Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 II 340



117 II 340

62. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. August
1991 i.S. E. und A. F.-M. gegen Regierungsrat des Kantons Aargau
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Eintragung einer im Ausland erfolgten Adoption im schweizerischen
Familienregister (Art. 78 Abs. 1 und 2 IPRG).

    Eine im Ausland ausgesprochene Adoption kann im Familienregister des
schweizerischen Heimatorts des Adoptanten als Volladoption eingetragen
werden, wenn sie gemäss dem ausländischen Recht, nach welchem die Adoption
ausgesprochen wurde, das ursprüngliche Kindesverhältnis zu den natürlichen
Eltern zum Erlöschen bringt.

    Dies ist bei einer auf den Philippinen ausgesprochenen Adoption nicht
der Fall, weil das philippinische Recht gewisse erbrechtliche Beziehungen
des Adoptivkindes zu den natürlichen Eltern weiterbestehen lässt.

Sachverhalt

    A.- E. F. lebte von 1984 bis 1989 auf den Philippinen. Am 4.  August
1986 heiratete er in Manila die philippinische Staatsangehörige A. M.,
welche drei uneheliche Kinder mit in die Ehe brachte: G., geboren 1973,
R., geboren 1978, und C., geboren 1980. Der leibliche Vater der drei
Kinder ist unbekannt.

    Im Jahre 1989 stellten die Eheleute F.-M. gegenüber den philippinischen
Behörden das Begehren, es sei die Adoption der drei Kinder durch den
Stiefvater E. F. auszusprechen. In seinem Entscheid vom 18. Juli 1989
entsprach das Regional Trial Court von Manila diesem Gesuch.

    Im Juli 1989 übersiedelte die Familie F.-M. in die Schweiz.

    Mit Verfügung vom 7. Februar 1990 verweigerte das Departement des
Innern des Kantons Aargau die Eintragung der nach philippinischem Recht
ausgesprochenen Adoption als Volladoption im Familienregister von O.,
dem Heimatort von E. F.

    Eine Beschwerde gegen den Entscheid des Departements wies der
Regierungsrat des Kantons Aargau am 22. Oktober 1990 ab.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht stellen
E. und A. F.-M. folgende Rechtsbegehren:

    1. Der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Aargau vom
22./24. Oktober 1990 sei aufzuheben.

    2. Die am 18. Juli 1989 vom Regional Trial Court von Manila
(Philippinen) ausgesprochene Adoption der Kinder George, Ricardo und
Charlotte M. sei als schweizerische Volladoption anzuerkennen und im
Familienregister der Gemeinde O. einzutragen.

    3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des
Beschwerdegegners.

    Der Regierungsrat, der auf eine Vernehmlassung verzichtet hat,
beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das eidgenössische Justiz-
und Polizeidepartement schliesst ebenfalls dem Sinne nach auf Abweisung
der Beschwerde.

    Das Bundesgericht weist die von den Eheleuten F.-M. gegen den
regierungsrätlichen Beschluss erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Um in der Schweiz anerkannt und eingetragen zu werden, muss
die ausländische Adoption durch eine international zuständige Behörde
ausgesprochen worden und in Kraft getreten sein, dem schweizerischen
ordre public nicht widersprechen und einer dem schweizerischen Recht
bekannten Form der Adoption entsprechen (BGE 113 II 110 E. 3a; KUPFER,
Praktische Aspekte der Eintragung von ausländischen Adoptionen in den
Zivilstandsregistern, ZZV 1973, S. 287 ff.; HEGNAUER, Berner Kommentar, N.
86-89 zu Art. 268 ZGB).

    a) Gemäss Art. 78 Abs. 1 IPRG werden ausländische Adoptionen in der
Schweiz anerkannt, wenn sie im Staat des Wohnsitzes oder im Heimatstaat
der adoptierenden Person oder der adoptierenden Ehegatten ausgesprochen
worden sind.

    Es steht fest, dass E. F. während seines fünfjährigen Aufenthaltes auf
den Philippinen dort einen Wohnsitz begründet hat. Es kann dahingestellt
bleiben, ob im Zeitpunkt des Adoptionsverfahrens die unmittelbar nachher
tatsächlich erfolgte Übersiedlung der. Familie F.-M. in die Schweiz schon
geplant gewesen sei, so dass, wie das Departement des Innern des Kantons
Aargau eingewendet hat, Zweifel am philippinischen Wohnsitz und somit an
der Zuständigkeit der philippinischen Behörden begründet seien. Denn der
gewöhnliche Aufenthalt tritt an die Stelle des alten Wohnsitzes, solange
nicht anderswo ein neuer Wohnsitz begründet wird (Art. 20 Abs. 2 Satz 2
IPRG; BUCHER, L'adoption internationale en Suisse, in: Rapports suisses
présentés au XIIIe Congrès international de droit comparé, Montréal 1990,
S. 122).

    Zu Recht hat deshalb der Regierungsrat des Kantons Aargau die
Zuständigkeit der philippinischen Behörden bejaht.

    b) Die Frage der Verletzung des schweizerischen ordre public im Sinne
von Art. 27 IPRG stellt sich nicht. Namentlich liegt kein solcher Verstoss
darin, dass der leibliche Vater der drei Kinder, der als unbekannt gilt,
im Adoptionsverfahren weder angehört noch um seine Zustimmung gebeten
wurde (vgl. Art. 27 Abs. 2 lit. a IPRG). Das schweizerische Recht kennt
die gleiche Lösung: von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen
werden, wenn er unbekannt ist (Art. 265c Ziff. 1 ZGB).

    c) Um eine im Ausland durchgeführte Adoption in der Form der
Volladoption in den schweizerischen Zivilstandsregistern eintragen
zu können, ist eine gewisse Gleichwertigkeit zwischen dem Institut
der Adoption des ausländischen Rechts und der Adoption im Sinne der
Art. 264-269c ZGB erforderlich. Weicht die ausländische Adoption von
einem Kindesverhältnis nach schweizerischem Recht wesentlich ab, wird
sie in der Schweiz nur mit den Wirkungen anerkannt, die ihr im Staat der
Begründung zukommt (Art. 78 Abs. 2 IPRG). Man hat damit vermeiden wollen,
dass ausländischen Rechtsakten, insbesondere ausländischen einfachen
Adoptionen, wie sie auch die Schweiz vor der Revision des Adoptionsrechts
gekannt hat, auf dem Umweg über die Anerkennung stärkere Wirkungen
zukommen, als ihnen das ausländische Recht gewährt. Notwendig ist nur,
dass das ausländische Recht dem Adoptivkind eine mit den Grundsätzen des
(revidierten) schweizerischen Rechts vergleichbare Stellung einräumt,
wobei sich diese Äquivalenz nach den zivilrechtlichen Wirkungen der
Adoption beurteilt, d.h. dass das erwähnte Recht dem Adoptivkind im
wesentlichen die Stellung eines ehelichen Kindes der Adoptiveltern
verleiht (vgl. VOLKEN, Adoptionen mit Auslandbeziehungen, in: Beiträge
zur Anwendung des neuen Adoptionsrechts, St. Gallen 1979, S. 97; BUCHER,
aaO, S. 124; GROSS, La reconnaissance de l'adoption étrangère en Suisse:
conditions et effets, Diss. Lausanne 1986, S. 51).

Erwägung 3

    3.- Gemäss Art. 39 des philippinischen Jugendwohlfahrtsgesetzes
(hiernach JWG) in der Übersetzung von BERGMAN/FERID (Internationales
Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd 9, ad Philippinen, Frankfurt a. M. 1978,
S. 23) hat die Adoption nach philippinischem Recht folgende Wirkungen:
die adoptierte Person hat dieselben Rechte und Pflichten, wie wenn sie ein
eheliches Kind des Adoptanten wäre mit der Ausnahme, dass das adoptierte
Kind durch die Adoption nicht die philippinische Staatsbürgerschaft erlangt
(Ziff. 1); die den natürlichen Eltern zustehende Gewalt findet ihr Ende,
ausser wenn der Adoptierende der überlebende Ehegatte eines Elternteils
des adoptierten Kindes ist (Ziff. 2); der Adoptierte ist berechtigt, den
Familiennamen des Adoptanten zu tragen (Ziff. 3); der Adoptierte wird der
gesetzliche Erbe des Adoptanten (mit Vorbehalten unter lit. a und b); unter
lit. c wird vorgesehen, dass der Adoptant nicht der gesetzliche Erbe des
Adoptierten ist, dessen natürliche Eltern ihn beerben sollen. Sofern die
natürlichen Eltern nicht mehr leben, tritt an deren Stelle der Adoptant.

    Gemäss Art. 41 JWG kann in verschiedenen Fällen die Aufhebung der
Adoption verlangt werden. VOLKEN (aaO, S. 97 Ziff. 23) ist der Auffassung,
eine ausländische Adoption könne als Volladoption eingetragen werden,
auch wenn sie aufhebbar oder anfechtbar sei, keine Bürgerrechtsfolgen
nach sich ziehe oder (gegenüber den Adoptanten) erbrechtliche Vorbehalte
offenlasse. Bestünden aber gewisse rechtliche Bindungen mit der leiblichen
Familie weiter, müsse man eher eine einfache Adoption annehmen.

    Derselben Auffassung sind BUCHER (aaO, S. 125), HEGNAUER (aaO, N. 86
zu Art. 268 ZGB), GROSS (aaO, S. 45) und, mit Bezug auf die in Österreich
ausgesprochenen Adoptionen, VON OVERBECK (A propos de la reconnaissance
des adoptions autrichiennes, VZW 55 (1987), S. 232 f.).

    Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat sich von gleichen
Überlegungen leiten lassen (BGE 106 II 272 ff.; 113 II 106 ff.). Ähnlich
lauten die Weisungen der Eidgenössischen Justizabteilung vom 28. Mai 1975
betreffend die Anerkennung und Eintragung der im Ausland ausgesprochenen
Adoptionen in der Schweiz.

    ... Man könnte sich fragen, ob dem Umstand, dass die Adoption nach
philippinischem Recht keine Bürgerrechtsfolgen zeitige oder dass das
Adoptivkind erbrechtlich den ehelichen Kindern des Adoptivvaters nicht
vollständig gleichgestellt werde, im Hinblick auf die Anerkennung als
Volladoption tatsächlich jede Bedeutung abgeht. Jedenfalls bringt die
philippinische Adoption durch das Weiterbestehen erbrechtlicher Beziehungen
des Adoptivkindes zu den natürlichen Eltern gemäss Art. 39 Ziff. 4 lit. c
JWG das ursprüngliche Kindesverhältnis nicht zum Erlöschen. Entsprechend
muss auch, zur Sicherung der korrekten Erbfolge, wie die kantonale
Instanz zu Recht bemerkt, in den Zivilstandsregistern die Eintragung
dieser rechtlichen Lage Beachtung schenken. Damit ist die Anerkennung
als Volladoption, wie sie im schweizerischen Recht ausgestaltet ist,
ausgeschlossen.

    Beizupflichten ist dem Regierungsrat des Kantons Aargau ebenfalls,
wenn er ausführt, der Sinn der Anerkennung ausländischer Hoheitsakte
sei, unter anderem, unterschiedliche Rechtswirkungen in der Schweiz
gegenüber dem Ausland zu vermeiden. Trotz schweizerischer Anerkennung
als Volladoption und dem Erlöschen jeglicher rechtlichen Beziehung zur
leiblichen Familie würden die philippinischen Behörden der in ihrem Land
ausgesprochenen Adoption nur die nach philippinischem Recht vorgesehenen
Wirkungen, welche erbrechtliche Beziehungen des Adoptivkindes zu den
natürlichen Eltern mitumfassen, zumessen. Es würden somit in den beiden
Ländern unterschiedliche Rechtswirkungen resultieren.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführer machen geltend, den erbrechtlichen Beziehungen
zur leiblichen Familie komme im vorliegenden Fall nur eine sehr geringe
praktische Rolle zum, da der Vater der drei Kinder unbekannt sei und
die leibliche Mutter als Mitadoptantin auftrete (Stiefkindadoption), die
ursprünglichen Familienbande wenigstens also teilweise zu Recht bestehen
blieben. Es sei somit überspitzt und unverhältnismässig, diesen Umständen
keine Rechnung zu tragen und aus diesem einzigen Grund die Anerkennung
und Eintragung als Volladoption zu verneinen.

    Indessen kann von feststehenden konkreten Umständen, welche das
Kindesverhältnis zu den leiblichen Eltern als eine rein theoretische
Bindung erscheinen lassen, keine Rede sein (vgl. den Fall eines filius
nullius in VPB 47 (1983) Nr. 7, S. 40; ferner GROSS, aaO, S. 45).

    Es geht aus den Akten nicht hervor, ob die drei Kinder, die einen
Altersunterschied von 5 bzw. 2 Jahren aufweisen, von verschiedenen,
tatsächlich unbekannten Vätern oder von einem einzigen, der Mutter sehr
wohl bekannten, lediglich offiziell (gemäss Art. 280 des philippinischen
bürgerlichen Gesetzbuches vom 18. Juni 1949, in Kraft bis 1987;
vgl. SYLVIA BURMESTER-BEER, Neues Familienrecht auf den Philippinen,
StAZ 1989/8, S. 249 Ziff. 1 und Fussnote 4 durfte, wenn ein uneheliches
Kind nur von einem Elternteil anerkannt wurde, der Anerkennende den
Namen der Person nicht angeben, mit der er das Kind gezeugt hatte)
unbekannt gebliebenen Vater abstammen. Es wäre im letzteren Fall, der in
der Regel eine fortdauernde Beziehung zur Voraussetzung hat, durchaus
denkbar, dass der leibliche Vater eines Tages seine Rechte in Anspruch
nehmen würde oder umgekehrt die drei Kinder erbrechtliche Forderungen
an seinen Nachlass stellen könnten. Diese blosse Möglichkeit genügt, um,
in Übereinstimmung mit der kantonalen Instanz, die Gleichwertigkeit der
philippinischen Adoption mit der schweizerischen Volladoption, welche jede
rechtliche Beziehung zur natürlichen Familie unterbindet, zu verneinen
und infolgedessen dem Eintragungsgesuch nicht stattzugeben. Daran ändern
das Kindeswohl und die Tatsache, dass die Kinder sich seit Jahren in der
Obhut ihres Adoptivvaters befinden, nichts. Es steht den Beschwerdeführern
frei, die streitige Adoption im Familienregister als einfache Adoption
eintragen zu lassen.

    Kommt es allerdings, zur Erlangung der Volladoption und namentlich zum
Zweck des Erwerbs des Schweizerbürgerrechts, zu einem neuen Verfahren am
Wohnsitz der Beschwerdeführer, wird die Frage der Zustimmung des leiblichen
Vaters bzw. des Absehens von dieser Zustimmung (Art. 265a Abs. 1 und 265c
ZGB) nicht zu umgehen sein, wenn die Kinder einen einzigen Vater haben
und dieser somit der Mutter sehr wohl bekannt sein dürfte.

Erwägung 5

    5.- Schliesslich ist der kantonalen Instanz keine Verletzung von Art. 4
BV vorzuwerfen, wenn sie abweichende Entscheide von Zivilstandsbehörden
anderer Kantone nicht berücksichtigt hat (BGE 91 I 171 E. 1; nicht
veröffentlichte Entscheide vom 4. Mai 1983 i.S. B. gegen StA SG, KtGer
und KassGer SG, E. 4 und vom 20. Oktober 1982 i.S. Comune di L. c/TI,
Tamm, G. M. e Comune di C., E. 4).