Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 IA 175



118 Ia 175

25. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12.
Juni 1992 i.S. X. gegen Kanton Bern (staatsrechtliche Beschwerde). Regeste

    Art. 31 BV; Beschränkung des Medikamentenverkaufs durch Ärzte.

    1. Die Gesundheitsgesetzgebung des Kantons Bern verbietet den
Ärzten die Führung einer Privatapotheke in Ortschaften, in denen die
Notfallversorgung mit Medikamenten durch mehrere öffentliche Apotheken
gewährleistet ist. Hierin liegt eine genügende gesetzliche Grundlage
(E. 2).

    2. Die Regelung beruht auf einem genügenden öffentlichen Interesse
und ist verhältnismässig (E. 3 und E. 4).

Sachverhalt

    A.- Dr. X., Arzt für allgemeine Medizin FMH, eröffnete im Januar
1988 in Ittigen eine Arztpraxis. Gleichzeitig stellte er bei der
Gesundheitsdirektion des Kantons Bern das Gesuch um Bewilligung zur
Führung einer Privatapotheke.

    Der Direktionssekretär wies ihn darauf hin, die Arztpraxis gehöre
zur Agglomeration Bern, wo die Notfallversorgung mit Medikamenten durch
mehrere öffentliche Apotheken in Bolligen, Ittingen und in der Stadt Bern
gewährleistet sei. Gemäss Art. 29 Abs. 1 und 2 des Gesundheitsgesetzes des
Kantons Bern vom 2. Dezember 1984 (811.01; nachfolgend "Gesundheitsgesetz")
könne die Erlaubnis nicht erteilt werden.

    Dr. X. bestritt diese Auffassung und machte geltend, die Gemeinde
Ittingen sei als selbständige Ortschaft zu betrachten. Da nur eine
öffentliche Apotheke vorhanden sei, sei die Notfallversorgung in Ittingen
nicht sichergestellt (Art. 29 Abs. 2 Gesundheitsgesetz). Die Bewilligung
müsse erteilt werden.

    Der Direktionssekretär unterbreitete deshalb die Angelegenheit
der "Fachkommission Selbstdispensation", einer verwaltungsinternen
Kommission von Ärzten und Apothekern, und wies das Gesuch gestützt auf
deren Stellungnahme ab.

    Dr. X. führte erfolglos Beschwerde bei den kantonalen Instanzen
(Gesundheitsdirektion, Verwaltungsgericht). Mit staatsrechtlicher
Beschwerde beantragt er, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern sei u.a. wegen Verletzung von Art. 31 BV aufzuheben und die
Gesundheitsdirektion des Kantons Bern sei anzuweisen, die Bewilligung zu
erteilen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Handels- und
Gewerbefreiheit im Sinne von Art. 31 BV. Arzt und Apotheker üben einen
freien Beruf aus, und die entsprechenden Tätigkeiten fallen grundsätzlich
unter den Schutz von Art. 31 BV. Das gilt auch für die Herstellung und den
Verkauf von Heilmitteln. Die Handels- und Gewerbefreiheit erstreckt sich
sodann auf die nebenberufliche oder bloss gelegentliche Erwerbstätigkeit
(BGE 111 Ia 186 E. 2 und dort angeführte Urteile; vgl. BGE 113 Ia 40).

    Art. 31 Abs. 1 BV gewährleistet im Rahmen der Bundesverfassung
die Handels- und Gewerbefreiheit, behält indes in Abs. 2 "kantonale
Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerben" vor; doch
dürfen diese ihrerseits den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit
nicht beeinträchtigen. Unzulässig sind wirtschaftspolitische oder
standespolitische Massnahmen, die den freien Wettbewerb behindern,
um gewisse Gewerbezweige oder Bewirtschaftungsformen zu sichern oder
zu begünstigen. Zulässig sind dagegen andere im öffentlichen Interesse
begründete Massnahmen, wie namentlich polizeilich motivierte Eingriffe zum
Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit, Sittlichkeit sowie von Treu
und Glauben im Geschäftsverkehr (BGE 116 Ia 121 f.; 115 Ia 121 E. 2b) oder
sozialpolitisch begründete Einschränkungen (BGE 113 Ia 139 E. 8b; 111 Ia
29 E. 4b). Solche Einschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage,
müssen durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt
sein und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit (BGE 116 Ia 121 E. 3;
115 Ia 121 E. 2b und dort zitierte Entscheide) sowie der Rechtsgleichheit
(namentlich im Sinne der Wettbewerbsneutralität) wahren (BGE 112 Ia 34;
91 I 462 E. 3).

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, Art.  29 Abs. 2
des Gesundheitsgesetzes des Kantons Bern vom 2. Dezember 1984 bilde keine
genügende gesetzliche Grundlage, um ihm die Führung einer Privatapotheke
im Rahmen seiner Arztpraxis in Ittigen zu verbieten.

    a) Die Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts prüft das
Bundesgericht grundsätzlich unter dem Gesichtswinkel der Willkür und
nur dann frei, wenn ein besonders schwerer Eingriff in die Handels- und
Gewerbefreiheit in Frage steht (BGE 116 Ia 348 E. 4b; 115 Ia 122 E. 2c
mit Verweisung). Ein solcher Eingriff liegt nicht vor, wenn einem Arzt
die Führung einer Privatapotheke verboten wird. Seine Haupttätigkeit als
Arzt wird davon nicht berührt.

    Von einem schweren Eingriff könnte allenfalls gesprochen werden,
wenn ein Arzt auf die Einnahmen aus dem Medikamentenverkauf zwingend
angewiesen ist, um z.B. in einer Randregion wirtschaftlich bestehen zu
können. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

    Die Auslegung und Anwendung des Art. 29 Abs. 2 Gesundheitsgesetz durch
das Verwaltungsgericht ist daher nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel
der Willkür zu prüfen. b) Art. 29 des kantonalen Gesundheitsgesetzes
lautet:

    1 Der Arzt ist zur Führung einer Privatapotheke berechtigt. Dazu
braucht er die Bewilligung der Gesundheitsdirektion.

    2 Die Bewilligung zur Führung einer Privatapotheke durch Ärzte
beschränkt sich auf Ortschaften, in denen die Notfallversorgung mit
Medikamenten nicht durch mehrere öffentliche Apotheken gewährleistet ist.

    3 Auch ohne Bewilligung zur Führung einer Privatapotheke sind die
Medizinalpersonen zur unmittelbaren Anwendung von Medikamenten am Patienten
und zur Abgabe in Notfällen sowie bei Hausbesuchen und bei Erstversorgung
des Patienten berechtigt.

    Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass der Notfalldienst in
der Stadt Bern und weiteren Gemeinden der Agglomeration Bern im Sinne
von Art. 29 Abs. 2 des Gesetzes durch mehrere öffentliche Apotheken
gewährleistet ist. Ebenfalls steht ausser Frage, dass die Gemeinde Ittigen,
wo der Beschwerdeführer seine Arztpraxis führt, über eine öffentliche
Apotheke verfügt, die zusammen mit den Apotheken der Stadt Bern und
weiterer Gemeinden den Notfalldienst sicherstellt. Streitig ist einzig,
ob die Gemeinde Ittigen noch zur "Ortschaft" Bern zu zählen ist (Art. 29
Abs. 2 Gesundheitsgesetz), ob mit anderen Worten gestützt hierauf dem
Beschwerdeführer die Führung einer Privatapotheke verboten werden kann.

    Das Verwaltungsgericht hat diese Frage bejaht. Demgegenüber hält
der Beschwerdeführer den Entscheid des Verwaltungsgerichts und dessen
Begründung für willkürlich. Er verweist hierzu auf den Wortlaut der
Bestimmung, auf ihre systematische Stellung, auf ihren Sinn und Zweck
sowie auf die Materialien.

    c) Mit dem Wortlaut der fraglichen Bestimmung steht die Auffassung
des Verwaltungsgerichts durchaus im Einklang. Das Verwaltungsgericht hat
erwogen, die Regelung über die Selbstdispensation bezwecke eine optimale
Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten. Der Begriff Ortschaft müsse
folglich aufgrund der für die Medikamentenversorgung wichtigen Kriterien
ausgelegt werden: Zu berücksichtigen seien namentlich die verkehrsmässige
Erschliessung sowie der Umstand, ob die diensthabenden Apotheken im Notfall
leicht zu erreichen seien. Nach diesen Gesichtspunkten stehe nichts
entgegen, auch zusammenhängende Siedlungsgebiete und Ballungszentren als
eine Ortschaft zu betrachten, selbst wenn sie neben einem Kernbereich
noch über mehrere Subzentren verfügten. Diese Auslegung des Begriffes
Ortschaft hält sich im Rahmen des möglichen Wortsinnes (auch wenn das
Wort Ortschaft im gewöhnlichen Sprachgebrauch im allgemeinen in einem
engeren Sinn, für "Dorf" oder "kleinere Gemeinde", gebraucht wird) und
kann nicht als willkürlich bezeichnet werden.

    d) Aus der systematischen Stellung der Norm ergeben sich keine
Anhaltspunkte, die eine andere Auslegung zwingend nahelegen würden. Art. 29
Abs. 2 Gesundheitsgesetz stellt zwar im Verhältnis zu Abs. 1, wonach
der Arzt mit Bewilligung der Gesundheitsdirektion zur Führung einer
Privatapotheke grundsätzlich berechtigt ist, eine Ausnahmebestimmung
dar. Doch kann daraus entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht
abgeleitet werden, der Begriff Ortschaft müsse in einem einschränkenden
Sinn interpretiert werden. Ausnahmebestimmungen sind weder restriktiv
noch extensiv, sondern nach ihrem Sinn und Zweck im Rahmen der allgemeinen
Regelung auszulegen (BGE 114 V 302 f.; 108 Ia 79).

    Wenn Art. 29 Abs. 2 Gesundheitsgesetz den Ärzten die Führung
einer Privatapotheke in Ortschaften, in denen die Notfallversorgung mit
Medikamenten durch mehrere Apotheken sichergestellt ist, untersagt, so ist
diese Bestimmung offensichtlich mit Art. 36 des Gesetzes koordiniert,
wonach "in Ortschaften mit mehreren öffentlichen Apotheken" deren
Inhaber verpflichtet sind, die Notfallversorgung mit Medikamenten zu
gewährleisten. Diese inhaltliche Übereinstimmung legt es nahe, den
Begriff Ortschaft in beiden Bestimmungen gleich auszulegen, und zwar
in einem weiteren Sinn, d.h. als Einzugsgebiet oder Agglomeration;
die Voraussetzung, dass in einer "Ortschaft" der Notfalldienst durch
mindestens zwei öffentliche Apotheken gewährleistet ist, wäre sonst
kaum je erfüllt. Das hat das Verwaltungsgericht in durchaus haltbarer,
jedenfalls nicht willkürlicher Weise getan.

    e) Diese Auslegung entspricht entgegen den Vorbringen in der
staatsrechtlichen Beschwerde durchaus dem Sinn und Zweck der Vorschrift
und kann auch unter diesem Gesichtspunkt nicht als willkürlich bezeichnet
werden.

    Das öffentliche Interesse, dem mit einem Verbot des Verkaufs von
Medikamenten durch freipraktizierende Ärzte entsprochen werden soll,
liegt in der regional guten Versorgung mit Apotheken. Diese dienen der
öffentlichen Gesundheit im allgemeinen besser als die auf kleinere
Sortimente beschränkten (und mit weiteren Nachteilen verbundenen)
Privatapotheken von Ärzten, wie das Bundesgericht bereits in BGE 111 Ia
184 festgehalten und wie auch das Verwaltungsgericht im angefochtenen
Entscheid erwogen hat. Es ist zudem nicht zu bestreiten, dass sich
Privatapotheken von Ärzten und öffentliche Apotheken konkurrenzieren
(ebenda S. 189). Einige Kantone machen deshalb das Recht der Ärzte
zur Selbstdispensation davon abhängig, dass sich in einem bestimmten
Umkreis von der Arztpraxis keine öffentliche Apotheke befindet
(z.B. Wallis: Art. 55 Heilmittelreglement; Freiburg: Art. 25 Verordnung
zum Sanitätsgesetz; Aargau: § 32 Gesundheitsgesetz). Demgegenüber stellt
der Kanton Bern darauf ab, ob die Notfallversorgung in einer bestimmten
Ortschaft gewährleistet ist. Welche Regelung dem mit der Beschränkung
der Selbstdispensation verfolgten Zweck, der regional guten Versorgung
der Bevölkerung mit Medikamenten, besser gerecht wird, ist hier nicht
zu entscheiden. In jedem Fall hat das Verwaltungsgericht daraus in
haltbarer Weise geschlossen, dass auf die für die Medikamentenversorgung
wichtigen Kriterien abzustellen und der Begriff Ortschaft entsprechend,
d.h. in einem eher weiten Sinn, auszulegen sei. Willkür kann hierin nicht
erblickt werden.

    f) Eine solche Auslegung steht entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers auch mit den Materialien im Einklang. Der Entwurf zum
Gesundheitsgesetz wurde in einer Expertenkommission des Sanitätskollegiums
mit Vertretern der interessierten Kreise diskutiert. Wie aufgrund der
Entstehungsgeschichte festgestellt werden kann, bestand unter den Experten
nicht restlos Klarheit über die Bedeutung des Wortes Ortschaft. Fest
stand lediglich, dass darunter ein Gebiet zu verstehen ist, das nicht mit
der politischen Gemeinde, d.h. der Gebietskörperschaft, zusammenzufallen
braucht. Der erste Entwurf bestimmte noch, dass Bewilligungen zur Führung
einer Privatapotheke an Ärzte erteilt würden, die in "Ortschaften ohne
öffentliche Apotheke" praktizierten. Er wurde vor allem aus Kreisen der
Ärzte abgelehnt.

    Der von Professor Preisig in der Folge erarbeitete neue Entwurf sah
vor, dass Privatapotheken von Ärzten auf Ortschaften beschränkt sein
sollen, "in denen die Notfallversorgung mit Medikamenten nicht durch
mehrere öffentliche Apotheken gewährleistet ist". Diese Lösung kam den
Ärzten wesentlich entgegen. Im Expertengremium wurde auch diskutiert,
wie der Begriff Ortschaft zu verstehen sei. Begriffe wie "Gegend"
oder "Einzugsgebiet" wurden erwogen, dann aber als zu unbestimmt
abgelehnt. Anderseits wurde betont, bei der Bestimmung des Begriffes
müsse darauf abgestellt werden, ob die Notfallversorgung in einem
bestimmten Gebiet sichergestellt sei (Voten Hochstrasser, Kurt, Preisig,
Flury, Schnetzer). Auch wurde der Begriff Ortschaft als dehnbar genug
erachtet, um diesem Kriterium gerecht zu werden. In der Folge stimmte die
Expertenkommission der neuen Fassung zu. Diese gab im Grossen Rat kaum
zu Diskussionen Anlass, wurde vom Parlament unverändert beschlossen und
so in das Gesetz aufgenommen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts,
wonach es bei der Frage, ob eine Gemeinde noch zur Ortschaft Bern zu
rechnen sei, primär auf die verkehrsmässige Erschliessung (und weitere
Kriterien) ankomme, lässt sich daher mit sachlichen Gründen halten und
kann nicht als willkürlich bezeichnet werden.

    g) Zu prüfen bleibt, ob der durch das Verwaltungsgericht willkürfrei
ausgelegte Art. 29 Abs. 2 Gesundheitsgesetz im vorliegenden Fall
willkürlich angewendet wurde, wie der Beschwerdeführer beanstandet. Auch
bei dieser Frage handelt es sich um eine solche nach der gesetzlichen
Grundlage, die das Bundesgericht nur auf Willkür hin untersucht, da kein
besonders schwerer Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit vorliegt
(vgl. vorn E. 2a).

    Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Gemeinden Ittigen
und Bolligen räumlich zusammengewachsen und damit als Teile der gleichen
Ortschaft zu bezeichnen seien. Ebenso würden die Aussenquartiere der
Stadt Bern (Tiefenau und Wankdorf) in den Randbereichen mit der Gemeinde
Ittigen zusammenstossen, wenn auch weniger ausgeprägt. Zudem seien
Ittigen und Bolligen mit der Stadt Bern verkehrstechnisch vorzüglich
verbunden. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was geeignet wäre, diese
Feststellungen als willkürlich erscheinen zu lassen; er gewichtet sie bloss
anders. Der Beschwerdeführer hat auch nichts gegen die Feststellung des
Verwaltungsgerichts eingewendet, dass die Apotheken der Gemeinden Bolligen
und Ittigen zusammen mit denjenigen der Stadt Bern und weiterer Gemeinden
rund um die Stadt Bern einen genügenden Notfalldienst sicherstellen; er
ergibt sich aus dem Dienstplan des Apothekervereins der Stadt Bern. Daraus
ist auch ersichtlich, dass für den Notfalldienst jeweils drei Apotheken
zusammengefasst werden, so dass sie sich regional gut verteilen.

    h) Nach dem Gesagten lässt sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts,
dass die Gemeinde Ittigen zu einer "Ortschaft" gehöre, in der die
Notfallversorgung mit Medikamenten durch mehrere öffentliche Apotheken
gewährleistet sei, und dem Beschwerdeführer die Bewilligung zur Führung
einer Privatapotheke nicht bewilligt werden könne, mit sachlichen Gründen
vertreten. Die Auslegung und Anwendung von Art. 29 Abs. 2 Gesundheitsgesetz
durch das Verwaltungsgericht kann deshalb nicht als willkürlich bezeichnet
werden; sie hielte nach dem Gesagten selbst einer freien Prüfung stand. Die
Rüge, die Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit beruhe nicht
auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage, erweist sich demnach
als unbegründet.

Erwägung 3

    3.- a) Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, die Beschränkung der
Selbstdispensation sei nicht durch ein überwiegendes öffentliches Interesse
geboten und unverhältnismässig. Die Fragen nach dem öffentlichen Interesse
und der Verhältnismässigkeit prüft das Bundesgericht grundsätzlich
frei. Es auferlegt sich allerdings eine gewisse Zurückhaltung, wenn sich
ausgesprochene Ermessensfragen stellen oder besondere örtliche Umstände zu
würdigen sind, welche die kantonalen Behörden besser kennen und überblicken
als das Bundesgericht (BGE 115 Ia 372 E. 3).

    b) Die Allgemeine Medizinalprüfungsverordnung vom 19. November
1980 (AMV; SR 811.112.1) sieht, gestützt auf das Bundesgesetz vom
19. Dezember 1877 betreffend die Freizügigkeit des Medizinalpersonals in
der Schweizerischen Eidgenossenschaft (SR 811.11), für Ärzte, Zahnärzte,
Tierärzte und Apotheker verschiedene Prüfungen vor und setzt für sie
verschiedene Ausbildungslehrgänge voraus. Die Tätigkeit des Arztes
unterscheidet sich grundlegend von derjenigen des Apothekers. Wenn
daher der Kanton das Recht zur Abgabe von Medikamenten den Apothekern
vorbehält und den Ärzten nur ausnahmsweise das Recht einräumt, Heilmittel
an Patienten abzugeben, so trägt er lediglich der schon im Bundesrecht
vorgesehenen Aufgabenteilung zwischen Ärzten und Apothekern Rechnung.

    c) Die Gesundheitsgesetzgebung des Kantons Bern beruht auf
dieser Aufgabenteilung. Das Gesundheitsgesetz (Art. 28 ff.) und die
Verordnung über die öffentlichen und die privaten Apotheken sowie
über die Spitalapotheken vom 21. März 1990 (Apothekenverordnung;
BSG 813.41) umschreiben die Aufgaben und Pflichten der Ärzte und
Apotheker verschieden. Gemäss Verordnung gehört zum Aufgabenkreis des
Apothekers namentlich, dass er ärztliche Rezepte ausführt, Heilmittel
herstellt, sie vorrätig hält und abgibt (Art. 7 Abs. 3). Er ist zudem
verpflichtet, die gebräuchlichsten Heilmittel zu führen (Art. 7 Abs. 2).
Vergleichbare Pflichten bestehen für den Arzt, der eine Privatapotheke
führt, nicht. Jeder Apotheke hat zudem grundsätzlich ein Apotheker als
verantwortlicher Leiter vorzustehen (Art. 7 Abs. 1). Diese Aufgabe muss
er hauptberuflich und persönlich wahrnehmen (Art. 13). Stellvertretungen
sind nur mit Bewilligung des zuständigen Direktionssekretärs der
Gesundheitsdirektion unter einschränkenden Bedingungen zulässig
(Art. 14). Der Apotheker hat ferner folgende Arbeiten selbst vorzunehmen
oder zu überwachen: a) alle Arbeiten im Bereich der Rezeptur, b) die
Beratung des Publikums oder der Ärzteschaft in Heilmittelfragen, c)
die Abgabe apothekenpflichtiger Heilmittel an das Publikum und d) heikle
analytische und präparative Arbeiten im Labor (Art. 16 Abs. 2).

    Aus dieser Regelung erhellt, dass der Kanton Bern nicht nur Wert
auf ein gut ausgebautes Netz öffentlicher Apotheken legt, sondern - im
Interesse einer optimalen medizinischen Versorgung der Bevölkerung - die
Aufgaben zwischen Arzt und Apotheker aufteilt und die Tätigkeitsbereiche
beider Berufe festlegt. Dabei erschöpfen sich die Aufgaben des Apothekers
keineswegs in der Ausführung von Rezepten bzw. in der Abgabe von
Heilmitteln. Die Beratungspflicht des Apothekers umfasst, wie angenommen
werden darf, auch die Medikation in leichten Fällen. Das liegt durchaus im
Interesse des Patienten, für den sich damit ein aufwendiger Gang zum Arzt
erübrigt. Darüber hinaus ist der Apotheker aufgrund seiner Ausbildung in
der Lage und verpflichtet, den Patienten an den Arzt zu weisen, wo sich
das als notwendig erweist.

    Ohne eine genügende Zahl öffentlicher Apotheken könnte diese Funktion
des Apothekers aber nicht mehr sichergestellt werden. Wenn daher der
Kanton Bern die Selbstdispensation durch Ärzte einschränkt, um damit eine
regional gute Streuung öffentlicher Apotheken zu erreichen, so entspricht
das durchaus einem öffentlichen Interesse. Eine Grundrechtsverletzung
kann darin nicht erblickt werden.
   d) Was der Beschwerdeführer einwendet, dringt nicht durch.

    "Revisionsbedürftig" ist nach seiner Ansicht das vom Bundesgericht
in BGE 111 Ia 190 erwähnte Argument der Doppelkontrolle durch Arzt und
Apotheker. Er übersieht indes, dass das Bundesgericht schon im damaligen
Entscheid die Doppelkontrolle durch Arzt und Apotheker nicht als überaus
gewichtiges Argument für eine Beschränkung der Selbstdispensation durch
Ärzte betrachtet hat. Auch nach der Regelung im Kanton Bern steht nicht
die Überwachung des Arztes durch den Apotheker bzw. die doppelte Kontrolle
im Vordergrund.

    Es trifft nicht zu, dass durch die Aufgabenteilung zwischen Arzt
und Apotheker die Abgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten an die
Bevölkerung erschwert wird. Das Gegenteil ist der Fall. Im übrigen sind
die Medizinalpersonen in jedem Fall berechtigt, Medikamente am Patienten
unmittelbar anzuwenden sowie in Notfällen, bei Hausbesuchen und bei der
Erstversorgung des Patienten abzugeben (Art. 29 Abs. 3 Gesundheitsgesetz),
so dass auch die erstmalige oder die notfallmässige Versorgung mit
Medikamenten sichergestellt ist.

    Schliesslich ist auch nicht erwiesen, dass sich die Gesundheitskosten
verringern würden, wenn die Selbstdispensation freigegeben würde,
wie der Beschwerdeführer geltend macht. Die Statistik über die
Medikamentenkosten in Kantonen mit freier bzw. verbotener oder
eingeschränkter Selbstdispensation (die der Beschwerdeführer übrigens
erst im bundesgerichtlichen Verfahren und damit verspätet vorgelegt
hat) berücksichtigt nicht die Beratung des Apothekers, die keine direkt
wirksamen Kosten für das Gesundheitswesen entstehen lässt (so bereits
das Urteil des aargauischen Verwaltungsgerichts vom 28. Oktober 1986,
ZBl 89/1988 S. 58).

Erwägung 4

    4.- Die durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigte Beschränkung
der Selbstdispensation ist nicht unverhältnismässig.

    Dem Beschwerdeführer ist es nicht verwehrt, Medikamente bereitzuhalten
und unmittelbar beim Patienten anzuwenden oder bei Hausbesuchen sowie in
Notfällen abzugeben (Art. 29 Abs. 3 Gesundheitsgesetz). Voraussetzung
für eine Beschränkung des Rechts zur Selbstdispensation ist auch
nicht, dass eine bestimmte Apotheke im näheren Umkreis der betreffenden
Arztpraxis in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet erscheint, wie
der Beschwerdeführer meint. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die
Selbstdispensation durch Ärzte im allgemeinen zu einer Abnahme der Zahl der
Apotheken führt. In dieser Hinsicht besteht klarerweise ein Zusammenhang
in dem Sinne, als bei Selbstdispensation die Zahl der Apotheken pro
Einwohnerzahl geringer ist (BGE 111 Ia 189 E. 4b). Im übrigen betrifft
das Verbot zur Führung einer Privatapotheke nicht die Haupttätigkeit des
Beschwerdeführers als Arzt, so dass auch in dieser Hinsicht nicht von
einer unverhältnismässigen Massnahme gesprochen werden kann.