Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 IB 335



118 Ib 335

43. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8.
September 1992 i.S. Bundesamt für Raumplanung gegen Gemeinde Sils
i.E./Segl, Departement des Innern und der Volkswirtschaft des Kantons
Graubünden sowie Verwaltungsgericht (Kammer 2) des Kantons Graubünden
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Baubewilligung für Forstmagazin mit Diensträumen in der
Forstwirtschaftszone; Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    1. Stellt sich die Frage einer Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG,
so ist das Verhältnis zwischen Bauvorhaben und massgeblicher Nutzungszone
im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu prüfen (E. 1a).

    2. Beurteilung der Zonenkonformität forstlicher Bauten und Anlagen
im Waldareal (E. 2).

    3. Zonenkonforme Bauten im Wald bedürfen einer Bewilligung im Sinne
von Art. 22 RPG, während zonenwidrige Bauten im Wald nur gestützt auf
eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG errichtet werden dürfen (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Die Gemeinde Sils i.E./Segl verfügt im Waldgebiet von Resgia
unweit der Talstation Furtschellas über ein Forstmagazin von ca. 90
m2 Bruttogeschossfläche. Sie beabsichtigt, das Magazin auf ca. 265 m2
Bruttogeschossfläche zu erweitern und daneben eine Blockhütte mit etwa
30 m2 Bruttogeschossfläche als Umkleide- und Aufenthaltsraum für die
Forstarbeiter zu erstellen. Dem entsprechenden Baugesuch stimmte das
Departement des Innern und der Volkswirtschaft des Kantons Graubünden
(DIV) mit Verfügung vom 14. Mai 1991 indessen nicht zu, da die vorgesehenen
Bauten weder zonenkonform noch standortgebunden seien und ebensogut in der
nahen Bauzone realisiert werden könnten. In der Folge erhob die Gemeinde
Sils Rekurs an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit dem
Antrag, die Verfügung vom 14. Mai 1991 aufzuheben und dem Bauvorhaben
zuzustimmen; die Bauten seien im Interesse der Waldwirtschaft notwendig
und deshalb zonenkonform. Mit Entscheid vom 21. August 1991 hiess das
Verwaltungsgericht den Rekurs im Sinne der Erwägungen gut, hob die
angefochtene Verfügung auf und wies die Sache zu weiterer Abklärung und
neuem Entscheid an das Departement zurück. Es erwog, das DIV sei der
Auffassung, dass sich der Standort der geplanten Baute nicht zwingend
ausserhalb der Bauzone in der Forstzone befinden müsste. Damit vermische
das DIV die Begriffe der Zonenkonformität und der Standortgebundenheit nach
Art. 24 Abs. 1 RPG. Werde nämlich eine bestimmte Art von Bauten und Anlagen
in einer bestimmten Zone durch das Gesetz als zonenkonform bezeichnet, so
bedeute dies nichts anderes, als dass sie eben in dieser Zone als zulässig
errichtet werden dürften, auch wenn sie nicht zwingend auf einen Standort
in der betreffenden Zone angewiesen seien. Demgegenüber stelle sich die
Frage nach einem objektiv zwingenden Angewiesensein auf einen bestimmten
Standort nur bei nicht zonenkonformen Bauten und Anlagen ausserhalb der
Bauzonen unter dem Titel der Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 Abs. 1
RPG. Die Ausführungen des DIV zu einem möglichen Standort innerhalb der
Bauzonen gingen daher ins Leere, nachdem feststehe, dass die von der
Gemeinde geplanten Bauten grundsätzlich zonenkonform seien. Dagegen lasse
sich heute mangels Unterlagen nicht entscheiden, ob das Bauvorhaben die
für die konkreten forstwirtschaftlichen Bedürfnisse notwendige Grösse und
Ausstattung aufweise. Das Departement werde somit noch zu prüfen haben,
ob der Forstwerkhof im Hinblick auf die Waldbewirtschaftung von Sils
nicht überdimensioniert sei. In diesem Sinne sei der Rekurs gutzuheissen
und die Sache zu weiterer Abklärung und neuem Entscheid an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

    Mit Eingabe vom 2. Oktober 1991 erhob das Bundesamt für Raumplanung
(BRP) Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag,
der Entscheid des Verwaltungsgerichtes sei aufzuheben; die Sache sei zur
gesamthaften Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Nach Art. 34 Abs. 1 RPG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
an das Bundesgericht gemäss Art. 97 OG in Verbindung mit
Art. 5 VwVG u.a. zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler
Instanzen über Bewilligungen im Sinne von Art. 24 RPG. Als mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbare Entscheide im Sinne von Art. 34
Abs. 1 RPG gelten in bezug auf Art. 24 RPG nicht nur letztinstanzliche
Verfügungen, mit denen eine Bewilligung nach Art. 24 RPG erteilt
wird, sondern auch Entscheide, mit denen Bauten und Anlagen gestützt
auf diese Bestimmung nicht bewilligt werden. Weiter unterliegen der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch jene Entscheide über Bauten und Anlagen,
die einer raumplanerischen Ausnahmebewilligung bedürften und bei deren
Beurteilung Art. 24 RPG zu Unrecht nicht angewendet wurde (vgl. BGE 117 Ib
38 E. 2, 115 Ib 400 und 510 114 Ib 348 f.). Diese Rechtsprechung entspricht
dem Grundsatz, dass auch Anordnungen, die sich auf öffentliches Recht des
Bundes hätten stützen sollen, als Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwVG
zu betrachten und daher im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren
zu beurteilen sind (BGE 117 Ib 11 E. 2a mit Hinweisen). Das BRP rügt
eine Verletzung von Art. 24 Abs. 1 RPG. Es macht sinngemäss geltend,
das Verwaltungsgericht habe die Frage der Zonenkonformität der von der
Gemeinde Sils im Waldgebiet von Resgia geplanten baulichen Massnahmen
in Verletzung der hiefür nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes
geltenden Grundsätze beurteilt und überdies den Sachverhalt im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 OG unvollständig festgestellt. Da der Anwendungsbereich
von Art. 24 Abs. 1 RPG von der Beurteilung der Zonenkonformität im Sinne
von Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG abhängig ist, können diese Rügen im Rahmen
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht werden. Dieser enge
Zusammenhang zwischen den beiden letztgenannten Bestimmungen kommt im
Wortlaut von Art. 24 Abs. 1 RPG deutlich zum Ausdruck. Danach können
abweichend von Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG Bewilligungen erteilt werden,
Bauten und Anlagen zu errichten oder ihren Zweck zu ändern, wenn dieser
einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert (Art. 24 Abs. 1 lit. a
RPG) und keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (Art. 24 Abs. 1
lit. b RPG). Das Bundesgericht hat denn auch stets das Verhältnis zwischen
Bauvorhaben und massgeblicher Nutzungszone im verwaltungsgerichtlichen
Verfahren geprüft, wenn sich die Frage einer Ausnahmebewilligung im Sinne
von Art. 24 RPG stellte (BGE 112 Ib 259 ff. und 271 E. 1a, 111 Ib 215 E. 2,
s. auch nicht publ. E. 2 von BGE 113 Ib 138 ff.).

    b) Das BRP ist aufgrund von Art. 27 Abs. 3 RPV (in der Fassung vom
2. Oktober 1989) befugt, Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Sinne von
Art. 34 Abs. 1 RPG zu erheben (vgl. BGE 113 Ib 221 E. 1b mit Hinweisen
sowie nicht publ. E. 1c von BGE 115 Ib 295 in bezug auf die entsprechende
Bestimmung gemäss Art. 17 Abs. 3 RPV in der Fassung vom 26. März 1986,
nicht publ. Urteil vom 22. Oktober 1990 i.S. BRP c. D. und Commune
d'Ecoteaux in bezug auf Art. 27 Abs. 3 RPV 1989).

    c) Mit dem angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichtes kann das
streitige Bauvorhaben nicht endgültig realisiert werden. Vielmehr wird
die Sache zur Bestimmung der zulässigen konkreten Grösse der baulichen
Vorhaben und zu neuem Entscheid an das DIV zurückgewiesen. Dennoch ist die
Beschwerde schon gegen den angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichtes
zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist eine Verfügung,
in der ein Grundsatzentscheid - hier ein solcher in bezug auf die Frage
der Zonenkonformität - getroffen und die Sache im Sinne der Erwägungen
an eine untere Instanz zurückgewiesen wird, eine Endverfügung (BGE 107
Ib 221 f. E. 1 mit Hinweisen, vgl. auch BGE 116 Ia 445 E. 1b). Es wäre
auch im vorliegenden Fall nicht prozessökonomisch, Arbeiten des DIV zu
veranlassen, welche die Entscheidung der Grundsatzfrage gegebenenfalls
unnötig machen. Sollte sich nämlich herausstellen, dass die vom BRP am
verwaltungsgerichtlichen Urteil in bezug auf die Frage der Zonenkonformität
geübte Kritik hinsichtlich der von der Gemeinde im Waldgebiet geplanten
baulichen Massnahmen zutrifft, so ergäbe sich für die Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhaltes eine neue Ausgangslage.

    d) Auch die übrigen Prozessvoraussetzungen sind erfüllt. Auf die
Beschwerde ist somit einzutreten.

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss Art. 28 Abs. 1 FPolV sind Bauten im Wald, die nicht
forstlichen Zwecken dienen, grundsätzlich verboten. Im öffentlichen Wald
können Forsthütten, die für die Bewirtschaftung des Waldes notwendig sind,
erstellt werden (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 FPolV).

    Nach Auffassung des kantonalen Verwaltungsgerichtes entspricht eine
Baute oder Anlage den in diesen Bestimmungen enthaltenen Voraussetzungen,
wenn sie in erster Linie forstlichen Zwecken diene und wenn zudem
ein forstwirtschaftliches Bedürfnis ausgewiesen sei. Handle es sich in
diesem Sinne um forstlichen Zwecken dienende Bauten und Anlagen, so liege
Zonenkonformität vor, und es bedürfe deshalb keiner Ausnahmebewilligung
nach Art. 24 RPG, wohl aber einer Bewilligung nach Art. 22 RPG. Werde
eine bestimmte Art von Bauten und Anlagen in einer bestimmten Zone durch
das Gesetz als zonenkonform bezeichnet, so bedeute dies nichts anderes,
als dass sie eben in dieser Zone zulässigerweise errichtet werden dürften,
auch wenn sie nicht zwingend auf einen Standort in der betreffenden Zone
angewiesen seien. Demgegenüber stelle sich die Frage nach einem objektiv
zwingenden Angewiesensein auf einen bestimmten Standort nur bei nicht
zonenkonformen Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen unter dem Titel
der Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 Abs. 1 RPG.

    Das BRP hält demgegenüber dafür, gestützt auf Art. 28 Abs. 1 und 2
FPolV dürften nur Bauten und Anlagen bewilligt werden, die forstlichen
Zwecken dienen könnten, am vorgesehenen Standort notwendig und nicht
überdimensioniert seien und die nicht gegen überwiegende öffentliche
Interessen verstiessen.

    b) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu der in Art. 16
RPG geregelten Landwirtschaftszone ist ein Ökonomiegebäude nur dann
gemäss Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG zonenkonform, wenn es in seiner
konkreten Ausgestaltung für eine zweckmässige Bewirtschaftung des
Bodens am vorgesehenen Standort notwendig und nicht überdimensioniert
ist. Ausserdem dürfen gegen seine Errichtung keine überwiegenden
öffentlichen Interessen sprechen. Das Bundesrecht lässt somit in der
Landwirtschaftszone nur Wirtschaftsgebäude im einzelbetrieblichen Ausmass
zu (s. nicht publ. Urteile des Bundesgerichtes vom 6. Mai 1986 betr.
Ortskommission Uesslingen, E. 3, vom 29. Juni 1988 betr. Gemeinde
Amriswil, E. 3a, vom 31. Oktober 1988 betr. Canton de Neuchâtel, E. 3,
vom 13. Juni 1989 betr. Gemeinde Auw, E. 4c, und vom 22. Oktober 1990
betr. Commune d'Ecoteaux, E. 2, vgl. ferner BGE 112 Ib 259 ff.; zudem
EJPD/BRP, Erläuterungen zum RPG, N. 19 zu Art. 16, S. 220, und LEO
SCHÜRMANN, Bau- und Planungsrecht, 2. Aufl., Bern 1984, S. 169).

    Diese Grundsätze sind sinngemäss auch für die Beurteilung der
Zonenkonformität forstlicher Bauten und Anlagen im Wald anzuwenden, wie
bereits das DIV in seiner dem Urteil des kantonalen Verwaltungsgerichtes
zugrundeliegenden Verfügung vom 14. Mai 1991 richtig erkannt hat. Im
Lichte der genannten Grundsätze der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
zur Zonenkonformität landwirtschaftlicher Bauten und Anlagen in der
Landwirtschaftszone erscheint das vom Verwaltungsgericht im angefochtenen
Entscheid zum Ausdruck gebrachte Verständnis der Zonenkonformität
forstlicher Bauten im Wald als zu undifferenziert und mithin
unzutreffend. Die Begründung, mit welcher es die von der Gemeinde Sils im
Wald geplanten, hier umstrittenen Bauten als zonenkonform bezeichnet hat,
verstösst somit gegen Art. 28 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 FPolV in Verbindung
mit Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG und damit gegen Bundesrecht. Das bedeutet
jedoch nicht, dass der betreffende Entscheid der Vorinstanz deswegen
aufzuheben wäre. Vielmehr ist weiter zu prüfen, ob das umstrittene Vorhaben
den Anforderungen der Zonenkonformität forstrechtlicher Bauten und Anlagen
im Wald im dargelegten Sinn entspricht. Ist dies der Fall, so hat das
Verwaltungsgericht Art. 24 RPG zu Recht nicht angewendet und ist seiner
Auffassung, es bedürfe lediglich einer Baubewilligung nach Art. 22 RPG,
beizupflichten. Nach der Praxis des Bundesgerichtes bedürfen nämlich
zonenkonforme forstwirtschaftliche Bauten im Wald einer Bewilligung im
Sinne von Art. 22 RPG, während zonenwidrige Bauten im Wald nur gestützt
auf eine Ausnahmebewilligung im Sinne von Art. 24 RPG errichtet werden
dürfen (BGE 112 Ib 258 f.).

Erwägung 3

    3.- (Zonenkonformität des im vorliegenden Fall im Waldareal
vorgesehenen Forstmagazins bejaht.)