Bedeutung als die
Frage, welche Abstellplätze ihnen dereinst zugeteilt werden. Zu Recht
hat deshalb die Vorinstanz entschieden, dass mangels Vereinbarung das
Wahlrecht dem Beklagten als Schuldner zustehe (SCHRANER, N. 36 f. zu
Art. 72 OR; WEBER, N. 45 ff. zu Art. 72 OR).

    cc) Schliesslich bringt der Beklagte vor, es hätte im Vorvertrag als
wesentlicher Vertragsbestandteil erwähnt werden müssen, dass es sich um
ein Baurechtsgrundstück handle. Der Beklagte legt weder dar, noch ist
ersichtlich, inwiefern diese Frage ein objektiv wesentlicher Vertragspunkt
sein könnte und müsste. Ebensowenig ist seinen Ausführungen und dem
angefochtenen Urteil zu entnehmen, dass er diesen Punkt als Bedingung
seines Vertragswillens je geäussert hat.

    dd) Ebenfalls unmassgeblich für den Abschluss des Vorvertrages
ist die Tatsache, dass das Benutzungsreglement im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses noch nicht vorgelegen hat. Obwohl dem Reglement in
der Praxis grosse Bedeutung zukommt, hat der Gesetzgeber dessen Inhalt
und Funktion lediglich global angedeutet, so dass die Miteigentümer bei
seiner Ausgestaltung über einen grossen Ermessensspielraum verfügen
(MEIER-HAYOZ/REY, N. 78 zu Art. 712 ZGB). Die Benutzungsordnung kann
somit ohne weiteres im nachhinein noch erstellt werden, und ihr Fehlen
konnte das Zustandekommen des Vertrages nicht hindern.