Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 II 115



118 II 115

25. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. Mai 1992 i.S. B.
gegen W. und Mitbeteiligte sowie Grundbuchamt X und Obergericht des
Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Grundbuchämter
und Notariate (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Grundbuchrecht.

    Ein selbständiges und dauerndes Baurecht kann nicht wie ein
eigentliches Grundstück derelinquiert werden, mit der Folge, dass es im
Grundbuch als herrenlos zu bezeichnen wäre.

Sachverhalt

    A.- Mit Vertrag vom 4. September 1989 schlossen Frieda W.
sowie Claire, Conrad, Martin und Jörg G. mit Werner B. einen Vertrag,
mit welchem sie diesem ein selbständiges und dauerndes Baurecht an
der Liegenschaft Kat. Nr. 12795 in X. einräumten. Es wurde eine Dauer
des Baurechts bis 31. Dezember 2055 vereinbart. Zur Sicherung des
Baurechtszinses wurde der Bauberechtigte verpflichtet, zugunsten der
Grundeigentümer ein Grundpfandrecht im Sinne von Art. 779i und k ZGB
in Form einer Grundpfandverschreibung (Maximalhypothek) in der Höhe von
Fr. 2'000'000.--, haftend im alleinigen ersten Rang auf dem als Grundstück
im Grundbuch aufzunehmenden Baurecht, zu bestellen. Der Baurechtsvertrag
wurde am Tag seines Abschlusses öffentlich beurkundet und zum Vollzug im
Grundbuch angemeldet.

    B.- Mit Eingabe vom 20. März 1991 an das Grundbuchamt X. erklärte
Werner B. den Verzicht auf das Baurecht und ersuchte um Streichung
als dessen Eigentümer sowie um Schliessung des entsprechenden
Grundbuchblattes. Gleichzeitig stellte er gestützt auf den Verzicht das
Begehren um Berichtigung des Grundbuchs durch Löschung der die Liegenschaft
Kat. Nr. 12795 belastenden Baurechtsdienstbarkeit. Das Grundbuchamt wies
diese Anmeldung mit Verfügung vom 22. März 1991 ab. Es erwog einerseits,
Voraussetzung für die Löschung der Baurechtsdienstbarkeit sei, dass die
Personen, die an dem als Grundstück ins Grundbuch aufgenommenen Baurecht
dinglich berechtigt seien, auf ihr Recht verzichtet hätten (Art. 964
ZGB); ein solcher Verzicht der Gläubiger der Grundpfandverschreibung
über Fr. 2'000'000.--, haftend an 1. Pfandstelle auf dem Baurecht,
liege aber nicht vor. Anderseits habe der Verzicht auf das Eigentum an
einem Grundstück bedingungslos zu erfolgen; aus der Grundbuchanmeldung
sei aber nicht ersichtlich, ob der Verzicht auf das Eigentum am Baurecht
unabhängig vom Vollzug der übrigen Begehren im Grundbuch einzutragen sei.

    Gegen diese Verfügung erhob Werner B. am 24. April 1991 Beschwerde
an das Bezirksgericht Uster als untere Aufsichtsbehörde über die
Grundbuchämter mit dem Antrag, sie sei aufzuheben und die von ihm
am 20. März 1991 abgegebene Grundbuchanmeldung sei unverweilt zu
vollziehen. Gleichentags sandte er eine modifizierte Grundbuchanmeldung
an das Grundbuchamt X., mit welcher er nur noch verlangte, das
Grundstück (Baurecht) sei in der Kolonne "Eigentum" als herrenlos zu
bezeichnen, wobei das Grundbuchblatt aber noch nicht geschlossen werden
müsse. Mit Verfügung vom 30. April 1991 wies das Grundbuchamt diese
Grundbuchanmeldung ebenfalls ab, wogegen Werner B. wiederum Beschwerde
an das Bezirksgericht Uster erhob. Mit Beschlüssen vom 19. September
1991 wies das Bezirksgericht beide Beschwerden ab. Es nahm an, dass das
Grundbuchamt für die Löschung der Baurechtsdienstbarkeit zu Recht die
Zustimmung der aus der Grundbuchpfandverschreibung Berechtigten verlangt
habe. Sodann sei eine Dereliktion an den in das Grundbuch aufgenommenen
selbständigen und dauernden Rechten nicht möglich.

    Ein gegen diese beiden Beschlüsse erhobener Rekurs wurde vom
Obergericht des Kantons Zürich als obere Aufsichtsbehörde über die
Grundbuchämter mit Entscheid vom 27. November 1991 abgewiesen.

    C.- Gegen diesen Entscheid hat Werner B. Verwaltungsgerichtsbeschwerde
an das Bundesgericht erhoben, mit dem Antrag, die Grundbuchanmeldungen
vom 20. März und 24. April 1991 seien unverweilt zu vollziehen. Die
Beschwerdegegner beantragen die Abweisung der Beschwerde, während
das Obergericht und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement
unter Verweisung auf die Begründung des angefochtenen Entscheids auf
Vernehmlassung verzichtet haben.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gegenstand der Beschwerde kann nur die Grundbuchanmeldung vom
24. April 1991 bilden, mit welcher der Beschwerdeführer beantragte, das
Baurecht sei in der Kolonne "Eigentümer" als herrenlos zu bezeichnen. Die
Vorinstanz hat dazu ausgeführt, das Baurecht stelle nach einhelliger
Auffassung eine Dienstbarkeit dar. Zwar seien die in das Grundbuch
aufgenommenen selbständigen und dauernden Rechte gemäss Art. 655 Abs. 2
ZGB Grundstücke. Da solche Rechte, auch wenn sie ein eigenes Blatt im
Grundbuch erhielten, Rechte blieben und nicht körperliche Gegenstände
würden, könnten sie indessen nicht wirkliche Objekte des Grundeigentums
bilden. Das Baurecht sei daher kein Grundstück im eigentlichen Sinne,
sondern es werde lediglich in bestimmter Hinsicht wie ein solches
behandelt. Der Verzicht auf das Baurecht entspreche demzufolge nicht
der Dereliktion von Grundeigentum; die Dienstbarkeit werde dadurch
nicht zu einer herrenlosen Sache, an der die beschränkten dinglichen
Rechte weiterbestünden. Herrenlos werde nur eine Sache, nicht etwas,
das gar nicht Eigentumsobjekt sein könne. Das Baurecht gehe nach den
für die Dienstbarkeiten geltenden Grundsätzen unter. Danach könne der
Bauberechtigte zwar auf sein Recht verzichten und die Schliessung des
eröffneten Grundbuchblattes verlangen. Ein solcher Verzicht setze aber
gemäss Art. 964 ZGB die Zustimmung der Berechtigten aus den am Baurecht
bestehenden beschränkten dinglichen Rechten voraus, an der es hier
fehle. Diese Begründung überzeugt. Es kann darauf verwiesen werden. Was der
Beschwerdeführer dagegen vorbringt, beschränkt sich auf das Argument, dass
das Baurecht, obwohl es keine körperliche Sache, sondern eine Dienstbarkeit
darstelle, mit seiner Aufnahme im Grundbuch rechtlich zum Grundstück
werde. Für die Übertragung des Rechts, für die Belastung mit beschränkten
dinglichen Rechten und für den Untergang seien daher ausschliesslich die
Bestimmungen über das Grundeigentum massgebend. Da das Baurecht demnach
sehr wohl Objekt des Eigentums sei, könne das Eigentumsrecht daran auch
durch Dereliktion aufgegeben werden. Diese Betrachtungsweise bleibt jedoch
am Wortlaut von Art. 655 Abs. 2 ZGB kleben. Danach "sind" zwar Grundstücke
im Sinne des Gesetzes unter anderem auch die in das Grundbuch aufgenommenen
selbständigen und dauernden Rechte. Es ist jedoch längst anerkannt,
dass die selbständigen und dauernden Rechte durch diese gesetzgeberische
Fiktion nicht zu Grundstücken, d.h. zu Sachobjekten, an denen Eigentum
begründet werden könnte, gemacht werden und dass die Bestimmungen über die
Grundstücke demgemäss auf sie nur analog angewendet werden können, indem
den Besonderheiten ihres Charakters als Dienstbarkeitsrechte Rechnung
getragen wird (vgl. neben den im angefochtenen Entscheid zitierten
Autoren auch MEIER-HAYOZ, N. 5 zu Art. 655 ZGB; LIVER, Das Eigentum,
in: Schweiz. Privatrecht, Bd. V/1, S. 123). Dereliktion (und Aneignung)
ist aber nur an körperlichen Sachen möglich, nicht auch an Rechten.
Damit ist der Argumentation des Beschwerdeführers der Boden entzogen.