Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 IB 349



118 Ib 349

45. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 5. Oktober 1992 i.S. SBB gegen Stellv. Präsident der
Eidg. Schätzungskommission, Kreis X Regeste

    Verordnung über die Gebühren und Entschädigungen im
Enteignungsverfahren; Gebühren für Fotokopien, Äquivalenzprinzip.

    Anfechtung der Rechnung des Schätzungskommissions-Präsidenten durch
die kostenpflichtige Partei (E. 1).

    Es verstösst gegen das Äquivalenzprinzip, auch bei Massenanfertigung
von Fotokopien eine Gebühr von zwei Franken pro Seite zu verlangen. Für
die Leistungen des Schätzungskommissions-Präsidenten dürfen allein dann
die vorgesehenen Gebühren in Rechnung gestellt werden, wenn die Abfassung
oder Vervielfältigung einzelner Schreiben nur kurze Zeit in Anspruch
nimmt; andernfalls ist auch die Entschädigung für Fotokopier- und andere
Kanzleiarbeiten, soweit diese nicht Hilfskräften übertragen worden sind,
in Taggeldern zu bemessen (E. 4, 5).

    Ersatz von Mietkosten (E. 7).

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 20 Abs. 1 der Verordnung über die Gebühren und
Entschädigungen im Enteignungsverfahren vom 10. Juli 1968 (SR 711.3; im
folgenden: Gebührenverordnung) stellen die Mitglieder und Ersatzmänner der
Schätzungskommission, die beigezogenen besonderen Sachverständigen und
der Aktuar für ihre Bemühungen dem Präsidenten der Schätzungskommission
Rechnung. Der Präsident prüft diese Rechnungen, erstellt und visiert
eine Gesamtrechnung, welche er der kostenpflichtigen Partei übermittelt
(Art. 20 Abs. 2 der Gebührenverordnung). Diese kann gemäss Art. 23 Abs. 2
der Gebührenverordnung gegen die festgesetzten Gebühren und Entschädigungen
binnen 30 Tagen seit Empfang der Rechnung beim Bundesgericht Beschwerde
führen (vgl. Art. 113 Abs. 2 EntG). Da im vorliegenden Fall die SBB
als kostenpflichtige Partei die dreissigtägige Frist eingehalten haben,
kann auf die Beschwerden eingetreten werden.

Erwägung 4

    4.- In der Gebührenverordnung wird über die vom
Schätzungskommissions-Präsidenten zu erhebenden Kanzleigebühren bestimmt:

    "Art. 1

    1 Für jedes notwendige, hienach nicht besonders genannte Schreiben kann
   eine Gebühr von 4 Franken berechnet werden.

    2 Umfasst ein Schreiben mehr als eine Seite und können nicht
vorgedruckte

    Formulare verwendet werden, so beträgt die Gebühr für jede folgende
ganze

    Seite 4 und für eine angefangene Seite 2 Franken.

    Art. 2

    Für eine Vorladung beträgt die Gebühr 4 Franken.

    Art. 3

    Für eine öffentliche Bekanntmachung beträgt die Gebühr 10 Franken mit
   einem Zuschlag von 1 Franken für jedes zu versendende Exemplar.

    Art. 4

    1 In den Gebühren der Artikel 1-3 ist die Vergütung für die den
Akten als

    Beleg beizufügende Abschrift inbegriffen.

    2 Im übrigen kann für jede Abschrift oder Photokopie eines
Schriftstückes
   eine Gebühr von 2 Franken für die Seite berechnet werden."

    Art. 6 Abs. 2 und 3 sowie Art. 8 der Gebührenverordnung lauten
wie folgt:

    "Art. 6

    1 ...

    2 Das Taggeld umfasst die gesamte vom Präsidenten der

    Schätzungskommission oder dem amtierenden Ersatzmann in der Leitung des
   einzelnen Enteignungsfalles zu leistende Arbeit, insbesondere die
   Prüfung aller Eingaben und Gesuche sowie der Rechnungen über Gebühren
   und

    Entschädigungen, die Verfügungen, Entscheide, Beweismassnahmen,
Vornahme
   von Augenscheinen, Leitung der Einigungsverhandlung und der Verhandlung
   der Schätzungskommission, endlich die Führung des Protokolls dieser

    Verhandlung sowie der Einigungsverhandlung, sofern kein besonderer
Aktuar
   beigezogen wird.

    3 Auf die Gebühren der Artikel 1 und 2 hat der Präsident der

    Schätzungskommission nur insoweit Anspruch, als die Abfassung von

    Schreiben und Vorladungen nicht durch das in Rechnung gestellte Taggeld
   gedeckt ist.

    Art. 8

    1 Für einen angefangenen oder halben Verhandlungstag wird ein halbes

    Taggeld berechnet.

    2 Bei der Entschädigung durch Taggeld ist auch die Zeit der Reise zur

    Verhandlung und zurück in Anschlag zu bringen."

    Aus diesen Bestimmungen geht klar hervor, dass die Arbeit des
Schätzungskommissions-Präsidenten in erster Linie durch das Taggeld
abgegolten werden soll. Seine Leistungen sind einzig dann nach dem
Gebührenansatz zu entschädigen, wenn es lediglich um die Abfassung
einzelner Schreiben und Vorladungen geht, für die nur so kurze Zeit
beansprucht wird, dass eine Entschädigung durch ein - halbes oder ganzes
- Taggeld ausser Betracht fällt. Dass allein entweder Taggelder oder
Gebühren in Rechnung gestellt werden können, muss nach dem Sinn der
Regelung auch für das Anfertigen von Fotokopien gelten, obwohl Art. 6
Abs. 2 nicht ausdrücklich auf Art. 4 Abs. 2 verweist. Dies wird
denn auch vom stellvertretenden Schätzungskommissions-Präsidenten des
Kreises X nicht bestritten. Er ist jedoch der Auffassung, dass selbst bei
Massenanfertigungen von Fotokopien eine Gebühr von zwei Franken pro Seite
verlangt werden könne, sofern keine Taggeld-Entschädigung beansprucht
werde. Nach Meinung der Beschwerdeführerinnen ist indessen in solchen
Fällen die Anwendung des Gebührentarifs aufgrund des Äquivalenzprinzipes
ausgeschlossen und dürfen nur die effektiven Auslagen für die Fotokopien
in Rechnung gestellt werden.

Erwägung 5

    5.- Gemäss dem aus Art. 4 BV hergeleiteten, das
Verhältnismässigkeitsgebot konkretisierenden Äquivalenzprinzip darf die
Gebühr zum objektiven Wert der Leistung nicht in ein offensichtliches
Missverhältnis geraten und muss sich in vernünftigen Grenzen bewegen. Der
Wert der Leistung bemisst sich entweder nach dem Nutzen, den sie
dem Pflichtigen bringt, oder - wie im vorliegenden Fall - nach dem
Kostenaufwand der konkreten Inanspruchnahme im Verhältnis zum gesamten
Aufwand des betreffenden Verwaltungszweiges bzw. der betreffenden Behörde
(BGE 109 Ib 314 E. 5b, 109 II 480 E. 3c, 107 Ia 33 E. 2d).

    a) Die Gestehungskosten für eine Fotokopie dürften heute - ohne
Lohnkosten - nicht mehr als Fr. 0.20 betragen. Jedenfalls werden in
Einkaufszentren, Verwaltungsgebäuden usw. den Privaten in der Regel für
dieses Entgelt Fotokopier-Apparate zur Verfügung gestellt. Was weiter
den zeitlichen Aufwand anbelangt, so lassen sich mit modernen Apparaten
innert wenigen Stunden Hunderte von Kopien erstellen sowie allenfalls
sortieren und heften; auch mit älteren Maschinen kann eine Kopie in einigen
Sekunden hergestellt werden. Für ihre Tätigkeit werden die Präsidenten
der Schätzungskommissionen und ihre Aktuare, wie dargestellt, in der Regel
mit Taggeldern entschädigt. Diese belaufen sich zur Zeit für Präsidenten
auf Fr. 800.--, sofern sie freierwerbende Anwälte sind, andernfalls auf
Fr. 500.--; den Aktuaren steht, sofern sie freierwerbende Anwälte sind,
ein Taggeld von Fr. 500.--, andernfalls von Fr. 400.-- zu (Art. 6 Abs. 1
und Art. 7 der Gebührenverordnung in der Fassung vom 3. Dezember 1990,
in Kraft seit 1. Januar 1991). Vor dem 1. Januar 1991 waren die Taggelder
für die Präsidenten auf Fr. 600.-- bzw. Fr. 400.--, für die Aktuare auf
Fr. 300.-- festgesetzt. Für die Hilfskräfte, die für Kanzleiarbeiten, wie
das Anlegen von Dossiers sowie Registratur- und Vervielfältigungsarbeiten,
beigezogen werden können, sind gemäss den an die Schätzungskommissionen
gerichteten Mitteilungen der Bundesgerichtskasse die üblichen Stundenlöhne
zu bezahlen. Müssen somit im Rahmen der Tätigkeit der Schätzungskommission
beispielsweise 1000 Fotokopien erstellt werden, was auch mit älteren
Maschinen in einem Tag möglich sein sollte (vgl. BGE 107 Ia 34), so
belaufen sich die heutigen Lohnkosten pro Kopie auf etwa Fr. 0.25,
wenn eine Hilfskraft eingesetzt wird, auf Fr. 0.50 bzw. 0.40, wenn der
Aktuar die Vervielfältigungen vornimmt, und auf Fr. 0.80 bzw. Fr. 0.50,
wenn der Präsident selbst kopiert. Vor dem 1. Januar 1991 betrugen die
Kosten pro Kopie sogar nur Fr. 0.30 bei Einsatz des Aktuaren und Fr. 0.60
bzw. Fr. 0.40 bei Vervielfältigungsarbeit durch den Präsidenten.

    Liegen demnach im vorliegenden Fall die Gesamtkosten für die
serienmässige Herstellung von Fotokopien deutlich unter Fr. 1.--
pro Stück, so hält der in Rechnung gestellte Betrag von Fr. 2.--
je Seite, wie die Beschwerdeführerinnen zu Recht geltend machen, vor
dem Äquivalenzprinzip nicht stand. Die Unvereinbarkeit eines solchen
Gebührenansatzes mit Art. 4 BV ergibt sich denn hier auch aus der
Gegenüberstellung der geforderten Taggelder und Gebühren: Während für
die 1989 an 25 Tagen durchgeführten Einigungsverhandlungen und die damit
verbundenen Arbeiten Taggeld-Entschädigungen von insgesamt Fr. 38'000.--
verlangt werden, belaufen sich die Gesamtgebühren für die Fotokopien
der Verhandlungsprotokolle auf nicht weniger als Fr. 25'996.--. Wird nur
die Rechnung des Aktuars betrachtet, so übersteigt seine Kostennote für
Fotokopien in Höhe von Fr. 13'088.-- die Taggeld-Entschädigungen von
Fr. 4'800.-- sogar um ein Mehrfaches. Auch für die Rechnungsperiode
1991 bleibt die vom Präsidenten für Fotokopien geforderte Gebühr
von Fr. 5'814.-- nicht weit unter dem Taggeld-Gesamtbetrag von
Fr. 7'000.--. Es kann aber offensichtlich nicht verhältnismässig sein,
wenn der Präsident oder Aktuar einer Schätzungskommission als Entgelt
für blosse Hilfsarbeiten, wie das Kopieren, mehr verlangt als das, was
ihm für seine eigentliche juristische Tätigkeit zusteht. Der Auffassung
der Beschwerdegegner, es stehe ihnen frei, der kostenpflichtigen
Partei auch für umfangreiche Vervielfältigungsarbeiten statt der
Taggeld-Entschädigungen oder der effektiv den Hilfskräften bezahlten
Löhne die Gebühr von Fr. 2.-- pro Kopie zu belasten, kann daher nicht
gefolgt werden.

    b) Es stellt sich somit die Frage, welcher Betrag für die Fotokopien
hätte in Rechnung gestellt werden dürfen.

    Die Beschwerdegegner machen in ihren Vernehmlassungen geltend,
dass ihnen zur Anfertigung der Kopien keine leistungsfähigen Maschinen
zur Verfügung gestanden hätten und mit den erhobenen Gebühren nicht nur
das Fotokopieren selbst, sondern auch das Sortieren, Heften, Verpacken
und Versenden der Schriftstücke abgegolten werde. Der Aktuar führt
weiter aus, dass er im Anschluss an die an 14 Tagen durchgeführten
Einigungsverhandlungen für die erwähnten Kanzleiarbeiten mindestens
je einen zusätzlichen Tag habe aufwenden müssen. Ausserdem habe
er für die von ihm erstellten 6544 Kopien seinem Arbeitgeber für die
Benützung des Apparates je Fr. 0.10 bezahlen müssen. Der stellvertretende
Schätzungskommissions-Präsident macht weder über den zeitlichen Aufwand
noch über allfällige Auslagen irgendwelche Angaben.

    Grundsätzlich ist zu bemerken, dass es angebracht gewesen wäre,
für die umfangreichen Kanzleiarbeiten, die im Jahre 1989 im Zusammenhang
mit den an 25 Tagen durchgeführten Einigungsverhandlungen anfielen, eine
Hilfskraft einzusetzen. Dies wurde den Präsidenten der Eidgenössischen
Schätzungskommission des Kreises X vom Bundesgericht schon mit Schreiben
vom 11. September 1989 empfohlen. Da jedoch diese Arbeiten nun einmal
durch den Präsidenten und den Aktuaren selbst vorgenommen worden sind,
steht ihnen hiefür eine Vergütung zu, die indessen aus den genannten
Gründen die Taggeld-Entschädigungen nicht übersteigen darf und nach den
Vorschriften der Gebührenverordnung auch in solchen auszurichten ist.

    Dem Aktuar sind demnach für die gemäss eigenen Angaben für
Kanzleiarbeiten aufgewendeten 14 Tage nach dem damals geltenden
Taggeld-Ansatz je Fr. 300.--, insgesamt Fr. 4'200.--, zu bezahlen. Zudem
sind ihm die für die Anfertigung der 6544 Fotokopien entstandenen Auslagen
von Fr. 654.40 zu vergüten.

    Was den Präsidenten anbelangt, so hat dieser für die zwischen
dem 28. Juli und dem 31. Dezember 1989 an 25 Tagen stattfindenden
Einigungsverhandlungen und die damit verbundenen Arbeiten Taggelder
für 84 Tage in Rechnung gestellt. Es fragt sich, ob mit diesen
Taggeld-Entschädigungen die Vervielfältigungs- und Versandarbeiten nicht
bereits abgegolten seien. Da jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass
der zeitliche Aufwand doch grösser war, können dem Präsidenten für die von
ihm anschliessend an 11 Verhandlungstagen vorgenommenen administrativen
Arbeiten weitere 11 Taggelder zugestanden werden. Allfällige Auslagen
- solche sind nicht ausgewiesen worden - sind in diesen zusätzlichen
Taggeld-Entschädigungen inbegriffen.

    Mit der Zwischenabrechnung für das Jahr 1991 wird neben den Taggeldern
für insgesamt 14 Tage ein in Anwendung des umstrittenen Gebühren-Tarifes
berechneter Gesamtbetrag von Fr. 5'814.-- für Fotokopien eingefordert. Über
den zeitlichen Aufwand des Präsidenten für die Anfertigung dieser Kopien
und allfällige Auslagen ist ebenfalls nichts bekannt. An die Stelle des
verlangten Betrages ist daher ermessensweise eine Entschädigung von 5
Taggeldern zu je Fr. 500.-- zu setzen, die als eher grosszügig gelten
kann und mit der auch eventuelle Unkosten abgegolten werden.

Erwägung 7

    7.- Den Antrag auf Streichung der Entschädigung für die "Raum-Miete"
bzw. für die Aktenaufbewahrung im Jahre 1991 in Höhe von Fr.
960.-- begründen die Beschwerdeführerinnen damit, dass ein solches
Entschädigungsbegehren jedenfalls für die Zeit nach der Überweisung der
Einspracheakten an das Bundesamt für Verkehr nicht mehr geltend gemacht
werden könne; es könne daher offenbleiben, ob für eine solche Forderung
überhaupt eine gesetzliche Grundlage bestehe.

    Es trifft zu, dass die Gebührenverordnung in der heutigen
Fassung eine Vergütung von Mietkosten nicht ausdrücklich vorsieht. Die
Büro-Benützung wird denn auch in der Regel mit der Taggeld-Entschädigung
abgegolten. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen grösserer
Verfahren eigens wegen der Enteignungsgeschäfte zusätzliche Räume zur
Aktenaufbewahrung gemietet werden müssen. In diesem Fall müssen die
entsprechenden Kosten ebenfalls als Auslagen in Rechnung gestellt werden
können. Den Beschwerdeführerinnen ist aber darin zuzustimmen, dass im
vorliegenden Fall nach der Überweisung der Einspracheakten an das Bundesamt
für Verkehr nur noch die Unterlagen über die Entschädigungsforderungen
der Enteigneten beim Schätzungskommissions-Präsidenten verblieben sind
und diese keinen derartigen Umfang aufweisen, dass allein für deren
Aufbewahrung ein Raum zur Verfügung gestellt oder hinzugemietet werden
müsste. Die Beschwerde ist daher auch in diesem Punkte gutzuheissen.