Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 IB 187



118 Ib 187

25. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
5. Juni 1992 i.S. Eidgenössisches Finanzdepartement gegen Hermann Fitzi
und Eidgenössische Zollrekurskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde).
Regeste

    Befreiung der Kunstmaler und Bildhauer für die selbst hergestellten
Kunstwerke von der Warenumsatz-Steuerpflicht (Art. 8 Abs. 2 lit.
b ÜbBest.BV; WUSt-Beschluss, SR 641.20).

    Die in Art. 8 Abs. 2 lit. b ÜbBest.BV vorgesehene Steuerbefreiung
der Kunstmaler und Bildhauer für die selbst hergestellten Kunstwerke
gilt sowohl für die Steuer auf dem Warenumsatz im Inland als auch für
die Steuer auf der Wareneinfuhr (E. 4 und E. 5).

Sachverhalt

    A.- Der in Italien lebende Künstler Hermann Fitzi führte teils vor
teils nach dem 1. Oktober 1982 von ihm hergestellte Bilder in die Schweiz
ein, wo sie später in einer Kunstgalerie in Winterthur zum Kauf angeboten
wurden. Aufgrund von Ermittlungen des Untersuchungsdienstes Schaffhausen
nahm die Zollkreisdirektion II am 13. Juni 1984 ein Schlussprotokoll
gegen Hermann Fitzi auf, worin ihm zur Last gelegt wurde, durch unrichtige
Deklaration bei der Einfuhr seiner Bilder Warenumsatzsteuern hinterzogen
zu haben.

    Nachdem die Zollkreisdirektion Schaffhausen in der Folge Hermann Fitzi
für den Steuerbetrag von Fr. 4'630.90 leistungspflichtig erklärt hatte,
setzte die Oberzolldirektion auf Beschwerde hin die nachzuentrichtende
Umsatzsteuer mit Entscheid vom 5. Juli 1988 auf Fr. 2'233.50 herab.

    Mit Urteil vom 14. September 1990 hiess die Eidgenössische
Zollrekurskommission eine Beschwerde Hermann Fitzis teilweise gut. Sie
bestätigte die Steuerpflicht des Beschwerdeführers für die vor dem
1. Oktober 1982 erfolgte Einfuhr und setzte die betreffende Nachsteuer
auf Fr. 729.15 fest. Dagegen verneinte sie die Steuerpflicht für
Einfuhren nach diesem Zeitpunkt, weil gemäss Art. 8 Abs. 2 lit. b der
Übergangsbestimmungen zur Bundesverfassung (ÜbBest.BV) Kunstmaler und
Bildhauer für die selbst hergestellten Kunstwerke seit dem Inkrafttreten
dieser Bestimmung (1. Oktober 1982) von der Steuerpflicht in der
Warenumsatzsteuer befreit seien, was auch für die Einfuhrsteuer gelte.

    Das Eidgenössische Finanzdepartement erhebt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht und beantragt, das
Urteil der Eidgenössischen Zollrekurskommission vom 14. September 1990
sei aufzuheben.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Umstritten - und vorab zu beantworten - ist die Frage, ob das
Bundesgericht den WUSt-Beschluss auf seine Verfassungsmässigkeit hin
überprüfen kann.

    a) Das beschwerdeführende Departement ist der Auffassung, Art. 113
Abs. 3 bzw. 114bis Abs. 3 BV stünden dieser Überprüfung entgegen, weil
die Verfassung selbst festlege (in Art. 8 Abs. 1 ÜbBest.BV), dass die
am 31. Dezember 1981 geltenden Bestimmungen über die Warenumsatzsteuer,
die direkte Bundessteuer und die Biersteuer in Kraft bleiben, mit Ausnahme
der in Art. 8 Abs. 2 und 3 ÜbBest.BV umschriebenen Änderungen.

    b) Dem kann nicht gefolgt werden. Zwar trifft zu, dass das
Bundesgericht an jene vom Volk angenommene Verfassungsbestimmung und
damit auch an die Bestimmungen, die darin für verbindlich erklärt werden,
gebunden ist (ASA 52, 642 E. 1, mit Hinweisen; vgl. auch ASA 56, 267 E. 5a,
mit Hinweis). Hier geht es jedoch nicht darum, solche Bestimmungen des
WUSt-Beschlusses auf ihre Verfassungsmässigkeit hin zu prüfen; vielmehr
geht es um die Rechtsfrage, ob der WUSt-Beschluss im nachhinein den in
Art. 8 Abs. 1 ÜbBest.BV ausdrücklich vorbehaltenen und insbesondere
in Art. 8 Abs. 2 lit. b ÜbBest.BV, also auf Verfassungsstufe selbst
vorgenommenen Änderungen (richtig) angepasst wurde (vgl. Art. 8 Abs. 4
ÜbBest.BV). In diesem Umfang unterliegt der WUSt-Beschluss, wie andere
selbständige Verordnungen des Bundesrates auch, der bundesgerichtlichen
Überprüfung auf seine Verfassungsmässigkeit.

    Im folgenden ist deshalb zu prüfen, ob sich die im WUSt-Beschluss ab 1.
Oktober 1982 für Kunstmaler und Bildhauer getroffene Regelung mit Art. 8
Abs. 2 lit. b ÜbBest.BV vereinbaren lasse.

Erwägung 3

    3.- a) Art. 8 der Übergangsbestimmungen zur Bundesverfassung lautet
im hier interessierenden Teil wie folgt:

    "1 Unter Vorbehalt von Bundesgesetzen im Sinne von Artikel 41ter
bleiben
   die am 31. Dezember 1981 geltenden Bestimmungen über die

    Warenumsatzsteuer, die direkte Bundessteuer (bisher Wehrsteuer) und die

    Biersteuer mit den nachstehenden Änderungen in Kraft.

    2 Mit Wirkung ab 1. Oktober 1982 gelten für die Warenumsatzsteuer
   folgende Bestimmungen:

    b. Kunstmaler und Bildhauer sind für die selbst hergestellten
Kunstwerke

    von der Steuerpflicht befreit.

    4 Der Bundesrat passt die Beschlüsse über die Warenumsatzsteuer und die

    Wehrsteuer den Änderungen in den Absätzen 2 und 3 an. ..."

    Der französische und der italienische Text von Art. 8 Abs. 2 lit. b
ÜbBest.BV lauten:

    "Les artistes-peintres et les sculpteurs ne sont pas assujettis
à l'impôt
   pour les oeuvres d'art qu'ils ont créées eux-mêmes."

    "Gli artisti pittori e gli scultori sono esclusi dall'assoggettamento
per
   le opere d'arte che loro stessi hanno creato."

    b) Nach Art. 2 WUStB umfasst die Warenumsatzsteuer eine Steuer auf
dem Warenumsatz im Inland (Art. 4-43) und eine Steuer auf der Wareneinfuhr
(Art. 44-53). Der Bundesrat hat die Anpassung gemäss Art. 8 Abs. 2 lit. b
ÜbBest. BV vorgenommen, indem er Art. 11 Abs. 1 WUStB durch eine weitere
Ausnahme von der Steuerpflicht im 1. Teil des Beschlusses betreffend die
Steuer auf dem Warenumsatz im Inland ergänzt hat (lit. d). Die Vorinstanz
vertritt im angefochtenen Urteil die Auffassung, der Bundesrat wäre
aufgrund jener Übergangsbestimmung überdies verpflichtet gewesen, eine
entsprechende Ausnahme von der Steuerpflicht zugunsten der Kunstmaler
und Bildhauer für ihre selbst hergestellten Kunstwerke auch im 2. Teil
des Beschlusses, bei der Steuer auf der Wareneinfuhr (Art. 44 ff. WUStB),
vorzusehen.

    Es fragt sich daher, ob Kunstmaler und Bildhauer für die selbst
hergestellten Kunstwerke aufgrund von Art. 8 Abs. 2 lit. b ÜbBest.BV
nur von der Steuer auf dem Warenumsatz im Inland oder ebenfalls
von der Steuer auf der Wareneinfuhr befreit sind. Diese Frage ist
entgegen der Auffassung des Departementes mit dem Hinweis, dass die
Verfassungsbestimmung "praktisch unverändert" in Art. 11 Abs. 1 lit. d
WUStB übernommen worden sei und dass Art. 48 WUStB lediglich bezüglich des
Steuergegenstandes Ausnahmen (abschliessend) vorsehe, nicht beantwortet,
sondern durch Auslegung der Verfassung selbst zu klären. Im übrigen ist
der Hinweis auch unrichtig: Nach Art. 11 Abs. 1 lit. d WUStB "gelten"
die betreffenden Künstler "nicht als Grossisten", während sie nach dem
Verfassungswortlaut "... von der Steuerpflicht befreit..." sind; von
einer praktisch unveränderten Übernahme kann somit nicht gesprochen werden.

Erwägung 4

    4.- Verfassungsbestimmungen sind nach schweizerischer Lehre und
Praxis grundsätzlich nach denselben methodischen Regeln auszulegen
wie Normen einfachen Gesetzesrechtes (BGE 115 Ia 130 E. 3a, 112 Ia 212
E. 2a, je mit Hinweisen; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Schweizerisches
Bundesstaatsrecht, 2. Aufl., Zürich 1988, Rz. 104). Ausgangspunkt jeder
Auslegung ist der Wortlaut der Bestimmung, wobei deren Sinn und Zweck
anhand sämtlicher anerkannter Auslegungselemente festzustellen ist (BGE
115 Ia 130 E. 3a, mit Hinweis). Die allgemein anerkannten, für einfaches
Gesetzesrecht entwickelten Auslegungsmethoden sind umso eher massgebend
für die Auslegung einer Übergangsbestimmung wie Art. 8 Abs. 2 lit. b
ÜbBest.BV, die zwar formell Verfassungsrang hat, sachlich aber einfaches
Gesetzesrecht vertritt, weil sie - wie der gemäss Art. 8 Abs. 1 ÜbBest.BV
weitergeltende WUStB - nur bis zum Erlass entsprechender Steuernormen
im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren gilt und eine Detailfrage regelt
(HÖHN, Kommentar zu Art. 8 ÜbBest.BV, N 12).

Erwägung 5

    5.- a) Der Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 lit. b ÜbBest.BV scheint
an sich klar: Mit Wirkung ab 1. Oktober 1982 gilt hinsichtlich der
Warenumsatzsteuer, dass Kunstmaler und Bildhauer für die selbst
hergestellten Kunstwerke "von der Steuerpflicht befreit" sind. Diese
Steuerbefreiung ist bei rein grammatischer Auslegung allgemein und
vorbehaltlos formuliert, wie der Beschwerdegegner zu Recht bemerkt;
namentlich wird nicht zwischen Warenumsatz im Inland und Einfuhr
aus dem Ausland unterschieden. Die Behauptung des beschwerdeführenden
Departementes, die Verfassung enthalte insofern eine "genaue Regelung",
als sich "aus dem entsprechenden Text selbst" ergebe, dass Künstler nur
von der Inland-Steuerpflicht befreit sein sollen, trifft also nicht zu
und findet übrigens in den angegebenen Literaturstellen keine Stütze.

    Trotz des unmissverständlichen Wortlauts (in allen drei Amtssprachen)
ist die Bestimmung indes auslegungsbedürftig, da umstritten ist, ob der
Wortlaut in bezug auf die hier interessierende Frage auch ihren wahren
Sinn und Zweck wiedergebe. Nach ständiger Rechtsprechung kann (und muss
sogar) vom blossen Wortlaut abgewichen werden, wenn triftige Gründe zur
Annahme bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt.

    Solche Gründe können sich etwa aus der Entstehungsgeschichte
der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang
mit anderen Vorschriften ergeben (BGE 115 Ia 137 E. 2b, mit Hinweisen;
vgl. dazu RHINOW/KRÄHENMANN, Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband,
Basel 1990, Nr. 21 B/IV; ULRICH HÄFELIN, Bindung des Richters an den
Wortlaut des Gesetzes, in: Festschrift für Cyril Hegnauer, Bern 1986,
S. 111 ff.; DANIEL THÜRER, Das Willkürverbot nach Art. 4 BV, in ZSR
106 (1987), S. 499 ff.; vgl. ferner weitere Hinweise auf Judikatur
und Lehre bei GIOVANNI BIAGGINI, Verfassung und Richterrecht, Diss.
Basel 1991, S. 113 Anm. 24 und S. 421 Anm. 35-37) und werden denn auch
vom Finanzdepartement vorliegend geltend gemacht.

    b) Die Entstehungsgeschichte der Bestimmung zeigt, dass diese in erster
Linie die Künstler von der als beengend empfundenen Last der Abrechnungs-
und damit der Aufzeichnungspflichten befreien sollte (METZGER, Handbuch
der Warenumsatzsteuer, N 203, S. 104/5; zur Vorgeschichte der heutigen
Regelung siehe METZGER, aaO, N 201, S. 103/4). Die parlamentarischen
Vorstösse, die schliesslich zur Aufnahme von Art. 8 Abs. 2 lit. b ÜbBest.BV
führten, verfolgten die Absicht, zur früheren Praxis der Eidgenössischen
Steuerverwaltung zurückzukehren ("de revenir à la pratique antérieure de
l'Administration fédérale des contributions"; Motion Junod vom 3. Oktober
1973, Sten.Bull. N 83/1973, S. 1583; ebenso Motion Girardin vom 3. Oktober
1973, Sten.Bull. S 83/1973, S. 784).

    Daraus folgt aber nicht, dass der klare Wortlaut nicht dem Willen des
Gesetzgebers entspreche. Die frühere - vom Bundesgericht aufgehobene -
Verwaltungspraxis war nämlich nicht nur darum gesetzwidrig, weil sie die
Kunstmaler und Bildhauer von der Abrechnungspflicht befreite, sondern
darüber auch von der Steuerpflicht. Darum handelte der Gesetzgeber
folgerichtig, wenn er in Art. 8 Abs. 2 lit. b ÜbBest.BV nicht bloss die
Befreiung von der Abrechnungspflicht, sondern "von der Steuerpflicht"
schlechthin aussprach. So wurde der durch die Aufhebung der gesetzwidrigen
Praxis entstandene unbefriedigende Zustand mit einer dem System (lit. c
hienach) und der Zwecksetzung (lit. d hienach) des WUSt-Beschlusses
entsprechenden, kohärenten Regelung beseitigt. Dass die Steuerbefreiung
nur auf den Inlandumsatz beschränkt sein sollte, lässt sich den Materialien
nicht entnehmen.

    c) Art. 8 Abs. 2 lit. b ÜbBest.BV ergänzt als singuläre
Verfassungsbestimmung den WUSt-Beschluss, sedes materiae der
Warenumsatzsteuer, der im übrigen grundsätzlich weitergilt (Art. 8 Abs. 1
ÜbBest.BV). Ihr wahrer Sinn, insbesondere die Bedeutung des Ausdrucks
"Steuerpflicht", ist deshalb in systematischer Auslegung auch aus dem
Zusammenhang mit dem WUSt-Beschluss zu ermitteln.

    Der WUSt-Beschluss bestimmt, was unter Steuerpflicht zu verstehen ist,
bzw. unter welchen Voraussetzungen die Steuerpflicht für die Umsatzsteuer
entsteht. Er regelt die Voraussetzungen der Steuerpflicht im zweiten
Abschnitt des ersten Teils (Art. 8-12) für die Steuer auf dem Warenumsatz
im Inland nicht nur weit ausführlicher, sondern auch grundsätzlich
anders als diejenigen für die Steuer auf der Wareneinfuhr. Art. 46
WUStB erklärt jeden Zollzahlungspflichtigen als für die Umsatzsteuer
bei der Wareneinfuhr steuerpflichtig und verweist in weitem Umfange auf
die Regelung der Zollgesetzgebung. Nach Art. 47 WUStB unterliegt jede
Einfuhr von Waren in das Inland der Steuer, sofern nicht eine der in
Art. 48 WUStB genannten Ausnahmen gegeben ist.

    In beiden Fällen handelt es sich aber eindeutig um die "Steuerpflicht",
und aus deren unterschiedlicher Regelung im WUSt-Beschluss kann entgegen
der Auffassung des Eidgenössischen Finanzdepartementes nicht geschlossen
werden, der Verfassungsgeber habe Kunstmaler und Bildhauer (für die von
ihnen selbst hergestellten Kunstwerke) von der Steuerpflicht nur für die
Steuer auf dem Inlandumsatz, nicht hingegen auf der Wareneinfuhr befreien
wollen. Eine solche einschränkende Interpretation des Verfassungswortlauts
(bzw. entgegen dem Verfassungswortlaut) drängt sich von der Systematik des
WUSt-Beschlusses her nicht auf. Schon deshalb nicht, weil der Ausdruck
"Steuerpflicht" der allgemeinen Steuer-Rechtssprache angehört und auch
im Warenumsatz-Steuerrecht, insbesondere im WUSt-Beschluss, nicht anders
verwendet und verstanden wird. Das erhellt bereits aus der Terminologie
dieses Bundesratsbeschlusses: Nach Art. 2 umfasst die Warenumsatzsteuer
auch die Steuer auf der Wareneinfuhr, für welche gemäss Art. 46 die
Zollzahlungspflichtigen "steuerpflichtig" sind (im französischen Text:
"Sont soumises à l'impôt les personnes assujetties aux droits de Donau
..."). Ob im übrigen nach der Systematik der Art. 44 ff. WUStB tatsächlich
keine Ausnahmen von der subjektiven Steuerpflicht vorgesehen sind, wie das
Finanzdepartement vorbringt, kann offenbleiben; jedenfalls hätte dieser
Umstand den Verfassungsgeber nicht hindern können, mit der generellen
Steuerbefreiung für bildende Künstler erstmals eine solche Ausnahme
zu schaffen.

    d) Zu prüfen bleibt, ob Art. 8 Abs. 2 lit. b ÜbBest.BV allenfalls
nach seinem Sinn und Zweck gebietet, vom klaren und vorbehaltlosen
Verfassungswortlaut abzurücken und die vorgesehene Steuerbefreiung der
bildenden Künstler auf den Warenumsatz im Inland zu beschränken.

    Die Materialien lassen die angestrebte Befreiung der bildenden
Künstler von der Aufzeichnungs- und Abrechnungspflicht, der nur Grossisten
unterliegen, als vordergründigen Zweck der Übergangsbestimmung erkennen
(vgl. E. 5b hievor). Darin kann sich deren Sinn und Zweck indessen
nicht erschöpfen, denn die auf den 1. Oktober 1982 in Kraft getretene
Regelung ist viel weiter gefasst: Kunstmaler und Bildhauer sollen für
die selbst hergestellten Kunstwerke "von der Steuerpflicht befreit"
sein. Der Verfassungsgeber bestimmt damit eine subjektive Ausnahme
von der Steuerpflicht und bezeichnet gleichzeitig den steuerbefreiten
Gegenstand. Es ist der bildende Künstler, der für das von ihm hergestellte
Kunstwerk steuerbefreit ist. Hätte ihn der Verfassungsgeber nur von
der Steuer auf dem Warenumsatz im Inland bzw. der damit verbundenen
Abrechnungspflicht befreien wollen, so hätte es genügt, im Sinne
einer (weiteren) Ausnahme gemäss Art. 11 WUStB in der betreffenden
Übergangsbestimmung selbst vorzuschreiben, Kunstmaler und Bildhauer
gälten nicht als Grossisten im Sinne des WUSt-Beschlusses (vgl. E. 3b
Abs. 2 hievor).

    Während nun aber die bisherigen Ausnahmen von der subjektiven
Steuerpflicht in Art. 11 Abs. 1 lit. a-c WUStB (Landwirte, Gastwirte,
Anstaltsbetriebe) Fälle betreffen, wo die Möglichkeit einer Steuerbelastung
bei den Einfuhren naturgemäss entfällt, verhält es sich bei den Künstlern
anders. In den genannten Fällen werden die Produkte in der Schweiz erzeugt
und abgesetzt; die Künstler hingegen - insbesondere die Kunstmaler -
stellen ihre Werke häufig auf Reisen im Ausland her. Müssten sie für die
Werke, die sie zum Verkauf heimbringen, die Einfuhrsteuer entrichten, wären
sie schlechtergestellt als jene Künstler, die ihre Werke in der Schweiz
herstellen, bzw. ihre eigenen Werke wären steuerbelastet oder nicht, je
nachdem ob sie sie im Ausland herstellen oder in der Schweiz. Besondere
Schwierigkeiten entstehen dann, wenn sie bloss Skizzen oder Entwürfe
heimbringen, die sie in der Schweiz weiterbearbeiten.

    Dazu kommt, dass die Künstler heute in ganz ausgeprägtem Masse
international tätig sind. Bedeutende Schweizer Künstler halten sich
regelmässig im Ausland auf, wo sie manchmal an verschiedenen Orten
Ateliers besitzen. Ihre Produktion geht nach wie vor zur Hauptsache
auf den Schweizer Kunstmarkt. Sie behalten deshalb häufig ihr Schweizer
Atelier bei, wo sie ihre unverkauften Werke einlagern. Da ein Künstler
nicht jedes geschaffene - und eingeführte - Werk sofort oder überhaupt
je verkaufen kann, ist die Einfuhrsteuer für ihn noch viel belastender,
als es die Inlandsteuer wäre, die nur bei Verkauf fällig würde.

    So wäre es mit Sinn und Zweck der angestrebten Steuerbefreiung
erst recht nicht vereinbar, wenn die Künstler auf ihren eingeführten
Werken eine Warenumsatzsteuer zu entrichten hätten. Nicht nur würden
damit nämlich die Preise für die Kunstwerke (wenigstens mittelbar)
erhöht und so deren Verkauf erschwert; eine Einfuhrsteuer würde unter
Umständen den Künstler in seiner wirtschaftlichen Existenz treffen. Denn
er hätte bei der Einfuhr für jedes eigene Kunstwerk einen - aufgrund der
deklarierten Wertangaben berechneten - Steuerbetrag aufzubringen, obwohl
er den erhofften Verkaufserlös möglicherweise erst Jahre später oder gar
nicht erzielen kann. Eine derartige finanzielle Belastung würde sich für
Kunstmaler und Bildhauer härter auswirken als die blosse Abrechnungs-
und Aufzeichnungspflicht bei der Steuer auf dem Inlandumsatz.

    Der verfassungsrechtlichen Regelung, die nach dem Wortlaut eine
generelle, vorbehaltlose Befreiung der Kunstmaler und Bildhauer für die
selbst hergestellten Kunstwerke von der Warenumsatz-Steuerpflicht vorsieht,
lässt sich aufgrund dieser Überlegungen durchaus ein vernünftiger Sinn
entnehmen.

    Allerdings können dann auch ausländische Künstler die von
ihnen persönlich hergestellten Werke steuerfrei in die Schweiz
einführen. Sie wären ja auch für Werke, die sie in der Schweiz schaffen,
von der Inlandsteuer befreit. Bei der internationalen Mobilität der
Kunstschaffenden kann nicht darauf abgestellt werden, wo sich das primäre
Arbeitszentrum - oder gar der Wohnsitz - des Künstlers befindet. Auch unter
diesem Aspekt ist die durchgehende Steuerbefreiung des Künstlers für seine
Werke - wie sie sich aus dem Wortlaut ergibt - die konsequente Lösung.

    e) Unbestrittenermassen soll die von der Verfassung angeordnete
Steuerbefreiung nicht der Entlastung der Kunstsammler bzw. des Kunsthandels
dienen, und es sind auch nicht die Werke der bildenden Kunst als solche von
der Umsatzsteuer befreit: Werden sie nicht vom Künstler selbst umgesetzt,
sondern z.B. von Kunsthandlungen oder Galerien, welche die Voraussetzungen
eines Grossisten erfüllen, dann unterliegen sie auch im Inlandmarkt der
Warenumsatzsteuer (METZGER, aaO, N 203, S. 105, mit Hinweis); ebenso
unterliegen sämtliche Kunstwerke bei der Einfuhr der Steuerpflicht, wenn
sie nicht durch den herstellenden Künstler eingeführt werden. Wird also
ein Kunstwerk eingeführt, über das der Künstler nicht mehr verfügt (im
umsatzsteuerrechtlichen Sinn), so unterliegt es der Warenumsatzsteuer. Nach
der ratio legis kommt es wesentlich darauf an, ob der Künstler sein
Kunstwerk selbst in den Handel bringt (oder einführt), oder ob dieses
von einem verfügungsberechtigten Dritten umgesetzt (oder eingeführt)
wird. Im ersten Fall greift die verfassungsrechtliche Steuerbefreiung,
d.h. der Künstler ist für das von ihm hergestellte Kunstwerk "von der
Steuerpflicht befreit" (und nicht bloss von der Abrechnungspflicht), im
zweiten nicht. Hingegen kommt für die Steuerbefreiung wie gesagt nichts
darauf an, ob der Künstler sein Kunstwerk in der Schweiz umsetzt oder im
Ausland herstellt und dann in die Schweiz einführt.

    f) Die Eidgenössische Zollrekurskommission hat deshalb kein Bundesrecht
verletzt (Art. 104 lit. a OG), wenn sie erkannt hat, Art. 8 Abs. 2 lit. b
ÜbBest.BV sehe eine generelle Steuerbefreiung für Kunstmaler bezüglich
ihrer Kunstwerke vor und unterscheide diesbezüglich nicht zwischen
Warenumsatz im Inland und Einfuhr aus dem Ausland.

    Ob die Steuerbefreiung bei der Einfuhr von Waren durch Künstler allen
Beteiligten des Zollverfahrens "Schwierigkeiten praktischer Natur" brächte,
wie das Finanzdepartement befürchtet, braucht vorliegend nicht geprüft zu
werden; allfällige Unzukömmlichkeiten in der praktischen Anwendung können
wohl für oder gegen eine vertretbare Auslegung sprechen, sie können
aber nicht zur Abweichung von einem klaren Auslegungsergebnis führen
(vgl. IMBODEN/RHINOW/KRÄHENMANN, Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, Nr. 20
B/II). Immerhin ist festzuhalten, dass für die Abklärung und Erhebung
der Einfuhrsteuer auf Kunstwerken die Zollbehörden darauf abzustellen
haben, ob der (für die Steuerbefreiung allein in Frage kommende)
herstellende Künstler im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht im
umsatzsteuerrechtlichen Sinn hat (vgl. ASA 60, 433 E. 3a, mit Hinweis;
METZGER, aaO, N 916, S. 362).