Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IB 266



117 Ib 266

34. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 22. Juli 1991 i.S. Stätzerhorn Ski- und Sessellift AG gegen
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Art. 24 Abs. 1 RPG; Standortgebundenheit für Personalzimmer in einem
Bergrestaurant.

    Ein zonenfremdes, aber standortgebundenes Restaurant begründet noch
keine Standortgebundenheit für Angestelltenzimmer. Zu prüfen ist vielmehr,
ob der vorgesehene Wohnraum für die ordnungsgemässe Bewirtschaftung
des Restaurants notwendig ist (E. 2). Das Bundesgericht verneint die
Standortgebundenheit (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Stätzerhorn Ski- und Sessellift AG ist Eigentümerin des
1987/88 neu erstellten Bergrestaurants "Alp Stätz" in der Gemeinde
Churwalden, das 500 Sitzplätze im Gebäudeinnern und 300 Terrassensitzplätze
umfasst. Gegenstand des seinerzeitigen Baugesuchs waren unter anderem eine
Zweizimmerwohnung für das Betriebsleiterehepaar und zehn Doppelzimmer für
Angestellte. Später richtete die Bauherrin in einem ehemaligen Abstellraum
fünf zusätzliche Personalzimmer ein, ohne dafür eine Bewilligung eingeholt
zu haben; zudem wandelte sie ein für Angestellte vorgesehenes Zimmer in
ein Büro um.

    Am 5. April 1990 verweigerte das Departement des Innern und der
Volkswirtschaft Graubünden dem von der Bauherrin nachträglich gestellten
Baugesuch für die neuen Personalzimmer wegen fehlender Standortgebundenheit
die Zustimmung. Den gegen diese Verfügung erhobenen Rekurs wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden am 4. Juli 1990 ab.

    Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 Abs. 1 RPG kann erteilt
werden, wenn der Zweck der Baute einen Standort ausserhalb der Bauzonen
erfordert (lit. a) und wenn dem Vorhaben keine überwiegenden Interessen
entgegenstehen (lit. b). Diese beiden Voraussetzungen müssen kumulativ
erfüllt sein (BGE 116 Ib 230 E. 3 mit Hinweisen).

    a) Die Standortgebundenheit darf nach der bundesgerichtlichen
Praxis nur dann bejaht werden, wenn eine Baute aus technischen oder
betriebswirtschaftlichen Gründen oder wegen der Bodenbeschaffenheit
auf einen Standort ausserhalb der Bauzonen angewiesen ist. Dabei
beurteilen sich die Voraussetzungen nach objektiven Massstäben, und es
kann weder auf die subjektiven Vorstellungen und Wünsche des Einzelnen
noch auf die persönliche Zweckmässigkeit oder Bequemlichkeit ankommen
(BGE 116 Ib 230 E. 3a). Das Bergrestaurant der Beschwerdeführerin
wurde im Jahre 1987 gestützt auf Art. 24 Abs. 1 RPG bewilligt. Bauten,
die einem zonenfremden, aber standortgebundenen Betrieb dienen und aus
technischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen notwendig sind, werden
ausserhalb der Bauzonen grundsätzlich als standortgebunden anerkannt
(vgl. unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 4. April 1985
i.S. Raguth, E. 5; vgl. auch BGE 115 Ib 302 E. d). Dies bedeutet jedoch
nicht, dass alle dem Hauptbetrieb dienenden Bauten und Anlagen zulässig
wären. Erforderlich ist ein besonderes betriebswirtschaftliches oder
technisches Bedürfnis, diese Bauten und Anlagen am vorgesehenen Ort zu
erstellen, und zwar in der geplanten Dimension (BGE 111 Ib 217 E. 3b
mit Hinweisen; unveröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 7. Mai
1987 i.S. Keel, E. 3a und vom 9. April 1987 i.S. Marty, E. 4). In diesem
Sinne begründet der rechtmässige Bestand eines Restaurants an sich noch
keine Standortgebundenheit für Angestelltenzimmer. Es ist vielmehr zu
prüfen, ob diese Unterkünfte für eine ordnungsgemässe Bewirtschaftung
des Restaurants erforderlich sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass
Wohnraum für das Personal eines standortgebundenen Restaurantbetriebs
gemäss bundesgerichtlicher Praxis nur dann bewilligt werden kann, wenn
die nächste Wohnzone weit entfernt und schwer erreichbar ist (erwähnte
Urteile i.S. Marty, E. 4 und i.S. Raguth, E. 5).

    b) Aus den Akten ergibt sich, dass im Restaurant der Beschwerdeführerin
neben dem Betriebsleiterehepaar, das über eine eigene Wohnung verfügt,
gegenwärtig 30 Angestellte tätig sind. Im Jahre 1987 wurden zehn
Doppelzimmer für Angestellte bewilligt. Das Verwaltungsgericht hält
dazu fest, die Beschwerdeführerin könne gut die Hälfte bis zwei Drittel
des Personals im Betrieb selber unterbringen. In einem Bergrestaurant
könne Wohnraum für die Angestellten nur dann bewilligt werden, wenn die
nächste Wohnzone weit entfernt und schwer erreichbar sei. Die Distanz zur
nächsten Wohnzone betrage indessen nur knapp einen Kilometer und der Weg
von der Wohnzone bis zum Restaurant könne mit einem Fussmarsch von 20-30
Minuten bewältigt werden. Das Restaurant sei auch mit der Sesselbahn der
Beschwerdeführerin (wiederum in Verbindung mit einem Fussmarsch von 20-30
Minuten) erreichbar. Bei diesen Verhältnissen sei es ohne weiteres möglich
und zumutbar, einen Teil des Restaurantpersonals in den in den Bauzonen
gelegenen Wohnungen unterzubringen. Für eine ständige Anwesenheit des
gesamten Personals sprächen auch keine zwingenden betriebsorganisatorischen
Gründe. Da lediglich die zur Öffnung und Schliessung des Bergrestaurants
notwendigen Personen jederzeit anwesend sein müssten, reiche es aus,
wenn die Hälfte bis zwei Drittel der Angestellten zur rechten Zeit an Ort
und Stelle sei. Dies werde durch den vorhandenen Wohnraum ohne weiteres
gewährleistet. Aus diesen Gründen verneinte das Verwaltungsgericht die
Standortgebundenheit der zusätzlichen Personalzimmer.

    Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Sie stimmen mit der
dargelegten bundesgerichtlichen Rechtsprechung überein. Zudem hat das
Bundesgericht bereits früher in ähnlich gelagerten Fällen festgehalten, bei
geringer Distanz zur nächsten Wohnzone sei es ohne weiteres möglich, dass
ein erheblicher Teil des Restaurantpersonals täglich zwischen den Wohnungen
und dem Arbeitsplatz hin- und herpendle (erwähnte Urteile i.S. Marty, E. 4b
und i.S. Raguth, E. 5b; ebenso i.S. Keel, E. 3). Die Beschwerdeführerin
bringt indessen gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts verschiedene
Einwände vor, auf die nachfolgend einzugehen ist.

Erwägung 3

    3.- a) Als erstes macht die Beschwerdeführerin geltend, die Einführung
der Fünftagewoche und die Arbeitszeitverkürzung für die Angestellten
hätten bereits eine Personalaufstockung erforderlich gemacht. Würde nun
von den Angestellten erwartet, dass sie täglich wenigstens eine Stunde
Fussmarsch zurückzulegen hätten, wäre ihnen diese Wegzeit mit Sicherheit
an die Arbeitszeit anzurechnen, weshalb noch zusätzliches Personal
notwendig würde. Dieser Einwand geht fehl. Aus der Arbeitszeitregelung
lässt sich nicht ableiten, die Wegzeit sei auf die Arbeitszeit
anzurechnen. Dass eine solche Anrechnung schon bisher erfolgte, macht die
Beschwerdeführerin nicht geltend. Es erscheint keineswegs als zwingend,
dass die Beschwerdeführerin zusätzliches Personal rekrutieren muss, wenn
sie ihre Angestelltenunterkünfte nicht erweitern darf. Abgesehen davon,
könnte aus einem erhöhten Personalaufwand nicht geschlossen werden,
die strittigen Unterkünfte seien standortgebunden.

    b) Die Beschwerdeführerin weist weiter darauf hin, dass
dort, wo die Angestellten ihren Fussmarsch antreten müssen, keine
öffentlichen Parkplätze vorhanden sind und dass auch keine öffentlichen
Verkehrsmittel dorthin führen. Indessen tut sie nicht dar, dass der
Arbeitsweg ihrer Angestellten deswegen unzumutbar lang würde. Auch
die von der Beschwerdeführerin erwähnten organisatorischen Probleme
des Personentransports mit Pistenfahrzeugen sowie der angeblich höhere
Verbrauch an Treibstoff können die Standortgebundenheit für zusätzliche
Angestelltenzimmer nicht begründen, da dadurch ein betriebswirtschaftliches
Bedürfnis für diese Zimmer nicht ausgewiesen wird.

    c) An sich verständlich ist, dass die Beschwerdeführerin dem Wunsch
einiger Angestellten nach einem Einzelzimmer entgegenkommen und deshalb
die bewilligten Doppelzimmer nur mit einer Person belegen möchte. Dieser
Umstand wie auch die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin ein Zimmer in
ein Büro umgestaltet hat, genügen aber nicht, um das Ausbauvorhaben als
standortgebunden erscheinen zu lassen.

    d) Das gleiche gilt für die laut Beschwerdeschrift zu erwartende
künftige Vergrösserung des Personalbestandes auf 36 Arbeitnehmer. Auch
nach einer solchen Aufstockung würden die bewilligten zehn Doppelzimmer
immer noch ausreichen, um gut die Hälfte der Angestellten unterzubringen.

    e) Weiter macht die Beschwerdeführerin geltend, durch den Einbau
der umstrittenen fünf Personalzimmer habe die Gebäudekubatur keine
Ausweitung erfahren; nach aussen träten neu lediglich kleine Fenster in
Erscheinung. Die wichtigen Anliegen der Raumplanung blieben so gewahrt. Die
Beschwerdeführerin verkennt indessen, dass das grundsätzliche Bauverbot
ausserhalb der Bauzonen nicht allein ästhetischen Zwecken dient, sondern
- wie im angefochtenen Entscheid zutreffend bemerkt - auch den Sinn hat,
Wohnnutzungen in den raumplanerisch nicht dafür bestimmten Gebieten auf
das absolute Minimum zu beschränken (EJPD/BRP, Erläuterungen zum RPG,
Bern 1981, N 1 zu Art. 24).

    f) Schliesslich beruft sich die Beschwerdeführerin auf das
Rechtsgleichheitsgebot. Sie habe vor Verwaltungsgericht auf drei
Vergleichsfälle hingewiesen, bei denen Unterkünfte für einen wesentlich
höheren Anteil des Personals bewilligt worden sei. Das Verwaltungsgericht
führt dazu aus, abgesehen davon, dass die drei Fälle nicht einschlägig
seien, könne daraus kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht
abgeleitet werden. Diesen Erwägungen ist in dem Sinne zuzustimmen, als das
Bundesgericht an eine bundesrechtswidrige Praxis der Kantone nicht gebunden
wäre. Im Interesse der Durchsetzung einer zentralen und ausserordentlich
wichtigen Vorschrift des Bundesrechts muss es Ansprüche auf gesetzwidrige
Begünstigung verweigern und der gesetzeskonformen Rechtsanwendung zum
Durchbruch verhelfen können (BGE 116 Ib 235 E. 4 mit Hinweisen).

    g) Zusammenfassend ergibt sich, dass die von der Beschwerdeführerin
erhobenen Einwände nicht geeignet sind, die Erwägungen des
Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen. In Übereinstimmung mit diesen
Erwägungen ist daher die Standortgebundenheit für fünf zusätzliche
Angestelltenzimmer zu verneinen. Unter diesen Umständen braucht nicht
mehr geprüft zu werden, ob einer allfälligen Bewilligung überwiegende
Interessen im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG entgegenstehen.