Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IB 9



117 Ib 9

3. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18.
Februar 1991 i.S. X. und Y. gegen Gemeinde Trimmis und Regierung des
Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche
Beschwerde) Regeste

    Art. 84 ff. und Art. 97 ff. OG, Art. 5 VwVG, Art. 24 und Art.
34 RPG. Rechtsmittelordnung des Raumplanungsgesetzes des Bundes
(Zusammenfassung und Präzisierung der Rechtsprechung).

    1. Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen wegen Verletzung
von Art. 24 RPG (E. 2a).

    2. Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Nutzungspläne, die einer
Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG gleichkommen, soweit eine Verletzung
bzw. Umgehung von Art. 24 RPG zu beurteilen ist. Abgrenzung zur
staatsrechtlichen Beschwerde (E. 2b-e).

Sachverhalt

    A.- X. und Y. sind Eigentümer zahlreicher Grundstücke in der Gemeinde
Trimmis. Durch die von den Stimmberechtigten der Gemeinde Trimmis am
10. und 31. März 1989 verabschiedete Ortsplanungsrevision wurden für
mehrere dieser Parzellen die Nutzungsmöglichkeiten im Vergleich zum
bisherigen Zonenplan aus dem Jahre 1972 geändert bzw. beschränkt. Gegen
den neuen Zonenplan erhoben X. und Y. Beschwerde an die Regierung des
Kantons Graubünden. Diese wies deren Beschwerde mit Entscheid vom
26. März 1990 ab, soweit sie darauf eintreten konnte und die Beschwerde
nicht gegenstandslos geworden war. Die teilweise Gegenstandslosigkeit
der Beschwerde war Folge eines Entscheids der Regierung vom gleichen Tag,
in welchem die Totalrevision der Ortsplanung Trimmis unter bestimmten
Vorbehalten teilweise genehmigt wurde.

    X. und Y. führen gegen beide Entscheide der Regierung des Kantons
Graubünden staatsrechtliche Beschwerde sowie Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Nach Art. 34 Abs. 1 RPG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
an das Bundesgericht gemäss Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5
VwVG unter anderem zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler
Instanzen über Bewilligungen im Sinne von Art. 24 RPG. Wenn
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist, geht diese der
staatsrechtlichen Beschwerde vor (Art. 84 Abs. 2 OG, Art. 34 Abs. 3 RPG;
vgl. WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern
1984, S. 264 f. und 269 f.; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege,
Bern 1983, S. 92).

    Als mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbare Entscheide im
Sinne von Art. 34 Abs. 1 RPG gelten in bezug auf Art. 24 RPG nicht
nur letztinstanzliche Verfügungen, mit denen eine Bewilligung nach
Art. 24 RPG erteilt wird, sondern auch Entscheide, mit denen Bauten und
Anlagen gestützt auf diese Bestimmung nicht bewilligt werden (BGE 107
Ib 235 E. 1b). Weiter unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
jene Entscheide über Bauten und Anlagen, die einer raumplanerischen
Ausnahmebewilligung bedürfen und bei deren Beurteilung Art. 24 RPG zu
Unrecht nicht angewendet wurde (BGE 114 Ib 132 E. 2, 112 Ib 271 E. 1a, 411
E. 1a, je mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung entspricht dem Grundsatz,
dass auch Anordnungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes hätten
stützen sollen, als Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwVG zu betrachten
und daher im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren zu beurteilen
sind (BGE 115 Ib 459 E. 1b, 112 Ib 165 E. 1, 108 Ib 380 E. 1a, 107
Ib 172 f., 105 Ib 107 E. 1a, je mit Hinweisen). In diesem Verfahren
sind schliesslich auch auf kantonales Recht gestützte Anordnungen zu
überprüfen, die einen hinreichend engen Sachzusammenhang mit der im
Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu beurteilenden Frage des
Bundesverwaltungsrechts aufweisen (BGE 103 Ib 314 E. 2b, 116 Ib 10,
99 Ib 326 E. 1b; WALTER KÄLIN, aaO, S. 269; FRITZ GYGI, aaO, S. 92
ff.; PETER SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, Basel
und Stuttgart 1979, S. 78 ff.). Es handelt sich dabei im Regelfall um
gemischte Verfügungen, die sowohl auf kantonalem oder kommunalem wie
auch auf Bundesrecht beruhen, falls und soweit zulässige Rügen im Sinne
von Art. 104 OG in Frage stehen (vgl. BGE 115 Ib 350, 114 Ib 348, je
mit Hinweisen).

    b) Nutzungspläne im Sinne von Art. 14 ff. RPG unterliegen gemäss
Art. 34 Abs. 1 und 3 RPG der staatsrechtlichen Beschwerde. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts können ausnahmsweise auch Nutzungspläne
mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden, soweit darin in
Anwendung von Bundesverwaltungsrecht derart detaillierte, nachfolgende
Bewilligungsverfahren präjudizierende Anordnungen enthalten sind, dass
sie einer Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG gleichkommen, und soweit
kein Ausschlussgrund nach Art. 99 ff. OG oder der Spezialgesetzgebung
vorliegt (BGE 115 Ib 351 E. 1b, s. auch 116 Ib 61 E. 4e, 159 ff., 423
E. 1a, 115 Ib 507. Da ein solcher Plan einem Vorentscheid über das vom
Nutzungsplan erfasste Werk gleichzustellen ist, kommt die Ausnahme von
Art. 99 lit. c OG nicht zum Zuge (BGE 115 Ib 352, 507, 113 Ib 373 E. 1b,
Umweltrecht in der Praxis 1990 S. 341 f. E. 1a, je mit Hinweisen).
Geht es bei dem Plan mit Verfügungscharakter nicht um das technische
Genügen des projektierten Werkes, so entfällt auch der Ausschlussgrund
von Art. 99 lit. e OG (BGE 115 Ib 352, 460 E. 1b, 114 Ib 216 f. E. 1b,
je mit Hinweisen; vgl. BGE 100 Ib 223 ff.). Mit einer in diesem Sinne
ausnahmsweise zulässigen Verwaltungsgerichtsbeschwerde können die in
Art. 104 OG genannten Rügen erhoben werden, wobei planungsrechtliche Rügen
grundsätzlich ausser Betracht fallen. Dafür steht gemäss Art. 34 Abs. 1
und 3 RPG unter Vorbehalt der Rügen der Verletzung von Art. 5 und 24 RPG
(Art. 34 Abs. 1 RPG) ausschliesslich die staatsrechtliche Beschwerde zur
Verfügung (BGE 114 Ib 348; vgl. BGE 114 Ib 217 E. 1d).

    Was den eben genannten Vorbehalt bezüglich Art. 24 RPG betrifft, so
kann in Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Pläne mit verfügungsgleichem
Inhalt geltend gemacht werden, mit diesen Plänen werde Art. 24 RPG umgangen
(BGE 115 Ib 510, 113 Ib 226 ff., 371 ff.). Dabei ist zu beachten, dass
bei Plänen mit Verfügungscharakter, denen Vorhaben zugrundeliegen, für
welche eine Planungspflicht besteht (BGE 113 Ib 226 ff., 116 Ib 53 ff. mit
Hinweisen), Art. 24 RPG grundsätzlich keine Anwendung findet. Auf die
Rüge der Umgehung von Art. 24 RPG ist in solchen Fällen bei Vorliegen
der übrigen formellen Voraussetzungen zwar einzutreten; sie ist jedoch
wegen des Bestehens einer Planungspflicht und der damit fehlenden
Anwendbarkeit von Art. 24 RPG in der Regel ohne weiteres abzuweisen
(vgl. BGE 113 Ib 226 ff.). Eine weitergehende Prüfung der Frage, ob mit
der verfügungsgleich wirkenden Planung die materiellen Erfordernisse von
Art. 24 RPG (s. dazu hinten E. 2c) umgangen worden sind, ist im Rahmen
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf entsprechende Rüge hin jedenfalls
in den folgenden drei Fällen vorzunehmen:

    aa) bei Plänen zur Verwirklichung von konkreten Projekten, für
die der Erlass von Planungsmassnahmen möglicherweise zweckmässig ist,
die aber im Sinne einer Wahlmöglichkeit bei Vorliegen der entsprechenden
Voraussetzungen grundsätzlich auch direkt (d.h. ohne Planung) gestützt auf
Art. 24 RPG beurteilt werden können (BGE 113 Ib 371 ff., 115 Ib 508 ff.);

    bb) bei einem Plan, der sich im Widerspruch zur baurechtlichen
Grundordnung auf Land bezieht, das mit Bauten, die nicht zonenkonform sind,
nur unter den Bewilligungsvoraussetzungen von Art. 24 RPG überbaut werden
darf (Urteil vom 6. Februar 1991, i.S. Notter c. commune de Middes);

    cc) bei Einzonungen in die Bauzone, welche im wesentlichen zum Ziel
haben, bestehende, widerrechtlich, d.h. in Verletzung der Vorschriften
über zonenwidrige Bauten ausserhalb der Bauzonen erstellte Bausubstanz zu
legalisieren. Solche Planungsmassnahmen entziehen ebenfalls Art. 24 RPG den
Anwendungsbereich, sei es etwa hinsichtlich einer Bewilligungserteilung
(nachträgliche Baubewilligung) oder einer Beseitigungsverfügung (BGE 111
Ib 226).

    c) Die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Anordnungen
eines Nutzungsplans stimmt in den oben genannten Fällen auch mit der
Spezialordnung von Art. 34 RPG überein. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
stellt sicher, dass Fälle, in denen die Zonenplanung Anordnungen enthält,
die im Hinblick auf Art. 24 RPG einer Verfügung im Sinne von Art. 5
VwVG gleichkommen, der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung durch das
Bundesgericht nicht entzogen werden und dass die materiellen Erfordernisse
von Art. 24 RPG nicht über eine Änderung der Nutzungsplanung umgangen
werden können (BGE 115 Ib 511 E. 5a/bb, 113 Ib 373 E. 1b). Zu diesen
Erfordernissen gehört insbesondere die umfassende Interessenabwägung, die
im Rahmen eines Ausnahmebewilligungsverfahrens gestützt auf Art. 24 Abs. 1
lit. b RPG durch eine und dieselbe Behörde zu erfolgen hat (vgl. BGE 116
Ib 62 E. 6a, 112 Ib 119 ff., je mit Hinweisen). Im Zonenplanungsverfahren
muss eine mindestens ebenso umfassende Interessenabwägung stattfinden (BGE
116 Ib 55, 115 Ia 386, Ib 514 E. 6b, 114 Ia 125 f., 113 Ib 230 E. 2c, 375).

    d) Im vorliegenden Fall bringen die Beschwerdeführer unter anderem
vor, mit der angefochtenen Zonenplanänderung würden bestehende Häuser
in die Bauzone einbezogen, welche in der Vergangenheit widerrechtlich
ausserhalb der Bauzone erstellt worden seien. Eine solche, mit dem
Überbauungsstand der fraglichen Grundstücke begründete Einzonung stelle
eine Umgehung des Ausnahmebewilligungsverfahrens im Sinne von Art. 24
RPG dar. Nach Ansicht der Beschwerdeführer müssten die betroffenen Gebäude
wegen ihrer Unvereinbarkeit mit Art. 24 RPG beseitigt werden. Eine solche
Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands würde durch den Einbezug
der betroffenen Parzellen in die Bauzone indessen verunmöglicht.

    Diese Rüge ist, wie vorne in E. 2b/cc dargelegt, im Rahmen
einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde wegen Verletzung von Art. 24
RPG zulässig. Die Ortsplanung der Gemeinde Trimmis betrifft im Gebiet
Gargällis/Panätsch/Chrummächer einzelne, bestimmte, ausserhalb der alten
Bauzone erstellte Häuser, die von der Gemeinde nun in die Bauzone W
2 eingezont worden sind. Die von den Beschwerdeführern beanstandeten
Nutzungsplanfestsetzungen regeln die Frage der Zonenkonformität der
genannten ausserhalb der bisherigen Bauzone erstellten Wohnhäuser neu.

    Es handelt sich bei der von den Beschwerdeführern beanstandeten
Festsetzung der Bauzone W 2 insoweit, als die genannten
ausserhalb der bisherigen Bauzone erstellten Wohnhäuser im Gebiet
Gargällis/Panätsch/Chrummächer davon betroffen sind, im Hinblick auf
Art. 24 RPG um Anordnungen, die einer Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG
gleichkommen und damit Anfechtungsobjekt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
bilden können (Art. 34 Abs. 1 RPG i.V.m. Art. 97 OG). Im vorliegenden
Fall ist kein Ausschlussgrund gemäss Art. 99 ff. OG erfüllt.

    e) Die Beschwerdeführer rügen mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
neben der Verletzung von Bundesrecht (Art. 104 lit. a OG) auch eine
unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts (Art. 104 lit. b OG). Diese Rüge kann mit der vorliegenden
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur insoweit erhoben werden, als sie die
angebliche Umgehung von Art. 24 RPG betrifft. Soweit dieselbe Rüge in
bezug auf die übrigen Teile der Trimmiser Ortsplanung vorgebracht wird,
gehört sie ins staatsrechtliche Beschwerdeverfahren (siehe vorne E. 2b).

    Das Bundesgericht weist sowohl die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als
auch die staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es auf sie eintreten kann.