Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IB 53



117 Ib 53

10. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 27. Februar 1991 i.S. Bundesamt für Polizeiwesen gegen S. und
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Internationale Rechtshilfe in Strafsachen.

    Im Rahmen des dem Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe
in Strafsachen (EÜR) unterstellten Rechtshilfeverkehrs ist die Frage des
Verjährungseintritts nicht zu prüfen. Wenn es aber um Rechtshilfemassnahmen
geht, die nicht im EÜR, sondern im IRSG selber vorgesehen sind, so
ist die Rechtshilfe nach diesem Gesetz abzuwickeln und dabei auch die
Verjährungsregelung gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. c IRSG zu berücksichtigen.

Sachverhalt

    A.- Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg/BRD führt gegen
S. und eine grosse Zahl weiterer Beschuldigter ein Ermittlungsverfahren
wegen des Verdachts der (teilweise) gemeinschaftlichen sowie
tateinheitlichen und fortgesetzten Steuerhinterziehung in einem besonders
schweren Fall gemäss § 370 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 4
Satz 1 der deutschen Abgabeordnung (AO) in Verbindung mit § 25 Abs. 2,
52 Abs. 1 und 78 Abs. 3 Nr. 4 des deutschen Strafgesetzbuches (dStGB).

    Im Rahmen des die Anschuldigungen betreffenden Ermittlungsverfahrens
ersuchte der Leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft beim
Landgericht Hamburg am 19. Juli 1990 die schweizerischen Behörden um
rechtshilfeweise Durchsuchungen und Vernehmungen in der Schweiz. Mit
Stellungnahme vom 13. August 1990 erklärte die Eidgenössische
Steuerverwaltung (EStV) zuhanden des Bundesamtes für Polizeiwesen (BAP),
die objektiven Tatbestandsmerkmale des Abgabebetruges (Art. 3 Abs. 3
Satz 2 IRSG) als erfüllt zu erachten. Mit Schreiben vom 16. August
1990 übermittelte das BAP das Begehren zum Entscheid und Vollzug an
die Behörden des Kantons Zürich (Art. 79 IRSG). Im selben Schreiben
beauftragte das BAP die Zürcher Behörden mit der Leitung des Vollzugs
im Sinne von Art. 80 IRSG, was den weiteren durch das deutsche Ersuchen
betroffenen Kantonen mitgeteilt wurde. Mit Verfügung vom 20. August 1990
überwies die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich das Begehren an die
Bezirksanwaltschaft Zürich zur Prüfung und weiteren Veranlassung.

    Mit Verfügung vom 24. August 1990 entsprach die Bezirksanwaltschaft
Zürich dem Rechtshilfeersuchen und ordnete die erforderlichen
Vollzugshandlungen an.

    Dagegen erhob S. am 5. November 1990 Rekurs bei der Staatsanwaltschaft
des Kantons Zürich, mit dem er - soweit hier wesentlich - beantragte,
die Verfügung sei aufzuheben; dem deutschen Rechtshilfeersuchen sei nicht
zu entsprechen, und die bereits durchgeführten Rechtshilfehandlungen
(Beschlagnahmen, Zeugeneinvernahmen) seien als nichtig bzw. ungültig
zu erklären.

    Am 12. Dezember 1990 entschied die Staatsanwaltschaft des Kantons
Zürich soweit hier wesentlich, die Rechtshilfe sei für die weiter als 7
1/2 Jahre zurückliegenden Taten wegen absoluter Verjährung zu verweigern
(Dispositiv Ziff. 1a/aa).

    Gegen diesen Entscheid erhob das Bundesamt für Polizeiwesen am
16. Januar 1991 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit
folgenden Anträgen:

    "1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei gutzuheissen.

    2. Punkt 1.a)aa) des angefochtenen Entscheides der Staatsanwaltschaft
des

    Kantons Zürich vom 12. Dezember 1990 sei aufzuheben, soweit er die

    Rechtshilfe für Taten, die weiter als 7 1/2 Jahre zurückliegen,
verweigert.

    3. Die Rechtshilfe sei für den gesamten Zeitraum vom 1. Januar 1982 bis

    31. Dezember 1988 im Sinne der Verfügung vom 24. August 1990 des

    Bezirksanwaltes von Zürich und in Aufhebung von Punkt 1.a)aa) des

    Rekursentscheides der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich vom 12.

    Dezember 1990 zu bewilligen."

    Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut und
hebt den angefochtenen Entscheid antragsgemäss auf.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Für die Rechtshilfe zwischen der BRD und der Schweiz sind
in erster Linie die Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens über
die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (EÜR, SR 0.351.1),
dem die beiden Staaten beigetreten sind, und der zwischen ihnen hiezu
abgeschlossene ergänzende Vertrag vom 13. November 1969 (Zusatzvertrag,
SR 0.351.913.61) massgebend. Soweit diese Verträge bestimmte Fragen
nicht regeln, gelangt das Landesrecht, d.h. das Bundesgesetz über
internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (IRSG,
SR 351.1) und die dazugehörende Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV,
SR 351.11), zur Anwendung (vgl. Art. 1 Abs. 1 IRSG). Dies gilt auch,
soweit die Rechtshilfevoraussetzungen im Landesrecht günstiger geregelt
sind als im Vertragsrecht (s. BGE 106 Ib 341 ff., nicht publ. E. 1c von
BGE 115 Ib 68 ff. und nicht publ. E. 2 von BGE 115 Ib 193 ff., nicht
publ. Urteil des Bundesgerichts vom 7. Februar 1989 i.S. D.).

    b) Beim angefochtenen Entscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons
Zürich handelt es sich um einen solchen der letzten kantonalen
Instanz (§ 402 ff. StPO/ZH). Gemäss Art. 25 Abs. 3 IRSG ist das
BAP zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen solchen Entscheid
legitimiert. Auch die übrigen Prozessvoraussetzungen sind erfüllt, so
dass auf die Beschwerde einzutreten ist.

    c) Das Bundesgericht ist aufgrund von Art. 25 Abs. 6 IRSG, der
als Spezialbestimmung der allgemeinen Vorschrift von Art. 114 Abs. 1
OG vorgeht, nicht an die Begehren der Parteien gebunden (BGE 113 Ib
266 E. 3d). Es hat daher die Möglichkeit, den angefochtenen Entscheid
gegebenenfalls zugunsten oder auch zuungunsten des Beschwerdeführers zu
ändern (BGE 112 Ib 585 f. E. 3). Als Rechtsmittelinstanz überprüft es die
bei ihm im Verwaltungsgerichtsverfahren erhobenen Rügen grundsätzlich mit
freier Kognition (s. etwa BGE 113 Ib 181 E. 7a, 109 Ib 167 E. 4). Da es
aber in Rechtshilfesachen nicht Aufsichtsbehörde ist, darf die Prüfung des
angefochtenen Entscheides den Rahmen des Streitgegenstandes nicht sprengen
(BGE 112 Ib 585 f. E. 3, nicht publ. E. 1a von BGE 115 Ib 517 ff.).

Erwägung 2

    2.- a) Die vom BAP erhobene Beschwerde richtet sich einzig gegen
Ziff. 1a/aa des Entscheides der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
wonach die Rechtshilfeleistung für Taten, die weiter als 7 1/2 Jahre
zurückliegen, wegen Eintritts der absoluten Verfolgungsverjährung in
Anwendung von Art. 5 Abs. 1 lit. c IRSG verweigert wird. Die übrigen
Punkte, die Gegenstand des zürcherischen Rekursverfahrens bildeten,
sind daher hier nicht nochmals zu prüfen. Festzustellen ist einzig,
dass sich nach Durchsicht der Akten ergibt, dass die Staatsanwaltschaft
gestützt auf das deutsche Ersuchen hinreichende Verdachtsmomente für das
Vorliegen eines Abgabebetruges im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG und
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hiezu (s. BGE 116 Ib 103, 115 Ib 71
ff., insb. 74 ff., mit Hinweisen) zu Recht bejaht hat und entsprechend die
anbegehrte Rechtshilfeleistung grundsätzlich zu Recht bewilligt worden ist.

    b) Die Staatsanwaltschaft erwog soweit hier wesentlich, es sei zu
berücksichtigen, dass gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. c IRSG einem Ersuchen nicht
entsprochen werde, soweit die Strafverfolgung nach schweizerischem Recht
wegen absoluter Verjährung ausgeschlossen wäre, wogegen die schweizerischen
Rechtshilfebehörden die Frage der relativen Verjährung nach schweizerischem
Recht oder der Verjährung nach dem Recht des ersuchenden Staates nicht
zu prüfen hätten. Für die Verfolgung von Abgabebetrug der in Frage
stehenden Art betrage die absolute Verjährungsfrist nach schweizerischem
Recht 7 1/2 Jahre. Bei den im vorliegenden Fall gegebenen Verhältnissen
sei somit Rechtshilfe für weiter als 7 1/2 Jahre zurückliegende Taten
ausgeschlossen. Insoweit die Zulässigkeit der Rechtshilfe gemäss Verfügung
der Bezirksanwaltschaft nicht auf Taten innert der letzten 7 1/2 Jahre
beschränkt werde, sei daher der Rekurs gutzuheissen.

    Das BAP weist zur Hauptsache darauf hin, das im vorliegenden Fall
anwendbare EÜR enthalte keine Bestimmung, welche die Unzulässigkeit der
Rechtshilfe für den Fall der Verjährung vorsehe. Ebenso sei eine solche
Bestimmung auch im Zusatzvertrag nicht enthalten. Es frage sich daher,
ob hier eine Lücke vorliege, die gemäss bisheriger Rechtsprechung und
allgemeinen Auslegungsprinzipien durch das dem Völkerrecht untergeordnete
Landesrecht zu füllen sei, oder ob es sich gar nicht um eine Lücke
handle. Bei der Abklärung dieser Frage sei zu berücksichtigen, dass das
Völkervertragsrecht vorgehe und die Anwendung des IRSG nicht zu Ergebnissen
führen dürfe, die dem Sinn und Zweck des EÜR zuwiderliefen (BGE 112 Ib
584 E. 2, 108 Ib 530 E. 2a). Demgemäss dürfe die Anwendung des IRSG nicht
zu einer weiteren Einschränkung der Rechtshilfeleistung führen, so dass
die Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 1 lit. c IRSG mehr als fraglich sei,
denn beim Fehlen einer Bestimmung zur Verjährung im EÜR handle es sich
eher um ein qualifiziertes Schweigen als um eine ausfüllungsbedürftige
Lücke. Zudem gehe das Völkerrecht dem in Art. 5 Abs. 1 lit. c IRSG
formulierten Verjährungsvorbehalt vor, selbst wenn dieser, was allerdings
nicht eindeutig feststehe, zum schweizerischen Ordre public gehören
würde. Die Frage der Verjährung nach schweizerischem Recht sei daher in
einem wie hier nach dem EÜR abzuwickelnden Rechtshilfeverfahren gar nicht
zu prüfen. Und selbst wenn die Frage der Verjährung bei der Prüfung der
beidseitigen Strafbarkeit miteinbezogen werden müsste, was allerdings
abzulehnen sei, so dürfte sie, als blosse Prozessvoraussetzung, nicht
zur Verweigerung der Rechtshilfe führen, da für die Zulässigkeit der
Rechtshilfeleistung nur die objektiven Tatbestandselemente zu prüfen seien,
während die subjektiven (Schuldfragen) und die Prozessvoraussetzungen
vom Sachrichter im ersuchenden Staat zu prüfen seien.

    Die Bezirksanwaltschaft Zürich hat sich den die Verjährungsfrage
betreffenden Ausführungen des BAP grundsätzlich angeschlossen. Sie hält
dafür, für diese Frage sollten im Geltungsbereich des EÜR einzig das Recht
und der Richter des ersuchenden Staates massgebend sein. Allerdings sei
zusätzlich zu berücksichtigen, dass es im vorliegenden Fall um Abgabebetrug
gehe. Bei Fiskaldelikten könne gemäss Art. 2 lit. a EÜR die Rechtshilfe
verweigert werden. In welchen Fällen die Schweiz dennoch Rechtshilfe
leiste, bestimme sich nach dem IRSG. Es stelle sich deshalb die Frage,
ob hier nicht eben doch Art. 5 Abs. 1 lit. c IRSG gelte.

    In ihrer im bundesgerichtlichen Verfahren erstatteten Vernehmlassung
weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, die Anwendung von Art. 5 Abs. 1
lit. c IRSG stütze sich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung gemäss
BGE 112 Ib 602 E. 13b. Abschliessend bestätigt sie die Erwägungen des
angefochtenen Entscheides.

Erwägung 3

    3.- Die Frage, welche Bedeutung der Verjährung in einem dem EÜR
unterstellten Rechtshilfeverfahren zukomme, bildete schon wiederholt
Gegenstand bundesgerichtlicher Verfahren, doch konnte sie bis anhin
offenbleiben (s. nicht publ. Urteile vom 15. Februar 1990 i.S. B., vom 8.
Februar 1990 i.S. K., vom 17. Januar 1990 i.S. S., vom 10. Januar 1989 i.S.
T.D., vom 4. Januar 1988 i.S. A. und vom 9. Juli 1987 i.S. H., zudem
nicht publ. E. 7 von BGE 115 Ib 68 ff. und nicht publ. E. 6 von BGE 114
Ib 357 ff.).

    Im Hinblick auf die Beurteilung dieser Frage ist zunächst auf den Stand
der Argumentation gemäss der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung
zu verweisen. Wie bereits etwa im erwähnten Urteil vom 17. Januar 1990
(E. 7a) ist von folgendem auszugehen: Das EÜR sieht in Art. 5 vor,
dass die Vertragsparteien die Erledigung von Rechtshilfeersuchen um
Durchsuchung oder Beschlagnahme von Gegenständen einer oder mehreren der
drei in Ziff. 1 lit. a-c der genannten Bestimmung vorgesehenen Bedingungen
unterwerfen können. Die Schweiz hat bei der Unterzeichnung des Abkommens
die Erklärung abgegeben, die Vollziehung eines Rechtshilfeersuchens, das
die Anwendung von Zwangsmassnahmen erfordere, von der in Art. 5 Ziff. 1
lit. a EÜR erwähnten Bedingung abhängig zu machen. Die Vollziehung
eines derartigen Ersuchens setzt gemäss dieser Erklärung voraus, dass
die ihm zugrundeliegende strafbare Handlung sowohl nach dem Recht des
ersuchenden Staates als auch nach dem des ersuchten Staates strafbar ist
(vgl. hiezu BGE 112 Ib 591 f. E. 11a; 99 Ia 88 f. E. 5a). In Verbindung
mit der Annahme, dass auch die Verjährung als Strafhinderungs- oder
Strafaufhebungsgrund ein Institut des materiellen Strafrechts sei
(so HANS SCHULTZ, Das Schweizerische Auslieferungsrecht, Basel 1953,
S. 341 f., und Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts,
Band I, 4. Aufl. Bern 1982, S. 24 f. und 251; offengelassen in BGE
105 IV 9 E. 1a), würde dieses in Art. 5 Ziff. 1 lit. a EÜR aufgestellte
Erfordernis der beidseitigen Strafbarkeit auch die Prüfung der Verjährung
mitumfassen. Einem Rechtshilfeersuchen, dessen Vollzug die Anwendung von
Zwangsmassnahmen bedingt, könnte demnach insoweit nicht entsprochen werden,
als für die in Frage stehenden Delikte nach schweizerischem Recht oder auch
nach dem Recht des ersuchenden Staates die Verjährung eingetreten wäre. Ob
eine solch weitgehende Berücksichtigung der Verjährung auch im Bereich der
"kleinen" Rechtshilfe angezeigt ist, erscheint aber insbesondere mit Blick
auf die von der Schweiz im Rahmen von Art. 5 Ziff. 1 EÜR getroffene Wahl
(lit. a anstatt lit. b oder c) sowie auf die Regelung im Europäischen
Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (SR 0.353.1) - Regelung
der Verjährung unabhängig von der Regelung der beidseitigen Strafbarkeit -
zweifelhaft, wie das Bundesgericht im genannten Urteil vom 10. Januar
1989 erwogen hat (E. 2b; zur Überprüfung des ausländischen Rechts im
allgemeinen vgl. auch BGE 112 Ib 593 f. E. 11b/ba). Übrigens ist - wie
regelmässig in den bilateralen Auslieferungsübereinkommen - auch in dem
zwischen den USA und der Schweiz abgeschlossenen neuen, am 14. November
1990 unterzeichneten Auslieferungsvertrag die Verjährungsfrage (Art. 5 des
Vertrages) unabhängig von der Frage der beidseitigen Strafbarkeit (Art. 2
des Vertrages) geregelt worden (BBl 1991 I 84 ff., insb. 94 und 96).

    Wie Art. 5 Ziff. 1 lit. a EÜR, so enthält auch die für Zwangsmassnahmen
die beidseitige Strafbarkeit voraussetzende Bestimmung von Art. 4 Ziff. 2
des zwischen der Schweiz und den USA über gegenseitige Rechtshilfe
in Strafsachen abgeschlossenen Übereinkommens vom 25. Mai 1973 (RVUS,
SR 0.351.933.6) keinen Hinweis auf die Verjährung, während das IRSG -
wie erwähnt - Zwangsmassnahmen ausschliesst, wenn nach schweizerischem
Recht die absolute Verjährung der Strafverfolgung oder -vollstreckung
eingetreten ist (Art. 5 Abs. 1 lit. c IRSG). CURT MARKEES (Internationale
Rechtshilfe in Strafsachen, SJK 423, S. 22) hält - allerdings ganz
allgemein, ohne ausdrückliche Erwähnung der Verjährungsregelung
gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. c IRSG - dafür, dass die Verbote des IRSG
"im Hinblick auf ihre zwingende Natur" auch gegenüber amerikanischen
Rechtshilfebegehren gelten sollen. Entsprechend vertritt LIONEL FREI
(Der Rechtshilfevertrag mit den USA und die Aufhebung geschützter
Geheimnisse, SJK 67, S. 32) die Auffassung, die Verjährung könne "in der
Tat" als Teil des schweizerischen Ordre public angesehen werden (s. auch
Botschaft des Bundesrates zum IRSG, BBl 1976 II 475, allerdings nicht
in bezug auf die "kleine" Rechtshilfe, sondern im Zusammenhang mit der
die Vollstreckung fremder Strafentscheide betreffenden Regelung (Art. 94
ff. IRSG)), weshalb die Rechtshilfe mit Zwangsmassnahmen gestützt auf
Art. 3 Ziff. 1 RVUS verweigert werden dürfe, wenn nach schweizerischem
Recht die absolute Verjährung erfolgt sei; das Rechtshilfegesetz diene
hier der Konkretisierung des Rechtshilfevertrages. Gleiches liesse sich
somit in Anbetracht von Art. 2 lit. b EÜR auch in bezug auf die von
der Schweiz für den Fall der Anwendung von Zwangsmassnahmen gewählte
Regelung des Art. 5 Ziff. 1 lit. a EÜR sagen. Denn jedenfalls gemäss
Art. 2 lit. b EÜR kann der ersuchte Staat die Rechtshilfe verweigern,
wenn er der Ansicht ist, die Erledigung des Ersuchens sei geeignet, "die
öffentliche Ordnung (Ordre public) oder andere wesentliche Interessen
seines Landes zu beeinträchtigen", womit - mangels Unterscheidung - nebst
dem internationalen wohl auch der nationale Ordre public gemeint ist (s.
VOGLER/WALTER/WILKITZKI, Kommentar zum IRG, 2. Aufl. Heidelberg 1989,
Teil III 2 (EÜR), S. 25 N. 8). Ob die Verjährung aber tatsächlich dem
(internationalen oder nationalen) Ordre public zuzurechnen ist, ist
zweifelhaft, wie auch das BAP festhält. Einerseits ist der schweizerischen
Rechtsordnung selber in verschiedenen Bereichen Unverjährbarkeit nicht
fremd, so zum Beispiel im Gebiete des Strafrechts (Art. 75bis StGB) oder
auch andernorts (s. Art. 149 Abs. 5 SchKG). Anderseits ist mit Blick
auf die Rechtsprechung und den Grossteil der Literatur festzustellen,
dass diese die elementaren verfassungs- und völkerrechtlichen Gebote des
Grundrechts- und Menschenrechtsschutzes bzw. die wesentlichen Grundlagen
der innerstaatlichen Rechts- und Gemeinschaftsordnung zum internationalen
bzw. nationalen Ordre public zählt, dabei aber die Verjährung nirgends
erwähnt wird (s. etwa BGE 115 Ib 87, 113 Ib 273, 112 Ib 346, 76 I 129;
SCHULTZ, aaO (Auslieferungsrecht), S. 239, und SCHULTZ, Das neue Schweizer
Recht der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen, in ZStW 96/1984,
S. 600; THEO VOGLER, Auslieferungsrecht und Grundgesetz, Berlin 1970,
S. 202 ff.; VOGLER/WALTER/WILKITZKI, aaO, Teil I A 2, § 73, S. 1 ff., und
Teil III 2, S. 25). Das EAÜ seinerseits und auch der zwischen der Schweiz
und der BRD hiezu abgeschlossene Zusatzvertrag vom 13. November 1969 (SR
0.353.913.61) enthalten keinen Vorbehalt des inländischen Ordre public,
so dass dieser einer Auslieferung nicht entgegenstehen könnte (BGE 112
Ib 346); wie erwähnt, steht aber gemäss der ausdrücklichen Regelung des
Art. 10 EAÜ die Verjährung nach dem Recht sowohl des ersuchenden als auch
des ersuchten Staates einer Auslieferung entgegen, wobei Art. IV Abs. 1
des Zusatzvertrages ergänzend bestimmt, dass für die Unterbrechung der
Verjährung allein die Vorschriften des ersuchenden Staates massgebend sind.

    In Anbetracht all dieser Aspekte gewinnt das Argument an Gewicht,
im Umstand, dass im EÜR anders als im EAÜ eine Bestimmung zur Verjährung
fehlt, sei eher ein qualifiziertes Schweigen als eine auslegungsbedürftige
Lücke zu erblicken. So finden sich auch in der Botschaft u.a. zum EAÜ
und EÜR bei den Ausführungen zum letztgenannten Übereinkommen nirgends
Hinweise, dass das in Art. 5 Ziff. 1 lit. a EÜR aufgestellte Erfordernis
der beidseitigen Strafbarkeit auch die Prüfung der Verjährung mitumfasse,
während bei den Ausführungen zum EAÜ klar zwischen den beiden je separat
geregelten Fragen der Verjährung und der beidseitigen Strafbarkeit
unterschieden wird (s. BBl 1966 I 457 ff., insb. 460, 473 ff., 478
ff.). Die das IRSG betreffende Botschaft ihrerseits fügt bei den
Ausführungen zu Art. 2-4 des Entwurfs zu dessen Art. 2 (= Art. 2 des
Gesetzes) lediglich bei, es erscheine als selbstverständlich, "dass diese
Beschränkungen nicht allein für die Auslieferung, sondern für alle Arten
von Zusammenarbeit in Strafsachen von Bedeutung sind" (BBl 1976 II 478
f.); jedoch enthalten diese Erläuterungen keinen Hinweis dafür, dass
die genannte Gemeinsamkeit auch die Verjährungsregelung selber, Art. 4
lit. c des Entwurfs (= Art. 5 Abs. 1 lit. c des Gesetzes), betreffen
soll. Ebenfalls daraus lässt sich somit nicht der Schluss ziehen, die
Verjährungsfrage sei ganz allgemein im Rahmen der "kleinen" Rechtshilfe
und damit auch nach dem dem EÜR unterstellten Rechtshilfeverkehr zu
berücksichtigen.

    Enthält das EÜR aber keine explizite Regelung der Verjährungsfrage
und ist eine solche Regelung nach dem Gesagten ganz allgemein im Lichte
der Zielsetzungen des EÜR auch auslegungsweise nicht naheliegend, so
darf das landesinterne Recht die Rechtshilfevoraussetzungen gegenüber
vorrangigem Vertragsrecht nicht erschweren, wohl aber erleichtern
(s. BGE 106 Ib 341 ff. und hiezu HANS SCHULTZ in ZBJV 118/1982 S. 52 f.;
HANS SCHULTZ, aaO, ZStW 96/1984, S. 598; zudem nicht publ. E. 1c von
BGE 115 Ib 68 ff. und nicht publ. E. 2 von BGE 115 Ib 193 ff., nicht
publ. Urteil des Bundesgerichts vom 7. Februar 1989 i.S. D.). Da das EÜR
als Völkervertragsrecht dem IRSG vorgeht (vgl. Art. 1 Abs. 1 IRSG), darf
die Anwendung des Gesetzes somit nicht zu Ergebnissen führen, die dem Sinn
und Zweck des EÜR widersprechen (BGE 112 Ib 584 E. 2, 108 Ib 530 E. 2a).

    Die Verjährungsfrage bei der "kleinen" Rechtshilfe jedenfalls gemäss
EÜR nicht bereits im Rechtshilfeverfahren selber zu berücksichtigen,
sondern erst durch den ausländischen Sachrichter nach dem Recht des
ersuchenden Staates prüfen zu lassen, ist im übrigen insbesondere
deswegen ohne weiteres vertretbar, weil die "kleine" Rechtshilfe - selbst
eine in deren Rahmen zu treffende Zwangsmassnahme - für die Betroffenen
regelmässig einen erheblich weniger schwer wiegenden Eingriff bedeutet als
die Auslieferung. Vor allem darf auch der Umstand nicht übersehen werden,
dass die Rechtshilfeleistung namentlich in komplexen Angelegenheiten, wie
sie häufig Gegenstand der "kleinen" Rechtshilfe bilden, vielfach selbst
der Entlastung der Betroffenen dienen und daher letztlich auch in deren
Interesse liegen kann.

    Hinzu kommt, dass in einem wie vorliegend sehr komplexen Fall mit
mehreren Teilnehmern bzw. Mittätern und einer über Jahre hinweg erfolgten
Delinquenz nur sehr schwierig festgestellt werden kann, welchem Teilnehmer
bzw. Mittäter welche Tathandlungen zuzuschreiben sind. Dies gilt um so
mehr, wenn sich die betreffenden Ermittlungshandlungen (häufig) erst in
einem frühen Stadium befinden. Entsprechend ist es in einem derartigen
Fall für den Rechtshilferichter auch nur sehr schwierig festzustellen,
für welchen Teilnehmer bzw. Mittäter für welchen Deliktsteil ab welchem
Zeitpunkt Verjährung bereits eingetreten ist. Demgegenüber ist bei der
Auslieferung regelmässig nur eine Person mit einer bereits detailliert
umschriebenen strafbaren Handlung zu beurteilen, so dass sich zumindest dem
Rechtshilferichter in einem solchen Fall die Prüfung der Verjährungsfrage
wesentlich einfacher darstellt als in den (immer häufiger werdenden)
komplexen Fällen von "kleiner" Rechtshilfe.

    In solchen Fällen von "kleiner" Rechtshilfe, die immer wieder
irgendwelche Teilnahme- oder Mittäterschaftsformen zum Gegenstand haben und
die sich oftmals in einem noch frühen Ermittlungsstadium befinden, hängt
die Beantwortung der Verjährungsfrage regelmässig von der Beantwortung
konkreter Tat- und Schuldfragen ab. Die Beurteilung dieser Fragen obliegt
aber nach bisheriger Rechtsprechung nicht dem Rechtshilferichter, sondern
dem ausländischen Sachrichter (s. etwa BGE 115 Ib 81 E. 3b/cc; FREI, aaO,
S. 15). Auch aus dieser Sicht drängt es sich daher auf, bei der Prüfung
der beidseitigen Strafbarkeit jedenfalls im Rahmen des nach dem EÜR
abzuwickelnden Rechtshilfeverkehrs wie bei der Prüfung der Strafbarkeit
gemäss Landesrecht (Art. 64 IRSG) einzig die objektiven und subjektiven
Tatbestandsmerkmale einzubeziehen (BGE 112 Ib 593 E. 11b/ba), ohne dabei
die besonderen Schuldformen und Strafbarkeitsbedingungen oder eben die
Strafhinderungs- und Strafaufhebungsgründe zu prüfen. Dies entspricht
übrigens auch der Regelung gemäss dem deutschen Rechtshilfegesetz
(s. VOGLER/WALTER/WILKITZKI, aaO, Teil I A 2, § 66, S. 9).

    Was schliesslich den Standpunkt der Bezirksanwaltschaft Zürich
in ihrer im bundesgerichtlichen Verfahren an die Staatsanwaltschaft
gerichteten Vernehmlassung anbelangt, ist festzustellen, dass zwar
der Hinweis auf Art. 2 lit. a EÜR zutrifft und ein Vertragsstaat die
Rechtshilfe u.a. bei Fiskaldelikten verweigern kann. In welchen Fällen
die Schweiz insoweit dennoch Rechtshilfe leistet, bestimmt sich nach dem
IRSG. Deswegen stellt sich für die Bezirksanwaltschaft die Frage, ob in
solchen Fällen nicht eben doch Art. 5 Abs. 1 lit. c IRSG gilt, wonach die
Gewährung von Rechtshilfe für absolut verjährte Taten ausgeschlossen ist,
sofern Zwangsmassnahmen anbegehrt werden. Art. 2 lit. a EÜR entsprechend
verweigert die Schweiz grundsätzlich Rechtshilfe für Fiskaldelikte
(Art. 3 Abs. 3 Satz 1 IRSG). Jedoch kann einem Ersuchen um Rechtshilfe
nach dem dritten Teil des Gesetzes entsprochen werden, wenn Gegenstand des
Verfahrens ein Abgabebetrug ist (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG). Liegen die
durch die Rechtsprechung aufgezeigten Voraussetzungen eines Abgabebetruges
vor (s. BGE 115 Ib 68 ff. mit Hinweisen), so kann es nicht mehr dem
Ermessen der schweizerischen Behörden überlassen sein, ob Rechtshilfe
zu gewähren sei oder nicht; der in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG enthaltene
Ausdruck "kann" bedeutet somit die Pflicht zur Rechtshilfeleistung im
Falle von Abgabebetrug, falls die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind
(BGE 111 Ib 248 E. 4c). Als Abgabebetrug ist nur zu verstehen, was nach
schweizerischer Auffassung als solcher gilt (BGE 116 Ib 103, 115 Ib 77
ff. E. 3b und c). Liegt gemäss schweizerischem Recht Abgabebetrug vor,
so sind dann aber gegenüber einem Vertragsstaat für die Beurteilung
der übrigen Rechtshilfevoraussetzungen wiederum in erster Linie die
vertraglichen Bestimmungen massgebend. Dabei Art. 5 Abs. 1 lit. c IRSG
einzig bei Abgabebetrug zum Tragen kommen zu lassen, erscheint im Lichte
der vorstehenden Ausführungen als nicht gerechtfertigt. Würde im übrigen
die Überlegung der Bezirksanwaltschaft konsequent weitergeführt, so wären
die von den an das EÜR gebundenen Staaten an die Schweiz gerichteten
Gesuche um Rechtshilfe wegen Abgabebetruges durchwegs nur noch nach
dem internen Recht und nicht mehr nach dem Vertragsrecht abzuwickeln.
Dies würde aber dem Sinn und Zweck des Vertragsrechts widersprechen.

    Demnach ergibt sich zusammenfassend, dass dem Verjährungseintritt im
Rahmen des dem EÜR unterstellten Rechtshilfeverkehrs (Übermittlung von
Beweismitteln) nicht Rechnung zu tragen ist. Diese Lösung gelangt aber
dann nicht zur Anwendung, wenn es um Rechtshilfemassnahmen geht, die im
EÜR nicht vorgesehen sind (z.B. Herausgabe von Gegenständen, Art. 74 IRSG)
und für die daher das IRSG selber massgebend ist (s. oben E. 1a).