Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 IB 54



118 Ib 54

7. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
6. März 1992 i.S. Schweizerische Bundesbahnen, Kreisdirektion III,
gegen Gemeinde Gossau und Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen
(Verwaltungsrechtliche Klage). Regeste

    Einbezug der Schweizerischen Bundesbahnen in den Baukostenperimeter
für eine Gemeindestrasse? (Art. 6 SBBG, Art. 10 GarG).

    1. Unter kantonalen Abgaben im Sinne von Art. 116 lit. f OG sind auch
von Gemeinden erhobene Abgaben zu verstehen. Wo solche Abgaben streitig
sind, ist damit nach Art. 116 lit. f in Verbindung mit Art. 102 lit. a
OG verwaltungsrechtliche Klage und nicht Verwaltungsgerichtsbeschwerde
zu erheben (E. 1).

    2. Kausalabgaben fallen nicht unter das Verbot der Belastung des
Bundesvermögens mit kantonalen Steuern gemäss Art. 10 GarG und Art. 6 SBBG;
auch Verwaltungsvermögen des Bundes kann grundsätzlich mit kantonalen
Vorzugslasten belegt werden (E. 2a, 2b, 2g).

    3. Vorliegend ist jedoch das Stationsareal der SBB nicht in den
Baukostenperimeter und die damit verbundene Beitragspflicht einzubeziehen,
weil seine bessere Erschliessung allein im öffentlichen Interesse liegt;
solche öffentlichen Interessen sind nicht durch Vorzugslasten auszugleichen
(E. 2c, 2d).

Sachverhalt

    A.- Anlässlich des Ausbaus der Stationsstrasse in Arnegg bezog
der Gemeinderat Gossau unter anderem das Stationsareal Arnegg der
Schweizerischen Bundesbahnen in den Baukostenperimeter ein und
verpflichtete diese zu einer Beitragszahlung von Fr. 9'122.--.

    Sowohl die Einsprache der Schweizerischen Bundesbahnen an den
Gemeinderat als auch ihr Rekurs an die Verwaltungsrekurskommission
des Kantons St. Gallen wurden abgewiesen, worauf die Schweizerischen
Bundesbahnen an das Verwaltungsgericht gelangten. Dieses wies
die Beschwerde ebenfalls ab, weil das Bundesvermögen nur von der
Bezahlung direkter kantonaler Steuern, nicht jedoch von Kausalabgaben
befreit sei. Die Eisenbahnhoheit stehe der Beitragspflicht ebenfalls
nicht entgegen. Ausserdem sei es unerheblich, dass sich das fragliche
Grundstück im Verwaltungsvermögen des Bundes befinde, weil es durch die
bessere Erschliessung einen wirtschaftlichen Sondervorteil erfahre, der
durch die Beitragsleistung abzugelten sei. Der Beitragspflicht stehe auch
Art. 2 Abs. 2 des sanktgallischen Gesetzes zur Förderung des öffentlichen
Verkehrs (sGS 710.5) nicht entgegen.

    Diesen Entscheid haben die Schweizerischen Bundesbahnen mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten.

    Das Bundesgericht nimmt die Eingabe der Schweizerischen Bundesbahnen
als verwaltungsrechtliche Klage entgegen. Es heisst diese gut und
entlässt die Schweizerischen Bundesbahnen, Kreisdirektion III, aus dem
Beitragsplan betreffend Stationsstrasse Arnegg und der damit verbundenen
Perimeterbeitragspflicht.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Die Schweizerischen Bundesbahnen halten die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde für zulässig und berufen sich auf Art. 98
lit. g OG, wonach Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden kann gegen
Verfügungen letzter Instanzen der Kantone, soweit nicht das Bundesrecht
gegen ihre Verfügungen zunächst Beschwerde an eine Vorinstanz im Sinne
der lit. b-f vorsieht.

    Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit eines Rechtsmittels von
Amtes wegen und ohne Bindung an die Vorbringen der Parteien (vgl. BGE
116 Ib 3 E. 1a).

    b) Nach Art. 116 lit. f des Bundesgesetzes über die Organisation der
Bundesrechtspflege in der Fassung vom 20. Dezember 1968 (OG; SR 173.110),
die im vorliegenden Fall noch zur Anwendung kommt (vgl. Art. 1 Abs. 1
der Verordnung vom 15. Januar 1992 über die teilweise Inkraftsetzung der
Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege;
AS 1992, 337), beurteilt das Bundesgericht als einzige Instanz
Streitigkeiten aus dem Verwaltungsrecht des Bundes über die Befreiung
von kantonalen Abgaben. Diese Vorschrift findet auch Anwendung auf
Abgaben, die von Gemeinden erhoben werden (vgl. BGE 99 Ib 228 E. 1a;
Wilhelm Birchmeier, Handbuch des Bundesgesetzes über die Organisation der
Bundesrechtspflege, S. 458). Vorliegend ist der von der Gemeinde Gossau
auferlegte Perimeterbeitrag, also eine kommunale Abgabe, streitig. Mithin
ist hier die verwaltungsrechtliche Klage zulässig. Ihr gegenüber ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde subsidiär (Art. 102 lit. a OG).

    Die von den Schweizerischen Bundesbahnen als
Verwaltungsgerichtsbeschwerde bezeichnete Eingabe vom 10. Dezember 1990
ist daher als verwaltungsrechtliche Klage entgegenzunehmen.

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss Art. 6 des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1944 über die
Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG; SR 742.31) sind die Schweizerischen
Bundesbahnen mit Einschluss der zu ihrer Aufgabe als Transportunternehmung
gehörenden Hilfs- und Nebenbetriebe von jeder Besteuerung befreit. Die
Befreiung erstreckt sich nicht auf Liegenschaften, die keine notwendige
Beziehung zur Unternehmung haben. Eine analoge Regelung enthält
Art. 10 des Bundesgesetzes vom 26. März 1934 über die politischen und
polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft (Garantiegesetz,
GarG; SR 170.21). Darin ist vorgesehen, dass die Eidgenossenschaft
sowie ihre Anstalten, Betriebe und unselbständigen Stiftungen von jeder
Besteuerung durch Kantone und Gemeinden befreit sind; ausgenommen sind
die Liegenschaften, die nicht unmittelbar öffentlichen Zwecken dienen.

    b) Perimeterbeiträge sind Vorzugslasten und somit Kausalabgaben. Als
solche sind sie einerseits nach den zu deckenden Kosten oder Kostenanteilen
zu bemessen und anderseits auf die Nutzniesser der öffentlichen Einrichtung
nach Massgabe des wirtschaftlichen Sondervorteils zu verlegen, der
dem Einzelnen erwächst (BGE 110 Ia 209 E. 4c, 98 Ia 171/172 E. 2,
mit Hinweisen).

    Abgaben, welche als Vorzugslasten auferlegt werden und entsprechend
ausgestaltet sind, fallen nicht unter das Verbot der Belastung des
Bundesvermögens mit kantonalen Steuern (BGE 94 I 276, 74 I 222 ff.). Sie
können daher grundsätzlich auch von Bundesanstalten erhoben werden. Dabei
sind nach neuerer Rechtsprechung Kausalabgaben, und damit insbesondere auch
Perimeterbeiträge, grundsätzlich unabhängig davon geschuldet, ob es sich um
Finanz- oder Verwaltungsvermögen handelt (Urteil des Bundesgerichts vom 17.
März 1989 i.S. Schweizerische Nationalbank in ASA 59, S. 212 E. 4b; BGE
107 Ib 299 f. E. 8a). Die frühere Auffassung, dass nur Finanzvermögen mit
Perimeterbeiträgen belastet werden könne (IMBODEN/RHINOW, Schweizerische
Verwaltungsrechtsprechung II, Nr. 111 V, S. 787; vgl. zum Ganzen auch
BGE 107 Ib 299 f. mit Hinweisen), ist als zu eng aufzugeben.

    c) Es bleibt zu prüfen, ob bestimmte Arten von Vorzugslasten trotzdem
auf bestimmten Arten von Verwaltungsvermögen nicht erhoben werden
dürfen, insbesondere, ob vorliegend die Klägerinnen - wie sie geltend
machen - aufgrund der Abgabenbefreiung, die ihnen von Bundesrechts wegen
zusteht, keine Perimeterbeiträge an die Stationsstrasse Arnegg leisten
müssen. Dabei ist letztlich entscheidend, ob den Klägerinnen durch den
Ausbau der Zufahrtsstrasse ein - wie auch immer gearteter - Sondervorteil
erwachsen ist.

    d) Es ist unbestritten, dass das Areal der Station Arnegg
ausschliesslich dem Bahnbetrieb dient und nicht anderweitig kommerziell
genutzt wird. Die Grundstücke stehen somit im Verwaltungsvermögen der
Klägerinnen und nicht in deren Finanzvermögen.

    Das Verwaltungsgericht erwog im angefochtenen Entscheid im
wesentlichen, der Sondervorteil bestehe für die Klägerinnen darin, dass
die verbesserte strassenmässige Erschliessung die wirtschaftliche Nutzung
des Grundstücks steigere; das treffe auch für das Stationsareal Arnegg
zu. Dagegen wenden die Klägerinnen im wesentlichen ein, die Aufgabe,
welche ihnen aufgrund verfassungsmässiger und bundesrechtlicher Normen
übertragen worden sei, könne nicht mit der wirtschaftlichen Tätigkeit
irgendeines Betriebs verglichen werden; ihre Tätigkeit bestimme sich
demzufolge auch nicht nach Kriterien, welche einen wirtschaftlichen
Sondervorteil brächten; im übrigen liege eine verbesserte Erschliessung
des Stationsareals im allgemeinen Interesse und sowohl sie selbst wie
auch die Gemeinde treffe eine Erschliessungspflicht.

    Die Klägerinnen berufen sich somit auf die in der Praxis häufig
geäusserte Meinung, dass ein Verkehrsgrundstück (Bahnliegenschaft)
nicht einem andern Verkehrsgrundstück (Strasse) beitragspflichtig werden
könne (vgl. ROLF TINNER, Rechtsbeziehungen zwischen Bund und Kantonen im
Eisenbahnwesen, Diss. Zürich 1941, S. 201).

    Gerade vorliegend haben sowohl die Klägerinnen als auch die
Gemeinde Erschliessungsaufgaben in einem weitesten Sinn zu erfüllen,
welche Leistungen sich gegenseitig zudienen. Der beidseitige Vorteil ist
ausschliesslich im Allgemeininteresse begründet. Das sanktgallische Gesetz
zur Förderung des öffentlichen Verkehrs sieht denn auch in Art. 2 Abs. 2
vor, dass die Gemeinden für leichten Zugang zu den Bahnhöfen zu sorgen
haben. Der gute Anschluss des Bahnhofs an das öffentliche Strassennetz
liegt allein im öffentlichen Interesse. Solche öffentlichen Interessen
sind nicht durch Vorzugslasten auszugleichen. Unter Vorzugslasten fallen
nur Vorteile, die lediglich bestimmten Personenkategorien, nicht aber
allen oder der Öffentlichkeit insgesamt zugute kommen (RHINOW/KRÄHENMANN,
Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 111 B
IIa). Weder die Gemeinde noch die Klägerinnen erfahren somit in ihrem
beidseitig dem Verkehr gewidmeten Verwaltungsvermögen einen Sondervorteil,
wie er als Grundlage für den Ausgleich durch Vorzugslasten nötig wäre. Die
Perimeterpflicht der Klägerinnen ist demnach zu verneinen.

    e) Da es sich hier nicht um Kreuzungen zwischen Bahn und Strasse
handelt, findet die Regelung der Kostenverlegung nach Art. 25 ff. des
Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 (EBG; SR 742.101) keine
Anwendung. Ebenso kann aus Art. 60 EBG und der Verordnung dazu vom 3.
März 1975 betreffend die Beiträge der Kantone an die konzessionierten
Bahnunternehmungen (SR 742.101.2) nichts zur Lösung der vorliegenden
Fragen abgeleitet werden.

    f) Die Verneinung der Perimeterbeitragspflicht steht auch im Einklang
mit dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 13. Februar 1989,
wo der Einbezug eines Eisenbahngrundstücks in ein Quartierplanverfahren im
Streit stand (BGE 115 Ib 166 ff.). Ein solcher Einbezug hätte ebenfalls
zu einer Vorzugslastpflicht geführt. Es wurde jedoch festgestellt, dass
ein Bahngrundstück, soweit es unmittelbar dem Eisenbahnbetrieb diene, nach
Art. 18 und 18a EBG dem kantonalen und kommunalen Bau- und Planungsrecht
grundsätzlich nicht unterstehe und von der Quartierplanpflicht befreit
sei. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, es läge nicht im
öffentlichen Interesse, eine solche Parzelle, die dem öffentlichen
Verkehr und damit selbst der Erschliessung diene, gleich zu behandeln
wie die zu privater Nutzung bestimmten Grundstücke, denen die Vorteile
der Quartierplanung, insbesondere der besseren Erschliessung, in Form
von Wertsteigerungen zugute kämen (BGE 115 Ib 174). Es wurden somit zum
Quartierplan ähnliche Überlegungen angestellt, wie sie sich auch hier
aufdrängen.

    g) Daraus folgt aber nicht eine allgemeine Befreiung des
Finanz- und Verwaltungsvermögens des Bundes und seiner Anstalten
von Vorzugslasten. Dies gilt insbesondere für die strassenmässige
Erschliessung von Liegenschaften im Verwaltungsvermögen, die daraus
ebenso Nutzen ziehen, wie ein Grundstück irgendeiner Privatperson,
beispielsweise für ein Verwaltungsgebäude mit Publikumsverkehr, welches
mit einem privaten Geschäftshaus vergleichbar ist. Ebenso wurde im oben
erwähnten Entscheid hinsichtlich des Bau- und Planungsrechts entschieden,
dass eine von den Schweizerischen Bundesbahnen einem Privaten vermietete
Fläche, welche nur in mittelbarem Zusammenhang mit dem Bahnbetrieb stand,
dem kantonalen Planungsrecht und damit der Quartierplanpflicht unterstehe
(BGE 115 Ib 174 f.). Analoge Überlegungen wären wohl auch bei kommerziellen
Nebennutzungen im Sinn von Art. 39 EBG anzustellen.