Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 II 429



117 II 429

80. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. August 1991 i.S. X.
gegen Konkursmasse der Y. AG (Berufung) Regeste

    Art. 401 Abs. 3 OR.

    Dem Treugeber steht an Vermögenswerten, die er dem Treuhänder
fiduziarisch übertragen hat, in dessen Konkurs kein Aussonderungsrecht
gemäss Art. 401 Abs. 3 OR zu.

Sachverhalt

    A.- Die Y. AG wurde im Jahre 1980 gegründet und bezweckte die
Entwicklung und Herstellung von und den Handel mit Sachen, die vorwiegend
für Beleuchtungsanlagen verwendet werden, sowie die Planung und Bewertung
solcher Anlagen. Am 31. Januar 1985 wurde ihr für eine Verfahrenserfindung
ihres Geschäftsleiters X. "zur Steuerung einer Tunnelbeleuchtungsanlage
und Einrichtung zur Durchführung des Verfahrens" ein Patent erteilt. Am
5. Mai 1989 fiel sie in Konkurs. In der Folge machte X. das Eigentum am
Patent geltend, welche Ansprache das Konkursamt Höngg-Zürich mit Verfügung
vom 17. Juli 1989 abwies.

    B.- Am 27. Juli 1989 klagte X. gegen die Konkursmasse der Y. AG auf
Aussonderung des Patents. Die Einzelrichterin im beschleunigten Verfahren
des Bezirks Zürich wies die Klage mit Urteil vom 9. Januar 1990 ab.

    Auf Berufung des Klägers bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich
am 29. Januar 1991 diesen Entscheid.

    C.- Das Bundesgericht weist die vom Kläger gegen das obergerichtliche
Urteil eingelegte Berufung ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Für den Fall der Annahme eines echten Treuhandgeschäfts beansprucht
der Kläger ein Aussonderungsrecht nach Art. 401 Abs. 3 OR und rügt eine
Verletzung dieser Bestimmung durch die Vorinstanz.

    a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts findet Art. 401 OR auch
im Treuhandverhältnis Anwendung (BGE 115 II 471 E. b; 99 II 396 E. 6;
vgl. auch 112 III 95 E. 4b). Mit beachtlichen Gründen lässt sich indessen
die Frage stellen, ob die Anwendung der Norm nicht auf diejenigen Fälle
zu beschränken sei, in welchen die Treuhandschaft sich weitestgehend in
einem blossen Auftrag erschöpft mit dem Ziel, dem Treugeber raschmöglichst
die durch den Treuhänder erworbenen Rechte zu verschaffen, dagegen
für echte Treuhandverhältnisse, in denen die volle Rechtsmacht bis zur
Beendigung der fiducia beim Treuhänder verbleiben soll, abzulehnen sei
(HEINI, Der treuhänderische Gesellschafter und Art. 401 OR, in Richter
und Verfahrensrecht, FS 150 Jahre Obergericht Luzern, S. 187 ff.). Wie
es sich damit verhält, kann im vorliegenden Fall offenbleiben, wenn sich
ergibt, dass dem Kläger auch nach Art. 401 OR kein Aussonderungsrecht am
Treugut zusteht.

    b) Der Treuhänder ist nach schweizerischer Rechtsauffassung
als vollberechtigter Eigentümer des ihm übertragenen Treuguts zu
betrachten. Sachen und Rechte, die ihm fiduziarisch gehören, können daher
grundsätzlich bei ihm gepfändet werden und fallen in einer Generalexekution
in seine Konkurs- oder Nachlassmasse, auch wenn sie wirtschaftlich gesehen
einem andern zustehen (BGE 114 II 50 E. c; 113 III 31 E. 3 mit Hinweisen).

    Eine Ausnahme von diesem Grundsatz normiert Art. 401 OR, indem er zu
Gunsten des Auftraggebers eine Legalzession und ein Aussonderungsrecht an
Forderungen und beweglichen Sachen vorsieht, welche der Beauftragte in
eigenem Namen aber für Rechnung des Auftraggebers erworben hat. Seinem
Wortlaut nach bezieht Art. 401 OR sich indessen nur auf Sachen und
diesen gleichgestellte Vermögenswerte, die der Beauftragte von Dritten
erworben hat, nicht hingegen auf solche, die ihm der Auftraggeber
überlassen hat, im Treuhandverhältnis mithin namentlich nicht auf
das ursprüngliche Treugut. Entsprechend wird die Bestimmung denn
auch von der Rechtsprechung und der überwiegenden Lehre ausgelegt
(BGE 39 II 809 ff. E. 4 und 5; PIERRE WÄLLI, Das reine fiduziarische
Rechtsgeschäft, Diss. Zürich 1969, S. 100 mit zahlreichen Hinweisen in
Fn. 69; WOLF, Bemerkungen zum Aussonderungsrecht des Fiduzianten bei
der Zwangsvollstreckung gegen den Fiduziar, in Aequitas et bona fides,
FS Simonius 1955, S. 428 f.; MERZ, Legalzession und Aussonderungsrecht
gemäss Art. 401 OR, in Ausgewählte Abhandlungen, S. 429 f.; MERZ,
ZBJV 111/1975, S. 115; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht,
Allgemeiner Teil, 2. Auflage, S. 50; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil
des Schweizerischen Obligationenrechts, Band I, S. 205; ENGEL, Traité
des obligations en droit suisse, S. 164; TERCIER, La partie spéciale du
Code des obligations, S. 390 Rz. 3016; REYMOND, L'arrêt Feras Anstalt
et consorts c. Vallugano S.A. et l'évolution de la jurisprudence du
Tribunal fédéral sur l'acte fiduciaire, JdT 1974, S. 599; JAEGER, N. 4e
zu Art. 197 SchKG; BLUM/PEDRAZZINI, Anm. 7 zu Art. 33 PatG). In einem
Teil des Schrifttums wird demgegenüber postuliert, Art. 401 Abs. 3 OR
direkt oder in Analogie ebenfalls auf die dem Treuhänder vom Treugeber
überlassenen Sachen und diesen gleichgestellten Vermögenswerte anzuwenden
(GAUTSCHI, N. 20e zu Art. 401 OR; GAUTSCHI, Subrogation und Aussonderung
von beweglichem Treuhandvermögen, SJZ 72/1976, S. 317 ff.; HOFSTETTER,
SPR VII/2, S. 102; WEBER, Praxis zum Auftragsrecht und zu den besonderen
Auftragsarten, S. 111; HONSELL, Schweizerisches Obligationenrecht,
Besonderer Teil, S. 220; UTE RÜEDE-BUGNION, Fiduziarische Rechtsgeschäfte,
die ein Markenrecht zum Gegenstand haben, nach schweizerischem Recht,
Diss. Genf 1977, S. 113 ff.; wohl auch JÄGGI/GAUCH, N. 200 und
212 zu Art. 18 OR). Eine Mittellösung vertritt WIEGAND, welcher ein
Aussonderungsrecht im Bereich der geschäftsführenden Treuhand losgelöst
von Art. 401 OR bejaht, für das fiduziarische Sicherungsgeschäft dagegen
ablehnt (Fiduziarische Sicherungsgeschäfte, ZBJV 116/1980, S. 565 f.; ihm
folgend KRAMER, N. 120 zu Art. 18 OR; ähnlich auch REYMOND, aaO, S. 600).

    Von der bisherigen Rechtsprechung und der herrschenden Lehre
abzuweichen, besteht keine Veranlassung. Der Regelungsgedanke von Art. 401
OR geht dahin, die Wirkungen der indirekten Stellvertretung soweit möglich
denjenigen der direkten anzugleichen (BGE 102 II 109 E. 2b; WÄLLI, aaO,
S. 101). Die Wirkungen des bloss mittelbaren Rechtserwerbs über den
Beauftragten sollen - wie bei der direkten Stellvertretung - möglichst
unmittelbar, d.h. so rasch als möglich, beim Auftraggeber eintreten (HEINI,
aaO, S. 191). Auch vom Normzweck her drängt es sich daher auf, Art. 401
Abs. 3 OR seinem Wortlaut gemäss auszulegen und die Ausnahmeregelung auf
von Dritten erworbene Sachen und diesen gleichgestellte Vermögenswerte zu
beschränken. Zwar ist zuzugeben, dass die wirtschaftliche Interessenlage
hinsichtlich der von Dritten erworbenen Sachen und des ursprünglichen
Treuguts weitgehend identisch ist (JÄGGI/GAUCH, N. 200 zu Art. 18 OR), doch
reicht dies de lege lata nicht aus, über Wortlaut und Sinn von Art. 401
OR hinaus eine weitere Ausnahme vom Grundsatz des vollen Rechtserwerbs
des Fiduziars zu begründen (MERZ, aaO).

    Das Obergericht hat deshalb kein Bundesrecht verletzt, wenn es dem
Kläger die Aussonderung des der Beklagten fiduziarisch übertragenen
Patents nach Art. 401 Abs. 3 OR versagt hat.