Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IV 259



117 IV 259

47. Urteil des Kassationshofes vom 22. März 1991 i.S. Staatsanwaltschaft
des Kantons Luzern gegen X. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 159 StGB. Ungetreue Geschäftsführung durch den einzigen
Verwaltungsrat zum Nachteil einer Einmannaktiengesellschaft.

    1. Die Einmannaktiengesellschaft ist auch für den sie als einziger
Verwaltungsrat beherrschenden Alleinaktionär jemand anderer, und ihr
Vermögen ist für ihn ein fremdes (E. 3).

    2. a) Eine Vermögensdisposition des einzigen Verwaltungsrats auf Kosten
der Einmannaktiengesellschaft, die als (verdeckte) Gewinnausschüttung zu
qualifizieren ist, ist nur dann pflichtwidrig und erfüllt den objektiven
Tatbestand von Art. 159 StGB, wenn das nach ihrer Vornahme verbleibende
Reinvermögen - Aktiven minus Forderungen gegen die Gesellschaft - der AG
nicht mehr zur Deckung von Grundkapital und gebundenen Reserven ausreicht
(Änderung der Rechtsprechung) (E. 4 und 5a).

    b) Eine Vermögensdisposition des einzigen Verwaltungsrats auf Kosten
der Einmannaktiengesellschaft, die als Aufwand zu qualifizieren ist, ist
dann pflichtwidrig und erfüllt den objektiven Tatbestand von Art. 159
StGB, wenn dadurch erstens das nach den zwingenden aktienrechtlichen
Kapitalschutzbestimmungen zu erhaltende Mindestreinvermögen der AG
angegriffen wird und zweitens (kumulativ) der Aufwand mit den Pflichten des
Geschäftsführers zur sorgfältigen Verwaltung der Geschäfte der AG nicht
zu vereinbaren ist; ob diese zweite Voraussetzung erfüllt sei, hängt von
den gesamten Umständen des konkreten Falles ab, zu denen einerseits die
finanzielle Situation des Unternehmens und anderseits Umfang, Art und
Zweck des Aufwandes gehören (E. 5b).

Sachverhalt

    A.- Das Kriminalgericht des Kantons Luzern sprach X. am 23.
September 1988 des untauglichen Versuchs der Veruntreuung, der
fortgesetzten ungetreuen Geschäftsführung, des betrügerischen Konkurses,
der Unterlassung der Buchführung sowie der Bevorzugung eines Gläubigers
schuldig und verurteilte ihn deswegen zu drei Jahren Zuchthaus, abzüglich
zwei Tage Untersuchungshaft, sowie zu Fr. 10'000.-- Busse. Die II. Kammer
des Obergerichts des Kantons Luzern stellte mit Entscheid vom 16. Januar
1990 das Verfahren betreffend untauglichen Veruntreuungsversuch infolge
Verjährung ein, sprach X. abweichend von der 1. Instanz von der Anklage
der fortgesetzten ungetreuen Geschäftsführung sowie der Bevorzugung eines
Gläubigers frei und verurteilte ihn wegen betrügerischen Konkurses sowie
Unterlassung der Buchführung zu einer Zuchthausstrafe von 18 Monaten,
bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von vier Jahren, sowie zu einer
Busse von Fr. 1'000.--.

    B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern führt eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts sei
insoweit aufzuheben, als X. von der Anklage der fortgesetzten ungetreuen
Geschäftsführung freigesprochen wurde, und die Sache sei zur Verurteilung
und Bestrafung von X. auch wegen fortgesetzter ungetreuer Geschäftsführung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    X. hat keine Vernehmlassung zur Beschwerde eingereicht.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das Kriminalgericht warf dem Beschwerdegegner vor, er habe
als Alleinaktionär, faktisch einziger Verwaltungsrat und alleiniger
Geschäftsführer der mit einem voll liberierten Grundkapital von
Fr. 500'000.-- ausgestatteten E. AG in der Zeit von Juni 1983 bis Juni
1984 die E. AG auf verschwenderische Art mit Privatbezügen (wie Miete
für seine Residenz im Hotel National in Luzern, Alimente für seine
Tochter aus erster Ehe, Leasingraten für einen PW Mercedes 500 SEC)
sowie mit weiteren Aufwendungen für seinen privaten Lebensunterhalt
(teure Bar- und Restaurantbesuche, Einkäufe in exklusiven Geschäften)
belastet und die E. AG dadurch um rund Fr. 120'000.-- geschädigt.
Dem Beschwerdegegner wurde im weiteren zur Last gelegt, er habe den
Tatbestand von Art. 159 StGB auch dadurch erfüllt, dass er im Rahmen
seines - schliesslich gescheiterten - Engagements für die Übernahme eines
Unternehmens Aufwendungen (Arbeitszeit, Sekretariat, Reisespesen usw.) der
E. AG im Umfang von ca. Fr. 50'000.-- belastete, ohne dass diese hiefür
einen Gegenwert erhielt, und dass er im Rahmen seiner Bemühungen, für sich
die Titelrechte an einem deutschen Verlag und an dessen Zeitschriften zu
erwerben, in der Zeit vom 1. Juli 1983 bis zum 10. September 1984 der
E. AG rund Fr. 100'000.-- entnahm. Dem Beschwerdegegner wurde sodann
vorgeworfen, er habe letztlich auf Kosten der E. AG im Hinblick auf einen
schliesslich gescheiterten Liegenschaftsverkauf an eine Unternehmung von
dieser für sich privat im März und im April 1984 Möbel im Wert von rund
Fr. 25'000.-- bezogen. Schliesslich wurde ihm zur Last gelegt, er habe
sich der ungetreuen Geschäftsführung zum Nachteil der E. AG auch dadurch
schuldig gemacht, dass er für diese trotz angespannter Lage ein Hotel
für die Dauer von zehn Jahren pachtete.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 159 Abs. 1 StGB wird wegen ungetreuer Geschäftsführung
mit Gefängnis bestraft, wer jemanden am Vermögen schädigt, für das er
infolge einer gesetzlichen oder vertraglich übernommenen Pflicht sorgen
soll.

    Gemäss den Ausführungen im angefochtenen Urteil bestand zwischen
dem Beschwerdegegner in dessen Eigenschaft als Alleinaktionär, faktisch
einziger Verwaltungsrat und alleiniger Geschäftsführer der E. AG einerseits
und der Aktiengesellschaft anderseits wirtschaftliche Identität, war
die E. AG daher für den Beschwerdegegner nicht jemand anderer und ihr
Vermögen für ihn kein fremdes, hat der Beschwerdegegner durch den von ihm
betriebenen überrissenen Privataufwand zu Lasten der E. AG letztlich sich
selbst geschädigt und liegt zudem bei der gegebenen Konstellation praktisch
eine Rechtfertigung vor. Das Obergericht hat nicht übersehen, dass diese
Betrachtungsweise der bundesgerichtlichen Rechtsprechung widerspricht. Es
verweist auf BGE 97 IV 10 und 85 IV 224 und gibt im angefochtenen Urteil
die Erwägungen des letztgenannten Entscheides, der eine Brandstiftung
(Art. 221 StGB) betraf, ausführlich auszugsweise wieder. Es kann dieser
Rechtsprechung unter Berufung auf einige Autoren aber nicht folgen.

    Die Staatsanwaltschaft macht in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde unter
Berufung auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung und verschiedene
Autoren geltend, dass die Aktiengesellschaft nicht nur nach aussen,
sondern auch im Verhältnis zu den Gesellschaftern selbständig sei und
Trägerin eigenen Vermögens bleibe. Sie hält fest, dass der Aktionär, der
"durch Verfügungshandlungen die Grundsätze unserer Rechtsordnung über
die Erhaltung des Grundkapitals verletzt", rechtswidrig handle, und sie
übernimmt damit wörtlich eine Meinungsäusserung von W. SCHMIDLIN (Typische
Wirtschaftsdelikte auf dem Gebiet des Aktienrechts, ZStrR 85/1969 S. 370
ff., 381). Ihres Erachtens ist nicht ersichtlich, inwiefern entsprechend
einer Bemerkung im angefochtenen Urteil "praktisch eine Rechtfertigung"
vorliege; von einer "straflosen Selbstschädigung" könne jedenfalls entgegen
der Meinung der Vorinstanz keine Rede sein. Die Betrachtungsweise des
Obergerichts erscheint der Staatsanwaltschaft übrigens auch deshalb
reichlich fragwürdig, weil nur schon beim zufälligen Vorhandensein eines
zweiten (Gefälligkeits-)Aktionärs, der eine einzige Aktie besitzt und
durch eine ungetreue Geschäftsführung allenfalls marginal geschädigt würde,
Art. 159 StGB offensichtlich angewendet werden müsste.

Erwägung 3

    3.- a) Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes muss sich
der Alleinaktionär einer Einmannaktiengesellschaft die rechtliche
Selbständigkeit der Gesellschaft grundsätzlich entgegenhalten und
entsprechend auch eine widerrechtliche Verletzung des Geschäftsvermögens
als Schädigung fremden Vermögens zurechnen lassen. So hat das Bundesgericht
in BGE 85 IV 230 E. 3 entschieden, der Täter, der ein Auto der von
ihm beherrschten Aktiengesellschaft in Brand steckt, verursache eine
Feuersbrunst "zum Schaden eines andern" (Art. 221 Abs. 1 StGB). Zur
Begründung führte es aus, die Frage des Eigentums beurteile sich auch im
Strafrecht nach rechtlichen, nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten;
ein strafrechtliches oder wirtschaftliches Eigentum könne es nicht
geben. Die Aktiengesellschaft als selbständige Vermögensträgerin
sei daher mit Bezug auf ihr Eigentum ungeachtet der wirtschaftlichen
Identität zwischen Gesellschaft und Alleinaktionär ein anderer im Sinne
von Art. 221 StGB.

    Der Kassationshof hat sich in BGE 97 IV 10 ff. ausführlich mit der
Frage auseinandergesetzt, unter welchen Umständen eine Vermögensverfügung
zum Nachteil einer AG den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung
erfüllt. Er hat sich dabei in E. 2 dieses Entscheides eingehend mit der
Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen das geschäftsführende Organ
durch eine Vermögensverfügung zum Nachteil der AG seine gesetzlichen
Pflichten verletzt. Der Kassationshof hat dabei festgehalten, dass die
Verwaltung auch für die Erhaltung des Gesellschaftsvermögens zu sorgen hat,
"mindestens im Umfang des statutarischen Grundkapitals" (S. 13 Mitte,
S. 14 Mitte); dies ergibt sich gemäss den Ausführungen im zitierten
Entscheid "aus der Natur der AG, die als Kapitalgesellschaft hinsichtlich
Entstehung und Fortbestand vom Vorhandensein eines vorausbestimmten
Grundkapitals abhängt", sowie aus verschiedenen Bestimmungen des OR,
die unter anderem auf die "unversehrte Erhaltung des Grundkapitals"
hinzielen, so etwa Art. 620, 628, 633, 675 Abs. 2, 677, 678, 725 OR. Der
Kassationshof hat sich sodann in E. 4 von BGE 97 IV 10 ff. mit dem
Einwand des damaligen Beschwerdeführers auseinandergesetzt, dass der
Tatbestand von Art. 159 StGB infolge des Grundsatzes "volenti non fit
iniuria" nicht erfüllt sei. Das Gericht hat diesen Einwand verworfen und
dabei unter anderem festgehalten, dass "die Aktiengesellschaft, selbst
in der Form einer Einmanngesellschaft, selbständige Vermögensträgerin
ist und ihr Vermögen nicht nur nach aussen, sondern auch im Verhältnis
zu den einzelnen Gesellschaftsorganen ein fremdes im Sinne von Art. 159
StGB ist" (S. 16). Es hat ausgeführt, dieser strafrechtliche Schutz des
"Gesellschaftsvermögens" bestehe wie der von der Zivilrechtsordnung
gewollte "Kapitalschutz" ausser im Interesse der Aktionäre und der
Gesellschaftsgläubiger auch in demjenigen der Gesellschaft selber, da,
wie bereits dargetan, Errichtung und Fortbestand der AG aufs engste mit
dem Vorhandensein des "gebundenen Gesellschaftsvermögens" verknüpft seien
und dieses zudem der Zweckverfolgung und der Kreditwürdigkeit der AG diene
(S. 16). Der Kassationshof hat in diesem Zusammenhang auf BGE 85 IV 231
verwiesen, wonach sogar der Alleinaktionär einer Einmanngesellschaft
sich die rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft entgegenhalten und
eine widerrechtliche Schädigung des Gesellschaftsvermögens als Schädigung
fremden Vermögens zurechnen lassen müsse (S. 16, sämtliche Hervorhebungen
nicht im Original). Er hat in BGE 97 IV 10 ff. sodann festgehalten, es
sei entgegen der Meinung des Beschwerdeführers ohne Belang, dass die AG
keine weiteren Geschäfte getätigt und deshalb keine Gläubiger gehabt habe;
denn eine Schädigung allfälliger Gesellschaftsgläubiger wäre nach Art. 159
StGB ohnehin unerheblich, da dem Beschwerdeführer nicht deren Vermögen,
sondern dasjenige der AG zur Fürsorge anvertraut sei (S. 16/17).

    b) An der Rechtsprechung kann nicht festgehalten werden, soweit darin
davon ausgegangen wird, der Alleinaktionär müsse sich ausnahmslos die
rechtliche Selbständigkeit der Einmannaktiengesellschaft entgegenhalten
lassen. Das Bundesgericht hat diese Rechtsprechung bereits in BGE 109 IV
112 implizit in Frage gestellt, wo es als selbstverständlich angenommen
hat, dass der Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft, die nach ihrer
Zweckbestimmung im Interesse der Muttergesellschaft arbeiten soll, Gewinne
durch die Muttergesellschaft direkt abschöpfen lassen durfte. Wohl ist die
Einmannaktiengesellschaft auch für den sie als einziger Verwaltungsrat
beherrschenden Alleinaktionär jemand anderer, und ihr Vermögen ist für
ihn ein fremdes. Diese Verschiedenheit der Rechtssubjekte und damit die
Fremdheit des Vermögens des einen Rechtssubjekts für das andere ist auch
im Strafrecht grundsätzlich beachtlich (so auch W. SCHMIDLIN, Typische
Wirtschaftsdelikte auf dem Gebiet des Aktienrechts, ZStrR 85/1969
S. 370 ff., 378 ff.; N. SCHMID, Einige Aspekte der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit von Gesellschaftsorganen, ZStrR 105/1988 S. 183
unten; derselbe, Fragen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit bei
Schwindel- und Strohmanngesellschaften, ZStrR 87/1971 S. 247 ff., 257;
derselbe, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Wirtschaftsdelikte
im Tätigkeitsbereiche der Aktiengesellschaft, SAG 46/1974 S. 101 ff., 114;
SCHULTZ, ZBJV 108/1972 S. 357 zu BGE 97 IV 10 ff.). Mit dieser Erkenntnis
ist aber entgegen dem in BGE 85 IV 230 E. 2 und 97 IV 10 ff. erweckten
Eindruck noch nichts darüber entschieden, ob eine bestimmte Handlung
bzw. eine bestimmte Vermögensdisposition des Alleinaktionärs und einzigen
Verwaltungsrats zum Nachteil bzw. auf Kosten der Einmannaktiengesellschaft
auch - beispielsweise nach Art. 221 oder 159 StGB - strafbar sei. Vielmehr
fragt sich weiter, ob erstens die Schädigung der Einmannaktiengesellschaft
durch den sie beherrschenden einzigen Verwaltungsrat und Alleinaktionär
gegen gesetzliche Pflichten betreffend die Sorge um das Vermögen der AG
verstosse und damit im Sinne von Art. 159 StGB tatbestandsmässig sei und
ob und inwieweit zweitens eine tatbestandsmässige Schädigung der AG durch
Einwilligung nach dem Grundsatz "volenti non fit iniuria" gerechtfertigt
werden könne.

Erwägung 4

    4.- Für Handlungen, die der Geschäftsführer einer AG in dieser
Eigenschaft, als Organ der AG, vornimmt, haftet grundsätzlich nur das
Gesellschaftsvermögen. Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers und
Verwaltungsrats besteht nur unter bestimmten Voraussetzungen (Art. 754
ff. OR, Art. 55 Abs. 3 ZGB). Da grundsätzlich nur das Vermögen der
AG gegenüber Dritten haftet, enthält das Aktienrecht eine ganze
Reihe von Bestimmungen, die den Schutz des Gesellschaftsvermögens
bezwecken. Diese Vorschriften muss auch der faktisch einzige
Verwaltungsrat bzw. Geschäftsführer und Alleinaktionär einer
Einmannaktiengesellschaft beachten. Wer für seine geschäftliche Tätigkeit
eine Einmannaktiengesellschaft errichtet und auf diese Weise seine Haftung
für die Geschäftstätigkeit beschränkt ("Einzelkaufmann mit beschränkter
Haftung"), hat auch die aus der Errichtung der Einmannaktiengesellschaft
sich ergebenden Konsequenzen zu tragen (vgl. BGE 85 IV 231). Die
Einmannaktiengesellschaft ist wie jede andere AG eine selbständige
juristische Person und als solche aller Rechte und Pflichten fähig, die
nicht die natürlichen Eigenschaften des Menschen, wie das Geschlecht, das
Alter oder die Verwandtschaft zur notwendigen Voraussetzung haben (Art. 53
ZGB). Sie kann somit insbesondere selbständige Trägerin von Vermögen
sein. Die Einmannaktiengesellschaft ist wie jede AG eine reale Person,
nicht nur eine Fiktion oder gewissermassen ein zweites Portemonnaie, über
dessen Inhalt der einzige Verwaltungsrat und Alleinaktionär nach Belieben
verfügen könnte (FORSTMOSER, Schweizerisches Aktienrecht, Band I/Lieferung
1, § 1 N 96 mit Hinweisen; CHRISTOPH VON GREYERZ, Schweizerisches
Privatrecht, Band VIII/2, S. 52 f.). Auch der mit dem Alleinaktionär
identische Verwaltungsrat und Geschäftsführer der Einmannaktiengesellschaft
hat die Pflichten zu beachten, die das Aktienrecht der Verwaltung und der
Geschäftsführung der AG auferlegt. Eine Handlung des Geschäftsführers,
die im Widerspruch zu diesen gesetzlichen Pflichten steht, erfüllt den
objektiven Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung im Sinne von Art. 159
StGB, wenn als Folge der pflichtwidrigen Handlung des Geschäftsführers
die Einmannaktiengesellschaft am Vermögen geschädigt wird.

Erwägung 5

    5.- Zu prüfen ist, unter welchen Voraussetzungen eine
Vermögensdisposition des einzigen Verwaltungsrats und Alleinaktionärs
auf Kosten der Einmannaktiengesellschaft im Sinne von Art. 159 StGB gegen
gesetzliche Pflichten verstösst.

    a) Eine Vermögensdisposition, die als (verdeckte) Gewinnausschüttung
(an den Verwaltungsrat bzw. an den Alleinaktionär) zu qualifizieren
ist, ist dann pflichtwidrig, wenn sie im Widerspruch zu zwingenden
aktienrechtlichen Bestimmungen steht, welche den Schutz des
Gesellschaftsvermögens bezwecken. Über diese Vorschriften, die nach
ihrer "ratio legis" gerade auch dem Schutz Dritter dienen, welche mit
der AG in Kontakt kommen, kann sich auch ein Alleinaktionär einer
Einmannaktiengesellschaft nicht hinwegsetzen. Dies bedeutet nicht,
dass dadurch strafrechtlich, über den Tatbestand von Art. 159 StGB,
letztlich nur eine Fiktion geschützt werde. Erstens ist, wie gesagt, auch
die Einmannaktiengesellschaft nicht nur eine - strafrechtlich allenfalls
nicht schützenswerte - Fiktion, sondern, wie jede AG, eine reale Person,
die insbesondere Trägerin von Vermögen sein kann, welches strafrechtlich
geschützt ist. Zweitens muss nach den aktienrechtlichen Vorschriften das
Vermögen der AG und damit der Einmannaktiengesellschaft gerade auch im
Interesse Dritter in einem gewissen Umfang erhalten bleiben und dient somit
der strafrechtliche Schutz des Vermögens der Einmannaktiengesellschaft
auch "realen menschlichen Interessen" (siehe zu dieser Frage STRATENWERTH,
Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil I, § 14 N 17). Zwar fällt bei der
Einmannaktiengesellschaft der Schutz von Aktionären insoweit ausser
Betracht, doch bleibt der Schutz etwa von Arbeitnehmern und andern
schon vorhandenen und künftigen Gläubigern der AG. Die Interessen der
Gläubiger der AG an der Erhaltung des Gesellschaftsvermögens in einem
gewissen Umfang werden nicht allein durch die Konkursdelikte (Art. 163
ff. StGB) geschützt, welche als objektive Strafbarkeitsbedingung die
Konkurseröffnung voraussetzen, sondern auch durch Art. 159 StGB (andere
Auffassung NOLL, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil I, S. 224). Wohl
ist der mittelbare Schaden der Gläubiger der AG als solcher kein im Sinne
von Art. 159 StGB relevanter Vermögensschaden und ist der Geschäftsführer
einer AG nicht schon dann und deshalb gemäss Art. 159 StGB strafbar, wenn
und weil infolge seiner Handlung die Gläubiger der AG mittelbar geschädigt
werden (vgl. schon BGE 97 IV 16/17); doch muss der Geschäftsführer das
Vermögen der AG, welches allein Handlungsobjekt von Art. 159 StGB ist,
nach den aktienrechtlichen Bestimmungen gerade auch zum Schutz der realen
menschlichen Interessen Dritter in einem gewissen Umfang erhalten.

    Das Aktienrecht will durch eine ganze Reihe von zwingenden Vorschriften
sicherstellen, dass der AG stets ein Reinvermögen - d.h. Aktiven minus
Passiven - mindestens im Umfang von Grundkapital und gebundenen Reserven
erhalten bleibt (vgl. dazu FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ, Einführung in das
schweizerische Aktienrecht, § 1 N 16 ff., § 29 N 1 ff.; CHRISTOPH VON
GREYERZ, op.cit., S. 61 ff.). Eine als (verdeckte) Gewinnausschüttung
zu qualifizierende Vermögensdisposition auf Kosten der AG steht daher
dann und insoweit im Widerspruch zu den gesetzlichen Pflichten im Sinne
von Art. 159 StGB, wenn und als das nach ihrer Vornahme verbleibende
Reinvermögen der Einmannaktiengesellschaft, d.h. die Aktiven nach Abzug
der Passiven, nicht mehr zur Deckung von Grundkapital und gebundenen
Reserven ausreicht (vgl. insoweit schon BGE 97 IV 13 E. 2). Eine als
(verdeckte) Gewinnausschüttung zu qualifizierende Vermögensdisposition
kann insoweit, als sie das Reinvermögen der Einmannaktiengesellschaft
im zu erhaltenden Mindestumfang angreift, auch nicht nach dem Grundsatz
"volenti non fit iniuria" gerechtfertigt sein, da sie gegen zwingende
aktienrechtliche Bestimmungen verstösst.

    b) Eine Vermögensdisposition des einzigen Verwaltungsrats und
Alleinaktionärs, die als Aufwand zu qualifizieren ist, ist wie die
(verdeckte) Gewinnausschüttung nicht im Sinne von Art. 159 StGB
pflichtwidrig, solange das Reinvermögen der Einmannaktiengesellschaft
- Aktiven minus Passiven - im Umfang von Grundkapital und gebundenen
Reserven unberührt bleibt. Das Vermögen der Einmannaktiengesellschaft,
die der Alleinaktionär als einziger Verwaltungsrat beherrscht, kann
gegenüber diesem strafrechtlich nach Art. 159 StGB nur insoweit geschützt
sein, als es gemäss den zwingenden aktienrechtlichen Vorschriften gerade
auch im Interesse der Gläubiger der AG erhalten bleiben muss; wo die
Vermögenserhaltung nur im Interesse des Alleinaktionärs liegt, kann
dieser in eine Vermögensverminderung einwilligen. Vermögensdispositionen
des einzigen Verwaltungsrats und Alleinaktionärs auf Kosten der
Einmannaktiengesellschaft, welche das Reinvermögen der AG im Umfang
von Grundkapital und gebundenen Reserven unberührt lassen, können
daher nicht nach Art. 159 StGB strafbar sein, gleichgültig ob sie als
(verdeckte) Gewinnausschüttung oder als - bei objektiver Betrachtungsweise
allenfalls unverhältnismässiger - Aufwand zu qualifizieren sind. Eine
als Aufwand zu qualifizierende Vermögensdisposition auf Kosten der
Einmannaktiengesellschaft ist aber, im Unterschied zur (verdeckten)
Gewinnausschüttung, nicht schon dann und deshalb im Sinne von Art. 159
StGB pflichtwidrig, wenn und weil durch sie das Reinvermögen der AG im
Umfang von Grundkapital und gebundenen Reserven angegriffen wird. Vielmehr
stellt sich erst unter dieser Voraussetzung die Frage, ob die als Aufwand
zu qualifizierende Vermögensdisposition im Sinne von Art. 159 StGB
pflichtwidrig sei. Ein das Reinvermögen der AG im Umfang von Grundkapital
und gebundenen Reserven vermindernder Aufwand des einzigen Verwaltungsrats
und Alleinaktionärs ist dann im Sinne von Art. 159 StGB pflichtwidrig,
wenn er mit den Pflichten des Geschäftsführers zur sorgfältigen Verwaltung
der Geschäfte der Gesellschaft (Art. 722 OR) nicht zu vereinbaren ist. Ob
dies der Fall sei, hängt von den gesamten Umständen des konkreten Falles
ab, zu denen einerseits die finanzielle Situation des Unternehmens und
anderseits Umfang, Art und Zweck des Aufwandes gehören.

Erwägung 6

    6.- Ein und dieselbe Handlung des Geschäftsführers kann im Fall
der Eröffnung des Konkurses über die AG sowohl den Tatbestand von
Art. 159 StGB als auch Konkurstatbestände gemäss Art. 163 ff. StGB
erfüllen. In diesem Fall besteht unter anderem wegen der Verschiedenheit
der durch die genannten Strafbestimmungen geschützten Rechtsgüter
Idealkonkurrenz. Allerdings handelt es sich dabei um eine Art von
überschneidender Idealkonkurrenz (vgl. dazu BGE 113 IV 67), da sich in
einem Fall, in dem die AG gerade infolge von im Sinne von Art. 159 StGB
tatbestandsmässigen Handlungen ihres Geschäftsführers in Schwierigkeiten
gerät und schliesslich über sie der Konkurs eröffnet wird, Art. 159 StGB
einerseits und Art. 163 ff., insbesondere Art. 165 StGB anderseits in
ihrem Unrechtsgehalt nicht unerheblich überschneiden.

Erwägung 7

    7.- Die Vorinstanz wird demnach abzuklären haben, ob und inwieweit die
dem Beschwerdegegner von der 1. Instanz als ungetreue Geschäftsführung
im Sinne von Art. 159 StGB zur Last gelegten Vermögensdispositionen auf
Kosten der E. AG, die zum einen Teil als (verdeckte) Gewinnausschüttungen
und zum andern Teil als Aufwand zu qualifizieren sind, im Sinne der
vorstehenden Ausführungen pflichtwidrig sind. Sie wird sodann prüfen
müssen, ob der Beschwerdegegner eine allfällige Tatbestandsverwirklichung
(pflichtwidrige Schädigung der E. AG) zumindest in Kaufgenommen
und damit eventualvorsätzlich gehandelt habe. Der Eventualvorsatz
des Beschwerdegegners in bezug auf eine allfällige ungetreue
Geschäftsführung zum Nachteil der E. AG kann jedenfalls entgegen der
knappen Eventualbegründung im angefochtenen Urteil nicht kurzerhand mit der
Erwägung verneint werden, es sei kaum anzunehmen, dass der Beschwerdegegner
jemals angenommen habe, er schädige durch seine Geschäftsführung zulasten
der E. AG fremdes Vermögen.