Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 IB 433



118 Ib 433

51. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 19.
August 1992 i.S. Einfache Gesellschaft Y gegen Regierungsrat des Kantons
Zürich und Mitbeteiligte (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 22quater BV, Raumplanungs- und Forstrecht; Koordinationspflicht.

    Wald in der Bauzone.

Sachverhalt

    A.- Die Architekten A., B. und C. (Einfache Gesellschaft Y) sind
Gesamteigentümer der in der Gemeinde Herrliberg liegenden 1356 m2
grossen Parzelle Nr. 4392, auf welcher ein Wohnhaus mit Gartenhalle
und eine unterirdische Garage vorhanden sind. An dieses Grundstück
stossen die Parzellen Nrn. 2400 und 4408, die im Eigentum von J. und
H. D. sind. Erstere weist eine Grösse von 381 m2 auf, die zweite
eine solche von 735 m2. Die genannten Parzellen sind gemäss dem vom
Regierungsrat des Kantons Zürich am 19. März 1986 genehmigten kommunalen
Zonenplan vom 20. November 1985 einer Bauzone zugeteilt.

    Im Hinblick auf ein Bauvorhaben der "Einfachen Gesellschaft
Y" ersuchte die Eigentümerin einer benachbarten Liegenschaft das
Oberforstamt des Kantons Zürich um Abklärung, ob der Baumbestand auf den
Parzellen Nrn. 4392 und 2400 nicht Wald sei. Am 20. Juli 1988 prüfte
das Oberforstamt die Bestockung dieser Grundstücke sowie der Parzelle
Nr. 4408 und kam zum Ergebnis, dass eine Fläche von insgesamt 614 m2 als
Wald im Sinne der eidgenössischen Forstgesetzgebung bezeichnet werden
müsse. Nach Anhörung der betroffenen Eigentümer und der Anstösser erliess
die Direktion der Volkswirtschaft des Kantons Zürich am 20. Februar 1989
eine Waldfeststellungsverfügung. Gemäss dem Plan 1:500 eines Ingenieurbüros
vom August 1988 beträgt die Waldfläche auf der Parzelle Nr. 4392 ca. 428
m2, auf der Parzelle Nr. 2400 ca. 91 m2 und auf der Parzelle Nr. 4408
ca. 95 m2.

    Gegen diese Verfügung der Volkswirtschaftsdirektion erhoben die
Architekten A., B. und C. Rekurs beim Regierungsrat des Kantons Zürich. Mit
Beschluss vom 3. Oktober 1990 wies der Regierungsrat, nachdem er einen
Augenschein durchgeführt hatte, den Rekurs ab.

    A., B. und C. erheben gegen diesen Beschluss des Regierungsrats des
Kantons Zürich Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Das
Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde teilweise gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Die aufgeworfene Koordinationsfrage betrifft das Verhältnis
zwischen Waldfeststellung und Festlegung einer an sich vom kantonalen
Recht beherrschten Bauzone. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts
besteht eine verfassungsrechtliche Pflicht zur materiellen und formellen
Koordination der Rechtsanwendung, wenn für die Verwirklichung eines
Projekts verschiedene materiellrechtliche Vorschriften anzuwenden sind und
zwischen diesen Vorschriften ein derart enger Sachzusammenhang besteht,
dass sie nicht getrennt und unabhängig voneinander angewendet werden
dürfen (BGE 117 Ib 48 E. 4a, 116 Ib 56 E. 4a, 313 E. 2c, 327 f. E. 4a mit
Hinweisen). Ein solcher Koordinationsbedarf ist bei der Waldfeststellung
nicht gegeben. Nach Art. 18 Abs. 3 RPG ist das Waldareal durch die
Forstgesetzgebung umschrieben und geschützt. Was Wald ist, bestimmt sich
einzig nach den in Art. 1 FPolV genannten Kriterien. Auch die mit dem
RPG konforme kommunale Nutzungsplanung kann an der Waldqualität einer
Bestockung nichts ändern. Wald, der einer Bauzone zugewiesen ist, bleibt
forstrechtlich Wald (BGE 101 Ib 315 f. E. 2b, 108 Ib 383; EJPD/BRP,
Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Bern 1981, N. 18
zu Art. 18; AEMISEGGER/WETZEL, Wald und Raumplanung, Schriftenfolge VLP
Nr. 38, Frühling 1985, S. 88 ff.; PETER DILGER, Raumplanungsrecht der
Schweiz, Zürich 1982, § 5 Rz. 68, § 8 Rz. 23). Aufgrund dieser Ausgangslage
ist bei der Frage, ob eine bestockte Fläche Wald ist, keine umfassende
Interessenabwägung vorzunehmen, die erforderte, materiellrechtliche
Vorschriften des Bundes über die Raumplanung mitzuberücksichtigen. Weder
Bestimmungen der geltenden Forstpolizeigesetzgebung noch solche der
Raumplanung auferlegen in dem Sinn eine Koordinationspflicht, dass aus
verfassungsmässigen Gründen Waldfeststellungen auf Nutzungsordnungen
abzustimmen wären. Freilich bringt das neue Bundesgesetz über den
Wald vom 4. Oktober 1991 (BBl 1991 III 1385 ff.), das allerdings noch
nicht in Kraft ist, in dieser Frage eine Rechtsänderung. Art. 10 Abs. 2
schreibt vor, dass beim Erlass und bei der Revision von Nutzungsplänen
eine Waldfeststellung in jenem Bereich anzuordnen ist, wo Bauzonen
an Wald grenzen oder in Zukunft grenzen sollen. Sodann regelt im
"Abschnitt Wald und Raumplanung" Art. 13 die Abgrenzung von Wald und
Bauzonen. Abs. 1 schreibt vor, dass in den Bauzonen die Waldgrenzen
gestützt auf rechtskräftige Waldfeststellungen einzutragen sind. Gemäss
Abs. 2 gelten neue Bestockungen ausserhalb dieser Waldgrenzen nicht als
Wald, wobei Abs. 3 eine Überprüfung vorbehält, wenn Grundstücke im Rahmen
einer Revision des Nutzungsplans aus der Bauzone entlassen werden. Diese
Regelung wird erst nach Inkraftsetzung des neuen Bundesgesetzes
beim Erlass neuer und bei der Revision bestehender Nutzungspläne ihre
Wirksamkeit entfalten. Sie ist hinsichtlich des vorliegend massgeblichen
kommunalen Zonenplans vom 20. November 1985 ohne Bedeutung. Es ist auch
nicht ersichtlich, inwiefern diese zukünftige Regelung im vorliegenden
Fall von Belang sein könnte. Es kann deshalb offen- bleiben, ob auf die
entsprechenden Argumente, welche die Beschwerdeführer erst mit ihrer
Stellungnahme zum Augenscheinsprotokoll vorgebracht haben, überhaupt
eingegangen werden kann. Somit ergibt sich, dass im vorliegenden Fall
eine verfassungsmässige Koordinationspflicht entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführer nicht bestand. Von einer Verfassungsverletzung kann daher
in dieser Hinsicht keine Rede sein. Der angefochtene Entscheid steht auch
insofern nicht in Widerspruch zu Art. 22quater Abs. 3 BV, als der Bund
grundsätzlich an die kantonalen Planungsmassnahmen gebunden ist; denn
dies ist nur dort der Fall, wo ihn das Bundesrecht nicht davon befreit
(vgl. RICCARDO JAGMETTI, Kommentar der Bundesverfassung, Art. 22quater,
Rz. 9 und 143), was hinsichtlich des Waldes eben anders ist.