Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 II 541



117 II 541

99. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Dezember
1991 i.S. K. gegen Grundbuchamt X. und Kantonsgericht Schwyz
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Eintragung eines Grundstückkaufs im Grundbuch, wenn ein Vorkaufsrecht
besteht (Art. 26 Abs. 2 GBV).

    Der Grundbuchverwalter darf eine Anmeldung zur Eintragung eines
Grundstückkaufs im Grundbuch nicht mit der Begründung vorläufig abweisen,
es stehe noch nicht fest, ob das Vorkaufsrecht gültig ausgeübt worden sei
(E. 3).

    Vor der Eintragung der Anmeldung hat der Grundbuchverwalter zu prüfen,
ob der Verfügende handlungsfähig sei, nicht aber, ob er auch urteilsfähig
sei (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Am 26. Februar 1987 ordnete die Vormundschaftsbehörde X.
über K. B. eine kombinierte Beiratschaft im Sinne von Art. 395 Abs. 1 und
2 ZGB an. K. B. ist Eigentümer einer landwirtschaftlichen Liegenschaft,
welche aus drei Parzellen und einer Scheune besteht. Diese Liegenschaft
verkaufte er, vertreten durch den Beirat, mit öffentlich beurkundetem
Kaufvertrag vom 17. Juni 1987 und Zusatzvertrag vom 26. Januar 1988
seinem Pächter O. K. zum Preise von Fr. 500'000.--. Am 19. Februar 1988
wurde der Kauf- und Zusatzvertrag beim Grundbuchamt X. zur Eintragung
angemeldet. Am gleichen Tag gab der Grundbuchverwalter dem Sohn des
Verkäufers, der verbeiständet und laut Art. 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes
über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG; SR 211.412.11)
vorkaufsberechtigt ist, Kenntnis vom Kaufvertrag. Der Beistand des Sohnes
übte am 19. März 1988 das gesetzliche Vorkaufsrecht aus.

    Der Regierungsrat des Kantons Schwyz hob am 12. Dezember 1989 die über
K. B. errichtete kombinierte Beiratschaft mit Wirkung ex tunc auf. In
der Folge ordnete die Vormundschaftsbehörde am 28. Juni 1990 über ihn eine
Vermögensverwaltungsbeistandschaft im Sinne von Art. 393 Ziff. 2 ZGB an.

    K. B. ersuchte am 7. April 1990 beim Grundbuchamt X. um Eintragung des
Eigentums von O. K. an der verkauften Liegenschaft in das Grundbuch. Der
Grundbuchverwalter wies dieses Begehren mit Verfügung vom 2. November 1990
ab. Eine von O. K. dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Kantonsgericht
des Kantons Schwyz mit Beschluss vom 28. Februar 1991 abgewiesen.

    O. K. führt beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit
dem Antrag, der Beschluss des Kantonsgerichts sei aufzuheben und der
Grundbuchverwalter des Grundbuchamtes X. anzuweisen, ihn als Eigentümer
der von K. B. verkauften drei Grundstücke im Grundbuch einzutragen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Es trifft zu, dass in der vom Kantonsgericht angeführten Literatur
der Grundbuchverwalter für befugt betrachtet wird, die Eintragung des
Käufers als Eigentümer im Grundbuch vorläufig zu verweigern, wenn ein
Vorkaufsrecht gemäss Art. 6 EGG geltend gemacht wird. Allerdings wird
diese Auffassung zum Teil ohne jede Begründung vertreten (KAUFMANN, Die
Anwendung des neuen landwirtschaftlichen Bodenrechts, ZBGR 33/1952,
S. 349, und DESCHENAUX, Das Grundbuch, in Schweiz. Privatrecht,
V/3,I, S. 535 f.) oder unter blossem Hinweis auf Art. 14 Abs. 1 EGG
(JOST, Handkommentar zum EGG, Ziffer 6 zu Art. 13 EGG), dem sich eine
derartige Kompetenz des Grundbuchverwalters indessen nicht entnehmen
lässt. Auch in der vom Kantonsgericht zitierten Rechtsprechung wurde
dem Grundbuchverwalter diese Befugnis einzig aus praktischen Gründen
(ZBGR 40/1959, S. 139 f.) zugestanden, oder weil das Verzeichnis der
Vorkaufsberechtigten nicht eingereicht worden war (ZBGR 59/1978, S. 75
ff.). Dass sich aber diese Praxis, die offenbar noch in andern Kantonen
befolgt wird (vgl. MEIER-HAYOZ, N 276 zu Art. 681 ZGB mit Hinweisen),
allgemein durchgesetzt habe und auch vom Bundesgericht gebilligt werde,
wird vom Kantonsgericht nicht nachgewiesen. Dem von ihm angeführten BGE
90 I 312 ff. E. 3 lag vielmehr ein anderer Sachverhalt zugrunde, und in
BGE 108 II 549 wurde dem Grundbuchverwalter die Kompetenz, eine Anmeldung
zur Eintragung abzuweisen, lediglich mit der Begründung eingeräumt, das
kantonale Recht schreibe dem Grundbuchverwalter vor, mit der Eintragung
zuzuwarten.

    Von einer allgemeinen Geltung der erwähnten Praxis kann demnach
nicht die Rede sein. Dazu kommt, dass ihr in der Lehre erhebliche
Kritik erwachsen ist (MEIER-HAYOZ, N 277 zu Art. 681 ZGB, mit
Literaturangaben). Als Argument für die Rechtfertigung dieser Praxis wird
zumeist vorgebracht, der Käufer erwerbe nur bedingt Eigentum, solange nicht
feststehe, ob das Vorkaufsrecht ausgeübt werde oder nicht, so dass entweder
der Kaufvertrag oder die Grundbuchanmeldung bedingt sei und der Käufer
deshalb nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden könne. Dieses
Argument erweist sich aber nur dann als stichhaltig, wenn eine derartige
Bedingung ausdrücklich im Vertrag oder in der Grundbuchanmeldung enthalten
ist. Das ist jedoch nach dem Willen der Vertragsparteien regelmässig nicht
der Fall; obwohl die Ausübung des Vorkaufsrechts bei Vertragsabschluss
noch ungewiss ist, werden die Willenserklärungen - wie auch vorliegend -
dennoch unbedingt abgegeben. Art. 217 Abs. 1 OR, wonach bei einem bedingt
abgeschlossenen Grundstückkauf die Eintragung ins Grundbuch erst erfolgt,
wenn die Bedingung erfüllt ist, kann daher keine Anwendung finden. Eine
bedingte Grundbuchanmeldung käme im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 der
Verordnung betreffend das Grundbuch (GBV; SR 211.432.1) ohnehin nicht in
Frage (JÄGGI, Über das vertragliche Vorkaufsrecht, ZBGR 39/1958, S. 78;
PIOTET, Des effets de l'annotation au registre foncier de rapports de
droit personnels, ZSR 1960 I S. 428).

    Auch das weitere Argument, das Eigentum könne nicht gültig übertragen
werden, solange nicht feststehe, dass das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt
werde, erscheint nicht als durchschlagend. Aus Art. 681 Abs. 1 und Art. 959
Abs. 2 ZGB, wonach das Vorkaufsrecht während der Dauer der Vormerkung im
Grundbuch gegenüber jedem Eigentümer besteht und es Wirkung gegenüber
jedem später erworbenen Recht erhält, folgt zweifelsfrei, dass ein
gültiger Eigentumserwerb trotz der Vormerkung möglich ist. Das gilt auch
für die gesetzlichen Vorkaufsrechte aufgrund des EGG, welche gesetzliche
Eigentumsbeschränkungen im Sinne von Art. 680 Abs. 1 ZGB darstellen und
deren Vormerkung zur verstärkten Wirkung weder notwendig noch zulässig
ist (MEIER-HAYOZ, N 16 und 37 zu Art. 682 ZGB). Durch die Vormerkung des
Vorkaufsrechts wird das Grundbuch demnach nicht gesperrt (JÄGGI, aaO,
S. 78; LEEMANN, SJZ 1920/21, S. 141).

    Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass die vom Kantonsgericht
angeführte und durch Abweisung der Beschwerde befolgte Praxis weder auf
eine einschlägige Vorschrift gestützt werden kann, noch eine Grundlage in
den allgemeinen Regeln des Sachen- und Grundbuchrechts findet; es stehen
ihr ausserdem praktische Gründe entgegen (PIOTET, aaO, S. 428). Der
Grundbuchverwalter kann daher, selbst wenn noch ungeklärt ist, ob das
Vorkaufsrecht gültig ausgeübt worden ist, nicht befugt sein, die Eintragung
des Käufers als Eigentümer der Grundstücke vorläufig zu verweigern, falls
sie vom Verkäufer wie hier wiederholt verlangt wird. Ein Hinausschieben
des Eintrags wäre mit dem Grundsatz des Art. 26 Abs. 2 GBV unvereinbar,
wonach die Eintragung sobald wie möglich nach der Anmeldung - diese ist
sofort nach Eingang in das Tagebuch einzuschreiben (Art. 14 Abs. 1 GBV)
- im Hauptbuch vorzunehmen ist. Ob in ganz bestimmten Ausnahmefällen
für kurze Zeit von einem Eintrag abgesehen werden dürfte (JÄGGI, aaO,
S. 79), braucht nicht geprüft zu werden, nachdem der Schwebezustand seit
der Anmeldung beim Grundbuchamt nunmehr über drei Jahre und seit der
abweisenden Verfügung des Grundbuchverwalters nahezu ein Jahr gedauert hat.

    Nach dem Ausgeführten hält die vom Kantonsgericht im angefochtenen
Entscheid für die Abweisung der Beschwerde gegebene Begründung vor
Bundesrecht nicht stand. Unter diesen Umständen muss die vom Kantonsgericht
offengelassene Frage, ob der Kaufvertrag zu seiner Gültigkeit wegen
fehlender Handlungsfähigkeit des Verkäufers der Genehmigung durch die
Vormundschafts- bzw. die Aufsichtsbehörde bedurft hätte, noch geprüft
werden, nachdem der Beschwerdeantrag auf Anweisung des Grundbuchverwalters,
den Beschwerdeführer als Eigentümer der verkauften Grundstücke im Grundbuch
einzutragen, lautet.

Erwägung 4

    4.- Die Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters umfasst auch die
Beantwortung der Frage, ob der Verfügende handlungsfähig sei. Dabei geht
es aber lediglich um die formelle Seite der Handlungsfähigkeit. So hat
der Grundbuchverwalter eine allfällige Entmündigung, Verbeiratung oder
Verbeiständung des Verfügenden zu beachten, ebenso einen vorläufigen Entzug
der Handlungsfähigkeit. Hingegen gilt dies nicht für die Urteilsfähigkeit
des Verfügenden. Diese zu prüfen wäre der Grundbuchverwalter gar
nicht in der Lage. Er darf vielmehr von der Regel ausgehen, dass die
Urteilsfähigkeit im Rechtsverkehr zu vermuten sei. Der Grundbuchverwalter
hat daher, solange ein nach dem Grundbuch Verfügungsberechtigter nicht
zufolge eines förmlichen Entscheides der zuständigen Behörde in seiner
Handlungsfähigkeit beschränkt ist, grundsätzlich einer im übrigen
ordnungsgemässen Anmeldung Folge zu leisten (BGE 112 II 29 E. 2 mit
Hinweisen).

    Die über K. B. am 26. Februar 1987 errichtete kombinierte Beiratschaft
im Sinne von Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB ist am 12. Dezember 1989 vom
Regierungsrat des Kantons Schwyz als vormundschaftlicher Aufsichtsbehörde
mit Wirkung ex tunc aufgehoben worden. Erst am 28. Juni 1990 unterstellte
ihn die Vormundschaftsbehörde einer Vermögensverwaltungsbeistandschaft
im Sinne von Art. 393 Ziff. 2 ZGB. Für den massgeblichen Zeitpunkt
der Anmeldung des Kauf- und Zusatzvertrages beim Grundbuchamt (BGE
112 II 31 E. 2), nämlich am 19. Februar 1988, hatte K. B. demnach als
handlungsfähig zu gelten. Das gleiche trifft zu für den Abschluss des Kauf-
und Zusatzvertrages am 17. Juni 1987 bzw. am 26. Januar 1988 sowie für
das erneute Begehren um Eintragung des Beschwerdeführers als Eigentümer im
Grundbuch, das K. B. am 7. April 1990 stellte. Der Grundbuchverwalter war
daher nicht befugt, die Eintragung des Beschwerdeführers als Eigentümer
der verkauften Grundstücke ins Grundbuch - und zwar auch nicht vorläufig
- abzulehnen. Die über K. B. errichtete Beistandschaft konnte erst auf
den Zeitpunkt ihrer rechtskräftigen Anordnung hin rechtswirksam werden,
es kam ihr keine Rückwirkung zu (EGGER, N 1 zu Art. 386 ZGB), ganz
abgesehen davon, dass dadurch die Handlungsfähigkeit von K. B. nicht
beeinträchtigt wurde (Art. 417 Abs. 1 ZGB; EGGER, N 3 zu Art. 417 und N
15a zu Art. 393 ZGB).

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit gutzuheissen und der
angefochtene Beschluss aufzuheben. Dem Antrag des Beschwerdeführers
auf Eintragung seiner Person als Eigentümer der von K. B. verkauften
Grundstücke im Grundbuch X. ist stattzugeben.