Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IA 81



117 Ia 81

14. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Januar 1991 i.S.
Actimon SA gegen Central Bank of Libya (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste

    Zulässigkeit der Staatsvertragsbeschwerde (Art. 84 Abs. 1 lit. c OG).

    Die Staatsvertragsbeschwerde ist unzulässig, wenn die behauptete
Rechtsverletzung mit der Berufung gerügt werden kann. Das ist bei einer
berufungsfähigen Streitsache auch dann der Fall, wenn geltend gemacht wird,
der angefochtene Entscheid verletze öffentlichrechtliche Bestimmungen
eines Staatsvertrags bzw. Regeln des Völkergewohnheitsrechts.

Sachverhalt

    A.- Die Actimon SA stellte am 2. Februar 1984 beim Einzelrichter im
summarischen Verfahren am Bezirksgericht Zürich gegen den libyschen
Staat für eine Forderung von Fr. 460'593.20 nebst Zinsen ein
Arrestbegehren. Unter anderem verlangte sie auch die Arrestierung von
Vermögenswerten, die auf den Namen der Central Bank of Libya lauten.
Insoweit wurde das Begehren abgewiesen. Das Obergericht des Kantons
Zürich wies jedoch den Einzelrichter mit Entscheid vom 30. April 1984
an, den Arrest auch bezüglich der auf den Namen der Central Bank
of Libya lautenden Vermögenswerte zu bewilligen. Am 30. April 1984
erliess der Einzelrichter einen entsprechenden Arrestbefehl, worauf
bei der schweizerischen Nationalbank Wertschriften, lautend auf die
Central Bank of Libya, im Betrag von Fr. 620'000.-- mit Arrest belegt
wurden. Gegen den Arrestbefehl erhob die Sozialistische Libysche Arabische
Volks-Jamahiriya staatsrechtliche Beschwerde, wobei sie sich namentlich auf
ihre völkerrechtliche Immunität berief und geltend machte, Vermögenswerte
der Central Bank of Libya könnten nicht Gegenstand eines Arrestes sein,
da sie zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben bestimmt seien. Mit Entscheid
vom 24. April 1985 wies das Bundesgericht die staatsrechtliche Beschwerde
ab, soweit darauf einzutreten war.

    Da die Central Bank of Libya die mit Arrest belegten Werte zu Eigentum
angesprochen hatte, erhob die Actimon SA Klage auf Aberkennung dieses
Anspruchs, die vom Obergericht des Kantons Zürich in zweiter Instanz mit
Urteil vom 28. September 1990 abgewiesen wurde. Gegen dieses Urteil hat die
Actimon SA neben einer Berufung und einer kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde
gestützt auf Art. 84 Abs. 1 lit. c OG die vorliegende staatsrechtliche
Beschwerde erhoben. Sie ersucht um Erteilung der aufschiebenden Wirkung. -
Vernehmlassungen zur Beschwerde sind nicht eingeholt worden.

    Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 84 Abs. 2 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde
nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie
durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer andern
Bundesbehörde gerügt werden kann. Gegenstand des Prozesses zwischen den
Parteien bildet die Frage, ob die mit Arrest belegten Vermögenswerte
Eigentum der Beschwerdegegnerin und nicht der Arrestschuldnerin sind und
deshalb aus dem Arrestbeschlag entlassen werden müssen. Es liegt somit
eine Zivilrechtsstreitigkeit vor, die - obwohl es sich um ein blosses
Zwischenverfahren im Rahmen der Arrestbetreibung handelt - grundsätzlich
der Berufung unterliegt, wenn der erforderliche Streitwert gegeben ist,
wie dies hier zutrifft (BGE 93 II 437, 86 III 137; vgl. z.B. BGE 114 II
45 ff., 102 III 165 ff.). Nach Art. 43 Abs. 1 OG kann mit der Berufung
geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid beruhe auf Verletzung
des Bundesrechts mit Einschluss der durch den Bund abgeschlossenen
völkerrechtlichen Verträge. Dabei erfasst der Begriff des Bundesrechts
nicht nur das private, sondern auch das öffentliche Recht des Bundes,
und zwar auch solches, das in Staatsverträgen enthalten ist. In einzelnen
Urteilen ist freilich ausgeführt worden, es könne mit der Berufung nur
die Verletzung von privatrechtlichen Bestimmungen von Staatsverträgen
gerügt werden (BGE 98 II 90, 81 II 79). Eine solche Einschränkung
findet indessen im Gesetz keine Stütze und lässt sich namentlich auch
nicht aus dem Wortlaut von Art. 84 Abs. 1 lit. c OG (zum Sinn dieser
Bestimmung vgl. BGE 114 Ia 200 ff.) ableiten. Wenn dort gesagt wird,
die Staatsvertragsbeschwerde sei bei Verletzung von zivilrechtlichen
Bestimmungen von Staatsverträgen unzulässig, so will dies nicht heissen,
bei Verletzung von öffentlichrechtlichen Bestimmungen von Staatsverträgen
stehe die Staatsvertragsbeschwerde unabhängig von Art. 84 Abs. 2 OG auch
in berufungsfähigen Fällen zur Verfügung (Botschaft des Bundesrates,
BBl 1943 S. 118; GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 3. Aufl., S. 545
Anm. 21; POUDRET, N 1.2.3 und 1.3.1 zu Art. 43 OG). Das Bundesgericht
ist denn auch nicht nur auf Berufungen eingetreten, mit denen die
Verletzung von staatsvertraglichen Gerichtsstandsbestimmungen - die an
sich dem öffentlichen Recht angehören - gerügt wurde (BGE 111 II 62 ff.,
110 II 56 E. 1a, 99 II 279 E. 1), sondern auch auf solche, die andere
öffentlichrechtliche Bestimmungen eines Staatsvertrags bzw. Regeln des
Völkerrechts betrafen. So wurde beispielsweise in BGE 105 II 57 ff. E. 3 im
Rahmen eines Berufungsverfahrens die Rüge der Verletzung von - klarerweise
öffentlichrechtlichen - Bestimmungen des Freihandelsabkommens zwischen
der Schweiz und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geprüft, und in
BGE 110 II 255 wurde auf eine Berufung eingetreten, in der aufgrund der
allgemeinen Lehren über die Staatenimmunität zu beurteilen war, ob das
Arbeitsverhältnis eines Botschaftsangestellten mit einer ausländischen
Botschaft in der Schweiz der schweizerischen Gerichtsbarkeit unterliege.

Erwägung 2

    2.- Im vorliegenden Fall stellt sich die Beschwerdeführerin auf
den Standpunkt, es ergebe sich aus dem Völkergewohnheitsrecht, das dem
Staatsvertragsrecht gleichzusetzen sei, dass die Beschwerdegegnerin
nicht als selbständige, vom libyschen Staat getrennte juristische Person
angesehen werden dürfe. Sollte sich dem Völkergewohnheitsrecht tatsächlich
eine solche Regel entnehmen lassen, was hier nicht zu untersuchen ist,
so könnte deren Verletzung nach dem Gesagten mit der Berufung gerügt
werden. Die staatsrechtliche Beschwerde ist daher ausgeschlossen.