Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IB 330



117 Ib 330

40. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 9. Oktober 1991 i.S. X. gegen Bundesamt für Polizeiwesen
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Rechtshilfe an die USA; Abschluss des Rechtshilfeverfahrens,
Art. 13 BG-RVUS; Ergänzungsersuchen, Anfechtbarkeit der diesbezüglichen
Bewilligungsverfügung.

    1. Ist weder gegen den Entscheid über die Zulässigkeit der Rechtshilfe
noch gegen den diesbezüglichen Vollzugsentscheid Einsprache erhoben worden
und sind durch die rechtshilfeweise herauszugebenden Unterlagen keine
Geheimnisse Dritter berührt, so ist die Zentralstelle USA gemäss Art. 13
BG-RVUS berechtigt, die betreffenden Vollzugsakten den amerikanischen
Behörden ohne weiteres herauszugeben (E. 3).

    2. Nachdem Zulässigkeits- und Vollzugsentscheid in bezug auf das Haupt-
und ein erstes Ergänzungsersuchen unangefochten geblieben und daher in
Rechtskraft erwachsen sind, können Rügen, die schon gegen die betreffenden
Entscheide möglich gewesen wären, nicht erst im Rahmen des aufgrund eines
weiteren Ergänzungsersuchens nötigen Rechtshilfeverfahrens erhoben werden
(E. 4).

Sachverhalt

    A.- Am 14. Dezember 1990 ersuchte das Office of International Affairs
des US Department of Justice die Zentralstelle USA des Bundesamtes für
Polizeiwesen (BAP) mit einem zweiten Ergänzungsersuchen der Antitrust
Division (Middle Atlantic Office) Philadelphia vom 11. Dezember 1990
um Rechtshilfe für ein dort gegen X. hängiges Strafverfahren wegen
falscher Zeugenaussage unter Eid (perjury before the Federal Grand Jury in
Philadelphia; Meineid gemäss Ziff. 25 der Liste des Rechtshilfevertrages
mit den USA [RVUS, SR 0.351.933.6]). Das Grundersuchen vom 12. März 1990
sowie dessen erste Ergänzung wurden bereits im Verlaufe des Jahres 1990
erledigt. Gegen die entsprechenden Anordnungen über die Zulässigkeit der
Rechtshilfe wurden keine Rechtsmittel eingelegt.

    Ziel des zweiten Ergänzungsbegehrens ist es, nach Verwertung der
bisher von der Schweiz rechtshilfeweise erhaltenen Unterlagen die volle
Tragweite des laut Ersuchen falschen Zeugnisses des Angeschuldigten zu
erfassen. Durch den Beizug weiterer Bankunterlagen soll festgestellt
werden, ob und in welchem Zeitraum X. in der Schweiz Bankkonten
unterhielt, deren Existenz er in seiner Zeugenaussage vor dem US-Richter
gänzlich in Abrede stellte.

    Von der ersuchenden Behörde liegt die formelle Bestätigung vor,
dass die Erkenntnisse aus den zu liefernden Unterlagen ausschliesslich
im Zusammenhang mit der Strafverfolgung von X. wegen Meineides verwendet
werden und in kein anderes Verfahren - etwa zur Durchsetzung der Antitrust-
bzw. Kartellgesetze - eingebracht werden. Diese Bestätigung erfolgte
zusätzlich zu den Bestimmungen von Art. 2 und Art. 5 RVUS.

    Mit Verfügung vom 9. Januar 1991 gelangte die Zentralstelle USA
bei der Prüfung des zweiten Ergänzungsersuchens zum Ergebnis, es seien
sämtliche formellen und materiellen Erfordernisse zur Gewährung der
Rechtshilfe erfüllt. Entsprechend traf sie die nötigen Anordnungen für
die Ausführung des Ersuchens im Kanton Zürich.

    Gegen diese Zulässigkeitsverfügung vom 9. Januar 1990 erhob
X. Einsprache. Diese wurde mit Entscheid der Zentralstelle USA vom
22. März 1991 abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte.

    Am 23. April 1991 erhob X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das
Bundesgericht, mit der er - soweit hier wesentlich - beantragt, die
Verfügung vom 9. Januar 1991 und der ihr zugrundeliegende Entscheid
über die Gewährung der Rechtshilfe seien aufzuheben; die im zweiten
Ergänzungsersuchen der USA vom 11. Dezember 1990 verlangte Rechtshilfe
sei zu verweigern.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Art. 13 BG-RVUS regelt den Abschluss des Rechtshilfeverfahrens
im Verhältnis mit den USA. Erachtet die ausführende Behörde die
Rechtshilfehandlungen als abgeschlossen, so übermittelt sie die Akten der
Zentralstelle. Diese prüft die Ordnungsmässigkeit und Vollständigkeit
der Ausführung und weist die Akten nötigenfalls zur Ergänzung an die
ausführende Behörde zurück (Abs. 1). Sind Einsprachen hängig oder berühren
die erhobenen Beweise Geheimnisse Dritter (Art. 10 Abs. 2 RVUS), so teilt
die Zentralstelle den Berechtigten mit, dass sie innerhalb von zehn Tagen
gegen die Übermittlung der Vollzugsakten Einsprache erheben können, sofern
sie dazu noch nicht Gelegenheit hatten (Art. 13 Abs. 2 BG-RVUS). Nach
Abs. 3 dieser Bestimmung kann die Zentralstelle die Vollzugsakten
ohne weiteres den amerikanischen Behörden übermitteln, wenn (a) keine
Geheimnisse Dritter berührt sind oder die Frist zur Einsprache abgelaufen
ist und wenn (b) keine Einsprache erhoben worden oder alle Einsprachen
rechtskräftig erledigt sind. Nur dann, wenn diese Voraussetzungen von
Abs. 3 nicht erfüllt, hat die Zentralstelle nach Abs. 4 eine Verfügung zu
treffen, ob und in welchem Umfang oder in welcher Gestalt die Vollzugsakten
zu übermitteln sind (s. auch LIONEL FREI, Der Rechtshilfevertrag mit den
USA und die Aufhebung geschützter Geheimnisse, SJK 67a, S. 72).

    b) aa) In der den Beschwerdeführer betreffenden Rechtshilfesache
entsprach die Zentralstelle USA dem ersten, vom 12. März 1990 datierten
Ersuchen des amerikanischen Justizdepartements am 24. April 1990. Der
Beschwerdeführer als Betroffener erhob weder gegen den Entscheid über
die Zulässigkeit der Rechtshilfe noch gegen den Vollzugsentscheid der
Bezirksanwaltschaft Einsprache (Art. 16 BG-RVUS) bzw. Rekurs (§ 404
StPO/ZH). Deshalb und weil die rechtshilfeweise erhobenen Unterlagen
keine Geheimnisse Dritter berührten, war die Zentralstelle USA gemäss
der soeben zitierten Bestimmung des Art. 13 BG-RVUS berechtigt, die
Vollzugsakten den amerikanischen Behörden ohne weiteres zu übermitteln,
was denn auch mit Überweisung vom 24. Juli 1990 geschah.

    Am 16. August 1990 traf beim BAP hinsichtlich derselben Angelegenheit
ein erstes Ergänzungsersuchen der amerikanischen Behörden ein. Dieses
Ersuchen zeigte auf, dass die Erkenntnisse aus dem inzwischen erledigten
Grundersuchen im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen falscher
Zeugenaussage verwendet wurden und dass weitere Angaben aus der Schweiz
erforderlich waren, um das gesamte Ausmass der angeblich falschen Aussagen
des Beschuldigten zu umgrenzen. Namentlich wurde die Schweiz in diesem
Ersuchen gebeten, betreffend das vom Beschwerdeführer verschwiegene Konto
Z. verschiedene, im einzelnen genannte Unterlagen rechtshilfeweise zu
beschaffen ...

    Nach Eingang der durch die Zentralstelle USA gewünschten
Präzisierungen durch die ersuchende Behörde wurde auch diese
Rechtshilfe bewilligt. Hiergegen ging wiederum keine Einsprache beim
BAP ein, so dass auch das betreffende erste Ergänzungsersuchen durch die
Bezirksanwaltschaft Zürich vollzogen werden konnte. Auch die diesbezügliche
Vollzugsanordnung blieb unangefochten. Dem BAP wurden in Erledigung des
ersten Ergänzungsersuchens verschiedene von einer Bank herausgegebene
Unterlagen übermittelt ...

    Der zuständige Bezirksanwalt stellte dem BAP gemäss Art. 12 Abs. 1
BG-RVUS den Antrag, auf den erhobenen Unterlagen den Depotwert auf dem
Abrechnungsschreiben vom 18. Mai 1987 (Valuta-Datum) abzudecken. Da mit
dem Ersuchen nicht Angaben über den Wert des fraglichen Depots verlangt
wurden, sondern nur Angaben darüber, ob und wann der Beschwerdeführer
Konten in der Schweiz besass, entsprach die Zentralstelle dem Antrag und
entfernte die Wertangabe aus dem Beleg.

    Während des Vollzugs des Begehrens (also des ersten
Ergänzungsersuchens) verhandelte der Beschwerdeführer mit der
Bezirksanwaltschaft Zürich informell über die Abdeckung weiterer
Informationen in den obgenannten Dokumenten. Insbesondere ging es ihm
offenbar darum, das für die vom Konto Z. abgehobenen Gelder bestimmte
Zielkonto A. aus den Akten zu entfernen. Diesbezüglich vertraten
die Vollzugsbehörden die zutreffende Auffassung, dass Gegenstand des
Rechtshilfebegehrens der Vorwurf falschen Zeugnisses bilde und dass damit
die Frage verbunden war, ob der Beschuldigte am 17. Mai 1989 wider besseres
Wissen angegeben hatte, dass er weder zum Zeitpunkt seiner Aussage noch zu
irgendeinem andern Zeitpunkt ein Schweizer Bankkonto gehalten habe. Angaben
in den Unterlagen, die aufgrund des amerikanischen Ersuchens erhoben
wurden ("Documentation of account closing") und genau die genannte Frage -
und damit eben auch den Auftrag des Beschwerdeführers zur Schliessung des
Kontos Z. und den Transfer auf das Konto A. - betrafen, konnten und durften
im Lichte des staatsvertraglichen Anspruchs der ersuchenden Behörde,
die verlangte Rechtshilfe bei als erfüllt zu erachtenden Voraussetzungen
geleistet zu erhalten, nicht abgedeckt werden, wie die Zentralstelle USA
in der angefochtenen Verfügung zu Recht ausgeführt hat.

    Davon, es seien beim Vollzug des ersten Ergänzungsbegehrens mehr
Unterlagen, als nötig gewesen oder verlangt worden seien, herausgegeben und
damit der Verhältnismässigkeitsgrundsatz oder das - vom Beschwerdeführer
zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäss ebenfalls angerufene -
Übermassverbot (s. hiezu BGE 115 Ib 375 f.) verletzt worden, kann unter den
aufgezeigten Umständen nicht die Rede sein. Entsprechend haben denn auch
die auf die Aufsichtsbeschwerde und Strafanzeige des Beschwerdeführers
hin erfolgten Untersuchungen durch das EJPD und die Bundesanwaltschaft
keine Unregelmässigkeiten oder Fehler bei der Herausgabe der fraglichen
Unterlagen ergeben, wie den - für das vorliegende Verfahren zwar nicht
verbindlichen, aber dennoch schlüssigen - Einstellungsverfügungen des
Departements bzw. der Bundesanwaltschaft zu entnehmen ist.

    bb) Da wiederum weder gegen die Zulässigkeitsverfügung der
Zentralstelle USA Einsprache noch gegen die Vollzugsverfügung der
Bezirksanwaltschaft Rekurs erhoben worden war und durch die fraglichen
Dokumente keinerlei Geheimnisse Dritter berührt wurden, durfte das BAP die
Unterlagen auch im Rahmen des ersten Ergänzungsersuchens ohne weiteres,
d.h. ohne separate Weiterleitungsverfügung gemäss Art. 13 Abs. 4 BG-RVUS,
der ersuchenden Behörde herausgeben (Art. 13 Abs. 3 BG-RVUS), was am
16. November 1990 geschah. Bei den gegebenen Verhältnissen mussten
die Vollzugsbehörden nicht weiter auf die ausserhalb eines förmlichen
Einsprache- bzw. Rekursverfahrens erfolgten Vorstösse des Anwaltes des
Beschuldigten eingehen.

    Daran vermag der Einwand des Beschwerdeführers nichts zu ändern,
er habe erst nach der Weiterleitung der Unterlagen vom Umfang der
effektiven Weiterleitung Kenntnis erhalten. Schon gestützt auf die
Zulässigkeitsverfügung der Zentralstelle USA und dann nochmals gestützt
auf die darauf beruhende Vollzugsverfügung der Bezirksanwaltschaft
Zürich konnte der Beschwerdeführer zweifellos abschätzen, was das
(erste) Ergänzungsersuchen bezweckte, nämlich eine "Documentation of
account closing", wozu in Anbetracht des dem Ersuchen zugrundeliegenden
Sachverhaltes selbstverständlich auch Angaben über das Schicksal des
Wertschriftendepots Z. und die Übertragung des Depotwertes auf das
Konto A. gehörten. Entsprechend musste dem Beschwerdeführer auch die
Bedeutung der genannten Verfügungen klar sein. Wenn er diese nicht
hätte akzeptieren wollen, so hätte er sie gemäss den ihnen beigefügten
Rechtsmittelbelehrungen anfechten und sich gegen die Rechtshilfeleistung
rechtzeitig wehren können. Dass er dies unterliess, hat er sich selber
zuzuschreiben.

    Die Übermittlung der fraglichen Unterlagen erfolgte demnach
entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht illegal, sondern im
Einklang mit den massgebenden staatsvertraglichen und bundesrechtlichen
Bestimmungen. Von Rechtsverweigerung oder Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör kann nach dem Gesagten nicht die Rede sein.

    cc) Dem Beschwerdeführer vermag auch die Berufung auf andere Verfahren
(so i.S. Marcos) nicht zu helfen, in denen bei der rechtshilfeweisen
Übermittlung von Dokumenten Fehler festzustellen waren, die es zu
korrigieren galt. Jene Verfahren waren anders gelagert als der vorliegende
Fall, indem z.B. - anders als hier - die Interessen unbeteiligter Dritter
mitzuberücksichtigen waren (s. BGE 115 Ib 192 f. E. 4).

Erwägung 4

    4.- Hätte somit der Beschwerdeführer bereits sowohl die Zulässigkeits-
als auch die Vollzugsverfügungen in bezug auf das Grund- und das
erste Ergänzungsersuchen anfechten können, so kann er die Rügen, die
ihm bereits damals möglich gewesen wären, nicht erst im vorliegenden
Verfahren anbringen (vgl. BGE 116 Ib 91 f. E. 1b mit Hinweisen; s. auch
nicht publ. Urteile des Bundesgerichts vom 31. Januar 1991 i.S. H. und
vom 6. Oktober 1987 i.S. N.), das nach dem Gesagten einzig noch das
zweite Ergänzungsersuchen betrifft. Auf das Ansinnen, sowohl in bezug
auf das Grund- als auch in bezug auf das erste Ergänzungsersuchen seien
die Rechtshilfevoraussetzungen nochmals zu überprüfen, ist daher nicht
weiter einzugehen.

    Entsprechend kann es im vorliegenden Verfahren nicht darum gehen,
die Frage der Zulässigkeit der Rechtshilfe dem Grundsatze nach neu zu
beurteilen; denn diese Frage bildete bereits Gegenstand der genannten,
unangefochten gebliebenen und daher in Rechtskraft erwachsenen
Verfügungen betreffend das Grund- und das erste Ergänzungsersuchen. Zu
prüfen sind - soweit auf die früheren Verfügungen nicht vorstehend (E. 3)
zurückgekommen werden musste - nur noch diejenigen Rügen, die das zweite
Ergänzungsersuchen selber betreffen. Doch erweisen sich auch diese Rügen
als unbegründet ...