Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 IB 164



118 Ib 164

21. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 10. April 1992 i.S. X. gegen Eidgenössisches Militärdepartement
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde). Regeste

    Art. 45 Abs. 2bis BtG, Art. 54e BO (1); Verweigerung
der Reallohnerhöhung wegen ungenügender Leistungen (negative
Leistungslohnkomponente).

    1. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 4a-c).

    2. Leistungsbegriff nach Art. 45 Abs. 2bis BtG (E. 4d).

    3. Zulässigkeit und Tragweite der in Ziffer 5.7 der Wegleitung des
Eidgenössischen Personalamtes vom 30. April/1. Mai 1991 vorgesehenen
Unterscheidung zwischen "Nichtleisten-Wollen" und "Nichtleisten-Können"
(E. 4e und 5c).

Sachverhalt

    A.- X. ist am 1. September 1970 als Spengler in den Bundesdienst
eingetreten; 1975 wurde er zum Handwerksmeister in der 12.
Besoldungsklasse befördert.

    Am 24. Juni 1991 verweigerte ihm das Eidgenössische Militärdepartement
die generelle reale Besoldungserhöhung von 3% auf 1. Juli 1991.

    Das Bundesgericht heisst eine gegen diesen Entscheid gerichtete
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut und weist die Sache zu neuem Entscheid
an die Vorinstanz zurück

Auszug aus den Erwägungen:

                  aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Die Verweigerung der realen Besoldungserhöhung beruht auf dem am
23. Juni 1988 in das Beamtengesetz vom 30. Juni 1927 (BtG; SR 172.221.10)
eingefügten Art. 45 Abs. 2bis, der wie folgt lautet:

    "Bei der Gewährung einer realen Erhöhung der Beträge nach Artikel 36
   sowie von ordentlichen und ausserordentlichen Besoldungserhöhungen
   nach den

    Artikeln 40 und 41 ist die Leistung des Beamten angemessen zu
   berücksichtigen."

    b) Nach Art. 54e der Beamtenordnung (1) vom 10. November 1959
(BO [1]; SR 172.221.101) werden die reale Erhöhung der Beträge nach
Art. 36 sowie die ordentliche Besoldungserhöhung nach Art. 40 BtG jenem
Beamten nicht gewährt, dessen Leistungen "ungenügend" sind (Abs. 1). Die
Wahlbehörde führt das Verfahren nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz
durch und eröffnet die Verfügung schriftlich unter Angabe der Gründe
und des Rechtsmittels (Abs. 3). Mit dem Entscheid wird die ganze reale
oder ordentliche Besoldungserhöhung verweigert (Abs. 4); jede weitere
Nichtgewährung muss neu verfügt werden (Abs. 5).

    c) Das Eidgenössische Personalamt hat am 30. April/1. Mai
1991 eine Wegleitung erlassen, wie diese sogenannte "negative
Leistungslohnkomponente" in der Praxis zu realisieren ist. Dabei handelt
es sich zwar nur um eine verwaltungsinterne Richtlinie und somit nicht
um Bundesrecht im Sinne von Art. 104 lit. a OG, welches den Richter zu
binden vermöchte (BGE 117 Ib 231 E. 4b), dennoch kommt ihr im vorliegenden
Fall eine gewisse Bedeutung zu (vgl. E. 4a).

Erwägung 4

    4.- a) Art. 45 Abs. 2bis BtG, welcher auf einen Vorschlag
der vorberatenden nationalrätlichen Kommission zurückgeht, will das
Leistungselement im Lohn verstärken (vgl. Protokolle der nationalrätlichen
Kommission vom 18./25. Januar 1988 betreffend die Änderung des
Beamtengesetzes vom 23. Juni 1988). Dem Bund sollte im Rahmen einer
modernen Personalpolitik ein neues "Führungsinstrument" in die Hand
gegeben werden (Amtl. Bull. 1988 N 362 Votum Allenspach; 363 Votum Seiler).

    Mit der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs, wonach die
Leistung des Beamten "angemessen" zu berücksichtigen sei, räumte der
Gesetzgeber dem Bundesrat und der Bundesverwaltung einen erheblichen
Beurteilungsspielraum ein, welcher das Bundesgericht bindet. Es darf
sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle jenes dieser Behörden setzen,
sondern muss sich auf die Prüfung beschränken, ob die Verordnung den
Rahmen des im Gesetz eingeräumten Ermessens offensichtlich sprengt oder
aus anderen Gründen gesetzes- oder verfassungswidrig ist; nur in diesem
Fall rechtfertigt es sich auch, von den Richtlinien des Eidgenössischen
Personalamtes abzuweichen.

    b) Die Beurteilung der Frage, ob ein Beamter ungenügende Leistungen
erbringt, ist in allererster Linie Sache der unmittelbaren Vorgesetzten,
die dessen tägliche Arbeit am zuverlässigsten einschätzen können (vgl. BGE
108 Ib 421 E. 2b). Auch wenn das Bundesgericht den Sachverhalt im
vorliegenden Fall von Amtes wegen feststellen kann (Art. 105 Abs. 1 OG),
auferlegt es sich in dieser Beziehung Zurückhaltung, weil ihm für eine
völlig freie Beurteilung der Leistung die erforderliche Sachnähe fehlt
(vgl. BBl 1990 II 1451). Es hebt eine Verfügung, durch die eine reale oder
ordentliche Besoldungserhöhung verweigert wird, nur auf, wenn sich die
zugrundeliegende Einschätzung als sachlich unhaltbar erweist (vgl. BGE
108 Ib 421 E. 2b, 103 Ib 323, 99 Ib 237 E. 3).

    c) Ob die Leistungen eines Beamten qualitativ und quantitativ
den Erwartungen entsprechen, kann nicht anhand eines bestimmten und
leicht fassbaren Kriteriums geprüft werden. Wegen der Vielfalt der im
Bundesdienst zu stellenden Anforderungen bestehen keine einheitlichen
Beurteilungsschemata für alle Bediensteten. Die Bewertung soll aber
in jedem Fall - auch wenn eine Qualifikation nie völlig frei von
persönlichen Einschätzungen des Vorgesetzten bleibt - möglichst objektiv
erfolgen. Sinnvollerweise knüpft sie deshalb an die Umschreibung der
Funktionen im Pflichtenheft und die periodische Personalbeurteilung nach
Art. 51 Abs. 3 BtG an (vgl. Amtl. Bull. 1988 N 362 Votum Allenspach),
welche sich ihrerseits auf einzelne bestimmbare Sachverhalte stützt
(Art. 23 Abs. 2 lit. a BO [1]).

    Besteht kein Pflichtenheft, wird ein solches als überholt bezeichnet
oder ist eine Personalbeurteilung nach Art. 51 Abs. 3 BtG (noch) nicht
erfolgt, kann das Ungenügen der Leistungen aber auch in einem separaten
Verfahren festgestellt werden (vgl. Art. 54e Abs. 3 BO [1]), solange die
verfahrensrechtlichen Minimalgarantien sichergestellt erscheinen. Die
Feststellung des Sachverhaltes hat dabei über eine längere Zeitdauer
zu erfolgen, d.h. sie darf nicht punktueller Natur sein, und muss so
ausgestaltet werden, dass der Richter sie überprüfen kann.

    d) Der Begriff der "Leistung" ist nach den Richtlinien des
Eidgenössischen Personalamtes weit zu verstehen: Neben Quantität und
Qualität habe er auch das Verhalten am Arbeitsplatz zum Inhalt. Über
den Ausstoss (output) hinaus seien generell das leistungsbezogene
Verhalten sowie die Art und Weise der Zusammenarbeit mitumfasst. Unter
den Begriff falle jenes Verhalten, welches die Leistung gegenüber Kunden,
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wesentlich beeinflusse. Wer zwar eine
grosse Produktion ausweise, im übrigen aber am Arbeitsplatz Unzufriedenheit
auslöse und die "Kundschaft" verärgere, riskiere eine negative Verfügung
(Ziff. 6).

    Diese Auslegung des Leistungsbegriffs ist nicht zu beanstanden. Sie
ergibt sich konsequenterweise aus den beamtenrechtlichen Pflichten. Nach
Art. 21 Abs. 1 BtG sind Beamte zu persönlicher Dienstleistung
gehalten. Auch ohne Aufforderung haben sie sich in ihren dienstlichen
Obliegenheiten gegenseitig zu unterstützen und zu vertreten (Art. 21
Abs. 2 BtG). Der Beamte muss seine dienstlichen Obliegenheiten treu
und gewissenhaft erfüllen und dabei alles tun, was die Interessen des
Bundes fördert, und alles unterlassen, was sie beeinträchtigt (Art. 22
BtG). Gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern sowie im Verkehr mit dem
Publikum hat er sich höflich und taktvoll zu benehmen (Art. 24 Abs. 2
BtG). Unter den Begriff der "Leistung", welche nach Art. 45 Abs. 2bis
BtG "angemessen" zu berücksichtigen ist, fällt damit nicht nur die
quantitative und qualitative Erledigung der Arbeit, sondern allgemein
das Verhalten am Arbeitsplatz. Auch Art. 23 Abs. 1 BO (1), welcher die
regelmässige Personalbeurteilung im Bund näher umschreibt, sieht eine
umfassende Bewertung der Bediensteten vor. Der Vorgesetzte hat nicht nur
die Leistung im engeren Sinn, sondern zusätzlich das Verhalten und die Art
und Weise der Zusammenarbeit der ihm unterstellten Beamten zu würdigen. Es
wäre widersprüchlich, die Personalbeurteilung nach Art. 51 Abs. 3 BtG und
23 BO (1) weit zu fassen, eine allfällige lohnmässige Berücksichtigung
dagegen nur gerade auf die Leistung im engeren Sinne zu beschränken.

    e) Das Eidgenössische Personalamt führt in seiner Richtlinie
zusätzlich eine subjektive Komponente in die Leistungsbeurteilung ein:
Art. 45 Abs. 2bis BtG ziele auf das "Nichtleisten-Wollen" ab; wenn der
Bedienstete nicht leisten könne (Krankheit, fehlendes Wissen und Können
usw.), so müssten grundsätzlich andere Massnahmen ergriffen werden, zu
denken sei etwa an eine Umgestaltung des Dienstverhältnisses oder die
Zuweisung anderer Arbeit (vgl. Ziff. 5.7). Wenn Gesetz und Verordnung
ein subjektives Element auch nicht ausdrücklich vorsehen, steht der
Einführung eines solchen - bei dem weiten Ermessen, welches der Gesetzgeber
der Verwaltung zur Realisierung der negativen Leistungslohnkomponente
eingeräumt hat - doch nichts im Weg. Die Richtlinie des Eidgenössischen
Personalamtes ist deshalb auch insofern nicht zu beanstanden.

Erwägung 5

    5.- Anhand dieser Überlegungen ist im konkreten Fall zu prüfen,
ob die Leistungen des Beschwerdeführers objektiv ungenügend waren und,
falls die Frage bejaht wird, ob dies auf mangelnden Leistungswillen
zurückzuführen ist.

    (E. 5a und b: Das Bundesgericht bejaht aufgrund der Qualifikationen
durch die Vorgesetzten das objektive Ungenügen der Leistungen des
Beschwerdeführers in der massgebenden Zeitperiode.)

    c) Nach Ziffer 5.7 der Wegleitung des Eidgenössischen Personalamtes
zielen die Massnahmen gemäss Art. 45 Abs. 2bis BtG - wie bereits ausgeführt
- auf ein "Nichtleisten-Wollen" ab. Wenn der Bedienstete nicht leisten
kann, obwohl er möchte, so sind andere Massnahmen zu ergreifen.

    Der Beschwerdeführer hat wiederholt die ungenügende Leistung
mit seiner angeblich angeschlagenen Gesundheit begründet. In seiner
Stellungnahme zuhanden des Militärdepartementes wies er darauf hin, dass
er unter Depressionen leide. Nach dem Qualifikationsgespräch mit seinem
Vorgesetzten habe er erneut ärztlich behandelt werden müssen. Bereits bei
den einzelnen rapportierten Beanstandungen begründete er sein Fehlverhalten
mit gesundheitlichen Problemen. Diese anerkennt das Bundesamt, wenn es den
Beschwerdeführer als "zugegebenermassen psychisch angeschlagen" bezeichnet.

    Weil nach der Wegleitung des Personalamtes die Frage rechtserheblich
ist, ob der Beschwerdeführer keine genügenden Leistungen erbringt,
weil er nicht leisten will oder aber aus gesundheitlichen Gründen dies
an seiner Arbeitsstelle nicht tun kann, hätte das Departement auf die
entsprechenden Vorbringen eingehen und - nötigenfalls unter Beizug des
verwaltungsärztlichen Dienstes - weitere Abklärungen treffen müssen. Der
Sachverhalt erweist sich in diesem Punkt als ungenügend abgeklärt,
zudem hat die Vorinstanz ihr Ermessen überschritten, wenn sie dem
Beschwerdeführer die Reallohnerhöhung verweigerte, ohne die Frage eines
krankheitsbedingten Leistungsrückgangs zu prüfen. Der angefochtene
Entscheid ist deshalb aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid im
Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 114 Abs. 2 OG).