Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 II 30



117 II 30

8. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. März 1991
i.S. Sieber und Mitbeteiligte gegen Gemeinde Plasselb (Berufung) Regeste

    Ausübung eines Vorkaufsrechts; Verrechnung (Art. 681 ZGB und Art. 120
OR).

    1. Ist im Veräusserungsvertrag kein Ausschluss der Verrechnung
vereinbart worden, so kann auch der sein Recht ausübende
Vorkaufsberechtigte den Kaufpreis mit Gegenforderungen verrechnen (E. 2b).

    2. Hat sich der Vorkaufsberechtigte in der Ausübungserklärung das
Geltendmachen von gewissen Rechten vorbehalten und erweisen sich diese
nachträglich als nicht bestehend, so schadet dies der Ausübung des
Vorkaufsrechts nicht (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2c).

Sachverhalt

    A.- Am 23. November 1983 vereinbarten die Erben des August Neuhaus,
dass das Grundstück Art. 888 des Grundbuches Plasselb an sechs Erben zu
Gesamteigentum übertragen werde und dass den übrigen fünf Erben für die
Dauer von zehn Jahren ein Vorkaufsrecht zustehe. Dieses Vorkaufsrecht
wurde im Grundbuch vorgemerkt.

    Am 10. Dezember 1986 verkauften die verbliebenen sechs Gesamteigentümer
das Grundstück der Gemeinde Plasselb zum Preis von Fr. 277'760.--. Vier
der fünf vorkaufsberechtigten Schwestern teilten den Verkäufern
darauf am 15. Januar 1987 mit, dass sie das Vorkaufsrecht zur gesamten
Hand ausübten. Gleichzeitig behielten sich die vier das Vorkaufsrecht
Ausübenden vor, die Gültigkeit des Teilungsvertrages vom 23. November 1983
anzufechten, und berechneten den von ihnen zu bezahlenden Kaufpreis, indem
sie verschiedene Gewinnanteile abzogen. Im gleichen Schreiben teilten
sie mit, dass sie die abschliessende Teilung der Erbschaft verlangten.

    Da die Verkäufer bestritten, dass das Vorkaufsrecht rechtsgültig
ausgeübt worden sei, wurde die Gemeinde Plasselb als Eigentümerin im
Grundbuch eingetragen und das vorgemerkte Vorkaufsrecht gelöscht.

    B.- Am 18. März 1987 reichten drei der vier vorkaufsberechtigten
Schwestern, die ihr Recht ausgeübt hatten, beim Zivilgericht des
Sensebezirkes Klage gegen die Gemeinde Plasselb und die Verkäufer ein. Sie
verlangten im wesentlichen, dass ihnen gegen Bezahlung des Kaufpreises
das Eigentum am Grundstück zu übertragen sei.

    In der Verhandlung vom 18. Oktober 1988 vor dem Zivilgericht des
Sensebezirkes zogen die Klägerinnen ihre Klage gegen die Verkäufer zurück
und hielten nur noch diejenige gegen die Gemeinde aufrecht. Gleichentags
hiess das Zivilgericht die Klage gut.

    Die Gemeinde Plasselb wandte sich gegen dieses Urteil mit Berufung
an das Kantonsgericht des Staates Freiburg. Dessen Appellationshof hob
das Urteil des Zivilgerichts am 16. Mai 1989 auf und wies die Klage ab,
weil die Klägerinnen nicht aktivlegitimiert seien. Eine gegen diesen
Entscheid erhobene Berufung hiess das Bundesgericht am 8. März 1990 gut
und wies die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die
Vorinstanz zurück (BGE 116 II 51 ff.).

    Der Appellationshof wies darauf die Klage am 4. Juli 1990 ohne weitere
Parteiverhandlung erneut ab.

    C.- Mit Berufungsschrift vom 14. September 1990 gelangen Maria
Sieber-Neuhaus, Rosmarie Neuhaus und Monique Macheret-Neuhaus wiederum
an das Bundesgericht. Sie beantragen im wesentlichen, ihnen gegen
Bezahlung des Kaufpreises von Fr. 277'760.-- das Eigentum am Grundstück
zuzusprechen. Die Gemeinde Plasselb beantragt, die Berufung abzuweisen;
der Appellationshof des Kantonsgerichts des Staates Freiburg hat auf eine
Stellungnahme verzichtet.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Kantonsgericht anerkennt im angefochtenen Urteil, dass
die Ausübungserklärung der Klägerinnen vom 15. Januar 1987 klar
und bedingungslos sei. Es ist jedoch der Meinung, diese Erklärung
sei nicht vorbehaltlos erfolgt, weil darin die Auffassung vertreten
wurde, der vertraglich vereinbarte Kaufpreis reduziere sich um das
Gewinnanteilsrecht der Berechtigten. Bei der Berechnung dieses
Gewinnanteilsrechts hätten die Klägerinnen zu Unrecht auch den
Gewinnanteil einer weiteren Schwester berücksichtigt und überdies der
Verringerung des Gewinnbeteiligungsanspruches wegen mehrjährigen Eigentums
der Verkäufer (Art. 619bis Abs. 2 ZGB) nicht Rechnung getragen. Die
geltend gemachte Gegenforderung aus dem Gewinnanteilsrecht sei daher zu
hoch angesetzt worden, und die angebotene Zahlung sei entsprechend zu
gering gewesen. Darin sei ein wesentlicher Vorbehalt zu erblicken, der
die Ausübung des Vorkaufsrechts als unwirksam erscheinen lasse. In der
Berufung wird diese Betrachtungsweise unter verschiedenen Gesichtspunkten
als bundesrechtswidrig beanstandet.

Erwägung 2

    2.- a) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss die Erklärung,
mit welcher das Vorkaufsrecht ausgeübt wird, eindeutig, vorbehaltlos und
bedingungslos sein und sie ist unwiderruflich (BGE 109 II 253 E. b; 101 II
242, E. 2; 81 II 245). In der Literatur wird dieser Grundsatz aufgenommen,
aber insofern relativiert, als nur Bedingungen ausgeschlossen werden, "die
den Gestaltungsgegner in eine ihm nicht zumutbare unsichere Rechtslage
versetzen" (HAAB/SIMONIUS, Zürcher Kommentar, N. 38 zu Art. 681/682
ZGB), bzw. Bedingungen zugelassen werden, die die Wirksamkeit der
Erklärung von einem Verhalten des Verkäufers abhängig machen, das ihm
nach Treu und Glauben zuzumuten oder zu dem er sogar verpflichtet ist
(MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N. 226 zu Art. 681 ZGB, mit Hinweis auf
HANS PETER SCHMID, Das Vorkaufsrecht, Diss. Basel 1934, S. 93; vgl. auch:
STEINAUER, Les droits réels, tome II, Berne 1990, Rz. 1731). In BGE 101
II 242 ff. hat das Bundesgericht die Frage offengelassen, ob eine durch
eine Person im Ausland abgegebene Ausübungserklärung gültig sei, wenn
innert Frist zwar um eine Bewilligung für den Grundstückserwerb durch
Personen im Ausland nachgesucht werde, diese aber nicht rechtzeitig
beigebracht werden könne. Als zulässig sieht es die Praxis jedoch an,
dass sich der Vorkaufsberechtigte in der Ausübungserklärung vorbehält,
gewisse zwischen dem Verkäufer und dem Käufer vereinbarte Bedingungen
als ungültig anzufechten (BGE 92 II 158 E. 5).

    b) Die Vorinstanz nahm an, die Klägerinnen hätten den Vertrag,
wie er von den Veräusserern und der Gemeinde Plasselb vereinbart war,
nicht in allen Punkten gelten lassen, weil sie nicht den ganzen Kaufpreis
durch Banküberweisung tilgen wollten. Aus den weiteren Erwägungen im
angefochtenen Entscheid geht aber hervor, dass auch das Kantonsgericht
in der Vereinbarung der Zahlungsweise zwischen den Verkäufern und der
Käuferin nicht etwa den Ausschluss einer Verrechnungseinrede erblickte,
hält es den Klägerinnen doch nur vor, dass sie ihren Gewinnanteilsanspruch
falsch berechnet hätten, nicht aber dass sie ihn überhaupt in der
Ausübungserklärung geltend gemacht haben.

    Die Beklagte scheint demgegenüber in der Berufungsantwort die
Ansicht zu vertreten, eine Verrechnung sei mit der Ausübung eines
Vorkaufsrechts nicht vereinbar, sofern die Verrechnungsmöglichkeit nicht
vertraglich vorgesehen worden sei. Dem kann nicht gefolgt werden. Eine
Verrechnung ist im schweizerischen Recht grundsätzlich allgemein
zulässig (Art. 120 OR). Das Gesetz nimmt davon besondere, hier nicht
vorliegende Forderungen aus (Art. 125 OR) und erklärt eine die Verrechnung
ausschliessende Abrede für zulässig (Art. 126 OR). Es muss somit nicht die
Verrechnungsmöglichkeit, sondern deren Ausschluss vereinbart sein. Eine
entsprechende Vereinbarung ist aber vorliegend nicht gegeben, wie sich
aus den diesbezüglich zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz ergibt.

    c) Aus der Ausübungserklärung der Klägerinnen ergibt sich unzweideutig,
dass sie gegen den vereinbarten Kaufpreis nichts einzuwenden hatten
und bereit waren, zu diesem Betrag das Grundstück zu übernehmen. Sie
hatten in ihrer Erklärung allerdings - von diesem Preis ausgehend - den
Gewinnanteil berechnet, der ihnen nach ihrer Auffassung zustand, und diesen
verrechnungsweise geltend gemacht. Entgegen der Ansicht der Beklagten
ist darin keine Kaufpreisminderung zu erblicken. Wer Verrechnung geltend
macht, erfüllt seine Schuldverpflichtung rechtsgültig, soweit die zur
Verrechnung gebrachte Forderung tatsächlich besteht. Die Klägerinnen hatten
sich in der Ausübungserklärung überdies vorbehalten, den Teilungsvertrag
anzufechten, mit dem sie aus dem Gesamthandsverhältnis an diesem Grundstück
ausgeschieden waren. Schliesslich hatten sie noch das Geltendmachen ihres
Anspruchs auf Teilung des verbleibenden Nachlasses angekündet. Dass es
zulässig ist, mit der Ausübungserklärung weitere Rechtsansprüche gegen
den Veräusserer geltend zu machen, steht aber - wie bereits dargelegt -
mindestens so lange ausser Zweifel, als die Ausübungserklärung nicht davon
abhängig gemacht wird, dass diese Ansprüche auch tatsächlich bestehen;
das Kantonsgericht hat aber selber festgehalten, vorliegend sei die
Ausübungserklärung nicht von der Bedingung abhängig gemacht worden,
dass die erhobenen Ansprüche tatsächlich bestünden.

    Der Umstand, dass die geltend gemachten Ansprüche nach Feststellung der
Vorinstanz nicht in vollem Umfang bestehen, kann der Ausübungserklärung
nichts schaden. Die Ausübung des Vorkaufsrechts kann die Ausübenden
nicht daran hindern, behauptete Rechte gegen den Veräusserer geltend zu
machen, auch wenn sich diese nachträglich als nicht (in vollem Umfang)
begründet erweisen (so auch in BGE 92 II 148 ff.). Mit dem Einräumen eines
Vorkaufsrechts nimmt es der Belastete in Kauf, seinen Vertragspartner nicht
mehr frei bestimmen zu können. Statt des von ihm gewählten Käufers kann
der Vorkaufsberechtigte in das Vertragsverhältnis eintreten. Der Verkäufer
kann nicht verhindern, dass ihm der das Vorkaufsrecht Ausübende eigene
Forderungen entgegenhält, die der Käufer nicht hätte zur Verrechnung
bringen können. Es ist der Beklagten zuzugeben, dass dem Verkäufer
daraus Unannehmlichkeiten und Umtriebe erwachsen können. Das ist aber
die unausweichliche Folge des Umstandes, dass es das Vorkaufsrecht
einem Dritten gestattet, an Stelle des Käufers in ein bestehendes
Vertragsverhältnis einzutreten.

    Die Berufung erweist sich damit als begründet, und die Klage ist
gutzuheissen.