Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 II 575



117 II 575

106. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. Oktober 1991
i.S. I. AG gegen I.com AG (Berufung) Regeste

    Art. 2 ZGB. Verwirkung von Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen
aus Firmenrecht und unlauterem Wettbewerb wegen verzögerter Rechtsausübung.

    1. Dem Vorwurf missbräuchlichen Zuwartens setzt sich nicht nur
derjenige Berechtigte aus, der um die Rechtsverletzung weiss, sie aber
während längerer Zeit duldet. Verzögerte Rechtsausübung kann auch dann
missbräuchlich sein, wenn sie auf fahrlässige oder gar unverschuldete
Unkenntnis der Rechtsverletzung zurückzuführen ist (E. 4).

    2. Bedeutung des für die Verwirkungseinrede massgeblichen
Zeitablaufs. Ob das Zuwarten des Berechtigten als Duldung erscheint,
ist aus der objektivierten Sicht des Verletzers zu beurteilen (E. 4 und 5).

    3. Wertvoller Besitzstand als Folge der während längerer Zeit
geduldeten Rechtsverletzung (E. 6).

Sachverhalt

    A.- Die am 20. Dezember 1979 im Handelsregister eingetragene I. AG mit
Sitz in Bolligen (BE) vertreibt neben anderen Artikeln des Bürobedarfs
auch EDV-Zubehör unter der Marke i.-data. Laut Handelsregistereintrag
bezweckt die I. AG den Vertrieb von Artikeln des Bürobedarfs, Büromöbeln
und Schulmaterial.

    Die am 10. März 1982 im Handelsregister eingetragene I.com AG mit Sitz
in Chur verkauft u.a. ebenfalls EDV-Zubehör. Gemäss Handelsregistereintrag
bezweckt sie den Betrieb einer Ingenieur- und Generalunternehmung auf
dem Gebiet der EDV und der Elektrotechnik, den Handel mit EDV-Anlagen
und elektronischen Geräten, die Verwaltung von Beteiligungen als
Holdinggesellschaft und die Durchführung von Finanzierungen aller Art.
Tochtergesellschaften der I.com AG sind u.a. die beiden in Chur
domizilierten Firmen I.com Software AG, die komplexe Softwarelösungen
entwickelt und verkauft, und I.com Standard AG, die sich mit Personal
Computern befasst.

    Mit Brief vom 13. September 1988 wurde die I.com AG von der I. AG
verwarnt, da die beiden Firmen verwechselbar seien.

    B.- Sowohl aus Firmen- und Namensrecht wie auch aus UWG klagte die
I. AG am 17. August 1989 beim Bezirksgericht Plessur gegen die I.com AG
auf Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung "I.com" und auf Änderung
der Firma. Das Bezirksgericht verneinte die Verwechslungsgefahr und wies
die Klage am 16. März 1990 ab. Auf Berufung der Klägerin hin bejahte
hingegen das Kantonsgericht Graubünden mit Urteil vom 6. November 1990
die Verwechslungsgefahr und grundsätzlich auch die eingeklagten Ansprüche
nach Firmen- und nach Wettbewerbsrecht, bestätigte das bezirksgerichtliche
Urteil aber mit der Begründung, die Klägerin habe ihre Ansprüche durch
Zuwarten während sechseinhalb Jahren verwirkt.

    C.- Mit Berufung an das Bundesgericht beantragt die Klägerin die
Aufhebung des Urteils vom 6. November 1990 und die Gutheissung der Klage;
eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht
heisst das Eventualbegehren gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Ist die Firma I.com AG wie auch die Bezeichnung "I.com" mangels
ausreichender Unterscheidbarkeit nach Firmen- und nach Wettbewerbsrecht
unzulässig, muss geprüft werden, ob das Kantonsgericht der Klägerin zu
Recht entgegengehalten hat, ihre Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche
seien wegen verspäteter Geltendmachung verwirkt.

    a) Gleich anderen Rechten können auch Abwehransprüche aus Firmen-
und Wettbewerbsrecht untergehen, wenn sie zu spät geltend gemacht
werden. Eine Verwirkung wegen verspäteter Rechtsausübung ist aber nicht
leichthin anzunehmen, weil gemäss Art. 2 Abs. 2 ZGB ein Recht nur dann
nicht geschützt werden darf, wenn sein Missbrauch offenbar ist (zuletzt
BGE 114 II 111 E. 4). Die Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte
die Verletzung seiner Rechte durch Mitgebrauch eines gleichen oder
ähnlichen Kennzeichens während längerer Zeit widerspruchslos geduldet
und der Verletzer inzwischen am Zeichen einen eigenen wertvollen
Besitzstand erworben hat. Je länger der Berechtigte den Mitgebrauch
hinnimmt, desto eher darf der Verletzer nach Treu und Glauben erwarten,
der Berechtigte dulde die Verletzung auch weiterhin und werde ihm nicht
zumuten, den erworbenen Besitzstand wieder preiszugeben (BGE 109 II 340
f. E. 2a mit Hinweisen; PEDRAZZINI, Die Verwirkung im schweizerischen
Kennzeichnungsrecht, GRUR Int. 1984 S. 502). Selbst gegenüber demjenigen,
der sich ein verwechselbares Zeichen bewusst anmasst, kann der Berechtigte
ausnahmsweise seine Ansprüche verwirken, und zwar insbesondere dann,
wenn langes Zuwarten mit der Rechtsverfolgung beim anfänglich bösgläubigen
Verletzer zur berechtigten Überzeugung führt, die Verletzung werde geduldet
(BGE 109 II 343 f. E. 2c mit Hinweisen).

    b) Um dem Berechtigten entgegenhalten zu können, er habe den
Mitgebrauch eines gleichen oder ähnlichen Kennzeichens widerspruchslos
geduldet, ist grundsätzlich notwendig, dass er um die Verletzung seiner
Rechte weiss. Schon vom Begriff her kann von Dulden nur gesprochen werden,
wenn der Berechtigte von der Beeinträchtigung Kenntnis hat und trotzdem
nichts dagegen unternimmt (BGE 109 II 341 E. 2a). Damit sodann beim
Verletzer die Erwartung entsteht, die Beeinträchtigung werde geduldet,
muss grundsätzlich auch er wissen, dass sich der Berechtigte in Kenntnis
der Rechtsverletzung und nicht aus blosser Unkenntnis passiv verhält.

    Verzögerte Rechtsausübung kann auch missbräuchlich sein, wenn sie
auf fahrlässige Unkenntnis von der Rechtsverletzung zurückzuführen ist,
weil es der Berechtigte sorgfaltswidrig unterlassen hat, den Markt auf
gegnerische Zeichen hin zu beobachten (PEDRAZZINI, aaO S. 504). Hätte
der Berechtigte bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit die Verletzung seiner
Rechte früher erkennen können, so hat er den Vorwurf widersprüchlichen
Verhaltens zu gewärtigen, wenn er sich erst nach längerer Zeit zur Wehr
setzt. In derartigen Fällen kann es sich rechtfertigen, dem Verletzer
zuzubilligen, er habe die pflichtwidrig unterbliebene Reaktion des
Berechtigten in guten Treuen als Duldung auffassen dürfen. Je mehr der
Verletzer nach Massgabe seiner eigenen Verletzungshandlungen und der
übrigen Umstände mit Widerspruch zu rechnen hätte, desto eher darf er
die Untätigkeit des Berechtigten als Duldung verstehen (PEDRAZZINI, aaO;
TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bd. II, 3. A. 1985, S. 757 f.).

    c) Das Interesse an der Erhaltung erheblicher wirtschaftlicher Werte,
die der Verletzer im Vertrauen auf das passive Verhalten des Berechtigten
geschaffen hat, rechtfertigt es ausnahmsweise, die Verwirkungseinrede
des Verletzers selbst dann zu schützen, wenn dem Berechtigten keine
fahrlässige Unkenntnis zur Last fällt. Dem Berechtigten kann in solchen
Fällen allerdings nicht entgegengehalten werden, die verzögerte Ausübung
seiner Rechte stelle ein widersprüchliches Verhalten dar, setzt dieser
Vorwurf doch voraus, dass es der Berechtigte schuldhaft, d.h. trotz
Kenntnis der Verletzung oder wegen fahrlässiger Unkenntnis, unterlassen
hat, seine Rechte früher auszuüben (MERZ, N. 536 zu Art. 2 ZGB). Fehlt
es an einem Verschulden, so tritt als massgebender Gesichtspunkt für die
Begründung des Rechtsmissbrauchs das Verbot des Interessenmissbrauchs an
die Stelle des ein Verschulden voraussetzenden Verbots widersprüchlichen
Verhaltens (MERZ, aaO). Entscheidend für die Verwirkungseinrede wird,
ob dem Verletzer in Anbetracht des fehlenden oder unverhältnismässig
geringeren Interesses des Berechtigten an der Wiederherstellung des
rechtmässigen Zustandes zuzumuten ist, den im Vertrauen auf die Untätigkeit
des Berechtigten geschaffenen Besitzstand wieder aufzugeben.

    Trotz der Massgeblichkeit des Interessenmissbrauchs ist die
Verwirkungseinrede des Verletzers jedoch nicht bereits deshalb zu schützen,
weil dem Besitzstand des Berechtigten ein unverhältnismässig grösserer
Besitzstand des Verletzers gegenübersteht. Sonst könnte sich der Verletzer
schon aufgrund der Tatsache, dass er in kurzer Zeit ein weit bedeutenderes
Unternehmen aufgebaut hat, mit Erfolg auf Rechtsmissbrauch berufen. Im
Rahmen der Interessenabwägung sind vielmehr sämtliche Umstände des
Einzelfalls zu berücksichtigen, zu denen auch beim Interessenmissbrauch
die Untätigkeit des Berechtigten während längerer Zeit gehört. Denn
die Preisgabe seiner Rechte zugunsten überwiegender Interessen wird dem
Berechtigten, der dazu noch schuldlos untätig geblieben ist, regelmässig
erst zugemutet werden dürfen, nachdem seine Untätigkeit lange genug
gedauert hat, um beim Verletzer die berechtigte Überzeugung entstehen zu
lassen, die Beeinträchtigung werde geduldet.

    Unter diesen Voraussetzungen gilt, dass sich auch derjenige Berechtigte
dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs aussetzen und gegenüber dem Verletzer
seinen Abwehranspruch verwirken kann, der aus unverschuldeter Unkenntnis
heraus passiv bleibt und erst nach längerer Zeit, nachdem er von der
Verletzung tatsächlich Kenntnis erlangt hat, gegen den Verletzer vorgeht
(BGE 73 II 192 f. E. 5a mit Hinweisen auf die ältere deutsche Lehre und
Rechtsprechung; PEDRAZZINI, aaO S. 503-505; VON BÜREN, Kommentar, N. 13
zu Art. 7 UWG; aus der neueren deutschen Rechtsprechung Urteil des BGH
vom 26. September 1980, in: GRUR 1981 S. 60 ff., insbesondere S. 62 f.
und Anmerkung S. 65; Urteil des BGH vom 10. November 1965, in: NJW 1966
S. 343 ff., insbesondere S. 346).

Erwägung 5

    5.- Für das Kantonsgericht ist nicht entscheidend, dass die Klägerin
erst kurz vor ihrer schriftlichen Verwarnung vom 13. September 1988
tatsächliche Kenntnis von der Verletzung ihrer Rechte durch die Beklagte
erlangt haben will. Das Kantonsgericht hält der Klägerin nämlich vor, sie
hätte von der Existenz der Beklagten schon früher Kenntnis erlangen können,
weil diese als Informatikgeneralunternehmen rasch in der Ostschweiz Fuss
gefasst und ausserdem ab 1983 an Publikums- und Fachmessen teilgenommen
habe. Es wäre laut Vorinstanz rechtsmissbräuchlich, wenn die Beklagte
den wertvollen, unter der Bezeichnung "I.com" erworbenen Besitzstand
wieder aufgeben müsste, nachdem die Klägerin sechseinhalb Jahre, d.h. vom
10. März 1982 (Datum des Handelsregistereintrags der Beklagten) bis zum
13. September 1988 (Datum der Verwarnung), mit der Verwarnung zugewartet
habe.

    Indem das Kantonsgericht aufgrund dieser Erwägungen annimmt, die
firmen- und wettbewerbsrechtlichen Ansprüche der Klägerin seien verwirkt,
verletzt es Bundesrecht:

    a) Nach dem Gesagten setzt die Verwirkung zufolge verspäteter
Rechtsausübung grundsätzlich voraus, dass der Berechtigte um die
Verletzung seiner Rechte weiss und trotzdem untätig bleibt. In Anbetracht
der zentralen Bedeutung der tatsächlichen Kenntnis durfte sich das
Kantonsgericht nicht damit begnügen, bloss die Behauptung der Klägerin, ihr
sei die Rechtsverletzung erst kurz vor dem 13. September 1988 zur Kenntnis
gelangt, wiederzugeben. Vielmehr wäre abzuklären gewesen, ob die Klägerin
nicht bereits früher von der Verletzung ihrer Rechte erfahren hatte.

    Schon aus diesem Grund ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit beweismässig festgestellt
wird, ob die Klägerin schon vor 1988 um die Verletzung ihrer Rechte
gewusst hat. Beweispflichtig für einen solchen früheren Zeitpunkt ist
dabei die Beklagte, die aus der Behauptung des rechtsmissbräuchlichen
Zuwartens durch die Klägerin Rechte ableitet.

    b) Sollte dieser Nachweis misslingen, wird die Verwirkungseinrede damit
noch nicht hinfällig, da auch verzögerte Rechtsausübung wegen fahrlässiger
oder sogar schuldloser Unkenntnis missbräuchlich sein kann. Für diese
Fälle geht das Kantonsgericht an sich zutreffend davon aus, das untätige
Zuwarten der Klägerin beginne in dem Zeitpunkt erheblich zu werden, ab
welchem die Beklagte aufgrund ihres eigenen Verhaltens und der gesamten
Umstände in guten Treuen habe annehmen dürfen, die Klägerin wisse um ihre
Existenz und Tätigkeit, dulde sie jedoch. Wie in der Berufung aber zu Recht
gerügt wird, kann das für die Verwirkung erhebliche Zuwarten unmöglich
bereits am 10. März 1982 mit der Eintragung der Firma der Beklagten im
Handelsregister begonnen und damit sechseinhalb Jahre gedauert haben.

    aa) Zwar kommt dem Handelsregister von hier nicht vorliegenden
Ausnahmen abgesehen (BGE 106 II 351; JÄGGI, N. 145 zu Art. 3 ZGB) positive
Publizitätswirkung zu, so dass der Klägerin der Einwand verwehrt ist,
sie habe die im Handelsamtsblatt publizierten Eintragungen über die
Beklagte nicht gekannt (Art. 933 Abs. 1 OR; HIS, N. 26 f. zu Art. 933 OR;
GAUCH, Von der Eintragung im Handelsregister, in: SAG 48/1976 S. 145;
GUHL/KUMMER/DRUEY, OR, 8. A. 1991, S. 777; GÉRARD WYSSA, Les effets
externes de l'inscription au registre du commerce, Diss. Lausanne 1950,
S. 30 ff.). Aufgrund des Eintrags vom 10. März 1982 musste die Klägerin
aber nur wissen, dass eine in Chur domizilierte Firma I.com AG u.a. zum
Zweck des Handels mit EDV-Anlagen und elektronischen Geräten gegründet
worden war. Auch wenn diese auf Veranlassung der Beklagten eingetragenen
Tatsachen der Klägerin von Gesetzes wegen bekannt sein mussten,
berechtigte der unterbliebene Protest die Beklagte nicht zur Annahme,
die Rechtsverletzung sei bereits seit März 1982 geduldet worden. Denn
die Publizität des Handelsregisters wirkte sich auch gegenüber der
Beklagten aus, die folglich um die am 20. Dezember 1979 eingetragene
Firma der Klägerin wissen musste (BGE 79 II 310 E. 1c). Der Beklagten
hatte deshalb aufgrund des älteren Eintrags klar zu sein, dass ihre wenig
unterscheidungskräftige neue Firma nicht leichthin geduldet würde (TROLLER,
aaO S. 758). Sollte die Beklagte schon seit ihrer Gründung in grösserem
Umfang EDV-Zubehör verkauft haben, hatte sie auch deswegen mit Protest zu
rechnen, weil zu erwarten war, dass sich die gemäss Handelsregistereintrag
auf Artikel des Bürobedarfs spezialisierte Klägerin den technischen
Entwicklungen in diesem Bereich anpasse und ebenfalls EDV-Zubehör anbiete.

    Dass der Handelsregisterführer die Firma I.com AG trotz der
Verwechslungsgefahr ohne Beanstandungen eingetragen hatte, durfte die
Beklagte nicht als Zusicherung der Rechtmässigkeit auffassen. Der
Handelsregisterführer weist nur völlig oder beinahe identische
Fassungen von Firmen zurück und hat im übrigen die Beurteilung
der Verwechslungsgefahr dem Zivilrichter zu überlassen (TROLLER,
Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. A. 1983, S. 245 f. Fn. 107; S. 516 f.).

    bb) Konnte das für den Verwirkungseinwand relevante Zuwarten der
Klägerin nicht mit der Publikation des Eintrags im März 1982 begonnen
und damit auch nicht sechseinhalb Jahre gedauert haben, ist ein späterer
Zeitpunkt zu prüfen, ab welchem die Beklagte in der Untätigkeit der
Klägerin einen Verzicht auf ihre Abwehrrechte erblicken durfte.

    Obgleich die grosse Ähnlichkeit der am 10. März 1982 eingetragenen
mit der älteren Firma der Klägerin einen raschen Protest hätte erwarten
lassen, unterblieb dieser bis zum 13. September 1988. Das Unterbleiben
eines Protests, der nach den Umständen kurze Zeit nach der Eintragung
zu erwarten war, ist an sich ein Indiz dafür, dass die Beklagte das
Stillschweigen der Klägerin relativ bald als Hinnahme der Verletzung
verstehen durfte. Auch führte die offensichtliche Verwechslungsgefahr
dazu, dass die Beklagte nicht damit zu rechnen brauchte, vor einer
Reaktion werde die Klägerin während längerer Zeit die Zulässigkeit des
Gegenzeichens abzuklären haben (PEDRAZZINI, aaO S. 503; vgl. BGE 109 II
341 E. 2a und 100 II 400). Jedoch hatte die Beklagte zu berücksichtigen,
dass die Klägerin trotz erkannter Unzulässigkeit ausreichende Gründe
gehabt haben konnte, mit der Rechtsverfolgung zuzuwarten. Nach Lehre
und Rechtsprechung darf der Verletzte ohne Rechtsnachteile für so lange
untätig bleiben, als erforderlich ist, um darüber zu entscheiden, ob
die wirtschaftlichen Auswirkungen der Verletzung ein Vorgehen nötig und
zweckmässig machen. Auch bei offensichtlich verwechselbaren Firmen darf
der Inhaber einer älteren Firma deshalb zunächst beobachten, wie sich das
Nebeneinanderbestehen der Unternehmen entwickelt und welchen Einfluss es
auf den Markt hat, bevor er Klage wegen unlauteren Wettbewerbs erhebt (BGE
100 II 399 f. E. 3b mit Hinweisen; 73 II 115 E. 3; TROLLER, aaO, Bd. II,
S. 756; VON BÜREN, aaO N. 12 zu Art. 7 UWG). Eine solche Bedenkzeit ist dem
Berechtigten namentlich dann einzuräumen, wenn die Tätigkeit, die unter
der verletzenden Firma entfaltet wird, nicht von Anfang an feststeht,
so dass die Störung erst nach einiger Zeit absehbar wird (BGE 76 II 397).

    Aufgrund der vorinstanzlichen Feststellung, die Beklagte habe
rasch in der Ostschweiz Fuss gefasst und ab 1983 an - nicht näher
bezeichneten - Messen teilgenommen, kann das Bundesgericht nicht selbst
den Zeitpunkt festlegen, ab welchem die Beklagte davon ausgehen durfte,
ihre eigene Tätigkeit sei für die Klägerin erkennbar geworden, so dass
der unterbliebene Protest bedeute, die Bezeichnungen I.com AG und "I.com"
würden geduldet. Dem Urteil des Kantonsgerichts lässt sich nicht einmal
entnehmen, wann die Beklagte das für die Klägerin kritische EDV-Zubehör in
ihr Sortiment aufgenommen hat. Kann der Klägerin für die Zeit vor September
1988 keine tatsächliche Kenntnis der Rechtsverletzung nachgewiesen werden
(E. 5a), wird das Kantonsgericht deshalb beweismässig zu ermitteln haben,
welches Verhalten der Beklagten ab welchem Zeitpunkt geeignet war, bei
ihr die für den Verwirkungseinwand entscheidende Überzeugung aufkommen
zu lassen, die Klägerin nehme die Verletzung ihrer Rechte hin. Es wird
festzustellen sein, wann und in welchem Umfang die Beklagte begonnen hat,
Tätigkeiten zu entfalten, welche aus ihrer eigenen Sicht eine für die
Klägerin erkennbare Konkurrenz darstellten, die Protest erwarten liess.

    c) Steht der Zeitpunkt fest, ab welchem die Klägerin tatsächlich
Kenntnis von der Verletzung erlangt hat bzw. ab welchem das Zuwarten aus
der Sicht der Beklagten als Ausdruck des Duldens erscheint, wird das
Kantonsgericht zu entscheiden haben, ob die Reaktion am 13. September
1988 in Anbetracht der gesamten Umstände verspätet war. Dabei wird von
Bedeutung sein, ob die Rechtsmissbräuchlichkeit unter dem Gesichtspunkt des
widersprüchlichen Verhaltens oder des Interessenmissbrauchs zu beurteilen
ist (E. 4b und c). So dürfte es der Klägerin bei verschuldeter Verspätung
schon nach kürzerer Zeit versagt sein, der Beklagten den Verzicht auf ihren
Besitzstand zuzumuten (VON BÜREN, N. 13 zu Art. 7 UWG); demgegenüber wird
bei fehlendem Verschulden das erforderliche krasse Missverhältnis der
Interessen erst nach längerer Zeit bejaht werden können. Auf eine feste
Dauer kann sich das Bundesgericht daher nicht zum voraus festlegen;
der Zeitablauf ist nur ein allerdings entscheidendes Indiz für die
aufgrund der gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilende
Rechtsmissbräuchlichkeit (PEDRAZZINI, aaO S. 503).

Erwägung 6

    6.- Schliesslich wird in der Berufung die vorinstanzliche Annahme
gerügt, dass der Beklagten durch den unangefochtene Gebrauch der Firma
I.com AG ein wertvoller Besitz entstanden sei.

    a) Für den Besitzstand ist zunächst entscheidend, dass sich die
Firma des Verletzers als Folge des ungestörten längeren Gebrauchs
beim Publikum als Zeichen des Unternehmens durchgesetzt und diesem
dadurch eine vorteilhafte Stellung im Wettbewerb verschafft hat (BGE
109 II 341, 345). Damit der Besitzstand ausserdem wertvoll ist, genügt
nicht irgendeine Wettbewerbsstellung des Verletzers, die vom verletzten
Zeichen herrührt und durch das vom Berechtigten angestrebte Verbot, es
zu gebrauchen, beeinträchtigt würde. Es muss sich vielmehr um eine so
starke Wettbewerbsstellung handeln, dass es die Nachteile deren Preisgabe
für den Verletzer rechtfertigen, dem Berechtigten den Nachteil zuzumuten,
dass er sich gegenüber dem Verletzer nicht mehr auf sein ausschliessliches
Recht berufen darf (PEDRAZZINI, aaO S. 505).

    Das Kantonsgericht bejaht einen wertvollen Besitzstand gestützt auf die
Feststellungen, die Beklagte habe seit der Gründung im Frühjahr 1982 ihren
Jahresumsatz bis 1988 von 0,35 auf 10,2 Millionen Franken gesteigert und
während dieser Zeit die Zahl ihrer Mitarbeiter von drei auf fünfzig erhöht;
die ganze Entwicklung sei unter der Bezeichnung "I.com" erfolgt, die sich
durch jahrelange, ungestörte Verwendung in der Werbung durchgesetzt habe.

    b) Die Klage auf Beseitigung und Unterlassung richtet sich gegen
die I.com AG. Demzufolge ist für den vorliegenden Prozess entscheidend,
welche Wettbewerbsstellung dieses und nur dieses Unternehmen unter
der streitigen Bezeichnung erworben hat, welche Beeinträchtigung seine
Wettbewerbsstellung erlitte, wenn es die Bezeichnung nicht mehr verwenden
dürfte, und ob dieser Nachteil es rechtfertigt, der Klägerin umgekehrt
die Nachteile aus dem Fortbestand der beklagtischen Firma zuzumuten. Auch
für die Beurteilung dieser Voraussetzungen sind die Feststellungen des
Kantonsgerichts zu ergänzen:

    Zu den Nachteilen, die der Klägerin als Folge der im angefochtenen
Urteil bejahten Anspruchsverwirkung erwüchsen, äussert sich das
Kantonsgericht überhaupt nicht. Weiter beziehen sich die vorinstanzlichen
Feststellungen zum Besitzstand nicht auf den Besitzstand der Beklagten,
sondern auf den Besitzstand der ganzen "I.com-Familie" oder "I.com-Gruppe",
zu der neben der Beklagten und ihren beiden Tochtergesellschaften noch
andere Gesellschaften im In- und Ausland gehören. Sodann ist völlig offen,
welchen Besitzstand die Beklagte der Durchsetzung des Zeichens "I.com"
zu verdanken hat und welches die Folgen für diesen Besitzstand wären,
wenn der Beklagten der Gebrauch des Zeichens verboten würde. Ferner ist
unklar, ob sich sämtliche Feststellungen der Vorinstanz auf den Besitzstand
im Zeitpunkt der Verwarnung (13. September 1988) beziehen, in dem der
wertvolle Besitzstand erworben sein muss, um für den Verwirkungseinwand
beachtlich zu sein (BGE 109 II 344 E. 2d).