Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 IB 266



118 Ib 266

33. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 16. Januar 1992 i.S. X. AG gegen Bundesamt für Polizeiwesen
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde). Regeste

    Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Staatsvertrag zwischen der
Schweiz und den USA über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (RVUS).

    Im Rahmen des dem RVUS unterstellten Rechtshilfeverkehrs ist die
Frage des Verjährungseintritts nicht zu prüfen.

Sachverhalt

    A.- Die amerikanische Zentralstelle "Office of International Affairs"
(OIA) des US-Justizdepartements übermittelte am 7. Juni 1990 das von der
"Securities and Exchange Commission" (SEC) abgefasste, vom 4. Juni 1990
datierte Rechtshilfeersuchen gegen unbekannte Täterschaft betreffend
Insidergeschäfte i.S. X. AG an die schweizerische Zentralstelle des
Bundesamtes für Polizeiwesen (BAP).

    Das BAP trat gemäss Art. 10 BG-RVUS auf das Ersuchen ein und
übermittelte es, unter Anordnung des Vollzugs, am 28. August 1990 an die
Bezirksanwaltschaft Zürich.

    Das Ersuchen vom 4. Juni 1990 stützt sich auf frühere Begehren, welche
im wesentlichen denselben Tatkomplex zum Gegenstand hatten. Die damals
verlangte Rechtshilfe war gemäss BGE 113 Ib 72 ff. und 77 ff. grundsätzlich
zu bewilligen, und in der Folge wurden die damaligen Begehren grösstenteils
erledigt. Es kann hier auf die betreffenden Urteile verwiesen werden.

    Am 26. Dezember 1990 erliess die Bezirksanwaltschaft Zürich
verschiedene Verfügungen, mit denen den Betroffenen einerseits die
Anordnung des BAP betreffend die Zulässigkeit der Rechtshilfe und
andererseits die kantonalen Vollzugshandlungen eröffnet wurden. Ein von
der X. AG hiergegen erhobener Rekurs an die Staatsanwaltschaft des Kantons
Zürich blieb erfolglos. Sodann wies die Zentralstelle USA eine von der
X. AG ebenfalls eingereichte Einsprache ab und bewilligte die verlangte
Rechtshilfe mit Verfügung vom 23. April 1991.

    Mit Eingabe vom 23. Mai 1991 erhob die X. AG
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Dieses weist die
Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- b) bb) Nachdem sich die ursprünglichen Begehren der amerikanischen
Behörden auf den Zeitraum von September 1979 bis Mai 1984 bezogen hatten,
soll der verdächtige Handel laut dem vorliegenden Ergänzungsersuchen
bis mindestens November 1988 gedauert haben. In Berücksichtigung einer
absoluten Verjährungsfrist von 7 1/2 Jahren (Art. 162 und 321 in Verbindung
mit Art. 70 und 72 StGB, Art. 5 Abs. 1 lit. c IRSG) wäre somit entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin jedenfalls auf den vom Ergänzungsersuchen
erfassten Zeitraum bezogen die absolute Strafverfolgungsverjährung kaum
eingetreten. Wie es sich damit im einzelnen verhält, kann indes aus den
nachfolgenden Gründen offenbleiben.

    Wie die für die Schweiz gemäss der von ihr abgegebenen Erklärung
anwendbare Bestimmung des Art. 5 Ziff. 1 lit. a EÜR (SR 0.351.1), so
enthält auch die für Zwangsmassnahmen die beidseitige Strafbarkeit
voraussetzende Bestimmung von Art. 4 RVUS keinen Hinweis auf die
Verjährung, während das IRSG Zwangsmassnahmen ausschliesst, wenn nach
schweizerischem Recht die absolute Verjährung der Strafverfolgung oder
-vollstreckung eingetreten ist (Art. 5 Abs. 1 lit. c IRSG); nach Art. 4
RVUS müssen für die Anordnung von Zwangsmassnahmen nur die objektiven
Tatbestandsmerkmale erfüllt sein, wozu die Frage der Verjährung klarerweise
nicht gehört.

    Das Bundesgericht hat kürzlich entschieden, dass dem
Verjährungseintritt im Rahmen des dem EÜR unterstellten Rechtshilfeverkehrs
nicht Rechnung zu tragen ist (BGE 117 Ib 53 ff.). Diese Lösung gelangt
gemäss dem betreffenden Entscheid nur dann nicht zur Anwendung, wenn es
um Rechtshilfemassnahmen geht, für die das IRSG selber massgebend ist,
da eben wie erwähnt nach dessen Art. 5 Abs. 1 lit. c einem Ersuchen nicht
entsprochen wird, soweit seine Ausführung Zwangsmassnahmen erfordert und
die Strafverfolgung oder die Vollstreckung nach schweizerischem Recht
wegen absoluter Verjährung ausgeschlossen wäre. Gleich wie mit Bezug auf
das EÜR hat das Bundesgericht neulich in bezug auf Rechtshilfemassnahmen
nach dem schweizerisch-deutschen Zusatzvertrag zum EÜR (SR 0.351.913.61)
entschieden (nicht publ. Urteil vom 13. November 1991 i.S. B.). Gründe,
weshalb hinsichtlich der nach dem RVUS abzuwickelnden Rechtshilfemassnahmen
anders vorzugehen wäre, sind nicht ersichtlich. Aus denselben Überlegungen,
wie sie den beiden soeben erwähnten Urteilen zugrundeliegen, drängt es
sich auf, dem Verjährungseintritt auch im Rahmen des dem RVUS unterstellten
Rechtshilfeverkehrs nicht Rechnung zu tragen (im Ergebnis übereinstimmend
übrigens schon nicht publ. Urteil des Bundesgerichts vom 22. November
1983 i.S. M. L.); es kann dabei auf die einlässlichen Ausführungen in
BGE 117 Ib 58 ff. verwiesen werden.

    Zwar versucht die Beschwerdeführerin, das BAP darauf zu "behaften",
dass es in der Zwischenverfügung vom 22. Februar 1991 Verjährung
gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. c IRSG vorgesehen habe. Tatsächlich steht
aber bereits in dieser Zwischenverfügung: "... So ist die Verjährung im
Verhältnis mit den USA nicht zu berücksichtigen." Bloss für den Fall,
dass der Verjährungseinwand der Beschwerdeführerin Gehör finden würde,
wurde beigefügt, dass jedenfalls lediglich die absolute und entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin nicht die relative Verjährungsfrist
beachtlich sein könnte.

    Auf den Einwand, dem Ersuchen dürfe wegen inzwischen bereits
eingetretener Verjährung nicht entsprochen werden, ist demnach nicht
weiter einzugehen.