Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 IA 341



118 Ia 341

47. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. November 1992
i.S. M. gegen Amt für Zivilschutz der Stadt Zürich (staatsrechtliche
Beschwerde) Regeste

    Art. 22bis Abs. 4 und Abs. 5 BV; Art. 34 Abs. 1 ZSG; Art. 14 und
Art. 4 Ziff. 3 EMRK; Zivilschutzdienstobligatorium für Männer.

    Wird das Aufgebot des aufbietenden kommunalen Zivilschutzamtes zu
einem Zivilschutzkurs mit dem Argument angefochten, dass das nur für
Männer geltende Zivilschutzdienstobligatorium Art. 14 EMRK verletze,
steht als einziges Rechtsmittel die staatsrechtliche Beschwerde offen
(E. 1 und E. 2).

    Art. 14 EMRK kann nur angerufen werden, wenn eine Diskriminierung
im Genuss von durch eine andere Konventionsnorm eingeräumten Rechten und
Freiheiten gerügt wird. Der Zivilschutzdienst ist gemäss Art. 4 Ziff. 3
EMRK nicht Zwangsarbeit im Sinne von Art. 4 Ziff. 2 EMRK. Anrufung von
Art. 14 EMRK in Verbindung mit Art. 4 Ziff. 3 EMRK (E. 3)?

    Das Diskriminierungsverbot nach Art. 14 EMRK geht nicht über
das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot von Art. 4 Abs. 1 BV hinaus;
es geht weniger weit als Art. 4 Abs. 2 BV. Das auf Männer beschränkte
Zivilschutzdienstobligatorium verletzt Art. 14 in Verbindung mit Art. 4
Ziff. 3 EMRK nicht (E. 4).

    Art. 114bis Abs. 3 BV schliesst nicht aus, dass das Bundesgericht
eine Feststellung über die EMRK-Konformität der vom Gesetzgeber (Art. 34
Abs. 1 ZSG) und vom Verfassungsgeber (Art. 22bis Abs. 4 und Abs. 5 BV)
gewollten Ungleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereiche des
Zivilschutzes trifft (E. 5).

Sachverhalt

    A.- M., geboren 1948, ist seit 1976 in den Zivilschutz eingeteilt,
seit 1981 in die Zivilschutzorganisation der Stadt Zürich.

    Am 8. Mai 1991 sandte ihm das Amt für Zivilschutz der Stadt Zürich ein
Aufgebot, am 11. Juni 1991 zum eintägigen Grundkurs/Vorübung Sanitätsdienst
einzurücken. Da der Polizeivorstand der Stadt Zürich einer gegen ein
früheres Aufgebot eingereichten Beschwerde keine Folge gegeben hatte, weil
gegen das Aufgebot kein Rechtsmittel gegeben sei, focht M. das Aufgebot
am 17. Mai 1991 mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht
an. Er machte geltend, der Umstand, dass nur Männer zur Leistung von
Zivilschutzdienst verpflichtet seien, verletze das Diskriminierungsverbot
von Art. 14 in Verbindung mit Art. 4 der Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), indem eine sachlich nicht
gerechtfertigte Diskriminierung nach Geschlecht bei obligatorischen
zivilen Dienstpflichten vorliege.

    Am 10. Dezember 1991 liess das Amt für Zivilschutz der Stadt Zürich
dem Beschwerdeführer ein neues Aufgebot zu einem "Vorkurs zu Übung
Sanitätsdienst "aktiv" für den 15. Januar 1992 zukommen. Mit Schreiben
vom 13. Dezember 1991 erklärte der Beschwerdeführer, auch gegen dieses
Aufgebot staatsrechtliche Beschwerde führen zu wollen. Er legte dazu eine
Kopie der ersten staatsrechtlichen Beschwerde bei und erklärte die dort
gegebene Begründung auch für die neue Beschwerde massgeblich.

    Das Amt für Zivilschutz des Kantons Zürich beantragt Abweisung
beider Beschwerden. Das Bundesamt für Zivilschutz führt aus, dass die
Beschränkung der Schutzdienstpflicht auf die Männer keine Verletzung des
Gleichbehandlungsgebots darstelle. Das Amt für Zivilschutz der Stadt Zürich
verzichtete auf eine Stellungnahme zur Beschwerdeschrift. Es hielt fest,
dass es den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 10. Januar 1992 von der
Dienstleistung vom 15. Januar 1992 befreit habe.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Bundesgericht prüft frei, ob es auf ein Rechtsmittel eintreten
kann. Es ist in dieser Hinsicht an die von der Partei vorgebrachte
Begründung und die Bezeichnung des Rechtsmittels nicht gebunden.

    Der Beschwerdeführer bezeichnet sein Rechtsmittel als staatsrechtliche
Beschwerde. Dieses Rechtsmittel, das nur gegen kantonale Verfügungen
beziehungsweise Entscheide ergriffen werden kann (Art. 84 Abs. 1 OG), ist
jedoch nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie
durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer anderen
Bundesbehörde gerügt werden kann (Art. 84 Abs. 2 OG). Ferner ist die
staatsrechtliche Beschwerde - abgesehen von hier nicht in Frage stehenden
Ausnahmefällen - erst zulässig, nachdem von den kantonalen Rechtsmitteln
Gebrauch gemacht worden ist, das heisst, wenn ein letztinstanzlicher
kantonaler Entscheid vorliegt (Art. 86 Abs. 1 OG).

Erwägung 2

    2.- a) Vorerst fällt jedes andere Rechtsmittel ans Bundesgericht ausser
Betracht. In Frage käme einzig die Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Diese
ist jedoch nach Art. 100 lit. d Ziff. 1 OG gegen Verfügungen in nicht
vermögensrechtlichen Angelegenheiten des Zivilschutzdienstes unzulässig.

    b) Es stellt sich die weitere Frage, ob ein Rechtsmittel an eine
andere Bundesbehörde offenstünde. Gegen gestützt auf das Bundesgesetz
über den Zivilschutz vom 23. März 1962 (Zivilschutzgesetz, ZSG; SR 520.1)
ergangene Entscheide der letzten kantonalen Instanz in Streitigkeiten
nicht vermögensrechtlicher Natur, welche vom Zivilschutzgesetz nicht
als endgültig bezeichnet werden, kann beim Eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartement Beschwerde geführt werden (Art. 82 Abs. 1 ZSG).

    Ob hier dieses Rechtsmittel offenstünde, ergibt sich aus der Regelung
der Zivilschutzdienstpflicht und der entsprechenden Verfahren, welche im
folgenden kurz darzustellen sind.

    c) Gemäss Art. 34 Abs. 1 ZSG sind alle Männer, welche nicht
militärdienstpflichtig sind (Art. 35 ZSG), vom Jahr an, in dem sie das 20.
Altersjahr erreicht haben, bis zum Jahr, in dem sie das 60. Altersjahr
vollendet haben, zivilschutzdienstpflichtig. Der Schutzdienstpflichtige
wird in eine Schutzorganisation eingeteilt (Art. 41 ff. ZSG). Gegen die
Einteilung kann Einsprache erhoben werden; kommt keine Einigung zustande,
entscheidet das kantonale Amt für Zivilschutz endgültig über die Einsprache
(Art. 54 ff. der bundesrätlichen Verordnung über den Zivilschutz vom
27. November 1978, Zivilschutzverordnung (ZSV); SR 520.11).

    Der Bund und die Kantone können Schutzdienstpflichtige aus zwingenden
Gründen von der Schutzdienstleistung befreien oder dispensieren
(Art. 34 Abs. 3 ZSG, Art. 43 ff. ZSV; das Verfahren ist in der
Verordnung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements über die
Befreiung und Dispensation im Zivilschutz vom 1. Juli 1987, SR 522.1,
geregelt). Das Gesetz sieht ferner Entlassungs- und Ausschlussgründe
vor. Entlassungsgründe sind gemäss Art. 43 Abs. 1 ZSG Alter, Krankheit
oder Gebrechen (lit. a), nachträgliche Befreiung wegen Dienstleistung
in der Armee (lit. b) und andere wichtige Gründe, für (freiwillig
Schutzdienst leistende) Frauen insbesondere Mutterschaft und Übernahme
der Betreuung alter oder pflegebedürftiger Familienangehöriger (lit.
c). Ausschlussgründe sind gemäss Art. 43 Abs. 2 ZSG Unfähigkeit (lit. a)
und Unwürdigkeit (lit. b). Der Bundesrat regelt die Entlassung und den
Ausschluss aus den Zivilschutzorganisationen der Gemeinden (Art. 45 Abs. 1
ZSG). Während über den Ausschluss vorerst die Wohngemeinde verfügt (Art. 64
Abs. 1 ZSV) und zuletzt das kantonale Amt für Zivilschutz entscheidet
(Art. 64 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 57 ZSV), entscheidet über Gesuche
um vorzeitige Entlassung ausschliesslich der Kanton (Art. 62 Abs. 2
ZSV). Die Beschwerde an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement
ist aber in beiden Fällen - gleich wie gegen den Einteilungsentscheid -
ausgeschlossen, da die kantonale Instanz endgültig entscheidet (Art. 45
Abs. 1 zweiter Satz ZSG).

    Die Angehörigen der Zivilschutzorganisationen der Gemeinden sind,
solange sie nicht im beschriebenen Sinn befreit oder dispensiert
beziehungsweise entlassen oder ausgeschlossen sind, nach den Vorschriften
des Bundes in Kursen, Übungen und an Rapporten im Sinne von Art. 53
und 54 ZSG auszubilden und einsatzbereit zu halten (Art. 52 Abs. 1
ZSG). Der Besuch solcher Instruktionsdienste ist obligatorisch. Von der
Einrückungspflicht ist nur befreit, wer aus gesundheitlichen Gründen nicht
reisefähig ist, und dies mit ärztlichem Zeugnis belegt (Art. 42 Abs. 1
ZSV), sowie derjenige, der ein Dienstverschiebungsgesuch gestellt hat,
sofern seinem Gesuch entsprochen worden ist (Art. 41 ZSV).

    d) Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er nach den
bundesrechtlichen Bestimmungen schutzdienstpflichtig ist. Als eingeteilter
Angehöriger der Zivilschutzorganisation der Gemeinde Zürich ist er daher
verpflichtet, dem Aufgebot zu einem Instruktionsdienst Folge zu leisten,
es sei denn, es sei ihm eine Dienstverschiebung bewilligt worden oder er
sei aus gesundheitlichen Gründen nicht einrückungsfähig. Weder das eine
noch das andere wird geltend gemacht. Vielmehr will der Beschwerdeführer
von der Schutzdienstpflicht überhaupt befreit werden. Eine Dienstbefreiung
im Sinne von Art. 34 Abs. 3 ZSG steht nicht zur Diskussion. Er verlangt
letztlich eine vorzeitige Entlassung aus dem Zivilschutz. Gegen einen
Entscheid der über die Entlassung entscheidenden kantonalen Behörde steht
nach dem Gesagten auf Bundesebene kein ordentliches Rechtsmittel offen,
und er kann daher nur mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden.

    e) Der Beschwerdeführer hat kein Gesuch bei einer kantonalen Behörde
eingereicht, sondern die zwei vom städtischen Zivilschutzamt erlassenen
Aufgebote zu einem einzelnen Instruktionsdienst direkt beim Bundesgericht
angefochten. Da kein Entscheid der zuständigen kantonalen Behörde
vorliegt, ist der kantonale Instanzenzug an sich nicht ausgeschöpft,
und die staatsrechtliche Beschwerde wäre daher nicht zulässig.

    Der vorliegende Fall weist jedoch in verfahrensrechtlicher Hinsicht
Besonderheiten auf. Der Beschwerdeführer verlangt seine Entlassung
aus dem Zivilschutz mit der Begründung, dass die Beschränkung der
obligatorischen Schutzdienstpflicht auf die Männer gegen die Europäische
Menschenrechtskonvention verstosse. Entlassung aus der Schutzdienstpflicht
beantragen und damit ein entsprechendes Verfahren einleiten kann nach
der vorne (c) dargestellten gesetzlichen Regelung nur derjenige, der
entweder aus gesundheitlichen Gründen definitiv nicht mehr in der Lage ist,
Dienst zu leisten (Art. 43 Abs. 1 lit. a ZSG), oder wegen anderweitiger
Dienstleistung (lit. b) beziehungsweise besonderer Beanspruchung (lit. c)
entlastet werden soll. Die vom Beschwerdeführer beanspruchte Entlassung
ist vom Gesetz nicht vorgesehen. Entspräche der Kanton dem Gesuch,
wäre dies mit der Grundkonzeption des Zivilschutzgesetzes, die auf
dem schon in der Bundesverfassung selber (Art. 22bis Abs. 4 und 5 BV)
festgelegten Grundsatz der obligatorischen Schutzdienstpflicht (allein)
der Männer beruht, nicht vereinbar. Es ist daher nicht zu erwarten, dass
die zuständige kantonale Behörde ein so begründetes Entlassungsgesuch
überhaupt als zulässig erachten und darauf eintreten würde.

    Unter diesen Umständen soll dem Beschwerdeführer nicht vorgehalten
werden, er müsse vorerst im dafür vorgesehenen besonderen Verfahren ein
Entlassungsgesuch stellen. Es rechtfertigt sich vielmehr, die direkt
gegen die beiden Aufgebote erhobenen staatsrechtlichen Beschwerden
entgegenzunehmen, wie dies auch das Amt für Zivilschutz des Kantons
Zürich unter Hinweis auf die kantonalen Verfahrensvorschriften für
richtig erachtet.

    f) Die zweite Beschwerdeschrift enthält keine selbständige Begründung,
sondern sie verweist bloss auf die frühere Beschwerdeschrift, die
immerhin in Kopie beigelegt ist. Da auf die erste Beschwerde aber ohnehin
eingetreten wird, kann offenbleiben, ob die zweite Beschwerde, welche
die gleiche Frage zum Gegenstand hat, formgültig erhoben worden ist.

Erwägung 3

    3.- a) Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 14
EMRK. Dieser lautet wie folgt:

    "Der Genuss der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und

    Freiheiten ist ohne Benachteiligung zu gewährleisten, die insbesondere
im

    Geschlecht, in der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, in den
politischen
   oder sonstigen Anschauungen, in nationaler oder sozialer Herkunft,
   in der

    Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, im Vermögen, in der
Geburt
   oder im sonstigen Status begründet ist."

    Art. 14 EMRK enthält kein allgemeines Gleichheitsgebot, das autonom
und unabhängig von anderen Konventionsrechten Geltung hätte. Er verbietet
Diskriminierungen nicht allgemein. Die Bestimmung schützt den einzelnen
nur gegen jegliche Diskriminierung im Genuss der von der Konvention und
ihren Zusatzprotokollen eingeräumten Rechte und Freiheiten, die anderen
in gleicher Lage zuerkannt werden. Das heisst, dass eine Massnahme,
die als solche unter dem Gesichtspunkt einer normativen Vorschrift
der Konvention zulässig ist, diese Norm in Verbindung mit Art. 14
EMRK verletzen kann, wenn sie in diskriminierender Weise ergriffen
wird. Das Diskriminierungsverbot ist somit gleichsam in allen anderen
Konventionsbestimmungen enthalten, die ausdrücklich Rechte und Freiheiten
einräumen, und ergänzt diese (Zusammenfassung der Rechtsprechung im
Entscheid der Europäischen Kommission für Menschenrechte in Sachen Angeleni
vom 3. Dezember 1986, Décisions et rapports de la Commission Européenne
des Droits de l'Homme (DR) 51, 41, insbesondere 59/60; FROWEIN/PEUKERT,
EMRK-Kommentar, Kehl am Rhein, Strassburg, Arlington 1985; N. 1 zu
Art. 14, S. 305). Ist der Schutzbereich des konkreten Konventionsrechts
nicht betroffen, so ist die Diskriminierungsrüge "ratione materiae"
nicht vereinbar mit den Bestimmungen der Konvention und darum unzulässig
(Entscheid in Sachen Kleine Starman gegen Niederlande vom 16. Mai 1985,
DR 42, 162; Entscheid in Sachen Mata u. Kons. gegen Spanien, DR 41, 211).

    b) Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 14 EMRK im
Zusammenhang mit Art. 4 EMRK. Art. 4 Ziff. 2 EMRK hält fest, dass niemand
gezwungen werden darf, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten. In
Art. 4 Ziff. 3 EMRK ist angeführt, was nicht als "Zwangs- oder
Pflichtarbeit" im Sinne dieses Artikels gilt. Nicht unter das Zwangs- und
Pflichtarbeitsverbot fällt "jede Arbeit, die normalerweise von einer Person
verlangt wird, die unter den von Artikel 5 der vorliegenden Konvention
vorgesehenen Bedingungen in Haft gehalten oder bedingt freigelassen
worden ist" (lit. a), "jede Dienstleistung militärischen Charakters,
oder im Falle der Verweigerung aus Gewissensgründen in Ländern, wo diese
als berechtigt anerkannt ist, eine sonstige an Stelle der militärischen
Dienstpflicht tretende Dienstleistung" (lit. b), "jede Dienstleistung im
Falle von Notständen und Katastrophen, die das Leben oder das Wohl der
Gemeinschaft bedrohen" (lit. c) sowie "jede Arbeit oder Dienstleistung,
die zu den normalen Bürgerpflichten gehört" (lit. d).

    Es ist zu prüfen, ob hier Art. 14 EMRK in Verbindung mit Art. 4
EMRK angerufen werden kann, das heisst ob in diesem Zusammenhang von
einer Diskriminierung im Genuss von Rechten und Freiheiten, die von der
Konvention eingeräumt werden, die Rede sein kann.

    c) Eindeutig ist die Beziehung einer als diskriminierend beanstandeten
Massnahme zu einem Konventionsrecht, wenn die Massnahme kraft eines
Schrankenvorbehalts (je Abs. 2 der Art. 8-11 EMRK) an sich eine
zulässige Beschränkung des in Frage stehenden Konventionsrechts darstellt
(FROWEIN/PEUKERT, N. 4 zu Art. 14, S. 307/8). Wird etwa einem Ausländer mit
Familienangehörigen in der Schweiz die Aufenthaltsbewilligung verweigert,
und verletzt diese Massnahme den grundsätzlich betroffenen Art. 8 EMRK
aus dem Grunde nicht, dass dieser Eingriff in sein Familienleben im Sinne
von Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismässig ist, so kann der Ausländer noch
Art. 14 EMRK anrufen, wenn er rügen will, in anderen gleichgelagerten
Fällen werde regelmässig eine Bewilligung erteilt.

    Im Zusammenhang mit Art. 4 EMRK ist für die Frage der Anrufung
von Art. 14 EMRK zu differenzieren. Ist zu prüfen, ob eine jemandem
auferlegte Verpflichtung als Verpflichtung zu unerlaubter Zwangs- oder
Pflichtarbeit im Sinne von Art. 14 Ziff. 2 EMRK zu werten ist, so ist
für die Qualifizierung einer Arbeit als Zwangsarbeit unter anderem auch
zu prüfen, ob die Massnahme diskriminierend ist (vgl. FROWEIN/PEUKERT,
N. 5 und 6 zu Art. 4, S. 43; Urteil des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte in Sachen Van der Mussele vom 23. November 1983,
Publications de la Cour Européenne des Droits de l'Homme, Série A,
vol. 70, N. 42 ff.). In solchen Fällen besteht offensichtlich ein
enger Zusammenhang zwischen dem Diskriminierungsverbot und dem konkreten
Konventionsrecht. Anders verhält es sich dagegen, wenn nicht fraglich ist,
ob die Auferlegung einer Dienstpflicht als Verpflichtung zur Zwangs- oder
Pflichtarbeit zu gelten habe, das heisst, wenn es um eine Dienstleistung
geht, die gemäss Ausnahmenkatalog von Art. 4 Ziff. 3 EMRK keine Zwangs-
oder Pflichtarbeit ist. Da die Konvention für solche Dienstleistungen
unter dem Gesichtspunkt der Zwangsarbeit gerade keine Rechte einräumt,
stellt sich die Frage, ob jemand im Genuss von durch die Konvention
eingeräumten Rechten und Freiheiten diskriminiert werde, nicht.

    d) Der Zivilschutzdienst fällt als Dienstleistung mit (in weitem Sinn)
militärischem Charakter beziehungsweise als an Stelle der militärischen
Dienstpflicht tretende, den eigentlichen Militärdienst ergänzende
Dienstleistung klarerweise unter Art. 4 Ziff. 3 lit. b EMRK (vgl. Art. 1
Abs. 1 und 2 ZSG), als für Notstands- und Katastrophensituationen
vorgesehene Dienstleistung zudem unter Art. 4 Ziff. 3 lit. c (vgl. Art. 1
Abs. 3 ZSG). Damit erscheint aber eine Anrufung von Art. 14 EMRK nach
dem vorne (c) Gesagten ausgeschlossen.

    e) Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat die Rüge,
Art. 14 EMRK sei verletzt, im Zusammenhang mit unter Art. 4 Ziff. 3 EMRK
fallenden Dienstleistungen denn auch nicht ohne weiteres zugelassen. In
einem Fall stellte sie fest, dass ein Dienstverweigerer unter anderem
darum zur Zivildienstleistung verpflichtet werden durfte, weil eine
solche Dienstleistung nach Art. 4 Ziff. 3 lit. b EMRK nicht unter das
Zwangsarbeitsverbot falle; damit aber stelle sich kein Problem hinsichtlich
Art. 14 EMRK (Entscheid in Sachen Johansen gegen Norwegen vom 14. Oktober
1985, DR 44, 155). Und im Fall eines schwedischen Dienstverweigerers,
der gleich wie die Zeugen Jehovas vom Militärdienst befreit werden
wollte, prüfte sie die Rüge der Verletzung von Art. 14 EMRK nur unter
dem Gesichtspunkt von Art. 9 EMRK; sie liess offen, ob dies auch unter
dem Gesichtspunkt des ebenfalls angerufenen Art. 4 (Ziff. 3 lit. b)
EMRK möglich gewesen wäre (Entscheid in Sachen N. gegen Schweden vom
11. Oktober 1984, DR 40, 203).

    Die Kommission hat allerdings in einzelnen Fällen (ohne umfassende
Begründung) Rügen wegen Verletzung von Art. 14 EMRK nicht schon darum
ausgeschlossen, weil die behauptete Diskriminierung Dienstleistungen
betraf, die unter die Ausnahmen von Art. 4 Ziff. 3 EMRK fielen. So im
Fall eines Kriegsdienstverweigerers, der sich darüber beschwerte, dass
der zivile Ersatzdienst länger dauerte als der ordentliche Militärdienst
(Entscheid in Sachen G. gegen Niederlande vom 2. März 1987, DR 51,
180). Ferner im Fall eines Jugendlichen in Untersuchungshaft, der sich
darüber beschwerte, dass er - anders als die übrigen, erwachsenen,
Untersuchungshäftlinge - zur Arbeit (im Sinne von Art. 4 Ziff. 3 lit. a
EMRK) verpflichtet wurde (Beschwerde 8500/79, Nachweis bei FROWEIN/PEUKERT,
N. 45 zu Art. 14, S. 328). In beiden Fällen erachtete die Kommission die
Rüge aber als (offensichtlich) unbegründet und erklärte sie als unzulässig.

    In einem neuesten Entscheid vom 8. Januar 1992 in Sachen Schmidt
gegen Deutschland (publiziert in Revue universelle des droits de
l'homme, RUDH, vol. 4 No 7 vom 31. Juli 1992) hat nun eine Mehrheit der
Kommission eine Beschwerde für zulässig erklärt, mit welcher sich ein
deutscher Staatsangehöriger darüber beschwerte, dass das Gesetz des Landes
Baden-Württemberg über die Feuerwehr den Feuerwehrdienst nur für Männer
als obligatorisch erklärt. Sie berief sich dazu auf die Äusserungen des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im vorne erwähnten Urteil
Van der Mussele (Série A, vol. 70). Es ist aber darauf hinzuweisen, dass
in jenem Urteil die Verpflichtung eines Anwalts-Stagiaire zur Übernahme
eines Mandats ohne Entgelt zu prüfen war. Die fragliche Verpflichtung fiel
offensichtlich nicht unter eine der Ausnahmen von Art. 4 Ziff. 3 lit. a-c
EMRK und war auch nicht von vornherein als "normale Bürgerpflicht" im Sinne
von Art. 4 Ziff. 3 lit. d EMRK zu qualifizieren. Aus diesem Grunde war zur
Prüfung der Frage, ob die Verpflichtung als Zwangs- oder Pflichtarbeit
im Sinne von Art. 4 Ziff. 2 EMRK zu gelten habe, auch zu untersuchen,
ob die Massnahme diskriminierend im Sinne von Art. 14 EMRK sei (Urteil
Van der Mussele, N. 43).

    Der Gerichtshof hat dagegen bis heute in keinem Fall hinsichtlich
Art. 4 Ziff. 3 EMRK die Rüge geprüft, ob Art. 14 EMRK verletzt sei.

    f) Da im vorliegenden Fall die Pflicht zur Leistung von
Zivilschutzdienst klarerweise unter den Ausnahmenkatalog von Art. 4 Ziff. 3
EMRK fällt, ist es nicht notwendig, Art. 14 EMRK zur Konkretisierung
des Begriffs "Zwangs- und Pflichtarbeit" heranzuziehen. Es besteht keine
genügende Beziehung der Diskriminierungsrüge zu einer anderen angerufenen
normativen Vorschrift der Konvention.

    Sofern im Bereich von Art. 4 Ziff. 3 EMRK, wo gerade keine Rechte
und Freiheiten eingeräumt werden, die Diskriminierungsrüge dennoch
zulässig sein sollte, könnte jedenfalls von einer konventionsrelevanten
Diskriminierung nur in einem besonders krassen Fall von Ungleichbehandlung
die Rede sein.

Erwägung 4

    4.- a) Eine Massnahme oder Regelung ist dann diskriminierender Natur
im Sinne von Art. 14 EMRK, wenn sie hinsichtlich der Gewährleistung des
Genusses eines Konventionsrechts zwischen Personen oder Personengruppen
unterscheidet, die sich in vergleichbarer Situation befinden, die
Unterscheidung eines objektiven und angemessenen Rechtfertigungsgrundes
entbehrt, oder wenn zwischen den eingesetzten Mitteln und dem
angestrebten Ziel kein angemessenes Verhältnis besteht, wenn die
Massnahme also unverhältnismässig ist (FROWEIN/PEUKERT, N. 17 zu
Art. 14, S. 315; Kommissionsentscheid in Sachen Angeleni, DR 51, 41,
insbesondere 60). Art. 14 EMRK geht somit nicht über das allgemeine
Rechtsgleichheitsgebot von Art. 4 Abs. 1 BV hinaus. Insbesondere muss
eine Unterscheidung nicht den strengeren Anforderungen von Art. 4 Abs. 2
BV genügen.

    b) Vorab ist festzuhalten, dass zur Sicherstellung der notwendigen
Bestände bei den Zivilschutzorganisationen ein allgemeines Obligatorium
für Männer und Frauen nicht erforderlich ist. In seiner Botschaft vom
6. Oktober 1961 zum Zivilschutzgesetz (BBl 1961 II 693 ff., insbesondere
S. 704 und 705) hat der Bundesrat dargelegt, dass die Sollbestände bei
einer Kombination des Obligatoriums für (nicht militärdienstpflichtige)
Männer mit dem Freiwilligkeitsprinzip für Frauen erreicht werden könnten;
ein allgemeines Obligatorium für Männer und Frauen würde viel zu weit
gehen. Ohne teilweises Obligatorium würden umgekehrt die Sollbestände
(selbst die in Zukunft niedrigeren; s. Bericht des Bundesrats vom
26. Februar 1992 zum Zivilschutzleitbild, BBl 1992 II 922 ff., insbesondere
S. 947-949) nicht eingehalten, wie sich aus den vom Bundesrat angeführten
Zahlen ergibt; die gegenteilige Behauptung des Beschwerdeführers ist
durch nichts substantiiert.

    Die Beschränkung der obligatorischen Schutzdienstpflicht auf eine
Personengruppe erscheint darum grundsätzlich als notwendig und trägt
insbesondere dem Verhältnismässigkeitsgebot Rechnung. Erforderlich ist
indessen, dass die Kriterien zur Bestimmung der Personengruppe, für welche
das Obligatorium gelten soll, sachgerecht sind.

    c) Grundsätzlich ist jeder Schweizer wehrpflichtig (Art. 18
BV). Schweizer im Sinne von Art. 18 BV sind nur männliche
Schweizerbürger. Der Beschwerdeführer macht zu Recht nicht geltend,
dass die Beschränkung der obligatorischen Dienstleistungspflicht für
ordentlichen Militärdienst nur auf Männer vor Art. 14 EMRK nicht
standhielte. Für diese Ungleichbehandlung sprechen biologische und
funktionale Gründe. Für FROWEIN/PEUKERT ergeben sich im Bereich des
Militärdienstes "zwangsläufig Unterscheidungen nach Geschlecht" (N. 25
zu Art. 14, S. 319). In dieser Hinsicht besteht im europäischen Raum und
somit in den der EMRK beigetretenen Staaten offensichtlich ein weitgehender
Konsens. Weitere Erörterungen erübrigen sich.

    Gerade das Gebot der Rechtsgleichheit legt es nahe, Männer im
wehrpflichtigen Alter, welche vom eigentlichen Militärdienst befreit sind,
zu Dienstleistungen im Zivilschutz zu verpflichten. Dieser Konnex zwischen
Militärdienst und Zivilschutz rechtfertigt für sich allein das auf die
Männer beschränkte Zivilschutzdienstobligatorium ausreichend. Dass das
Obligatorium für Männer auch nach Absolvierung ihres Militärdienstes gilt,
nach noch geltender Regelung zwischen dem 50. und 60. Altersjahr (Art. 34
Abs. 1 ZSG), ist insofern nicht sachfremd, als sie ihre im Militärdienst
gesammelten Erfahrungen gegebenenfalls in den Zivilschutz einbringen können
(vgl. Art. 36 ZSG).

    Es kommt dazu, dass das Obligatorium für Männer offensichtlich leichter
zu handhaben ist als für Frauen. Bei Frauen wären in bedeutendem Ausmass
Dienstbefreiungen vorzusehen, vorerst bei Schwangerschaften, ebenso in
vielen Fällen bei Mutterschaft.

    d) Es liegen somit objektive und angemessene Rechtfertigungsgründe
dafür vor, nur Männer zur Leistung von Zivilschutzdienst
zu verpflichten. Männer und Frauen befinden sich im Bereich des
Zivilschutzes nicht in einer in solchem Masse vergleichbaren Situation,
dass sie hinsichtlich der Dienstleistungspflicht zwingend gleichgestellt
werden müssten.

    Angesichts der beschränkten Tragweite, die der Rüge, Art. 14
EMRK sei verletzt, im Bereich von Art. 4 Ziff. 3 EMRK zukommen kann
(vgl. vorne E. 3), wird der Beschwerdeführer durch das Aufgebot zur
Zivilschutzdienstleistung nicht im Genuss eines von der Konvention
eingeräumten Rechts diskriminiert.

Erwägung 5

    5.- Die Rüge, Art. 14 EMRK sei verletzt, erweist sich nach dem
Gesagten als unbegründet. Beide Beschwerden sind abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann.

    Damit stellt sich die Frage nicht, ob das Bundesgericht einem
Bundesgesetz, welches eine unterschiedliche Behandlung von Mann und
Frau vorsieht, die Anwendung versagen könnte, wenn eine darauf gestützte
Massnahme gegen ein von der EMRK eingeräumtes Recht verstossen sollte. Das
wäre jedenfalls im Hinblick auf die in Art. 113 und 114bis je Abs. 3 BV
vorgesehene Kompetenzabgrenzung zwischen Bundesgericht und Gesetzgeber
problematisch; dies erst recht dann, wenn die Ungleichbehandlung,
wie hier, vom Verfassungsgeber selber gewollt ist (Art. 22bis Abs. 4
und 5 BV). Art. 114bis Abs. 3 BV schliesst aber jedenfalls nicht aus,
dass das Bundesgericht eine Feststellung darüber trifft, ob eine vom
Bundesgesetzgeber geschaffene Norm der EMRK widerspricht, wie es auch den
Gesetzgeber einladen kann, eine Verfassungs- oder konventionswidrige Norm
zu ändern (BGE 117 Ib 373/4 E. 2f).