Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 II 282



118 II 282

55. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Juni 1992 i.S. S.
gegen M. und Mitbeteiligte (Berufung) Regeste

    Klage auf Ungültigkeit eines Testamentes. Schenkungsvertrag mit
Ausgleichungsanordnung; einseitige Widerruflichkeit dieser Anordnung im
nachträglichen Testament?

    Anordnungen über die Ausgleichung (d.h. Ausgleichungsanordnung und
-dispens) sind Verfügungen von Todes wegen (E. 3).

    Anordnungen über die Ausgleichung können einseitig erfolgen oder als
Teil einer Vereinbarung in einem zweiseitigen Zuwendungsvertrag enthalten
sein (E. 3).

    Obwohl als Vertragsklausel vereinbart, kann die Anordnung über die
Ausgleichung den Charakter einer einseitigen Verfügung haben. Ob dies
zutrifft, ist Frage der Auslegung (E. 5).

    Vertraglich und zweiseitig ist die Klausel jedenfalls, wenn
der Ausgleichungsgläubiger Vertragspartei ist und der Erblasser ihm
gegenüber eine vertragliche Bindung eingegangen ist. In diesem Falle
kann die Ausgleichungsanordnung durch den Erblasser nicht einseitig -
z.B. in einem späteren Testament - zugunsten eines anderen am Vertrag
beteiligten Erben widerrufen werden (E. 5 und E. 6).

Sachverhalt

    A.- H. M. und C. S. sind die Töchter und die einzigen Erben des am
5. November 1989 verstorbenen, in X./BE wohnhaft gewesenen A. E.

    Mit Erklärung vom 6. November 1989 hat H. M. die Erbschaft ihres
Vaters zugunsten ihrer fünf Kinder ausgeschlagen.

    B.- Mit einem notariell beurkundeten Schenkungsvertrag vom 20. August
1984 hat A. E. den Kindern seiner Tochter H. die Liegenschaft Nr. 159
und der Tochter C. die Grundstücke Nrn. 116 sowie 143 geschenkt.

    Der Schenkungsvertrag enthält in Ziff. 10 folgende Klausel:

    "Frau H. M. als Erbin Herrn A. E. bzw. deren Rechtsnachfolger
   verständigen sich bei Eintritt des Erbfalles über den Ausgleich dieser

    Schenkung an ihre Kinder mit C. S. Der zu bezahlende Ausgleichsbetrag
ist
   auf den Zeitpunkt des Erbanfalles unter Berücksichtigung der geltenden
   gesetzlichen Bestimmungen und Bauvorschriften durch Sachverständige,
   über die sich die beiden Erbinnen einigen, festzulegen. Falls sich
   die beiden

    Erbinnen über die Bezeichnung der Sachverständigen nicht einigen,
   bezeichnet jede von ihnen einen Sachverständigen und der
   Gerichtspräsident von Bern bezeichnet einen neutralen Obmann. Der
   Entscheid der

    Sachverständigen über den Ausgleichsbetrag ist endgültig und für beide

    Parteien verbindlich.

    Der Ausgleichsbetrag ist auf Nutzen- und Schadensanfang in
Wertschriften
   abzugelten."

    Am 16. Dezember 1987 hat A. E. ein öffentlich beurkundetes Testament
errichtet, welches im Zusammenhang mit dem Schenkungsvertrag folgende
Bestimmungen enthält:

    "Schenkung an meine Töchter:

    Im Jahre 1984 habe ich meinen Töchtern bzw. deren Kindern die Parzellen

    159, 116 und 143 geschenkt. Unter Berücksichtigung wichtiger, in der

    Zwischenzeit veränderter Umstände sind bei meinen Ableben die
   voraussichtlichen Werte dieser Grundstücke zur Berechnung einer
   gerechten

    Teilung zu berücksichtigen. Der von Wertveränderungen benachteiligte
Erbe
   bestimmt, ob ein Ausgleich in Land oder in Wertschriften erfolgen soll.

    Zur Interpretation des Schenkungsvertrages vom 20. August 1984 zwischen
   mir, meiner Tochter C. und den Kindern meiner Tochter H. ist zu ergänzen
   und klarzustellen:

    Der Schenkungsvertrag vom 20. August 1984 ist im Sinne folgender

    Verdeutlichung zu verstehen:

    - Lit. B, Art. 7 letzter Abschnitt:

    Der überbaubare und überbaute Teil der Parzelle 143 (...) gehören
allein
   meiner Tochter C. S. und dies ohne irgendwelche Ausgleichungspflicht
   ihrer

    Schwester H. M. oder deren Erben gegenüber.

    Es ist immer mein Wille gewesen, dass diese Liegenschaften meiner
Tochter

    C. zum Unterhalt des Schlosses X. allein zukommen sollten. (...).

    - Lit. B, Art. 10:

    Frau H. M. bzw. deren Rechtsnachfolger verständigen sich mit Frau C. S.
   bzw. deren Rechtsnachfolger 15 Jahre nach dem Eintritt des Erbfalles
   über den Wert der im Schenkungsvertrag zugeteilten Parzellen. Falls
   eine Überbaubarkeit dann noch nicht zugelassen wird und das Land in der

    Bauernhofzone verbleibt, soll ein neuer Termin gesetzt werden. Ein
   allfälliger Ausgleich hat unter Berücksichtigung der dann geltenden
   gesetzlichen Bestimmungen und im besonderen der voraussichtlichen
   Überbaubarkeit durch Sachverständige, über die sich meine Erbinnen
   einigen, stattzufinden."

    C.- Mit Klage vom 28. August 1990 haben die fünf Kinder von H. M. das
Begehren gestellt,

    es seien diejenigen Bestimmungen des Testamentes vom

    16. Dezember 1987, die dem Schenkungsvertrag vom 20. August 1984
   entgegenstehen, insbesondere betreffend Ausgleichspflicht der
   Parzelle Nr.

    143 sowie Zeitpunkt der Ausgleichung, als ungültig zu erklären,

    es sei die

    Zuständigkeit der Schätzungskommission gemäss Schenkungsvertrag vom 20.

    August 1984 gerichtlich festzustellen und es sei der
Schätzungskommission
   ein verbindlicher Schätzungsauftrag zu erteilen,

    eventuell sei bei Verletzung des Pflichtteils die einseitigen
Verfügungen
   zu Gunsten der Beklagten auf das erlaubte Mass herabzusetzen,

    diejenigen

    Zuwendungen an die Beklagte, die der Ausgleichungspflicht unterliegen,
   seien auszugleichen,

    der Nachlass des am 5. November 1989 verstorbenen A. E. sel.
   sei gerichtlich zu teilen.

    Mit Urteil vom 10. Juli 1991 hat der Appellationshof des Kantons Bern
das Begehren um Ungültigerklärung des Testaments insofern gutgeheissen,
als dieses abweichend vom Schenkungsvertrag vom 20. August 1984 die
Ausgleichungspflicht für die Parzelle Nr. 143 gegenüber der Schwester
H. M. oder deren Erben aufhebt, und die Ausgleichung für frühestens
15 Jahre nach Eintritt des Erbfalles oder für einen späteren noch zu
bestimmenden Termin anordnet.

    Der Appellationshof hat überdies die Zuständigkeit der
Schätzungskommission festgestellt, den Wert der Liegenschaften Nrn. 116,
143 und 159 zu schätzen und den Ausgleichsbetrag endgültig und für beide
Parteien verbindlich festzulegen. Endlich hat die kantonale Instanz den
Antrag auf Freigabe der Wertschriften, für welche "sub-accounts" bestehen,
zur Zeit abgewiesen.

    D.- Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das
Bundesgericht erklärt.

    Sie beantragt die Aufhebung der Ziff. 2 und 3 des angefochtenen
Urteils sowie die Feststellung, dass die Bestimmungen des Testaments vom
16. Dezember 1987 betreffend die Aufhebung der Ausgleichungspflicht für den
überbaubaren und überbauten Teil der Parzelle Nr. 143 gültig sind. Ferner
ersucht die Beklagte und Berufungsklägerin um die Feststellung, dass die
Schätzungskommission zuständig sei, den Wert der Liegenschaften Nrn. 116
und 159 zu schätzen und den Ausgleichsbetrag endgültig festzulegen.

    Die Kläger schliessen auf Nichteintreten auf die Berufung, eventuell
auf deren Abweisung und Bestätigung des angefochtenen Urteils.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Wie die Vorinstanz zutreffend feststellt, sind Anordnungen über die
Ausgleichung, d.h. die Anordnung der Ausgleichung oder die Befreiung von
der Ausgleichung (Ausgleichungsdispens), Verfügungen von Todes wegen,
weil damit die Grösse der Erbteile beeinflusst wird (vgl. ESCHER,
Zürcher Kommentar III/2, N 47 zu Art. 626 ZGB; TUOR/PICENONI, Berner
Kommentar III/2, N 2 zu Art. 626 ZGB; PIOTET, SPR IV/1, Erbrecht,
S. 344). Eigentlich müssten deswegen die vom Gesetz vorgesehenen
Verfügungsformen (einseitige letztwillige Verfügung - Testament - oder
Erbvertrag) beachtet werden. Gesetz (allerdings nicht besonders klar),
Lehre und Rechtsprechung befreien indessen die Ausgleichungsanordnungen
von den erwähnten Formerfordernissen; diese sind formlos gültig. Es
wird einzig verlangt, dass der in Art. 626 Abs. 2 ZGB vorgesehene
Ausgleichungsdispens - in der Zuwendung selber oder später - ausdrücklich
erfolge (vgl. BGE 69 II 73 E. 2; 68 II 78). Gemäss BGE 76 II 197 muss
allerdings die Bezeichnung einer Zuwendung als Vorbezug in der Zuwendung
selber geschehen. Damit wird die Einfügung der Ausgleichungsanordnung
bzw. des Ausgleichungsdispenses in den Vertrag über die betreffende
Zuwendung ermöglicht, auch wenn dieser Vertrag von den strengen Formen
der letztwilligen Verfügungen befreit ist. Im vorliegenden Fall bedurfte
der Schenkungsvertrag, der Liegenschaften zum Gegenstand hatte, der
öffentlichen Beurkundung (Art. 657 Abs. 1 ZGB; Art. 243 Abs. 2 und 3 OR).
Die die Ausgleichungspflicht der Nachkommen vorsehende Vertragsklausel
hat somit an der gleichen Form teilgenommen. Entgegen der Ansicht der
Vorinstanz war dies aber keine Gültigkeitsvoraussetzung.

    Anordnung der Ausgleichung und Ausgleichungsdispens können
einseitig erfolgen oder, als Teil der Vereinbarung, im (zweiseitigen)
Zuwendungsvertrag enthalten sein (vgl. zum Ganzen ESCHER, Zürcher
Kommentar III/2, N 52 zu Art. 626 ZGB; TUOR/PICENONI, Berner Kommentar
III/2, N 32 zu Art. 626 ZGB; PIOTET, aaO, S. 344 und 349; GUBLER, Die
ausgleichspflichtigen Zuwendungen (Art. 626 ZGB), Diss. Bern 1941, S. 30;
STOUDMANN, L'avancement d'hoirie et sa réduction, Diss. Lausanne 1962,
S. 60; BGE 68 II 81 lässt offen, ob der Erblasser sich vertraglich zum
Erlass der Ausgleichungspflicht binden könne).

    Unter gesetzlichen Erben findet keine Ausgleichung statt, es sei
denn, der Erblasser rechne eine bestimmte Zuwendung an den Erbteil an
(Art. 626 Abs. 1 ZGB). Was die Nachkommen anbetrifft, untersteht nach
Art. 626 Abs. 2 ZGB grundsätzlich der Ausgleichungspflicht alles, was der
Erblasser ihnen als Heiratsgut, Ausstattung oder durch Vermögensabtretung,
Schulderlass oder dergleichen zugewendet hat. Dem Wortlaut von Art. 626
Abs. 2 ZGB ist zu entnehmen, dass die darin enthaltene Aufzählung nicht
erschöpfend ist und dass sie sich auf weitere Arten von Zuwendungen
erstreckt, die den angeführten ähnlich sind (BGE 116 II 673 E. 3; 98 II
357 E. 3a; ESCHER, Zürcher Kommentar III/2, N 34 zu Art. 626 ZGB). In
der Lehre wird teilweise die Auffassung vertreten, auch Schenkungen
seien grundsätzlich auszugleichen (bejahend RÖSLI, Herabsetzungsklage
und Ausgleichung im schweizerischen Zivilgesetzbuch, Diss. Zürich 1935,
S. 84; GUBLER, aaO, S. 57; SCHWENDENER, Die Ausgleichungspflicht der
Nachkommen unter sich und in Konkurrenz mit dem überlebenden Ehegatten,
Diss. Zürich 1959, S. 37; GUISAN, La notion d'avancement d'hoirie aux
articles 527 et 626 du Code civil, in: ZSR 71 (1952), S. 501 ff.; ESCHER,
Zürcher Kommentar III/2, N 19 zu Art. 626 ZGB; verneinend A. J. MÜLLER,
Das Verhältnis von Ausgleichung und Herabsetzung im schweizerischen
Erbrecht, Diss. Bern 1949, S. 33 ff.). In älteren Entscheiden hat das
Bundesgericht die gesetzliche Ausgleichungspflicht für Schenkungen eher
verneint (BGE 77 II 38; 76 II 196; 71 II 76). In BGE 116 II 667 ff. wurde
sie für eine von zwei Grundstück-Schenkungen bejaht und es wurde betont,
sämtlichen in Art. 626 Abs. 2 ZGB angeführten ausgleichungspflichtigen
Verfügungen sei der Ausstattungscharakter gemeinsam.

    Die Frage kann dahingestellt bleiben, denn die Parteien am
Schenkungsvertrag haben die Ausgleichungspflicht im Vertrag ausdrücklich
vorgesehen.

    Für den nachträglichen Erlass der Ausgleichung Nachkommen gegenüber
lassen einige Autoren eine formlose Erklärung nicht genügen; sie verlangen
vielmehr die Form der Verfügung von Todes wegen (in diesem Sinne TUOR,
Berner Kommentar III, 1. A. Bern 1929, N 46 zu Art. 626 ZGB; GUISAN, JdT 90
(1942) I, S. 144; anders nunmehr die herrschende Lehre: ESCHER, Zürcher
Kommentar III/2, N 47 zu Art. 626 ZGB; TUOR/PICENONI, Berner Kommentar
III/2, 2. A. Bern 1964, N 32 und 46 zu Art. 626 ZGB, für welche die
nachträgliche Anordnung des Dispenses wohl formlos, aber nur ausdrücklich
zulässig ist; PIOTET, aaO, S. 351). Dazu braucht im vorliegenden Fall
nicht erneut Stellung genommen zu werden, denn der Erblasser hat den
nachträglichen Erlass der Ausgleichung der Berufungsklägerin gegenüber
in die Form des öffentlich beurkundeten Testaments gekleidet.

    Ist die Anordnung der Ausgleichung in dem mit dem Empfänger der
Zuwendung und mit ihm allein abgeschlossenen Vertrag enthalten, ist
nicht anzunehmen, der Erblasser habe sich damit verpflichten wollen, den
Ausgleichungsverpflichteten nicht nachträglich von der Ausgleichung zu
dispensieren, d.h. ihn zu begünstigen (vgl. PIOTET, aaO, S. 349). Dies ist
aber im vorliegenden Fall ohne Belang, denn die streitige Frage lautet,
ob die in einem Vertrag mit sämtlichen Erben verfügte bzw. vereinbarte
Anordnung der Ausgleichung nachträglich gegenüber einem einzigen Erben
widerrufen und rückgängig gemacht werden könne.

Erwägung 5

    5.- Die entscheidende Frage geht somit dahin, ob die vertragliche
Anordnung die Vertragsparteien und in erster Linie den Erblasser bindet
oder ob sie, obwohl als Vertragsklausel vereinbart, den Charakter
einer einseitigen Verfügung beibehält (dieselbe Frage stellt sich beim
Erbvertrag, vgl. BGE 96 II 281 E. 3 mit Hinweisen). Wie es sich im
Einzelfall verhält, ist Sache der Auslegung: hängt die Verfügung mit
dem Vertragstext innerlich zusammen, besteht die Vermutung für deren
Vertragscharakter (BGE 70 II 11).

    GUISAN (aaO, S. 489 ff., namentlich S. 498 Ziff. 16) verneint
die Möglichkeit, den Erblasser durch eine vertragliche Klausel im
Zuwendungsgeschäft (Schenkung), welche den Erlass der Ausgleichung
vorsieht, zu binden. Das liefe auf die Vereinbarung eines erbrechtlichen
Anspruchs, eines Vorvermächtnisses hinaus, die nur in der Form des
Erbvertrages möglich wäre. Werde diese Form nicht eingehalten, bleibe
der im Schenkungsvertrag vereinbarte Ausgleichungsdispens eine Verfügung
von Todes wegen, die einseitig widerruflich sei.

    Der Auffassung GUISANS betreffend die Bindung des Erblassers
ist STOUDMANN (aaO, namentlich S. 60-62 unter Hinweis auf
PIOTET) entgegengetreten: Ein im Zuwendungsgeschäft vereinbarter
Ausgleichungsdispens könne nicht vom Erblasser nachträglich und einseitig
widerrufen werden. Möglich sei dagegen, im Sinne einer weiteren Zuwendung,
die nachträgliche Gewährung des Dispenses, wenn im Zuwendungsgeschäft
die Ausgleichung vereinbart worden sei.

    PIOTET, (La réduction des donations entre vifs en cas d'ordonnance
ou de dispense de rapport, in: ZSR 90 (1971) I, S. 19 ff., namentlich
S. 26-28) hat die Fallgruppen klar umschrieben und auseinandergehalten: Der
im Zuwendungsgeschäft (Schenkungsvertrag) enthaltene Ausgleichungsdispens
ist, Beweis des Gegenteils vorbehalten, vertraglich und zweiseitig. Er
liegt im Interesse des Beschenkten und hat somit für sich die Vermutung
der Zweiseitigkeit. Die Ausgleichungsanordnung ist dagegen in der Regel
einseitig, denn der Erblasser kann sich seinem Gegenkontrahenten,
dem Ausgleichungsschuldner, gegenüber kaum verpflichten wollen, die
Ausgleichungspflicht aufrechtzuerhalten. Vertraglich und zweiseitig
wird die Ausgleichungsanordnung, wenn der Ausgleichungsgläubiger
(d.h. derjenige Erbe, in dessen Interesse die Aufrechterhaltung der
vertraglichen Anordnung liegt) Vertragspartei ist und der Erblasser
ihm gegenüber eine vertragliche Bindung eingeht, zum Beispiel, wenn der
Erblasser mit seinen beiden Nachkommen einen Schenkungsvertrag abschliesst
und gleichzeitig vereinbart, dass die Schenkungen zur Ausgleichung zu
bringen sind. Auf die Abänderung einer vertraglichen und zweiseitigen
Ausgleichungsanordnung sind mutatis mutandis die Art. 513-516 ZGB
anwendbar, wobei aber die Formvorschriften entfallen.

    Der gleiche Autor hat diese Darstellung im SPR IV/1, Erbrecht,
S. 349-350 übernommen und bestätigt. Seiner Auffassung haben sich
TUOR/SCHNYDER, Das schweiz. ZGB, 10. A., S. 537 N 6, und DRUEY,
Grundriss des Erbrechts, 2. A. Bern 1988, § 7 N 50, ausdrücklich
angeschlossen. Sie trägt der Rechtsnatur, aber auch der Formfreiheit der
Anordnungen des Erblassers über die Ausgleichungspflicht sowie den mit
mehreren Erben, von denen am Ende nur einige Ausgleichungsgläubiger
sind, eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen angemessen
Rechnung; es ist ihr beizupflichten. WIDMER (Grundfragen der
erbrechtlichen Ausgleichung, Diss. Bern 1971, S. 120 ff.), welcher der
Heranziehung obligationenrechtlicher Grundsätze bei der Beurteilung von
Ausgleichungsanordnungen des Erblassers ablehnend gegenübersteht (vgl. dazu
PIOTET, SPR IV/1, S. 350), anerkennt (aaO, S. 123 und N 38), dass sich
der Erblasser durch eine zweiseitige Vereinbarung erbvertraglicher
Natur unwiderruflich verpflichten könnte, keine weiteren letztwilligen
Anordnungen über die Ausgleichung zu treffen. Namentlich wäre es dem
Erblasser unbenommen, gegenüber einem Miterben des Zuwendungsempfängers
die Verpflichtung einzugehen, die Ausgleichung nicht zu erlassen. Im
übrigen betont auch WIDMER (aaO, S. 120 ff.) die Formlosigkeit der
Ausgleichungsanordnung.

Erwägung 6

    6.- Es bleibt somit nur noch zu prüfen, ob die im konkreten
Fall eingegangene Verpflichtung, die beiden Schenkungen als
ausgleichungspflichtig zu erklären, für sämtliche Vertragsparteien und
insbesondere für den Erblasser als bindend gewollt war.

    Mit Recht weist die Vorinstanz darauf hin, dass die Zusammenlegung der
beiden Schenkungen in einer einzigen öffentlichen Urkunde den Willen aller
Vertragsparteien offenbaren sollte, zum Zwecke der - übrigens vom Gesetz
angestrebten - Gleichbehandlung der Nachkommen bzw. der hier vertretenen
Erbenstämme, den Vertrag als einheitliches Ganzes zu betrachten. Damit
besteht auch der von der Rechtsprechung verlangte innere Zusammenhang
zwischen den Schenkungen und den übrigen Bestimmungen, einschliesslich
der Ausgleichungsanordnung (vgl. BGE 96 II 281; 70 II 11 betreffend
Erbverträge). Dass diese Anordnung nur im gegenseitigen Einvernehmen
und durch eine von den gleichen Vertragsparteien zustande zu bringende
Vereinbarung (actus contrarius) hätte aufgehoben oder abgeändert
werden können, hat die Vorinstanz aber auch aus gewissen Indizien
abgeleitet. So hat sie auf die Bemühungen zum Abschluss eines Nachtrages
zum Schenkungsvertrag, auf die Auffassung des damals verurkundenden Notars,
dass die im Schenkungsvertrag vereinbarte Ausgleichung sich nur durch
eine von den gleichen Vertragsparteien abzuschliessende neue Vereinbarung
abändern lasse sowie auf den, nach der Vorinstanz nicht ganz zufälligen,
Wechsel des Notars verwiesen. Die Feststellung dieser Indizien bindet das
Bundesgericht im Berufungsverfahren; sie bindet es indessen auch, soweit
daraus auf den inneren Willen der Vertragsparteien geschlossen wird, im
Gegensatz zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens auf Grund einer
objektiven Vertragsauslegung, die Rechtsfrage ist (BGE 116 II 263 E. 5a;
115 II 329 E. 2b).

    Ist infolgedessen davon auszugehen, die im Testament einseitig
verfügte Befreiung der Berufungsklägerin von der Ausgleichungspflicht
stehe in Widerspruch zu den vom Erblasser im Schenkungsvertrag gegenüber
beiden Nachkommen eingegangenen Verpflichtungen, hat die Vorinstanz in
analoger Anwendung von Art. 513 Abs. 1 ZGB die streitige testamentarische
Bestimmung zu Recht als ungültig erklärt.