Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 II 199



117 II 199

41. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. März 1991 i.S.
Touring Club der Schweiz gegen Mercedes-Benz (Schweiz) AG (Berufung)
Regeste

    Begründung einer Berufung (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).

    Hat die kantonale Instanz eine Klage, die auf mehrere Rechtsgründe
abgestützt worden war, unter allen abgewiesen, so überprüft das
Bundesgericht nur noch diejenigen, die als bundesrechtswidrig ausgegeben
werden (E. 1).

    Unlauterer Wettbewerb; Verwechslungsgefahr (Art. 3 lit. d UWG).

    - Die Verwendung einer gemeinfreien Bezeichnung steht grundsätzlich
jedem Wettbewerbsteilnehmer offen (E. 2a/bb), es sei denn, sie habe durch
ausschliesslichen langen Gebrauch oder wegen ihrer originellen Kombination
Individualisierungskraft erlangt (E. 2b).

    - Der Begriff der Leistung nach Art. 3 UWG ist nicht gleichbedeutend
mit demjenigen in Art. 5 UWG (E. 2a/ee).

Sachverhalt

    A.- Der Touring Club der Schweiz, ein Verein im Sinne von Art. 60
ff. ZGB, bezweckt die Wahrung der Rechte und Interessen seiner über
1,2 Millionen Mitglieder im Strassenverkehr und die Förderung ihrer
touristischen Belange. Eine seiner bedeutendsten Dienstleistungen
stellt der mobile Pannenhilfsdienst dar. Die hiefür verwendeten gelben
TCS-Fahrzeuge geniessen einen hohen Bekanntheitsgrad.

    Die Mercedes-Benz (Schweiz) AG ist für den Vertrieb der
"Mercedes-Benz"-Fahrzeuge in der Schweiz zuständig. Am 1. September
1989 lancierte sie unter dem Titel "DIE NEUE MERCEDES-BENZ TOURING
GARANTIE" eine Pressemitteilung. Sie pries darin eine "in dieser Form
einzige Serviceleistung" an, welche darin bestehe, dass den Fahrern von
neuen Mercedes-Personenwagen vier Jahre lang der kostenlose Einsatz des
Mercedes-Benz-Notdienstes gewährt werde.

    Der Touring Club der Schweiz erblickt darin eine unlautere
Konkurrenzierung seiner "Touring-Hilfe" sowie eine Namensanmassung.

    B.- Am 8. November 1989 ersuchte der Touring Club der Schweiz
das Handelsgericht des Kantons Zürich, der Mercedes-Benz (Schweiz) AG
bei Strafe zu verbieten, für ihren Pannenhilfe-Service die Bezeichnung
"Touring-Garantie" bzw. "Garantie Touring" zu verwenden. Mit Urteil vom
4. September 1990 wies das Handelsgericht die Klage ab.

    C.- Mit seiner eidgenössischen Berufung beantragt der Kläger, das
Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und der Beklagten bei Strafe zu
verbieten, für ihren Pannenhilfe-Service die Bezeichnung "Touring-Garantie"
bzw. "Garantie Touring" zu verwenden.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Vor Handelsgericht stützte der Kläger seinen Anspruch
auf Wettbewerbs- und Namensrecht; er wurde unter beiden Aspekten
abgewiesen. Der Kläger macht vor Bundesgericht nicht geltend, die
namensrechtliche Abweisung verletze Bundesrecht. Mithin ist diese mangels
entsprechender Begründung in der Berufung nicht zu überprüfen (Art. 55
Abs. 1 lit. c OG).

Erwägung 2

    2.- Der Kläger ist der Ansicht, die Gleichartigkeit des Angebots der
Beklagten schmälere seinen Gewinn und führe zu einer Konkurrenzsituation,
die das neue UWG untersage. Ferner macht er geltend, die von der Beklagten
verwendete Bezeichnung "Mercedes-Benz Touring-Garantie" schaffe eine
Verwechslungsgefahr zu der vom Kläger offerierten Dienstleistung
"Touring-Hilfe", welche sich überdies im Verkehr durchgesetzt habe.

    Das neue UWG bezweckt, den lauteren und unverfälschten Wettbewerb zu
gewährleisten (Art. 1). Unlauter ist das Verhalten eines Mitbewerbers
nur, wenn es gegen den in Art. 2 UWG allgemein formulierten Grundsatz
oder gegen die Sondertatbestände (Art. 3 ff.) verstösst. Solange sich
ein Mitbewerber mit lauteren Mitteln um mehr Anteil oder Einfluss auf dem
Markt bemüht und dabei den Wettbewerb als solchen nicht gefährdet, kann ein
Gewinn- oder Umsatzrückgang bei andern Konkurrenten nicht widerrechtlich
sein. Das neue Gesetz will einen funktionierenden Wettbewerb garantieren
(Botschaft zum UWG vom 18. Mai 1983, BBl 1983 II 1038) und schützt somit
auch gleichartige Leistungen, die deshalb im folgenden nur unter dem
Gesichtspunkt der Lauterkeit zu prüfen sind. Wettbewerbsrechtlich stellt
sich dabei allein die Frage nach einer unlauteren Verwechslungsgefahr.

    a) Gemäss Art. 3 lit. d UWG handelt unlauter, wer Massnahmen trifft,
die geeignet sind, Verwechslungen mit Waren, Werken, Leistungen oder dem
Geschäftsbetrieb eines andern herbeizuführen.

    Die Verwechslungsgefahr wird als Rechtsfrage vom Bundesgericht frei
geprüft (BGE 95 II 458 E. 1, 465 E. II/1 und 468 E. II/3). Dies gilt auch
insoweit, als sie sich nach dem Verständnis des allgemeinen Publikums,
welches die streitigen Leistungen in Anspruch nimmt, beurteilt (BGE 95
II 458 E. 2); anders verhält es sich bloss, wenn das Branchenverständnis
spezifischer Verkehrskreise in Frage steht (BGE 96 II 261 E. a). Der
Begriff der Verwechslungsgefahr ist dabei für den Bereich des gesamten
Kennzeichnungsrechts ein einheitlicher (BGE 116 II 370 E. 4a).

    aa) Das Handelsgericht führt mit Bezug auf BGE 58 II 314 E. 1 aus,
der Begriff "Touring" gehöre als blosse Sachbezeichnung dem sprachlichen
Gemeingut an. Er sei als Bestandteil von Firmen und Marken sehr verbreitet
und zeichne sich nicht durch eine besondere Originalität aus.

    bb) Die Verwendung einer gemeinfreien Bezeichnung steht
grundsätzlich jedem Wettbewerbsteilnehmer offen (BGE 96 II 261 E. 3a,
94 II 46). Schranken bestehen einerseits darin, dass durch gleichartige
Hinweise nicht die Gefahr von Verwechslungen geschaffen werden darf,
dieser mithin durch geeignete Zusätze oder auf andere Weise begegnet werden
muss, anderseits darin, dass eine Sachbezeichnung, welche durch langen
Gebrauch zum Individualzeichen geworden ist, nicht als charakteristischer
Bestandteil in einer Konkurrenzbezeichnung übernommen werden darf (BGE
98 II 63 E. 3 mit Hinweisen).

    cc) Das Bundesgericht hat in BGE 58 II 314 E. 1 die Auffassung
vertreten, der Firmenbestandteil "Touring" des Klägers gehöre dem
sprachlichen Gemeingut an, sei im Englischen die umfassende Bezeichnung
für touristische Betätigung, also auch für das Rad- und Autofahren. Als
Fremdwort habe er im deutschen Sprachgebrauch zwar etwas Besonderes
an sich, bleibe aber deswegen nicht weniger als im Englischen eine
der Allgemeinheit zugängliche Sachbezeichnung. Daran ist unverändert
festzuhalten.

    dd) "Hilfe" ist wie "Touring" eine gemeinfreie Sachbezeichnung. Zu
Recht hält die Vorinstanz fest, dass Zusammensetzungen solcher
Sachbezeichnungen grundsätzlich keinen über denjenigen der einzelnen
Bestandteile hinausgehenden Schutz geniessen, ausser, die Kombination
sei so originell, dass sie Individualisierungskraft erlange (BGE
109 II 488: "Computerland"). Dem Begriff "Touring-Hilfe" eignet eine
solche Originalität nicht; er entfaltet keine über den allgemeinen
Leistungsbeschrieb hinausgehende Kennzeichnungsfunktion, welche aus dem
Begriff allein auf die Individualisierung eines Unternehmens schliessen
liesse.

    Im allgemeinen Sprachvergleich unterscheiden sich die "Mercedes-Benz
Touring-Garantie" und die "Touring-Hilfe" formal wie auch inhaltlich
deutlich. Identisch ist allein der gemeinfreie Begriff "Touring". Ein
aufmerksamer Leser wird deshalb die Bezeichnung der Beklagten nicht mit
dem Geschäftsbetrieb oder der Leistung "Touring-Hilfe" des Klägers in
Verbindung bringen. Das Handelsgericht hat deshalb zu Recht eine unlautere
Verwechslungsgefahr nach Art. 3 lit. d UWG verneint.

    ee) Fehl geht schliesslich die Ansicht des Klägers, der Begriff
der Leistung nach Art. 3 UWG sei inhaltsgleich mit demjenigen in
Art. 5 UWG. Letzterer befasst sich mit der Verwertung einer fremden
Leistung. Darunter fallen Arbeitsergebnisse, also Produkte geistiger
Anstrengung und materieller Aufwendungen, die ausserhalb des Bereichs
der Spezialgesetzgebung zum Schutz von Immaterialgütern als solche
nicht geschützt sind (Botschaft S. 1047; DAVID, Schweizerisches
Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., Rz. 372 ff.; TROLLER/TROLLER, Kurzlehrbuch des
Immaterialgüterrechts, S. 196). Die Behauptung des Klägers, die Beklagte
biete seine "Touring-Hilfe" an, trifft nach dem bisher Gesagten in keiner
Weise zu. Insoweit sich der Kläger hiermit auf Leistungsschutz berufen
will, sind seine Ausführungen unbegründet. Die klägerische Dienstleistung
an sich wie auch die Idee der Pannenhilfe sind wettbewerbsrechtlich nicht
geschützt. Es ist deshalb nicht ersichtlich, welche Arbeitsergebnisse
im Sinne des Gesetzes die Beklagte sich parasitär zu eigen gemacht haben
soll. Von einer Verletzung von Art. 5 UWG kann demnach keine Rede sein.

    b) Der Kläger beansprucht für seine "Touring-Hilfe" eine weitergehende,
durchgesetzte Kennzeichnungskraft, welche er in langjähriger, intensiver
Arbeit und unter sehr grossem Aufwand von Zeit und Mitteln erworben
habe. Letzteres ist allein nicht entscheidend. Ein schutzwürdiges Zeichen
liegt erst vor, wenn es durch langen Gebrauch zum Individualzeichen
geworden ist, d.h. die Bedeutung eines schlagwortähnlichen Hinweises
auf ein Geschäft erlangt hat (BGE 98 II 63, 77 II 325 f.). Wie die
Vorinstanz indessen zutreffend erkannt hat, verbietet sich angesichts
der Vielzahl von Verwendungen des Begriffs "Touring" gerade im
Zusammenhang mit Tätigkeiten in der Auto-, Autozubehör-, Autoservice-
und Touristikbranche die Annahme einer individualisierenden Zuordnung
zum Betrieb des Klägers. Unbesehen der Bedeutung des TCS kann daher nicht
davon ausgegangen werden, in den einschlägigen Konsumentenkreisen werde
der Begriff "Touring" ausschliesslich diesem zugeordnet. Die Bezeichnung
"Hilfe" sodann lässt sich von vornherein nicht monopolisieren und wird
zudem im Leistungsbeschrieb der Beklagten auch nicht verwendet. Es bleibt
mithin dabei, dass die beiden streitigen Bezeichnungen sich hinreichend
unterscheiden, um eine wettbewerbsrechtliche Verwechslungsgefahr
auszuschliessen. Dies führt zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.