Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IB 220



117 Ib 220

28. Auszug aus dem Beschluss der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 3. Juli 1991 i.S. St. gegen Regierungsrat des Kantons Luzern
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Fristwahrung bei der Leistung von Kostenvorschüssen (Art. 32 Abs. 3
OG).

    Bei der Benützung des Sammelauftragsdienstes der PTT gilt die Frist zur
Leistung eines Kostenvorschusses als eingehalten, wenn als Fälligkeitsdatum
auf dem Datenträger spätestens der letzte Tag der vom Bundesgericht
festgesetzten Frist bestimmt und der Datenträger innerhalb dieser Frist
der schweizerischen Post übergeben wurde (Änderung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- Am 5. Juni 1990 reichte St. gegen einen Entscheid
des Regierungsrates des Kantons Luzern vom 24. April 1990
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht ein. Dieses forderte
St. auf, bis spätestens am 25. Juni 1990 zur Sicherstellung der
mutmasslichen Gerichtskosten einen Vorschuss von Fr. 2'500.--
zu bezahlen. St. erteilte den Zahlungsauftrag am 19. Juni 1990 der
Luzerner Kantonalbank in Sursee. Die Bank belastete ihm den Betrag von
Fr. 2'500.-- am Freitag, 22. Juni 1990. Zur Vergütung benutzte sie den
Sammelauftragsdienst der PTT und übergab den Datenträger gleichentags der
Post. Als Fälligkeitsdatum gab sie den Montag, 25. Juni 1990, an. Der
Datenträger traf bei der Generaldirektion PTT am Montag, 25. Juni 1990,
vor 09.00 Uhr ein. Da eine Verarbeitung am Montag nicht mehr möglich war,
wurde der Betrag dem Postcheck-Konto der Bundesgerichtskasse erst am
Dienstag, 26. Juni 1990, gutgeschrieben.

    Am 10. Juli 1990 lud der Präsident der I. öffentlichrechtlichen
Abteilung des Bundesgerichts St. zu einer Stellungnahme ein. Dieser
beantragte, es sei festzustellen, dass die Zahlung des Kostenvorschusses
rechtzeitig erfolgt sei; eventuell sei die Frist gemäss Art. 35 OG
wiederherzustellen.

    Da die I. öffentlichrechtliche Abteilung hinsichtlich der Frage der
Rechtzeitigkeit der Überweisung des Kostenvorschusses eine Praxisänderung
beabsichtigte, fand am 25. Juni 1991 in Anwendung von Art. 16 OG eine
Plenarsitzung mit den Richtern sämtlicher Abteilungen des Bundesgerichts
sowie des Eidgenössischen Versicherungsgerichts statt.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Behandlung eines Gesuches nach Art. 35 OG setzt die Versäumung
einer Frist voraus. Zu prüfen ist daher vorab, ob der Kostenvorschuss
verspätet einbezahlt wurde.

Erwägung 2

    2.- a) Der Beschwerdeführer hat am 19. Juni 1990, somit 6 Tage
vor Ablauf der vom Bundesgericht festgesetzten Frist, die Luzerner
Kantonalbank mit der Bezahlung des Kostenvorschusses beauftragt. Diese
hat den Datenträger am Freitag, 22. Juni 1990, erstellt und am gleichen
Tag der Post übergeben. Als Fälligkeitsdatum hat sie den 25. Juni 1990
angegeben. Der Datenträger traf jedoch erst am Montag, 25. Juni 1990,
bei der Generaldirektion der PTT in Bern ein, was zur Gutschrift auf dem
Konto der Bundesgerichtskasse am 26. Juni 1990 führte.

    Das Bundesgericht hat sich bisher verschiedentlich mit gleich
oder ähnlich gelagerten Fällen auseinandersetzen müssen. In einem
grundsätzlichen Urteil hat es dazu festgehalten, beim herkömmlichen
Giromandat sei nach der Rechtsprechung die Frist zur Leistung des
Kostenvorschusses in sinngemässer Anwendung von Art. 32 Abs. 3 OG
eingehalten, wenn der entsprechende Überweisungsauftrag spätestens
am letzten Tag der Frist der schweizerischen Post übergeben werde. Die
Aufgabe des Giromandates werde somit der direkten Zahlung am Postschalter
gleichgestellt. Der Grund hiefür liege darin, dass einerseits die Post
die Gutschrift sofort vornehmen könne, anderseits aber der Auftraggeber
den Tag der Gutschrift weder bestimmen noch zuverlässig berechnen
könne. Demgegenüber könne der Teilnehmer am Sammelauftragsdienst den
Tag der Gutschrift selber festlegen (Art. 133d der Verordnung (1) zum
Postverkehrsgesetz, PVV, SR 783.01), womit er die Möglichkeit habe zu
bestimmen, auf welchen Zeitpunkt er den geforderten Kostenvorschuss
erbringen wolle. Dieser wesentliche Unterschied bei der Benützung des
Sammelauftragsdienstes habe zur Folge, dass die Fristwahrung an andere
Voraussetzungen zu knüpfen sei als beim herkömmlichen Giromandat.
Erforderlich sei dabei, dass der Vorschusspflichtige oder dessen
Vertreter als Fälligkeitsdatum spätestens den letzten Tag der verfügten
Frist einsetze; zudem habe er den Datenträger der Post so rechtzeitig
zu übergeben, dass die Gutschrift auf dem Empfängerkonto nach dem
ordentlichen postalischen Gang spätestens am bezeichneten Tag noch
erfolgen könne (BGE 110 V 220; 114 Ib 68; Handbuch der PTT-Betriebe zum
SAD-Sammelauftragsdienst, Ziff. 2.2., S. 10).

    Diese Rechtsprechung, an welcher dem Grundsatz nach festgehalten wird,
ist für Fälle wie dem vorliegenden zu ändern. In den beiden angeführten
publizierten und in den meisten unveröffentlichten Entscheiden des
Bundesgerichts hatte der Beschwerdeführer resp. die von ihm beauftragte
Bank auf dem Datenträger als Fälligkeitsdatum einen Tag bestimmt,
der nach Ablauf des vom Bundesgericht festgesetzten Termins lag. Im
Gegensatz dazu hat in der hier zur Diskussion stehenden Sache die Bank
den letzten Tag der bundesgerichtlichen Frist, somit den richtigen Tag,
als Fälligkeitsdatum angegeben und zudem den Datenträger vor Ablauf
dieser Frist der schweizerischen Post übergeben. In einem solchen Fall
ist die Zahlung als rechtzeitig zu erachten, selbst wenn die Gutschrift
auf dem Konto der Bundesgerichtskasse nach dem ordentlichen postalischen
Gang am letzten Tag der Frist nicht mehr möglich ist, sondern in einem
späteren Zeitpunkt erfolgt. Diese Änderung der Rechtsprechung steht
nicht im Widerspruch zu der in BGE 110 V 220 eingeleiteten Praxis,
die damit begründet ist, nur diese - in jenem Entscheid dargelegte -
Lösung könne in befriedigender Weise verhindern, dass der Auftraggeber
die Zahlung nach Bedarf oder Gutdünken mehr oder weniger weit über die
gesetzte Frist hinaus verzögern könne. Wird nun aber inskünftig bei der
Benützung des Sammelauftragsdienstes verlangt, dass als Fälligkeitsdatum
auf dem Datenträger spätestens der letzte Tag der vom Bundesgericht
festgesetzten Frist bestimmt und der Datenträger innerhalb dieser
Frist der schweizerischen Post übergeben werden muss, besteht diese
Gefahr der Verzögerung nicht. Der Beschwerdeführer kann unter diesen
Umständen - entgegen der in BGE 110 V 220 geäusserten Befürchtung -
weder das Fälligkeitsdatum noch den Tag der Postaufgabe des Datenträgers
frei wählen. Sofern der Kostenvorschuss mit dem Sammelauftragsdienst in
der oben dargelegten Weise bezahlt wird, ist er als fristgerecht geleistet
zu betrachten. Anders verhält es sich natürlich, wenn beispielsweise der
Datenträger, der innerhalb der angesetzten Frist der Post übergeben wird,
ein falsches, d.h. verspätetes Fällligkeitsdatum enthält oder wenn die
Postaufgabe nach dieser Frist erfolgt. Unter diesen Umständen wäre der
Kostenvorschuss nach wie vor als verspätet geleistet zu betrachten.