Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 II 513



117 II 513

94. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. Dezember
1991 i.S. Verkehrsclub der Schweiz (VCS) gegen ASTAG, Schweizerischer
Nutzfahrzeugverband (Berufung) Regeste

    Namensschutz (Art. 28 und 29 ZGB).

    Verletzung der Persönlichkeit bzw. des auch einem Verein zustehenden
Rechts auf den Namen durch die Verwendung eines Namens, der die Gefahr
von Verwechslungen in sich birgt.

    - Zeitliche Priorität für einen Namen, der vor der Gründung des
entsprechenden Vereins gewählt wurde? (E. 2c).

    - Anforderungen an die Unterscheidbarkeit von Vereinsnamen; Bedeutung
eines Hinweises auf die Rechtsform ("Association", "Associazione")
(E. 3 und 5).

Sachverhalt

    A.- Der am 20. Januar 1979 unter dem Namen "ASTAG, Schweizerischer
Nutzfahrzeugverband, Association suisse des transports routiers,
Associazione svizzera dei trasportatori stradali" gegründete Verein
bezweckt, die ideellen und wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder
zu wahren und zu fördern. Er setzt sich ein für die Lösung aller Probleme
im Zusammenhang mit dem motorisierten Nutzfahrzeugverkehr (werk- und
gewerbsmässiger Verkehr) auf der Basis der freien Marktwirtschaft (Art. 1
und 2 der Statuten).

    Zweck des am 15. Mai 1979 unter dem Namen "VCS Verkehrsclub der
Schweiz, AST Association Suisse des Transports, AST Associazione Svizzera
del Traffico" gegründeten und im Handelsregister eingetragenen Vereins ist
die Förderung eines menschen- und naturgerechten Verkehrswesens und die
finanzielle Unterstützung der Schweizerischen Verkehrs-Stiftung. Der VCS
Verkehrsclub der Schweiz organisiert für seine Mitglieder Dienstleistungen,
die selbsttragend sein sollen (Art. 1 und 2 der Statuten).

    Der ASTAG Schweizerische Nutzfahrzeugverband reichte mit Eingabe
vom 13. Januar 1989 beim Appellationshof des Kantons Bern gegen den
Verkehrsclub der Schweiz (VCS) Klage ein. Die in der Verhandlung vom
12. Juni 1989 teilweise modifizierten Klagebegehren lauten wie folgt:

    "1. Es sei festzustellen, dass der Beklagte gegenüber dem Kläger gegen
   das UWG verstossen hat.

    2. Es sei dem Beklagten unter Androhung der Strafen nach Art. 403
ZPO und

    Art. 292 StGB im Widerhandlungsfall zu verbieten, seinen französischen
   resp. italienischen Namen, "Association Suisse des Transports" resp.

    "Associazione Svizzera del Traffico" sowie die entsprechende Abkürzung

    "AST" zu verwenden oder verwenden zu lassen.

    ..."

    Der Beklagte widersetzte sich der Klage.

    Der Appellationshof (III. Zivilkammer) des Kantons Bern erkannte in
seinem Urteil vom 19. März 1990:

    "1. Es wird dem Beklagten unter Androhung der Strafen nach Art. 403 ZPO
   und Art. 292 StGB im Widerhandlungsfall verboten, seinen französischen
   resp. italienischen Namensbestandteil "Association" resp. "Associazione"
   sowie die entsprechende Abkürzung "A..." zu verwenden oder verwenden
   zu lassen.

    2. Der Kläger wird ermächtigt, dieses Urteil auf Kosten des Beklagten
je
   einmal in der auflagenstärksten Zeitung der französischen und
   italienischen Schweiz auf einer Viertelseite zu publizieren.

    3. Soweit weitergehend wird die Klage abgewiesen."

    Der Beklagte hat Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem
Begehren, das Urteil des Appellationshofes aufzuheben und die Klage
abzuweisen; allenfalls sei die Sache zur Neubeurteilung an die kantonale
Instanz zurückzuweisen.

    Der Kläger hat Anschlussberufung erhoben. Er erneuert damit im
wesentlichen seine Klagebegehren.

    Beide Parteien - der Beklagte stillschweigend - schliessen auf
Abweisung des Rechtsmittels der Gegenpartei.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird,
kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt,
den Richter anrufen (Art. 28 Abs. 1 ZGB); widerrechtlich ist eine
Persönlichkeitsverletzung, wenn sie nicht durch Einwilligung des
Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse
oder durch Gesetz gerechtfertigt ist (Art. 28 Abs. 2 ZGB). Gemäss Art. 29
Abs. 2 ZGB kann derjenige, der dadurch beeinträchtigt wird, dass ein
anderer sich seinen Namen anmasst, auf Unterlassung dieser Anmassung sowie
bei Verschulden auf Schadenersatz und, wo die Art der Beeinträchtigung
es rechtfertigt, auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung klagen.

    b) Der Appellationshof hält dafür, dass durch den Gebrauch der
französischen und der italienischen Fassung des Namens des Beklagten
("Association Suisse des Transports" und "Associazione Svizzera del
Traffico") sowie der entsprechenden Abkürzung ("AST") das Recht des
Klägers an seinem Namen in widerrechtlicher Weise beeinträchtigt werde.

Erwägung 2

    2.- Der Beklagte rügt, dass die Vorinstanz Bundesrecht, namentlich
Art. 29 ZGB, falsch angewendet habe, indem sie - soweit die vom Kläger
geltend gemachten Ansprüche nicht ohnehin verwirkt seien - zu Unrecht
die Gefahr einer Verwechslung der Namen der Parteien im erwähnten Sinne
bejaht und ausserdem nicht berücksichtigt habe, dass seinem Kennzeichen
die Alterspriorität zukomme.

    a) Ob die Gefahr einer Verwechslung der Namen der Parteien bestehe,
ist eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage. Sie ist nicht
nur dann zu bejahen, wenn tatsächliche Verwechslungen nachgewiesen sind; es
genügt, dass solche angesichts der Gestaltung der zu vergleichenden Namen
mit Rücksicht auf die besonderen Umstände im Bereich der Wahrscheinlichkeit
liegen (vgl. BGE 95 II 458 E. 1; 82 II 154 mit Hinweisen).

    aa) Der Appellationshof erachtet es aufgrund des durchgeführten
Beweisverfahrens als erstellt, dass die Namen und Abkürzungen der Parteien
- auf seiten des Beklagten diejenigen in französischer und italienischer
Sprache - in der Öffentlichkeit verwechselt worden seien. Wohl hat er an
anderer Stelle ausgeführt, es sei zumindest eine Gefahr der Verwechslung
gegeben. Mit dieser Äusserung hat die Vorinstanz die erstgenannte
Auffassung indessen nicht einschränken wollen. Im Zusammenhang mit
der Frage der Urteilspublikation hat sie nämlich festgehalten, in der
deutschen Schweiz hätten keine Verwechslungen stattgefunden, woraus zu
schliessen ist, dass sie für den französisch- und italienischsprachigen
Teil des Landes tatsächliche Verwechslungen für nachgewiesen hält.

    bb) Der Beklagte räumt im übrigen selbst ein, dass es zu Verwechslungen
gekommen sei. Dass es sich um Einzelfälle gehandelt habe, findet in den
tatsächlichen Feststellungen des Appellationshofes keine Stütze, und der
Beklagte macht nicht geltend, dass diese unter Verletzung bundesrechtlicher
Beweisvorschriften zustande gekommen wären oder auf einem offensichtlichen
Versehen beruhen würden (vgl. Art. 63 Abs. 2 OG). Die Vorbringen des
Beklagten sind zudem ohnehin unbehelflich: Nachdem - was der Beklagte
selbst nicht bestreitet - Verwechslungen effektiv vorgekommen sind, braucht
nicht mehr abstrakt geprüft zu werden, ob die Gefahr von Verwechslungen
bestehe.

    b) Der Beklagte wendet sodann ein, dass der Kläger sich während
beinahe zehn Jahren an seinem, des Beklagten, ausgeschriebenen
französischen und italienischen Namen nicht gestossen habe. Wenn er nun
Unterlassungsansprüche geltend mache, sei dies rechtsmissbräuchlich;
die Ansprüche seien verwirkt. Das vom Beklagten in diesem Punkt in
tatsächlicher Hinsicht Vorgebrachte ist neu und daher unbeachtlich
(vgl. Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Das angefochtene Urteil enthält denn
auch keine entsprechenden Feststellungen. Der rechtliche Einwand entbehrt
damit der tatsächlichen Grundlage und ist demzufolge nicht näher zu prüfen.

    c) Der Appellationshof führt in tatsächlicher Hinsicht aus, Namen und
Abkürzungen des (am 15. Mai 1979 gegründeten) Beklagten seien bereits im
Herbst 1978 gewählt und einen Tag vor der Gründung des Klägers (die auf den
20. Januar 1979 fiel) bekanntgegeben worden. Der Beklagte glaubt, aufgrund
dieser Feststellungen die zeitliche Priorität für sich beanspruchen zu
können, da sein Name - durch den Vorverein - schon vor seiner Gründung
gebraucht worden sei.

    Ein sogenannter Vorverein ist einer einfachen Gesellschaft
gleichgestellt (Art. 62 ZGB) und hat somit keine eigene
Rechtspersönlichkeit. Ob und inwiefern dem von einem Vorverein verwendeten
Namen dennoch Bedeutung zukommt, insbesondere ob sich ein Verein auf die
zeitliche Priorität berufen kann, wenn schon seine Gründungsgesellschaft
(Vorverein) den betreffenden Namen geführt hat (dazu RIEMER, Berner
Kommentar, Syst. Teil N 410), braucht hier nicht näher erörtert zu
werden. Eine zeitliche Priorität fällt von vornherein nur für Namen in
Betracht, die im Verkehr nach aussen gebraucht worden sind, mit andern
Worten zumindest von einem bestimmten Kreis Dritter wahrgenommen werden
konnten. Der Aussenstehende muss nämlich wissen, welchen Namen er nicht
nachahmen darf. Hier steht aufgrund der Ausführungen im angefochtenen
Urteil fest, dass die Bezeichnungen des Beklagten zwar schon einige
Monate vor dessen Gründung gewählt und intern wohl auch verwendet
worden waren. Die strittigen Bezeichnungen wurden aber erst am Tag vor
der Gründung des Klägers der Öffentlichkeit bekanntgegeben. Bei dieser
Sachlage beruft sich der Beklagte zu Unrecht auf die zeitliche Priorität
seines Namens.

Erwägung 3

    3.- Der Beklagte erachtet es als unzulässig, ihm die Verwendung
von "Association" und "Associazione" sowie des Buchstabens "A" in der
(übereinstimmenden) französischen und italienischen Abkürzung seines Namens
zu verbieten; aus Art. 60 ZGB in Verbindung mit den Art. 28 und 29 ZGB
ergebe sich, dass jeder Verein die gesetzliche Körperschaftsbezeichnung
in seinen Namen aufnehmen dürfe; der gleiche Schluss sei - e contrario -
aus dem Grundsatz der Firmenwahrheit und -klarheit zu ziehen.

    a) Im Unterschied zu den juristischen Personen des Obligationenrechts,
für die in erster Linie die Sondervorschriften des Firmenrechts und erst
in zweiter Linie die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches über den Namen
gelten, unterstehen die Vereine grundsätzlich nur dem Namensrecht, zumal
sie keine Geschäftsfirma besitzen (BGE 102 II 165 E. 2 mit Hinweisen). Das
Gesetz enthält keinerlei Vorschrift darüber, wie der Name eines Vereins
zu bilden ist. Es sagt insbesondere auch nicht, ob darin die Rechtsform
angegeben werden darf oder muss. Der Name kann mithin grundsätzlich frei
gewählt werden, so dass dem Beklagten von daher nicht untersagt werden
könnte, die Rechtsform in seinem Namen anzuführen.

    b) Um niemanden in seinem durch Art. 29 ZGB geschützten Recht auf den
Namen zu beeinträchtigen, muss indessen auch der Name eines Vereins sich
von andern Namen klar unterscheiden. Wo - wie im Falle des Beklagten -
die Rechtsform in den Namen aufgenommen wird, muss dieser - wie auch die
entsprechende Abkürzung - in den übrigen Bestandteilen seinen Träger
hinreichend individualisieren. Gerade dies traf hier jedoch nicht zu,
wurden doch der französische und der italienische Name des Beklagten
und die entsprechende Abkürzung nach den verbindlichen tatsächlichen
Feststellungen des Appellationshofes in der Öffentlichkeit mit dem
Namen des Klägers verwechselt. Auch wenn einem Verein grundsätzlich
nicht verwehrt werden kann, die Rechtsform in seinen Namen aufzunehmen,
sind die Vorbringen des Beklagten nach dem Gesagten unbehelflich...

Erwägung 5

    5.- Der Kläger macht des weitern geltend, die Beeinträchtigung
in seinem Recht auf den Namen werde durch das vom Appellationshof
ausgesprochene Teilverbot nicht ausreichend behoben.

    Wie in Erwägung 3 dargelegt worden ist, vermag das den Wörtern
"Association" bzw. "Associazione", d.h. den Hinweisen auf die Rechtsform
des Beklagten, und dem Buchstaben "A" in den Abkürzungen Beigefügte
Verwechslungen nicht auszuschliessen. Ist aber die Unterscheidbarkeit
der Namen der Parteien durch die jetzigen Zusätze nicht hinreichend
gewährleistet, genügt es in der Tat nicht, dem Beklagten die Verwendung der
Wörter "Association" und "Associazione" sowie des Buchstabens "A" in der
Abkürzung zu untersagen. Vielmehr ist dem Beklagten - in entsprechender
Gutheissung der Anschlussberufung - die Führung des gesamten Namens
und der gesamten Abkürzung in französischer und italienischer Sprache
zu verbieten. Nur damit wird auch dem Grundsatz Rechnung getragen,
dass der Name frei wählbar ist und einem Verein nicht verwehrt werden
kann, die Rechtsform in seinen Namen aufzunehmen. Hingegen mag hier
dahingestellt bleiben, ob und inwiefern Art. 39 HRegV (betreffend die
inhaltliche Identität der in verschiedenen Sprachen gefassten Firma) auf
den Namen des Beklagten überhaupt anwendbar ist. Der Hinweis des Klägers
ist von vornherein nicht schlüssig, hat doch die Verletzung seines hier
in Frage stehenden Rechts mit der inhaltlichen Identität der sprachlich
verschiedenen Fassungen des Namens des Beklagten direkt nichts zu tun...