Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 III 13



118 III 13

5. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 10. Februar 1992 i.S. Surovka (Rekurs) Regeste

    Betreibung von Arbeitgeberbeiträgen aus der beruflichen Vorsorge
für Arbeitnehmer.

    Ein Schuldner, welcher der Konkursbetreibung unterliegt, kann
sich nicht auf Art. 43 SchKG berufen, wenn er zwecks Ablieferung von
Arbeitgeberbeiträgen aus beruflicher Vorsorge für Arbeitnehmer an eine
Auffangeinrichtung ohne öffentlich-rechtlichen Charakter betrieben wird.

Sachverhalt

    A.- Die Schweizerische Sozialpartner-Stiftung für die
Auffangeinrichtung BVG leitete beim Betreibungsamt Au für eine
Forderung von Fr. 6'626.80 nebst Zins zu 6 1/2% seit 1. Januar 1991
und Kosten gegen Jan Surovka Betreibung ein. Da der Betriebene gegen
den Zahlungsbefehl keinen Rechtsvorschlag erhob, wurde die Betreibung
fortgesetzt. Am 27. Juni 1991 liess das Betreibungsamt dem Schuldner
die Konkursandrohung zugehen, worauf die Gläubigerin am 27. August 1991
das Begehren um Eröffnung des Konkurses stellte.

    Hiegegen erhob Jan Surovka Beschwerde beim Gerichtspräsidium von
Unterrheintal als unterer Aufsichtsbehörde in SchKG-Sachen. Er stellte
sich auf den Standpunkt, dass es sich bei der betriebenen Forderung um
einen öffentlich-rechtlichen Anspruch im Sinne von Art. 43 SchKG handle,
weshalb eine Betreibung auf Konkurs nicht zulässig sei. Die Beschwerde
wurde mit Verfügung vom 27. November 1991 abgewiesen.

    Der Schuldner focht diese Verfügung beim Kantonsgericht St. Gallen
als kantonaler Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs an,
welches die Beschwerde am 24. Dezember 1991 abwies.

    Jan Surovka führt Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Bundesgerichts, die den Rekurs abweist, soweit darauf einzutreten ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 43 SchKG hat eine Betreibung für Steuern, Abgaben,
Gebühren, Sporteln, Bussen und andere im öffentlichen Recht begründete
Leistungen an öffentliche Kassen oder Beamte, auch gegen die der
Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner, auf dem Wege der Pfändung
oder der Pfandverwertung zu erfolgen. Dieser Vorschrift liegt der Gedanke
zugrunde, dass ein Schuldner für öffentlich-rechtliche Forderungen, die
von der öffentlichen Hand betrieben werden, nicht der Generalexekution
und damit der allgemeinen Liquidation seines Vermögens unterliegen soll.

    Indessen ist diese Bestimmung, die vom ordentlichen
Vollstreckungsverfahren abweicht und deshalb systemwidrig ist,
nach ständiger Rechtsprechung eng auszulegen (BGE 94 III 71/72;
FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht,
Bd. I, S. 97; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts,
4. Aufl., S. 79 N 6). Es müssen zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt
sein, damit sich ein Schuldner auf diese Bestimmung berufen kann:
Einerseits muss die Forderung ihren Rechtsgrund im öffentlichen Recht
haben, und anderseits muss der Gläubiger eine Anstalt des öffentlichen
Rechts, z.B. eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, sein (BGE 115 III
90 E. 2).

Erwägung 3

    3.- Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der in Betreibung
gesetzten Forderung, welcher Arbeitgeberbeiträge für pflichtversicherte
Arbeitnehmer gemäss BVG zugrunde liegen, zweifellos um eine solche,
die ihren Rechtsgrund im öffentlichen Recht hat (BGE 115 III 90 E. 2),
wie der Rekurrent mit Recht geltend macht. Wenn die beiden kantonalen
Aufsichtsbehörden dies verneint haben, so befinden sie sich hierüber
im Irrtum.

    Indessen ist damit für den Standpunkt des Rekurrenten noch nichts
gewonnen; um von der Konkurseröffnung abzusehen, müsste es sich nämlich
bei der Rekursgegnerin um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts
handeln. Gläubigerin ist die Schweizerische Sozialpartner-Stiftung für
die Auffangeinrichtung BVG. Schon der Form nach ist diese nicht etwa
eine Anstalt des öffentlichen Rechts, wie dies für Krankenkassen (BGE 115
III 96 mit Hinweis auf BGE 107 III 60 ff.) oder für Ausgleichskassen
der AHV/IV zutrifft, sondern eine Stiftung des privaten Rechts gemäss
Art. 89bis ZGB. Das Gesetz lässt diese Form gerade für Auffangeinrichtungen
ausdrücklich zu (siehe Art. 48 [SR 831.40] für Vorsorgeeinrichtungen und
Art. 54 BVG für Auffangeinrichtungen). Am privatrechtlichen Charakter
dieser Einrichtungen ändert auch die Übertragung behördlicher Funktionen,
die im Gesetz übrigens abschliessend genannt sind, nichts, ebensowenig wie
die Tatsache, dass diese Stiftungen für die ihnen vom Gesetz übertragenen
Aufgaben als Behörden im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. e des Bundesgesetzes
über das Verwaltungsverfahren gelten (BGE 115 V 377 ff.; BRÜHWILER,
Die betriebliche Personalvorsorge in der Schweiz, Bern 1989, S. 100 N
13). Schon aus diesem Grunde kann der Auffassung des Rekurrenten nicht
gefolgt werden.

    Aus der angeführten Rechtsprechung ergibt sich, dass sich sowohl
die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts als auch das
Eidgenössische Versicherungsgericht stets dagegen ausgesprochen haben,
dass der Auffangeinrichtung über die in Art. 60 Abs. 2 BVG genannten
Aufgaben, wozu insbesondere der zwangsweise Anschluss von widerspenstigen
Arbeitgebern gehört, hinaus noch weitere Befugnisse zukommen sollen. So
verfügt die Auffangeinrichtung beispielsweise für den Beitragsbezug
nicht über hoheitliche Befugnisse und ist für die Eintreibung der
Beiträge auf den Klageweg verwiesen (BGE 115 V 380 E. 5). Auch kann die
Auffangeinrichtung einen Rechtsvorschlag nicht selber beseitigen, den der
Arbeitgeber in einer für die Beiträge eingeleiteten Betreibung erhoben hat
(BGE 115 III 96/97). Die Auffangeinrichtung hat demnach den Klageweg und
anschliessend den gewöhnlichen Weg der Betreibung zu beschreiten, wie dies
für Privatrechtssubjekte generell gilt. Daran ändert auch die besondere
Stellung der Auffangeinrichtung im System des BVG grundsätzlich nichts
(BRÜHWILER, aaO, S. 569/70 N 5).

    Schliesslich erscheint es auch im Hinblick auf den Zweck von Art. 43
SchKG nicht als gerechtfertigt, den hier zu beurteilenden Sachverhalt unter
diese Bestimmung zu subsumieren. Die vom Rekurrenten geschuldeten Beiträge
sind keine Abgaben, die dem Staat oder einer öffentlich-rechtlichen Kasse
zu erbringen sind, wie dies bei den AHV-Beiträgen der Fall ist, auf welche
der Rekurrent verweist und denen er die Beiträge gemäss BVG wegen ihres
sozialen Charakters gleichstellen möchte. Die Beiträge an die AHV sind an
eine staatliche Sozialversicherung zu leisten und dienen der Finanzierung
staatlicher Rentenleistungen. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den
Beiträgen an die berufliche Vorsorge, trotz der öffentlich-rechtlichen
Ausgestaltung des Obligatoriums aufgrund von Art. 34quater BV, um
Leistungen aus einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die nicht der allgemeinen Sozialversicherung
gleichgestellt werden können. Die Rechtsnatur dieser Leistungen schliesst
daher die Anwendung von Art. 43 SchKG aus. Der Rekurs erweist sich somit
auch unter diesem Gesichtspunkt als unbegründet.