Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IA 90



117 Ia 90

17. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25.
Januar 1991 i.S. X. gegen Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh.
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 88 OG; Art. 2 und 10 des Gesetzes des Kantons Appenzell A.Rh. über
das Gesundheitswesen; Art. 4 und 31 BV. Legitimation zur staatsrechtlichen
Beschwerde. Rechtliches Gehör.

    1. Legitimation: Rechtlich geschütztes Interesse bei Berufung auf
ein spezielles Grundrecht und auf das Willkürverbot (E. 2).

    2. Wenn die Zulassung zur Ausübung eines Medizinalberufs grundsätzlich
den Inhabern eidgenössischer Diplome vorbehalten ist, kann sich der
Bewerber um eine ausschliesslich im öffentlichen Interesse vorgesehene
Ausnahmebewilligung nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen
(E. 3).

    3. Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen formeller
Rechtsverweigerung bei Fehlen der Legitimation in der Sache (E. 4).

    4. Gehörsanspruch: Kein Recht auf Stellungnahme bezüglich eines bloss
verwaltungsinternen Dokuments (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Grundsätzlich lässt der Kanton Appenzell A.Rh. Zahnärzte zur
uneingeschränkten Ausübung dieser Berufstätigkeit nur zu, wenn sie
das eidgenössische Diplom erworben haben (Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes
vom 25. April 1965 über das Gesundheitswesen; GG). Wenn jedoch ein
Mangel an eidgenössisch diplomierten Zahnärzten besteht, kann der
Regierungsrat Personen, die an einer in- oder ausländischen Hochschule
ein dem eidgenössischen Diplom gleichwertiges Fähigkeitszeugnis erworben
haben und sich über eine ausreichende Praxis ausweisen, den eidgenössisch
diplomierten Medizinalpersonen gleichstellen (Art. 2 Abs. 2 GG). Daneben
gibt es kantonal approbierte Zahnärzte (Art. 10 GG), die alle Befugnisse
eines Zahnarztes ausüben können mit Ausnahme amtlicher Verrichtungen
im Sinne von Art. 4 GG, der Behandlung von Kieferkrankheiten und der
Verschreibung rezeptpflichtiger Heilmittel (Art. 10ter GG). Gemäss der
1986 revidierten Fassung von Art. 10 Abs. 1 GG wird die Bewilligung zur
Ausübung des Zahnarztberufes als kantonal approbierter Zahnarzt nur noch
nach erfolgreicher Ablegung einer Prüfung erteilt.

    Nach erfolgreichem Universitätsstudium in den Vereinigten Staaten
Amerikas promovierte der Schweizer Bürger X. 1986 zum Doktor der
Zahnmedizin. Zur Zeit ist er in eigener Praxis im Staate New York tätig.

    Mit Eingabe vom 22. Mai 1989 an das Sanitätssekretariat beantragte
X., er sei den eidgenössisch diplomierten Zahnärzten gleichzustellen,
eventualiter sei ihm zu bewilligen, den Zahnarztberuf im Kanton
Appenzell A.Rh. prüfungsfrei als kantonal approbierter Zahnarzt
selbständig auszuüben, subeventuell sei er zur Prüfung gemäss Art. 10 GG
zuzulassen. Da zur Behandlung des Hauptantrages der Regierungsrat auf
Antrag der Sanitätskommission und zur Behandlung der Eventualanträge
die Sanitätskommission zuständig waren, bat er um Weiterleitung an die
zuständigen Behörden. Gleichzeitig ersuchte er, es sei ihm Gelegenheit
zu geben, zum Antrag der Sanitätskommission Stellung zu nehmen.

    Mit Beschluss vom 25. Juli 1989 verfügte der Regierungsrat, dem Gesuch
um Gleichstellung mit den Medizinalpersonen, d.h. dem Hauptantrag der am
22. Mai 1989 an das Sanitätssekretariat gerichteten Eingabe, werde nicht
stattgegeben. Dagegen erhob X. am 13. September 1989 staatsrechtliche
Beschwerde.

    Am 28. August 1989 gelangte X. mit einem neuen Gesuch bzw. einem
Wiederaufnahmebegehren oder Wiedererwägungsgesuch an den Regierungsrat. Den
Beschluss des Regierungsrates, auf das Wiederaufnahmegesuch werde nicht
eingetreten und das neue Gesuch betreffend Gleichstellung werde abgelehnt,
focht er mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 6. Dezember 1989 an.

    Eine weitere staatsrechtliche Beschwerde erhob X. am 2. Januar 1990
gegen den Beschwerdeentscheid des Regierungsrates betreffend kantonale
Approbation.

    Der Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. schliesst auf Abweisung
der staatsrechtlichen Beschwerden.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Das Bundesgericht prüft die Legitimation des Beschwerdeführers
frei und von Amtes wegen (BGE 115 Ib 508; 114 Ia 223 E. 1b, 330
E. 2b). Nach Art. 88 OG steht das Recht zur Beschwerdeführung Bürgern
(Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die
sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse
oder Verfügungen erlitten haben. Gemäss ständiger Rechtsprechung kann
mit staatsrechtlicher Beschwerde lediglich die Verletzung in rechtlich
geschützten eigenen Interessen gerügt werden (BGE 115 Ia 78 E. 1c; 114 Ia
311 E. 3b; 113 Ia 349 mit Hinweisen). Zur Verfolgung bloss tatsächlicher
Interessen wie auch zur Geltendmachung allgemeiner öffentlicher Interessen
ist die staatsrechtliche Beschwerde nicht gegeben (BGE 115 Ia 78 E. 1c).

    b) Die eigenen Interessen des Beschwerdeführers, der sich auf ein
spezielles Grundrecht beruft, können durch die Bundesverfassung selber
rechtlich geschützt sein, sofern die Interessen auf dem Gebiet liegen,
welches die angerufene Verfassungsbestimmung beschlägt (BGE 105 Ia 45
E. 1a).

    Nach ständiger Rechtsprechung verschafft dagegen das allgemeine
Willkürverbot, das bei jeder staatlichen Verwaltungstätigkeit nach
Art. 4 Abs. 1 BV zu beachten ist, für sich allein dem Betroffenen keine
geschützte Rechtsstellung im Sinne von Art. 88 OG. Die Legitimation zur
Willkürbeschwerde besteht nur, wenn das Gesetzesrecht, dessen willkürliche
Anwendung gerügt wird, dem Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch einräumt
oder den Schutz seiner beeinträchtigten Interessen bezweckt (BGE 110 Ia
75 E. 2a; 107 Ia 184 E. 2a mit Hinweisen).

Erwägung 3

    3.- a) Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Handels- und
Gewerbefreiheit und verlangt Gleichstellung mit den eidgenössisch
diplomierten Zahnärzten bzw. Zulassung als kantonal approbierter
Zahnarzt. Ferner rügt er die Verletzung des Willkürverbotes.

    b) Der Beschwerdeführer kann sich grundsätzlich auf die Handels-
und Gewerbefreiheit berufen, um als Zahnarzt tätig zu sein. Gemäss
Art. 31 Abs. 2 BV bleiben aber kantonale Bestimmungen über die Ausübung
von Handel und Gewerben vorbehalten. Den Kantonen steht es nach Art. 33
BV insbesondere frei, die Ausübung wissenschaftlicher Berufsarten von
einem Fähigkeitsausweis abhängig zu machen. Dabei ist auf dem Wege der
Bundesgesetzgebung dafür zu sorgen, dass derartige Ausweise für die ganze
Eidgenossenschaft gültig erworben werden können.

    Der Kanton Appenzell A.Rh. hat in Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes vom
25. April 1965 über das Gesundheitswesen (Gesundheitsgesetz, GG; bGS 811.1)
von seiner Befugnis, grundsätzlich nur eidgenössisch diplomierte Zahnärzte
als Medizinalpersonen anzuerkennen, Gebrauch gemacht. Diese kantonale
Regelung wird vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt. Sie bedeutet,
dass der Beschwerdeführer, der kein eidgenössisches Zahnarztdiplom besitzt,
im Kanton Appenzell A.Rh. grundsätzlich nicht als Medizinalperson tätig
sein kann.

    Art. 2 Abs. 2 GG gibt indessen dem Regierungsrat die Möglichkeit, vom
Erfordernis des eidgenössischen Diploms abzusehen, um auch in einer Notlage
die medizinische Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können.

    Das heisst allerdings nicht, dass sich der Beschwerdeführer für
die Anwendung dieser Bestimmung auf die Handels- und Gewerbefreiheit
berufen kann. Die Kantone sind nämlich nicht verpflichtet, eine solche
Ausnahmebestimmung zu erlassen, und diese selbst dient im Gegensatz zu
andern Kannvorschriften in keiner Weise der Berücksichtigung privater
Interessen. Mit Art. 2 Abs. 1 GG hat der kantonale Gesetzgeber einen
aus der Handels- und Gewerbefreiheit fliessenden Rechtsanspruch
nicht eidgenössisch Patentierter auf die Zulassung als ordentliche
Medizinalpersonen ausgeschlossen. Art. 2 Abs. 2 GG bezweckt allein, den
Behörden zu ermöglichen, im öffentlichen Interesse vom Erfordernis des
eidgenössischen Diploms abzusehen. Da Art. 2 Abs. 2 GG dem Beschwerdeführer
weder einen Rechtsanspruch einräumt, noch den Schutz seiner Interessen
bezweckt, ist die Legitimation zur Willkürbeschwerde ebenfalls zu
verneinen.

    Auf die staatsrechtlichen Beschwerden vom 13. September 1989
und 6. Dezember 1989 betreffend Gleichstellung mit den eidgenössisch
diplomierten Zahnärzten ist daher - unter Vorbehalt von E. 4 hienach -
nicht einzutreten.

    c) Gemäss Art. 10 GG lässt der Kanton Appenzell A.Rh. auch kantonal
approbierte Zahnärzte zu. Der Beschwerdeführer kann sich für die Zulassung
unter diesem Titel auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen, wobei
gegebenenfalls auch die Anwendung des kantonalen Rechts - bei schweren
Eingriffen frei, bei leichten Eingriffen auf Willkür - zu prüfen ist. Die
Legitimation zur Beschwerde betreffend kantonale Approbation ist daher
gegeben. Da auch die übrigen formellen Voraussetzungen erfüllt sind,
ist auf die staatsrechtliche Beschwerde vom 2. Januar 1990 einzutreten.

Erwägung 4

    4.- a) Hinsichtlich Gleichstellung mit den Medizinalpersonen kann
der Beschwerdeführer trotz fehlender Legitimation in der Sache selbst
die Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen, deren Missachtung
eine formelle Rechtsverweigerung darstellt (BGE 115 Ia 79 E. 1d; 114
Ia 312 E. 3c; 113 Ia 250 E. 3). Das nach Art. 88 OG erforderliche,
rechtlich geschützte Interesse ergibt sich in solchen Fällen nicht
aus einer Berechtigung in der Sache, sondern aus einer Berechtigung am
kantonalen Verfahren. Eine solche besteht dann, wenn dem Beschwerdeführer
im kantonalen Verfahren Parteistellung zukommt. Dieser kann mit der
staatsrechtlichen Beschwerde die Verletzung jener Parteirechte rügen, die
ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund von Art.
4 BV zustehen.

    Der Beschwerdeführer, der in der Sache nicht berechtigt ist, dem
aber im kantonalen Verfahren Parteistellung zukam, kann beispielsweise
geltend machen, auf ein Rechtsmittel sei zu Unrecht nicht eingetreten
worden, er sei nicht angehört worden, habe keine Gelegenheit erhalten,
Beweisanträge zu stellen, oder er habe nicht Akteneinsicht nehmen können.

    Hingegen kann er weder die Würdigung der beantragten Beweise noch
die Tatsache, dass seine Anträge wegen Unerheblichkeit oder aufgrund
vorweggenommener Beweiswürdigung abgelehnt wurden, rügen (BGE 114 Ia 313 E.
3c). Gleich verhält es sich hinsichtlich der Rüge, eine Begründung sei
mangelhaft bzw. die Behörde habe sich nicht genügend mit den Argumenten
des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Die Beurteilung dieser Fragen
kann nämlich nicht von der Prüfung der Sache selber getrennt werden; auf
eine solche hat der in der Sache selbst nicht Legitimierte keinen Anspruch.

    b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich folgendes: Auf die
staatsrechtliche Beschwerde vom 6. Dezember 1989 kann auch hinsichtlich
der vorgebrachten formellen Rügen, die Begründung sei ungenügend und
der Regierungsrat habe sich mit den Argumenten des Beschwerdeführers
nicht auseinandergesetzt, nicht eingetreten werden. Hingegen ist auf die
staatsrechtliche Beschwerde vom 13. September 1989 einzutreten, soweit
damit eine formelle Rechtsverweigerung gerügt wird.

Erwägung 5

    5.- In der Beschwerde vom 13. September 1989 wird geltend gemacht,
der Gehörsanspruch sei dadurch verletzt worden, dass der Regierungsrat
dem Gesuchsteller keine Möglichkeit gegeben habe, zum Antrag der
Sanitätskommission bezüglich des Gleichstellungsgesuches Stellung zu
nehmen.

    a) Der Umfang des Gehörsanspruchs wird zunächst durch die kantonalen
Verfahrensvorschriften bestimmt; erst wo sich dieser Rechtsschutz als
ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden
bundesrechtlichen Minimalgarantien Platz. Da der Beschwerdeführer nicht
behauptet, kantonale Verfahrensvorschriften seien verletzt worden, ist
einzig und zwar mit freier Kognition zu prüfen, ob unmittelbar aus Art. 4
BV folgende Regeln missachtet wurden (BGE 115 Ia 10 E. 2a; 114 Ia 98 E. 2).

    b) Das Recht auf Akteneinsicht und Äusserung besteht dann,
wenn es sich um ein beweiserhebliches Dokument und nicht bloss um
ein verwaltungsinternes Papier handelt (BGE 113 Ia 288 E. 2d). Zu
prüfen ist somit, welcher Natur der Antrag der Sanitätskommission im
Gleichstellungsverfahren ist.

    Über das Gleichstellungsgesuch entscheidet nicht die
Sanitätskommission, sondern auf deren Antrag hin der Regierungsrat. Gemäss
Art. 3 Abs. 1 der Verordnung vom 8. Dezember 1986 zum Gesundheitsgesetz
(GVO; bGS 811.11) ist es Aufgabe der Sanitätskommission, der
Sanitätsdirektion in allen Fragen der öffentlichen Gesundheitspflege und
der Medizinalpolizei beratend zur Seite zu stehen. Vorsitzender der sieben
Mitglieder zählenden Sanitätskommission ist denn auch der Sanitätsdirektor
(Art. 2 GVO). Der Sanitätsdirektion selber obliegt, unter der Oberaufsicht
des Regierungsrates, die Leitung des Gesundheitswesens (Art. 1 GVO). Unter
diesen Umständen dient der Bericht der Sanitätskommission der internen
Vorbereitung des Regierungsratsentscheides. Dass der Regierungsrat
entgegen dem Gesuch des Beschwerdeführers diesen nicht zur Stellungnahme
zum Antrag eingeladen hat, kann daher nicht beanstandet werden.