Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 IB 49



118 Ib 49

6. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 2. Mai 1992 i.S. A. gegen B. und Staatsrat des Kantons Freiburg
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde). Regeste

    Art. 24 RPG; Baubewilligungspflicht für einen Drahtmaschenzaun
ausserhalb der Bauzone.

    1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen
Entscheid, in dem statt kantonalem Recht richtigerweise Art. 24 RPG hätte
angewendet werden müssen (E. 1a).

    2. Ein Drahtmaschenzaun ausserhalb der Bauzone untersteht der
Baubewilligungspflicht (E. 2).

Sachverhalt

    A.- A. ist Eigentümerin des Grundstücks Art. 469 des Grundbuchs
der Gemeinde Ueberstorf, während die daran angrenzende Parzelle Art.
468 B. gehört. Diese 2420 m2 grosse Parzelle ist von einem zwei
Meter hohen Drahtgitterzaun umgeben, der an Eisenstangen, die auf
Betonsockeln stehen, befestigt ist. Diese Sockel sind bodeneben im
Grundstück von B. eingelassen. Ihre äusseren Ränder sind ca. 20 cm von
der Grundstücksgrenze entfernt.

    Am 23. November 1990 reichte A. ein Gesuch um Wiederherstellung
des ursprünglichen Zustands beim Oberamtmann des Sensebezirks ein. Sie
begründete dieses Begehren damit, dass die im Boden eingelassenen
Betonsockel als Bauwerke im Sinne von Art. 146 des kantonalen Raumplanungs-
und Baugesetzes vom 9. Mai 1983 (RPBG) zu betrachten seien, für
welche eine Baubewilligung eingeholt werden müsse. Der Oberamtmann des
Sensebezirks wies das Wiederherstellungsgesuch am 25. März 1991 ab und
hielt in seinem Entscheid fest, das Erstellen der Betonsockel sei keine
baubewilligungspflichtige Verrichtung im Sinne von Art. 146 RPBG. Gegen
diesen Entscheid gelangte A. an den Staatsrat des Kantons Freiburg,
welcher die Verwaltungsbeschwerde am 12. Juli 1991 abwies, soweit sie
nicht gegenstandslos geworden war.

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 11. September 1991 verlangt A.,
der Staatsratsentscheid vom 12. Juli 1991 sei aufzuheben und die Sache
sei zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen des Bundesgerichts an den
Staatsrat zurückzuweisen.

    Der Instruktionsrichter des Bundesgerichts fragte den Staatsrat mit
Schreiben vom 2. März 1992 an, in welcher Nutzungszone gemäss Art. 14
ff. des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG)
sich der umstrittene Zaun befinde und ob die Einzäunung allenfalls der
landwirtschaftlichen Nutzung diene. Am 16. März 1992 schrieb der Staatsrat
dem Bundesgericht, dass sowohl das Grundstück der Beschwerdeführerin als
auch das Grundstück von B. nach dem Zonenplan der Gemeinde Ueberstorf vom
19. Oktober 1983 in der Landwirtschaftszone liege. Der Beschwerdegegner
führe keinen Landwirtschaftsbetrieb, sondern sei Inhaber eines kleineren
Malergeschäfts. Auf seinem Grundstück befinde sich das Lager für seinen
Gewerbebetrieb; nebenbei halte B. zwei Pferde sowie einige Schafe und
Hühner.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- A. hat gegen den Entscheid des Staatsrats des Kantons Freiburg,
der als letzte kantonale Instanz die Frage der Baubewilligungspflicht für
den umstrittenen Drahtgitterzaun beurteilte, staatsrechtliche Beschwerde
erhoben. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition,
ob und gegebenfalls inwieweit es auf ein Rechtsmittel eintreten kann
(BGE 117 Ia 2 E. 1, 85 E. 1; 117 Ib 138 E. 1, 156 E. 1, 116 Ia 79 E. 1,
je mit Hinweisen).

    a) Der Staatsrat hat im angefochtenen Entscheid die
Baubewilligungspflicht für den umstrittenen Drahtgitterzaun ausschliesslich
nach kantonalem Recht geprüft. Indessen ergibt sich aus dem Schreiben des
Staatsrats vom 16. März 1992 eindeutig, dass es sich beim besagten Zaun um
eine zonenwidrige Einfriedung ausserhalb der Bauzone handelt. Ob für die
Erstellung eines solchen Zauns eine Baubewilligung eingeholt werden muss,
richtet sich nicht allein nach dem kantonalen Recht, sondern ist zunächst
gestützt auf Art. 24 RPG zu beurteilen. Im vorliegenden Verfahren liegt
somit ein Anwendungsfall von Art. 24 RPG vor, auch wenn sich der Staatsrat
im angefochtenen Entscheid ausschliesslich auf kantonales Recht gestützt
hat (s. nicht publizierte Urteile des Bundesgerichts vom 18. Juni 1991
i.S. D., vom 19. Juni 1987 i.S. Kanton Thurgau sowie vom 5. Mai 1982
i.S. Gemeinden Tamins und Trin). Die Frage, ob der Staatsrat Art. 24
RPG zu Unrecht nicht angewendet habe, ist nach Art. 34 Abs. 1 RPG im
Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu prüfen (BGE 117 Ib 11 mit
Hinweisen). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an und ist
an die Begründung der Parteibegehren nicht gebunden (Art. 114 Abs. 1 OG; F.
GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 211 ff.).

    b) Dass allein staatsrechtliche Beschwerde erhoben worden ist,
schadet der Beschwerdeführerin nicht, da im vorliegenden Fall auch die
Sachurteilsvoraussetzungen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erfüllt
sind und die eingereichte Rechtsschrift als solche behandelt werden
kann (vgl. BGE 116 Ib 171 f.). Auch die in der Beschwerde erhobene
Rüge der Verletzung von Bundesverfassungsrecht kann im Rahmen der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde geprüft werden (BGE 116 Ib 178 E. 1;
115 Ib 338 E. 2, je mit Hinweisen). Für die staatsrechtliche Beschwerde
bleibt somit kein Raum. Die dem Bundesgericht eingereichte Beschwerde
ist ausschliesslich als Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu behandeln.

Erwägung 2

    2.- Nach den Art. 22 Abs. 1 und 24 RPG dürfen Bauten und Anlagen
inner- und ausserhalb der Bauzonen nur mit behördlicher Bewilligung
errichtet werden. Im vorliegenden Verfahren steht ein zwei Meter hoher
Drahtgitterzaun ausserhalb der Bauzone zur Diskussion, welcher in der
Landwirtschaftszone gemäss Art. 16 RPG nicht zonenkonform ist, da er nicht
der landwirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks von B. dient (vgl. BGE 112
Ib 405 f. E. 3; 111 Ib 216 E. 2). Es stellt sich somit hier lediglich die
Frage, ob die Zulässigkeit des umstrittenen Zauns in einem raumplanerischen
Ausnahmebewilligungsverfahren nach Art. 24 RPG geprüft werden muss.

    a) Der bundesrechtliche Begriff "Bauten und Anlagen" ist vom
Gesetzgeber nicht näher umschrieben worden. Nach der Rechtsprechung
gelten als "Bauten und Anlagen" jedenfalls jene künstlich geschaffenen
und auf Dauer angelegten Einrichtungen, die in bestimmter fester
Beziehung zum Erdboden stehen und die Nutzungsordnung zu beeinflussen
vermögen, weil sie entweder den Raum äusserlich erheblich verändern,
die Erschliessung belasten oder die Umwelt beeinträchtigen. Dazu gehören
auch Fahrnisbauten, welche über nicht unerhebliche Zeiträume ortsfest
verwendet werden. Das kantonale Recht darf den Umfang der nach Bundesrecht
bewilligungspflichtigen Bauten und Anlagen nicht unterschreiten (BGE 113
Ib 315 f. E. 2b mit Hinweis).

    Das Bundesgericht hat sich bereits in verschiedenen Urteilen zur
Baubewilligungspflicht von zonenwidrigen Drahtgitterzäunen ausserhalb
der Bauzonen geäussert. Ein Damhirschgehege aus Maschendraht hat es als
künstlich geschaffene und auf Dauer angelegte Einrichtung mit bestimmter
fester Beziehung zum Erdboden bezeichnet. Ein zwei Meter hohes Gehege
mit Stahlrohrpfosten vermöge auch die Nutzungsordnung zu beeinflussen,
verändere es doch den Raum durch sein Erscheinungsbild erheblich. In
der Lehre würden denn auch Umzäunungen, vor allem wenn sie mit dem Boden
fest verbunden seien, zu den baubewilligungspflichtigen Anlagen gezählt
(unveröffentlichtes Urteil vom 19. Juni 1987 i.S. Kanton Thurgau,
E. 2 mit Hinweisen auf LEUTENEGGER, Das formelle Baurecht der Schweiz,
2. Aufl., S. 92; ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern vom
9. Juni 1985, N 15 zu Art. 1; ZIMMERLIN, Baugesetz des Kantons Aargau, N
3 zu § 10). In gleichem Sinne ging das Bundesgericht im unveröffentlichten
Entscheid vom 5. März 1982 i.S. Gemeinden Tamins und Trin davon aus, dass
ein 1,8 m hohes Rothirschgehege klarerweise eine der Bewilligungspflicht
unterliegende Anlage sei. Auch im nicht publizierten Entscheid vom 18. Juni
1991 i.S. D. hat das Bundesgericht die Baubewilligungspflicht für einen
zwei Meter hohen Drahtmaschenzaun unter Hinweis auf die erwähnte Literatur
ohne weiteres bejaht.

    b) Im Hinblick auf die genannte Rechtsprechung und Literatur
unterliegt der im vorliegenden Verfahren zur Diskussion stehende zwei
Meter hohe Drahtgitterzaun zweifelsfrei der in Art. 24 RPG enthaltenen
Bewilligungspflicht für nicht zonenkonforme Bauten und Anlagen ausserhalb
der Bauzonen. Die Vorinstanz hat Bundesrecht verletzt, indem sie die Frage
der Baubewilligungspflicht verneinte. Der angefochtene Entscheid ist daher
in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben und die Sache antragsgemäss
zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, welche die Frage
der Standortgebundenheit (Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG) zu prüfen und die
nach Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG gebotene Interessenabwägung vorzunehmen
haben wird. Falls sich im Ausnahmebewilligungsverfahren ergeben sollte,
dass der umstrittene Zaun gemäss Art. 24 RPG nicht bewilligt werden
kann, wie dies in der bereits erwähnten Angelegenheit i.S. D. zutraf
(nicht publiziertes Urteil vom 18. Juni 1991), so wäre entsprechend
den Anträgen der Beschwerdeführerin die Frage der Wiederherstellung
des rechtmässigen Zustands ebenfalls gestützt auf Art. 24 RPG zu prüfen
(vgl. BGE 111 Ib 226).

Erwägung 3

    3.- Zusammenfassend ergibt sich, dass der angefochtene Entscheid
bereits wegen Verletzung von Art. 24 RPG aufzuheben ist. ...