Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 II 27



118 II 27

5. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. Februar 1992
i.S. K. gegen K.-Z. (Berufung) Regeste

    Beweislastverteilung bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung
(Art. 8, 170, 200 und 208 ZGB).

    1. Art. 200 ZGB behandelt nicht die Frage, wen die Beweislast trifft,
wenn streitig ist, ob ein Vermögenswert im Zeitpunkt der Auflösung des
Güterstandes überhaupt noch vorhanden war oder nicht. Hier ist vielmehr
Art. 8 ZGB anwendbar (E. 2).

    2. Wer die Hinzurechnung nach Art. 208 ZGB geltend macht, hat
nicht nur nachzuweisen, dass dem andern Ehegatten der entsprechende
Vermögenswert zu einem bestimmten Zeitpunkt gehört hat, sondern auch,
was damit geschehen ist. Weder aus Art. 170 noch aus Art. 208 ZGB ergibt
sich eine Umkehr der Beweislast (E. 3).

    3. Sind die Voraussetzungen von Art. 208 ZGB nicht nachgewiesen,
so entsteht keine güterrechtliche Ersatzforderung, wenn Errungenschaft
in ehewidriger Weise verwendet worden ist (E. 4).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Obergericht hatte für die güterrechtliche Auseinandersetzung
einen Betrag von Fr. 30'000.-- zur Errungenschaft hinzugerechnet, der aus
dem Verkauf einer zur Errungenschaft gehörenden Liegenschaft stammte. Darin
erblickt der Beklagte eine Bundesrechtsverletzung.

    Gemäss Art. 207 Abs. 1 ZGB sind Errungenschaft und Eigengut jedes
Ehegatten nach ihrem Bestand im Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes
auszuscheiden. In die Vorschlagsberechnung sind somit grundsätzlich nur
jene Vermögenswerte einzubeziehen, welche die Ehegatten im Zeitpunkt der
Auflösung des Güterstandes gehabt haben, auch wenn für die Bewertung ein
anderer Zeitpunkt massgebend ist, nämlich jener, zu dem die güterrechtliche
Auseinandersetzung abgeschlossen wird (Art. 214 Abs. 1 ZGB). Wer somit
eine Beteiligungsforderung geltend macht, hat nachzuweisen, dass die
entsprechenden Vermögenswerte zum Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes
vorhanden gewesen sind (Art. 8 ZGB). Daran ändern auch die besondern
im Güterrecht enthaltenen Beweislastregeln nichts. Art. 200 Abs. 3 ZGB
bestimmt, dass bei der Errungenschaftsbeteiligung die Zugehörigkeit
eines Vermögenswertes zur Errungenschaft vermutet wird, solange nicht
die Zugehörigkeit zum Eigengut bewiesen ist. Nach dem ersten Absatz der
gleichen Bestimmung ist zudem Miteigentum unter den Ehegatten anzunehmen,
wenn nicht die alleinige Berechtigung des einen oder andern Ehegatten
nachgewiesen ist. Dieser Artikel behandelt jedoch nicht die Beweislast,
wenn streitig ist, ob ein bestimmter Vermögenswert überhaupt vorhanden
gewesen ist oder nicht, so dass diesbezüglich wiederum auf Art. 8 ZGB
zurückzugreifen ist (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, 1992,
N 16 zu Art. 200 ZGB; LEMP, Berner Kommentar, 1968, N 3 zu Art. 196 aZGB).

Erwägung 3

    3.- Das Obergericht hat nun aber aus Art. 170 und 208 ZGB geschlossen,
es müsse genügen, wenn ein Ehegatte beweise, dass ein Errungenschaftswert
einmal vorhanden gewesen sei. Dann sei es nämlich am andern Ehegatten
nachzuweisen, wofür er ihn verwendet habe, um den Verdacht zu entkräften,
dass er die fraglichen Vermögenswerte im Sinne von Art. 208 ZGB verwendet
oder zu seinen Gunsten verschwinden lassen habe. Diese Umkehr der
Beweislast lässt sich aber weder Art. 170 ZGB noch Art. 208 ZGB entnehmen.

    a) Wohl sieht Art. 170 ZGB eine umfassende, gegenseitige
Auskunftspflicht der Ehegatten in wirtschaftlichen Belangen vor,
die - soweit dies für das Beurteilen und Geltendmachen von Ansprüchen
nötig ist - vom Richter auch durchgesetzt werden kann. Dass im Rahmen
der güterrechtlichen Auseinandersetzung ein Anspruch darauf besteht,
Auskunft über den Verbleib von Errungenschaftswerten im einzelnen zu
erhalten, kann nicht bestritten werden. Eine Beschränkung auf allgemeine
Auskünfte rechtfertigt sich nur ausserhalb eines konkreten Rechtsstreites
(vgl. DESCHENAUX/STEINAUER, Le nouveau droit matrimonial, Bern 1987,
S. 121). Es besteht deshalb durchaus ein Anspruch, gegebenenfalls
im einzelnen und genau über die Verwendung jedes Betrages Auskunft
zu erhalten. Allerdings ist kein Ehegatte verpflichtet, alle Belege
aufzubewahren, um in einem späteren Rechtsstreit lückenlos Auskunft über
deren Verbleib geben zu können. Er ist aber nicht berechtigt, mit seinem
Wissen und mit vorhandenen Belegen im Streitfall zurückzuhalten.

    Kommt ein Ehegatte seiner Auskunftspflicht nicht freiwillig nach,
so kann der andere neben der Auflösung des Güterstandes (Art. 185
Abs. 2 Ziff. 4 ZGB) beim Richter die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs
verlangen. Dem Richter stehen die Anordnung von Ungehorsamsstrafe nach
Art. 292 StGB und die vom kantonalen Recht vorgesehenen Zwangsmittel
zur Verfügung, wenn der Ehegatte auch vor Gericht die Auskunft
verweigert. Zudem ist analog zu Art. 581 Abs. 2 ZGB eine Haftung für den
durch die Verweigerung entstandenen Schaden denkbar, sofern ein solcher
nachgewiesen werden kann (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Kommentar Eherecht,
Bern 1988, N 25 zu Art. 170 ZGB). Eine Auskunftsverweigerung kann der
Richter schliesslich auch bei der Beweiswürdigung berücksichtigen. Das
bedeutet aber nicht, dass sie zu einer Umkehr der Beweislast führt. Die
Auskunftsverweigerung kann nur zur Folge haben, dass das Gericht die
Überzeugung gewinnt, die Behauptungen des die Auskunft verweigernden
Ehegatten seien ganz oder teilweise falsch beziehungsweise dass es den
Angaben des andern Ehegatten glaubt.

    b) Gemäss Art. 208 Abs. 1 ZGB sind Errungenschaftswerte, die im
Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes nicht mehr vorhanden sind, unter
bestimmten Voraussetzungen zur Errungenschaft hinzuzurechnen. Aus Art. 8
ZGB folgt, dass jener Ehegatte, der die Hinzurechnung verlangt, deren
Voraussetzungen beweisen muss. Namentlich hat der anspruchsberechtigte
Ehegatte nachzuweisen, dass der andere eine unentgeltliche Zuwendung in
den letzten fünf Jahren vor Auflösung des Güterstandes gemacht hat oder
die Vermögensentäusserung erfolgt ist, um den Beteiligungsanspruch des
andern Ehegatten zu schmälern (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar,
N 66 zu Art. 208 ZGB). Auch diese Bestimmung erlaubt es somit nicht,
einen bestimmten Vermögenswert zur Errungenschaft hinzuzurechnen, bloss
weil er einmal zu dieser gehört hat.

Erwägung 4

    4.- Die Klägerin will in der Berufungsantwort allerdings die
Ausführungen des Obergerichts nicht im Sinne einer Umkehr der Beweislast
verstanden wissen. Sie geht vielmehr davon aus, das Obergericht habe in
Würdigung des Parteiverhaltens als bewiesen angesehen, dass der Beklagte
noch immer im Besitz des fraglichen Geldbetrages sei oder ihn zu seinem
ausschliesslichen Nutzen verwendet habe.

    a) Das Urteil des Obergerichts kann indessen nicht in diesem Sinne
verstanden werden. Die Vorinstanz führt wörtlich aus: "Gelingt daher
dem Anspruchsberechtigten, wie hier der Klägerin, der Nachweis, dass zu
einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Vermögenswert der Errungenschaft
bestanden hat, so hat der Anspruchsverpflichtete demgegenüber nachzuweisen,
wofür er ihn verwendet hat, um den Verdacht zu entkräften, dass er die
fraglichen Vermögenswerte im Sinne von Art. 208 Abs. 1 ZGB verwendet hat
oder gar zu seinen Gunsten verschwinden liess." Deutlicher liesse sich eine
Umkehr der Beweislast kaum umschreiben. Zudem wird dann auch festgehalten:
"Es liegt daher der Schluss nahe, dass er den Betrag von Fr. 30'000.--
entweder zu seinem ausschliesslichen Nutzen verwendet hat, was zu einem
entsprechenden Ersatzanspruch der Errungenschaft führen würde, oder dass
er heute noch im Besitz dieses Geldes ist." Als Tatsachenfeststellung
kann es aber nicht genügen auszuführen, es liege ein bestimmter Schluss
nahe. Vielmehr muss der Sachrichter dartun, dass er diesen Schluss auch
wirklich zieht, was das Obergericht nicht getan hat. Indessen braucht die
Frage, ob darin eine das Bundesgericht bindende Sachverhaltsfeststellung
zu sehen ist, nicht abschliessend beurteilt zu werden, da die Berufung
auch diesfalls gutzuheissen wäre.

    b) Das Obergericht hält nämlich zwei Sachverhaltsvarianten für
möglich. Entweder sei der Vermögenswert noch vorhanden oder der Ehemann
habe ihn zu seinem ausschliesslichen Nutzen verwendet. Letzterenfalls
nimmt das Obergericht eine Ersatzforderung der Errungenschaft an,
was zur Folge habe, dass der Vermögenswert dem Betrage nach bei der
Vorschlagsberechnung berücksichtigt werden müsse, obgleich er nicht
mehr vorhanden sei. Das Obergericht verkennt dabei, dass jeder Ehegatte
seine Errungenschaft innerhalb der gesetzlichen Schranken frei nutzen
und frei darüber verfügen kann (Art. 201 Abs. 1 ZGB). Kein Ehegatte
ist verpflichtet, Errungenschaft zu bilden. Jeder Ehegatte ist auch
grundsätzlich berechtigt, ersparte Errungenschaft zu verbrauchen, solange
er dadurch nicht seine Pflicht verletzt, an den Unterhalt der Familie
beizutragen (vgl. DESCHENAUX/STEINAUER, S. 305). Wird Errungenschaft
in ehewidriger Weise verwendet, liegt insbesondere ein Verstoss gegen
die Treue- und Beistandspflicht vor, so kann das scheidungsrechtliche
Wirkungen haben. Indessen hat dies nur unter den im Gesetz vorgesehenen
Voraussetzungen auch güterrechtliche Folgen. Entgegen der Ansicht des
Obergerichts kann sich deshalb aus der Annahme, der Ehemann habe den
fraglichen Betrag ausschliesslich für seine eigenen Bedürfnisse verwendet,
kein Ersatzanspruch der Errungenschaft ergeben, der es ermöglichte,
den verbrauchten Betrag bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung noch
zu berücksichtigen.