Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 III 62



118 III 62

19. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 12. März
1992 i.S. Pahlavi (Rekurs) Regeste

    Arrestierung eines Anteils an einer unverteilten Erbschaft; Arrestort.

    Der Anteil eines im Ausland wohnenden Schuldners an einer im Ausland
gelegenen unverteilten Erbschaft kann in der Schweiz nicht mit Arrest
belegt werden, auch wenn ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück in der
Schweiz liegt.

Sachverhalt

    A.- Zur Sicherung einer Forderung aus Arbeitsvertrag von Fr.
213'795.-- (nebst Zins) strengte der Gläubiger, der in den Diensten
von Reza Pahlavi und zuvor in den Diensten von dessen Vater, dem Schah
von Persien, gestanden hatte, einen auf Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG
gestützten Arrest an. Das mit dem Arrestvollzug beauftragte Betreibungsamt
Oberengadin erklärte sich vorerst unzuständig, wurde aber mit Entscheid
des Kantonsgerichtsausschusses von Graubünden vom 18. Juni 1991 angehalten,
den Arrest zu vollziehen.

    Am 18. Juli 1991 belegte das Betreibungsamt Oberengadin die
folgenden Gegenstände mit Arrest: "Parzelle Nr. 1406, Plan 32, Chasellas,
Grundbuchblatt 455, Villa Suvretta Nr. 450, Personalhaus, Garagen Nr. 450
A, 13 119 m2 Gebäudegrundfläche, Hofraum, Anlagen, Bach, Wald und Wiese;
Anteil von Reza Pahlavi aus Teilung des Gesamteigentums am Grundstück
Parzelle Nr. 1406, Eigentümer: Erben des Mohammad Reza Schah Pahlavi Arya
Mehr". Auf Veranlassung des Betreibungsamtes erliess das Grundbuchamt
Oberengadin über die Parzelle Nr. 1406 eine Verfügungsbeschränkung.

    B.- Reza Pahlavi, dem eine Abschrift der Arresturkunde am 6. August
1991 zugestellt worden war, beschwerte sich über den Arrestvollzug
beim Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden als Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs. Er verlangte die Aufhebung des Arrests
und die Anweisung an das Grundbuchamt, die Verfügungsbeschränkung zu
löschen. Am 22. Oktober 1991 erkannte der Kantonsgerichtsausschuss:

    "1. Die Beschwerde wird dahin entschieden, dass der am 18. Juli
1991 vom

    Betreibungsamt Oberengadin vollzogene Arrest teilweise aufgehoben
und der

    Arrestbefehl vom 15. März 1991 wie folgt vollzogen wird:

    Es wird mit Arrest belegt der Anteil des Arrestschuldners am

    Liquidationsanteil an der Erbschaft seines Vaters Mohammad Reza Shah

    Pahlavi Aryas Mehr, soweit sie in der Schweiz liegt.

    2. Die vom Betreibungsamt Oberengadin am 18. Juli/6. August 1991
   angeordnete Verfügungsbeschränkung über das Grundstück Parzelle
   Nr. 1406,

    Grundbuch St. Moritz, wird aufgehoben und das Grundbuchamt Oberengadin
   angewiesen, sie zu löschen.

    3. Das Betreibungsamt Oberengadin wird angewiesen, die Namen der
Miterben
   und die nähere Bezeichnung des Gemeinschaftsverhältnisses als ungeteilte

    Erbschaft in die Arresturkunde aufzunehmen und den darin aufgeführten

    Miterben das Betreibungsformular Nr. 17 zuzustellen.

    4. ..."

    C.- Reza Pahlavi zog diesen Entscheid des Kantonsgerichtsausschusses
von Graubünden an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des
Bundesgerichts weiter, welche den Rekurs guthiess und den Arrest aufhob.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Zur Begründung ihrer Auffassung, dass das Betreibungsamt
Oberengadin zuständig zum Vollzug des hier streitigen Arrestes sei, ist
die kantonale Aufsichtsbehörde davon ausgegangen, dass der Schuldner Reza
Pahlavi Wohnsitz im Ausland habe. Drittschuldner seines Anspruchs an der
ungeteilten Erbschaft sei die Erbengemeinschaft des ehemaligen Schahs von
Persien. Betreibungsort einer ungeteilten Erbschaft sei gemäss Art. 49
SchKG der Ort, wo der Erblasser zur Zeit seines Todes hätte betrieben
werden können. Dies wäre am Arrestort in St. Moritz der Fall gewesen.

    In der Arresturkunde werde festgehalten, dass Eigentümer der Parzelle
Nr. 1406 die Erben des verstorbenen Schahs seien und dass derjenige Anteil
des Erben Reza Pahlavi arrestiert sei, welcher sich nach der Teilung des
Gesamteigentums an der Parzelle Nr. 1406 ergebe. Wenn einerseits von
dem durch Teilung festlegbaren Anteil des Schuldners die Rede sei und
anderseits die Erben als Grundstückeigentümer aufgeführt seien, könne
eine Aufhebung dieses Gesamteigentums nur mittels einer erbrechtlichen
Auseinandersetzung erfolgen, in welcher der Anteil des Arrestschuldners an
der Erbschaft ermittelt werde. Demgemäss werde dieser in der Liquidation
der Erbschaft noch zu ermittelnde Anteil verarrestiert. Könne insoweit
der vorliegende Arrest aufrechterhalten werden, so verstosse doch die
detaillierte Bezeichnung eines zur ungeteilten Erbschaft gehörenden
Gegenstandes - nämlich der Parzelle Nr. 1406 - in der Arresturkunde
gegen Art. 275 SchKG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Verordnung
des Bundesgerichts über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an
Gemeinschaftsvermögen (vom 17. Januar 1923; SR 281.41; VVAG), wonach nur
das Anteilsrecht selbst verarrestiert werden könne, und gegen Art. 275
SchKG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 VVAG, wonach die Bestandteile des
Gemeinschaftsvermögens nicht einzeln aufzuführen seien. Insoweit sei die
Arresturkunde zu berichtigen.

    Da nur in der Schweiz liegende Vermögenswerte arrestiert
werden könnten, habe sich der hier in Frage stehende Arrest auf den
Liquidationsanteil an der ungeteilten Erbschaft des ehemaligen Schahs
von Persien zu beziehen, insoweit dieser Anteil durch in der Schweiz
verwertbare Vermögensstücke, zum Beispiel durch die in St. Moritz gelegene
Parzelle Nr. 1406, zugunsten des Arrestgläubigers umgesetzt werden könne;
denn nur der Erlös aus der Liquidation dieser in der Schweiz verwertbaren
Vermögenswerte könne anstelle des Liquidationsanteils zur Befriedigung
des Gläubigers herangezogen werden.

    b) Die kantonale Aufsichtsbehörde hat sich jedoch der Auffassung des
Arrestschuldners angeschlossen, dass zu Unrecht eine Verfügungsbeschränkung
bezüglich der Parzelle Nr. 1406 im Grundbuch vorgemerkt worden sei. Gemäss
Art. 5 Abs. 2 VVAG (in Verbindung mit Art. 275 SchKG) werde keine
Verfügungsbeschränkung beim Grundbuch angemeldet, wenn Grundstücke zum
Gemeinschaftsvermögen gehörten.

    c) Schliesslich hat die kantonale Aufsichtsbehörde festgehalten, welche
Vorkehren zu treffen sind, wenn es zur Arrestierung eines Anteilsrechtes
an einem Gemeinschaftsvermögen kommt: Die einzelnen Erben seien in
der Arresturkunde namentlich aufzuführen, es sei in der Arresturkunde
festzuhalten, dass es sich um eine ungeteilte Erbschaft handle, und die
Arrestierung des Anteilsrechtes sei sämtlichen Mitanteilhabern durch das
obligatorische Formular Nr. 17 mitzuteilen.

Erwägung 2

    2.- a) Als Arrestschuldner wird im Arrestbefehl bezeichnet: "Reza
Palavi [sic!], 956 Bellview Rd., Mc Lean/VA 22102, USA". Der Arrest
richtet sich also klarerweise nicht gegen die Erbschaft des Schahs von
Persien, was überdies auch daraus hervorgeht, dass als Forderungsurkunde
ein Arbeitsvertrag vom 2. Dezember 1981 genannt wird. Schah Reza Pahlavi
ist im Sommer 1980 gestorben.

    Der Rekurrent macht daher zu Recht geltend, dass Art. 49 SchKG nicht
anwendbar sei, weil diese Bestimmung ausschliesslich die Betreibung
einer ungeteilten Erbschaft zum Gegenstand habe (BGE 102 II 387, 116
III 6 E. 2a mit Hinweisen; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und
Konkursrechts, 4. Auflage Bern 1988, § 10 N. 24; GILLIÉRON, Poursuite
pour dettes, faillite et concordat, 2. Auflage 1988, S. 74, 85, 93). Der
Umstand, dass Reza Pahlavi Arrestschuldner ist und Wohnsitz in den
Vereinigten Staaten hat, vermöchte indessen - in einem ersten Schritt -
den auf Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 gestützten Arrest zu rechtfertigen.

    b) Eine zweite und andere Frage ist es, was im vorliegenden Fall
Arrestgegenstand bildet. Die Arresturkunde nennt als solchen den "Anteil
von Reza Pahlavi aus Teilung des Gesamteigentums am Grundstück Parzelle
Nr. 1406, Plan 32, Chasellas, Hauptbuchblatt 455, Villa Suvretta,
Assek-Nr. 4590, Grundbuch St. Moritz".

    Der Gläubiger möchte also klarerweise den in der Schweiz greifbaren
Liquidationsanteil des Reza Pahlavi an der ungeteilten Erbschaft von
dessen Vater arrestiert wissen. Er ist sich offensichtlich bewusst, dass
Gegenstände, die sich nicht im Alleineigentum des Schuldners befinden,
nicht arrestiert werden können, sondern dass sich der Arrestvollzug nur
auf den Liquidationsanteil erstrecken kann, der dem Schuldner im Falle der
Auflösung der das Gesamteigentum begründenden Gemeinschaft zufällt (BGE 82
III 72, 91 III 26 E. 4). Gemäss BGE 109 III 90 ff. kann der Anspruch auf
den Liquidationsanteil an einer unverteilten Erbschaft am Betreibungsort
der Erbengemeinschaft arrestiert werden. Doch kann diesem Entscheid
insofern nicht gefolgt werden, als er von der - unzutreffenden - Prämisse
ausgeht, die Erbengemeinschaft sei im Verhältnis zum Erben Drittschuldner,
und daraus auf die Anwendbarkeit von Art. 49 SchKG schliesst.

    c) Wie die kantonale Aufsichtsbehörde zu Recht ausgeführt hat,
ist die Verordnung des Bundesgerichts über die Pfändung und Verwertung
von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen wegen Art. 275 SchKG auch auf den
Arrest anwendbar (BGE 91 III 26 E. 3 und 4). Von der Verordnung erfasst
werden insbesondere die Fälle, wo der betriebene Schuldner am Vermögen
einer ungeteilten Erbschaft Anteil hat (Art. 1 VVAG).

    Art. 2 VVAG erklärt zur Pfändung - diesfalls Arrestierung - des
Anteilsrechts und des Ertrages das Betreibungsamt des Wohnsitzes des
Schuldners zuständig, auch wenn sich das Gemeinschaftsvermögen oder Teile
desselben (Grundstücke oder Fahrnis) in einem andern Betreibungskreis
befinden. Der Wohnsitz des Arrestschuldners befindet sich in dem hier
zu beurteilenden Fall nun aber in den Vereinigten Staaten, so dass sich
der unausweichliche Schluss ergibt, dass das Betreibungsamt Oberengadin
nicht zuständig ist für die Arrestierung des Liquidationsanteils von Reza
Pahlavi an der ungeteilten Erbschaft seines Vaters.

    d) Dieses Ergebnis lässt sich auch nicht unter Berufung auf Art. 272
SchKG umstossen, wonach örtlich zuständig die Arrestbehörde des Ortes
ist, wo sich der mit Arrest zu belegende Vermögenswert befindet; denn
Vermögenswert ist hier nicht die in St. Moritz gelegene Liegenschaft,
sondern das Anteilsrecht des Rekurrenten an der ungeteilten Erbschaft. Aus
der Verordnung geht denn auch hervor, dass bei der Zwangsverwertung
von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen der Umstand, dass ein Grundstück
Bestandteil des Gemeinschaftsvermögens bildet, praktisch jede Bedeutung
verliert: Es wird ausdrücklich vorgeschrieben, dass die Bestandteile des
Gemeinschaftsvermögens nicht einzeln aufzuführen und zu schätzen seien
(Art. 5 Abs. 1 VVAG), dass eine Verfügungsbeschränkung beim Grundbuch
nicht anzumelden sei (Art. 5 Abs. 2 VVAG) und dass, auch wenn Grundstücke
zum Vermögen gehören, für die Stellung des Verwertungsbegehrens die
für die Verwertung von beweglichen Sachen und Forderungen aufgestellten
Vorschriften des Art. 116 SchKG gelten (Art. 8 Abs. 1 VVAG).

    Auf Art. 49 SchKG lässt sich der Arrest gegen Reza Pahlavi - wie
oben E. a bereits ausgeführt - vorweg nicht stützen, weil Schuldner im
vorliegenden Fall nicht die ungeteilte Erbschaft ist.

    Auch der von der kantonalen Aufsichtsbehörde angerufene Art. 52 SchKG
kommt hier nicht zum Zug. Die Vorschrift sagt nur, wo die Betreibung gegen
den im Ausland wohnenden Gläubiger prosequiert werden muss, nachdem für
eine Forderung Arrest gelegt worden ist.

    Wenn einerseits die jüngste Rechtsprechung festgestellt hat, dass die
in Art. 538 ZGB vorgesehenen Gerichtsstände nur für Streitigkeiten gelten,
die in engem Zusammenhang mit dem Erbgang stehen (BGE 117 II 28 E. 2a), so
ist anderseits dem Rekursgegner insofern zuzustimmen, als er geltend macht,
dass diese Bestimmung auf Ausländer mit letztem Wohnsitz im Ausland nicht
anwendbar sei (BGE 62 II 22 E. 2; Kommentar ESCHER, N. 11 zu Art. 538 ZGB;
Kommentar TUOR/PICENONI, N. 4 zu Art. 538 ZGB). Aus mehr als einem Grund
kann demnach Art. 538 ZGB im vorliegenden Fall nicht angerufen werden.

    Auf erbrechtliche Auseinandersetzungen beschränkt sich aber auch
die Anwendung der Art. 86 ff. IPRG; sie sind für den vorliegenden Fall
unbehelflich. Es ist am Ende - aus der Sicht des internationalen Rechts -
das Territorialprinzip, welches dazu führt, dass der Anteil des Rekurrenten
an der ungeteilten Erbschaft nicht mit Arrest belegt werden kann; denn bei
diesem Anteil handelt es sich um einen im Ausland gelegenen Vermögenswert
(BGE 112 III 50 E. 3b).