Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IV 20



117 IV 20

6. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. Januar 1991
i.S. J. gegen Generalprokurator und Obergericht des Kantons Bern
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 140 Ziff. 2 StGB; Begriff des berufsmässigen Vermögensverwalters.

    Voraussetzungen für die Annahme berufsmässiger Vermögensverwaltung
im Sinne von Art. 140 Ziff. 2 StGB bei einem Architekten, der auch
Liegenschaften verwaltet (E. 1b).

    Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Täter wegen Veruntreuung als
berufsmässiger Vermögensverwalter zu verurteilen ist, ist entscheidend,
ob die Qualifikationsvoraussetzung im Zeitpunkt der Tatausführung sowie
gegebenenfalls im Moment der Entgegennahme der Gelder erfüllt ist (E. 2).

Sachverhalt

    A.- J. führte von 1979 bis 1984 ein Architekturbüro in N.
Dieses verwaltete die Liegenschaft X-Strasse 62 in S. Wegen eines
in dieser Liegenschaft eingetretenen Wasserschadens überwies die
Y-Versicherungsgesellschaft am 2. März 1982 den Betrag von Fr. 11'165.10
auf das private Postcheckkonto von J. Durch Belastung dieses Kontos
zahlte J. anfangs April 1982 Löhne in der Höhe von Fr. 11'000.--.

    Mit Urteil vom 16. Dezember 1988 erklärte das Strafamtsgericht
Thun J. schuldig der qualifizierten Veruntreuung als berufsmässiger
Vermögensverwalter und verurteilte ihn in Ausfällung einer Zusatzstrafe
zum Urteil des Gerichtspräsidenten II, Thun, vom 17. Juni 1987 zu 6
Monaten Gefängnis, bedingt unter Auferlegung einer Probezeit von 4 Jahren.

    Auf Appellation sowohl von J. als auch der Staatsanwaltschaft
reduzierte das Obergericht des Kantons Bern am 3. November 1989 die
Probezeit für den bedingten Strafvollzug auf 3 Jahre, bestätigte im
übrigen aber das erstinstanzliche Urteil.

    Eine von J. dagegen eingereichte staatsrechtliche Beschwerde heisst
das Bundesgericht gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus der Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- b) Der Beschwerdeführer beantragt im erwähnten, an die Vorinstanz
gerichteten Schreiben, verschiedene Schriftstücke zu den Akten zu nehmen,
eine Abklärung bei der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern zu
treffen und eine Zeugin sowie ihn selber nochmals einzuvernehmen. Damit
hätte er seiner Auffassung nach den Beweis namentlich dafür erbringen
können, dass sein Büro im Tatzeitpunkt, anfangs April 1982, nur zwei
Liegenschaften verwaltete, nämlich je eine auf eigene und auf fremde
Rechnung.

    Wäre ihm dieser Nachweise gelungen, hätte er nicht als berufsmässiger
Vermögensverwalter im Sinne von Art. 140 Ziff. 2 StGB betrachtet werden
können. Zwar setzt eine Verurteilung wegen qualifizierter Veruntreuung
nach der Rechtsprechung nicht voraus, dass die Vermögensverwaltung
die Haupttätigkeit des Täters bildet; berufsmässig kann Vermögen auch
verwalten, wer sich daneben in wesentlichem Umfange noch anders betätigt
(BGE 100 IV 30). In Anbetracht der erheblichen Strafdrohung des Art. 140
Ziff. 2 StGB von einem Monat Gefängnis bis zu zehn Jahren Zuchthaus und
der namentlich mit einer Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung
verbundenen Zuordnung der qualifizierten Veruntreuung zu den Verbrechen
(vgl. Art. 9 Abs. 1 und 70 Abs. 2 StGB), sowie mit Blick darauf, dass
Art. 140 Ziff. 2 StGB durchwegs nur Tätergruppen erfassen soll, die
erhöhtes Vertrauen geniessen, ist eine berufsmässige Vermögensverwaltung
indes nicht leichthin anzunehmen. Die Literatur weist zutreffend darauf
hin, dass nicht jede Person, die in Ausübung ihres Berufs Vermögen
anvertraut erhält, als berufsmässiger Vermögensverwalter angesehen
werden kann (NOLL, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I,
S. 155); der Beruf muss vielmehr gerade in der Verwaltung von Vermögen
bestehen (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I,
3. Auflage, § 8 N 68). Da die Besorgung von Liegenschaftsverwaltungen
nicht typischerweise zum Architektenberuf gehört, ist ein Architekt
danach jedenfalls solange nicht berufsmässiger Vermögensverwalter
im Sinne von Art. 140 Ziff. 2 StGB, als er nur nebenbei und
in geringem Ausmass Liegenschaften verwaltet. Die Annahme einer
berufsmässigen Vermögensverwaltung kommt erst in Betracht, wenn die
Liegenschaftsverwaltung einen eigenständigen Erwerbszweig des Architekten
bildet und einen erheblichen Umfang aufweist; die Verwaltung von ein oder
zwei Liegenschaften mittlerer Grösse reicht nicht aus.

Erwägung 2

    2.- Es kann offenbleiben, ob die weitere Rüge des
Beschwerdeführers begründet ist, die Vorinstanz habe den Umfang
seiner Liegenschaftsverwaltungstätigkeit im Zeitpunkt der Tat, anfangs
April 1982, willkürlich beurteilt. Festzuhalten ist, dass es für die
Beantwortung der Frage, ob ein Täter wegen Veruntreuung als berufsmässiger
Vermögensverwalter nach Art. 140 Ziff. 2 StGB zu verurteilen ist,
entgegen der vom Generalprokurator in seiner Vernehmlassung vertretenen
Auffassung allein darauf ankommt, ob die Qualifikationsvoraussetzung im
Moment der Tatausführung sowie gegebenenfalls im Moment der Entgegennahme
der Gelder gegeben ist. In welchem Ausmass der Beschwerdeführer nach der
Begehung der Veruntreuung im April 1982 Liegenschaften verwaltet hat,
ist somit belanglos.