Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 II 172



118 II 172

35. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Februar 1992
i.S. G. & Cie. AG und 1 Mitbeteiligter gegen Landwirtschaftsdirektion
des Kantons Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Einspruch gegen den Kaufvertrag über landwirtschaftliche Liegenschaften
(Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG).

    Wer über den ausgewiesenen Bedarf hinaus landwirtschaftliches Land
erwirbt, handelt - unabhängig davon, welche Absicht diesem Erwerb zugrunde
liegt oder welchem Zweck er dient - den Zielen des Bundesgesetzes über
die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes zuwider (E. 1).

    Güteraufkauf liegt im vorliegenden Fall vor, wo ein Grundeigentümer,
der bereits über 3 ha in der Landwirtschaftszone gelegenes Land
verfügt, für verlorengehende Bewirtschaftungsfläche weitere 2 ha
landwirtschaftliches Land zugekauft hat (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Die G. & Cie. AG hatte durch Kaufvertrag vom 27. Oktober 1989
von Sch. vier landwirtschaftliche Liegenschaften im Halte von 225,5
a zum Preis von Fr. 600'000.-- erworben. Hiegegen erhob das Kantonale
Bodenamt Einspruch, der vom Direktor der Landwirtschaft des Kantons Bern
bestätigt wurde.

    Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die von der Käuferin
und vom Verkäufer erhobene Beschwerde ab; und auch das Bundesgericht wies
die in der Folge bei ihm eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab,
soweit es darauf eintrat.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gegen Kaufverträge über landwirtschaftliche Liegenschaften kann
gemäss Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG namentlich Einspruch erhoben werden, wenn
der Käufer die Liegenschaft offensichtlich zum Zwecke des Güteraufkaufs
erwirbt. Güteraufkauf liegt vor, falls über den ausgewiesenen Bedarf
hinaus landwirtschaftliches Land gekauft wird (BGE 115 II 379 E. 8c).

    Der Bedarf ist nicht erst in diesem jüngsten veröffentlichten
Entscheid des Bundesgerichts, sondern in der Rechtsprechung seit jeher
als ein bestimmendes Merkmal dafür betrachtet worden, ob Güteraufkauf
(accaparement, accaparramento) vorliege oder nicht; und er ist denn auch in
der Begriffsumschreibung des Güteraufkaufs stets besonders erwähnt worden
(BGE 95 I 187 E. 3, 92 I 322 E. 3, 83 I 316). Selbst wenn der Hauptakzent
- einleitend auch noch in BGE 115 II 378 E. 8a - auf die den romanischen
Gesetzestexten entnommene Absicht des Käufers gelegt worden sein mag und
daher zusätzlich gesagt worden ist, der Käufer müsse über seinen Bedarf
hinaus "möglichst viele" landwirtschaftliche Güter zusammenkaufen wollen,
so ist doch das Kriterium des Bedarfes auschlaggebend geblieben. Der
Gedanke des Bedarfes findet seinen Ausdruck überdies in Art. 19 Abs. 1
lit. b EGG, wonach Einspruch erhoben werden kann, wenn der Käufer bereits
Eigentümer so vieler landwirtschaftlicher Liegenschaften ist, dass sie
ihm und seiner Familie eine auskömmliche Existenz bieten. Wenn in BGE
115 II 379 E. 8c als wesentliches Merkmal des Güteraufkaufs allein die
Tatsache bezeichnet worden ist, dass über den ausgewiesenen Bedarf hinaus
landwirtschaftliches Land erworben werde, so ist dadurch der Begriff des
Güteraufkaufs nicht neu oder anders umschrieben worden. Vielmehr ist
nur klarer als früher herausgearbeitet worden, worauf es bereits nach
der bisherigen Rechtsprechung entscheidend angekommen ist: Schon wer
über den ausgewiesenen Bedarf hinaus landwirtschaftliches Land erwirbt,
handelt - unabhängig davon, welche Absicht (vgl. den französischen und den
italienischen Gesetzestext) diesem Erwerb zugrunde liegt oder welchem Zweck
(vgl. den deutschen Gesetzestext) er dient - den in Art. 1 umschriebenen
Zielen des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes
zuwider, das den bäuerlichen Grundbesitz als Träger eines gesunden und
leistungsfähigen Bauernstandes schützen will.

Erwägung 2

    2.- Daraus erhellt, dass mit BGE 115 II 378 f. keine "Wende"
in der Rechtsprechung des Bundesgerichts eingetreten ist, wie dies
die Beschwerdeführer darzustellen versuchen, die den Entscheid zudem
als nicht verständlich bezeichnen und sagen, er sei mit dem Gesetz
nicht mehr in Einklang zu bringen. Die Rechtsprechung braucht deshalb
nicht überdacht zu werden, und es muss auch nicht auf die Vorbringen
der Beschwerdeführer weiter eingegangen werden, die auf der Prämisse
fussen, dass an dem erwähnten Bundesgerichtsentscheid nicht festgehalten
werden könne. Davon, dass der Güteraufkauf - wie es das Gesetz verlangt -
offensichtlich sein müsse, ist das Bundesgericht nie abgegangen. Indessen
ist die Offensichtlichkeit regelmässig gegeben, wenn in einem Umfang
landwirtschaftliches Land erworben wird, der deutlich über den Richtschnur
bildenden Bedarf des Käufers hinausgeht.

    Der Auffassung des Bundesamtes für Justiz, es müsse bei der
Gesetzesauslegung dem enormen Wandel in den landwirtschaftlichen
Strukturen seit Erlass des Bundesgesetzes über die Erhaltung des
bäuerlichen Grundbesitzes im Jahr 1952 wie auch der hängigen Revision des
bäuerlichen Bodenrechts Rechnung getragen werden, wonach für den Erwerb
landwirtschaftlicher Grundstücke das Arrondierungsprinzip gelte, kann nicht
gefolgt werden. Neues Recht wird erst mit seinem Inkrafttreten wirksam, so
dass es grundsätzlich ausgeschlossen ist, schon vorher direkt oder indirekt
darauf abzustellen. Zwischen dem geltenden Bundesgesetz über die Erhaltung
des bäuerlichen Grundbesitzes und dem Entwurf eines Bundesgesetzes über
das bäuerliche Bodenrecht (BBl 1988 III, S. 1108 ff.) bestehen in der
Umschreibung der Gründe und der Voraussetzungen des Einspruchs ausserdem
grundlegende Unterschiede, die auch materiell das vom Bundesamt für
Justiz angeregte Vorgehen als unzulässig erscheinen lassen. So ist im
Entwurf namentlich der Einsprachegrund des Güteraufkaufs fallengelassen
worden; und für die Zulässigkeit der Aufstockung landwirtschaftlichen
Grundeigentums wird nicht mehr, wie in Art. 19 Abs. 1 lit. b EGG, die
"auskömmliche Existenz" einer bäuerlichen Familie massgeblich sein, sondern
- wesentlich weiter gehend - deren "überdurchschnittlich gute Existenz".

Erwägung 3

    3.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hat, zumal die
Beschwerdeführer insoweit keine Rüge im Sinne von Art. 105 Abs. 2
OG erheben, für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass die
G. & Cie. AG für die Erweiterung ihrer Lagerbetriebe rund 90 a in der
Industriezone gelegenes Kulturland benötigt, welches als Teil des ihr
gehörenden Mangehofes verpachtet ist, und dass sie zum Ausgleich für die
dem Pächter des Mangehofes dadurch verlorengehende Bewirtschaftungsfläche
von Sch. über 2 ha landwirtschaftliches Land zugekauft hat, selber jedoch
bereits über weiteres in der Landwirtschaftszone gelegenes Land von gegen
3 ha verfügt.

    Daraus ergibt sich, dass der Zukauf von landwirtschaftlichem Land
durch den Kaufvertrag, gegen welchen vom Kantonalen Bodenamt Einspruch
erhoben worden ist, den ausgewiesenen Bedarf der G. & Cie. AG eindeutig
übersteigt. Nach der von der Rechtsprechung gegebenen Begriffsumschreibung
(oben E. 1) liegt daher ein offensichtlicher Fall von Güteraufkauf
vor. Da es - wie dargelegt - auf die Motive des Grundstückerwerbs nicht
ankommt, ist das, was die Beschwerdeführer diesbezüglich vorbringen,
unbehelflich; und es erübrigt sich deshalb auch, entsprechend dem Antrag
der Beschwerdeführer die Sachverhaltsfeststellungen zu ergänzen. Wie
das Verwaltungsgericht in seiner Vernehmlassung zutreffend bemerkt,
wäre es unverständlich, wenn sich ein Landwirt bei Arrondierung seines
Heimwesens nach Massgabe von Art. 19 Abs. 1 lit. b EGG die an Dritte
verpachteten landwirtschaftlichen Grundstücke anrechnen lassen müsste,
ein Nichtlandwirt aber keiner derartigen Einschränkung unterläge.