Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IA 497



117 Ia 497

75. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5.
Dezember 1991 i.S. R. gegen Gemeinde Oberschrot und Staatsrat des Kantons
Freiburg (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV; Anspruch auf rechtliches Gehör.

    Findet nach einer Plankorrektur eine nochmalige Planauflage statt,
so wird der Anspruch betroffener Grundeigentümer auf rechtliches Gehör
grundsätzlich nicht verletzt (E. 2a).

    Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art 22ter BV; gerichtliche Überprüfung von
Zonenplänen, die von einer Gemeindeexekutive erlassen wurden.

    Der Kognitionsbeschränkung des Bundesgerichtes hinsichtlich der
Sachverhaltsüberprüfung kommt vorliegend keine Bedeutung zu, da sich
aufgrund des Augenscheins und der Instruktionsverhandlung ergibt, dass der
Sachverhalt, soweit er für die Beurteilung der fraglichen Zonierungsfrage
erheblich ist, nicht bestritten ist (E. 2c und d). Die richterliche
Zurückhaltung bei der Beurteilung des Planungsermessens widerspricht
Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht (E. 2e).

Sachverhalt

    A.- R. ist Eigentümer der Grundstücke Art. Nr. 412aa, 607, 608, 609
und 610, alle Grundbuch Oberschrot. Die letztgenannten vier Parzellen
hatte er von Grundstück Nr. 412aa abparzellieren lassen. Sie grenzen an
das heute überbaute Quartierplangebiet "Sahli" an, waren jedoch zu keiner
Zeit einer Bauzone zugeteilt.

    Im Zuge der Ausarbeitung einer den Anforderungen des Bundesrechts und
des kantonalen Rechts entsprechenden Ortsplanung legte der Gemeinderat
Oberschrot einen neuen Zonenplan öffentlich auf. Nach diesem Plan
lagen die Grundstücke Art. Nr. 607-610 in der Wohnzone mit schwacher
Besiedlungsdichte. Gegen diese Erweiterung des Quartierplangebietes
"Sahli" erhoben angrenzende Liegenschaftseigentümer Einsprache. Bei der
Prüfung ihrer Einwendungen stellte der Gemeinderat im Anschluss an eine
mit den Einsprechern durchgeführte Verhandlung fest, dass die Grundstücke
Art. Nr. 607-610 vom Gemeindeplaner irrtümlich einer Wohnzone zugewiesen
worden seien. Der Gemeinderat ordnete die Korrektur des Fehlers an, ohne
R. hievon Kenntnis zu geben. Doch legte der Gemeinderat den bereinigten
Zonenplan neu öffentlich auf. Gemäss korrigiertem Plan liegen die
Grundstücke Art. Nr. 607-610 in der Landwirtschaftszone.

    R. erhob gegen diese Zuweisung seiner Grundstücke Einsprache. Der
Gemeindevertreter orientierte ihn hierauf an einer Einspracheverhandlung
über den dem Planer der Gemeinde unterlaufenen Fehler und legte dar, dass
der Gemeinderat schon im Jahre 1988 beschlossen hatte, den schützenswerten
Hügelzug "Uf der Egg", zu welchem die Parzellen von R. gehören, nicht
weiter überbauen zu lassen. Einzig im Fall der Erben D. sei entsprechend
deren Begehren eine Ausnahme gemacht worden. Zu Gunsten deren Parzellen
hatte R. ein Wegrecht eingeräumt, nach seiner Darstellung allerdings nur
in der Meinung, dass auch seine Parzellen Art. Nr. 607-610 der Bauzone
zugewiesen würden.

    Der Staatsrat des Kantons Freiburg genehmigte am 6. Juli 1990 den
Zonenplan und wies das Begehren von R. um Einweisung seiner Parzellen in
eine Bauzone ab.

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragte R., der Beschluss des
Staatsrates sei aufzuheben. Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab,
soweit darauf einzutreten war.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Der Beschwerdeführer bringt vor, im kantonalen Verfahren
sei sein verfassungsmässiger Anspruch auf rechtliches Gehör
verletzt worden. Hinsichtlich des Anspruches auf rechtliches Gehör im
Zusammenhang mit der Festsetzung von Nutzungsplänen hat das Bundesgericht
entschieden, wenn ein Antrag auf Umzonung einer Parzelle erstmals in der
Gemeindeversammlung gestellt werde, könne ohne Verletzung des Anspruches
auf rechtliches Gehör auf eine nochmalige Planauflage verzichtet werden,
wenn sich der betroffene Grundeigentümer vor der Beschlussfassung an
der Versammlung habe äussern können und wenn davon auszugehen sei,
dass dieser sich nicht unvorbereitet mit dem betreffenden Antrag habe
auseinandersetzen müssen (BGE 111 Ia 166 ff. E. 2b). Vorliegend hat der
Gemeinderat den am 30. September 1988 aufgelegten Zonenplan aufgrund von
Einwendungen Dritter geändert, ohne den Beschwerdeführer zuvor anzuhören.

    Auch wenn es angebracht gewesen wäre, dem Beschwerdeführer von den
Einsprachen, die seine Grundstücke betroffen haben, Kenntnis zu geben
und ihn an die mit den Einsprechern geführte Verhandlung einzuladen,
so ist doch festzuhalten, dass der Gemeinderat das in Art. 80 des
kantonalen Raumplanungs- und Baugesetzes vom 9. Mai 1983 (RPBG)
vorgesehene Einspracheverfahren eingehalten hat. Dem Beschwerdeführer
ist auch nicht die Möglichkeit genommen worden, seinen Standpunkt
dem Gemeinderat darzulegen. Zufolge der Plankorrektur wurde der
bereinigte Zonennutzungsplan am 3. Februar 1989 erneut öffentlich
aufgelegt. Der Beschwerdeführer konnte somit Einsprache erheben und
sich mit der Auffassung des Gemeinderates, die ihm ausserdem an einer
Einspracheverhandlung vom Vertreter der Gemeinde mündlich erläutert wurde,
auseinandersetzen. Der Vorwurf, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei
verletzt worden, wäre nur begründet, wenn der Gemeinderat die Plankorrektur
im Bereiche der Liegenschaften des Beschwerdeführers vorgenommen hätte,
ohne eine nochmalige Planauflage anzuordnen und ohne dem Beschwerdeführer
Gelegenheit zu geben, seinen Standpunkt vorzutragen.

    Nachdem dem Beschwerdeführer aber Gelegenheit geboten worden ist,
im Rahmen der zweiten Planauflage seinen Standpunkt darzulegen, ist
nicht einzusehen, inwiefern ihm durch die vom Gemeinderat angeordnete
Plankorrektur im Hinblick auf den Anspruch auf rechtliches Gehör ein
Rechtsnachteil entstanden sein soll. Der Vorwurf, der Anspruch auf
rechtliches Gehör sei verletzt worden, ist somit unbegründet.

    b) Der Beschwerdeführer beruft sich in diesem Zusammenhang darauf,
er habe zugunsten der Parzellen D. (Art. Nr. 685 und 686) auf dem ihm
gehörenden Strassengrundstück "Sahli" ein Wegrecht nur in der Meinung
begründet, seine Liegenschaften Art. Nr. 607-610 würden in eine Bauzone
eingewiesen. Dies habe er aufgrund des am 30. September 1988 aufgelegten
Planes annehmen dürfen.

    Ein solcher Zusammenhang ist aktenmässig nicht belegt. Einzig die
zeitliche Abfolge der Wegrechtsgewährung und der ersten Planauflage
bzw. der ersten Einspracheverhandlung könnte für die Auffassung des
Beschwerdeführers sprechen. Doch ist das Wegrecht vorbehaltlos gewährt
worden. Auch hat der Gemeinderat dem Beschwerdeführer keine Zusicherung
auf Einzonung seiner Grundstücke erteilt; der Beschwerdeführer macht
dies auch nicht geltend. Im übrigen müsste ein Zusammenhang zwischen der
Einräumung eines Wegrechtes für die Überbauung der beiden Parzellen D. und
der Einzonung der an der oberen Begrenzung des Quartiers "Sahli" gelegenen
Grundstücke des Beschwerdeführers als planerisch nicht sachgerecht
bezeichnet werden. Allenfalls hätte der Gemeinderat aufgrund seiner
Verantwortung für die Erschliessung der von der Gemeinde ausgeschiedenen
Wohnbauzonen die nötigen Schritte einleiten müssen, um die Erschliessung
der Parzellen D. auch gegen den Willen des Beschwerdeführers herbeizuführen
(Art. 5 des eidgenössischen Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes
vom 4. Oktober 1974, SR 843 (WEG); Art. 19 des Bundesgesetzes über die
Raumplanung vom 22. Juni 1979, SR 700 (RPG); Art. 22 der Verordnung über
die Raumplanung vom 2. Oktober 1989, SR 700.1 (RPV); Art. 86 ff. RPBG).

    c) Der Beschwerdeführer begehrt, das Bundesgericht möge seine
Beschwerde in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht frei prüfen,
um die von Art. 6 Ziff. 1 EMRK geforderte gerichtliche Überprüfung
sicherzustellen. Diese Forderung kann sich nur auf die Rechte des
Beschwerdeführers beziehen, somit auf die Frage, ob aus tatsächlichen
oder rechtlichen Gründen ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Einzonung
seiner Grundstücke in eine Bauzone besteht. In diesem Zusammenhang ist
auf den Entscheid des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte über
einen von einer Gemeindeexekutive erlassenen Bebauungsplan hinzuweisen,
welcher für einen Grundeigentümer Beschränkungen der Überbaubarkeit seiner
Parzelle bewirkte; der Gerichtshof hat in diesem Urteil die Bestimmung
von Art. 6 Ziff. 1 EMRK für anwendbar erklärt (Urteil MATS JACOBSSON vom
28. Juni 1990, Série A vol. 180-A, Ziff. 34, = Revue universelle des droits
de l'homme (RUDH) 1990 S. 434 (436)). Eine weitergehende Überprüfung der
gesamten Ortsplanung von Oberschrot ist aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK jedoch
nicht herzuleiten. In seinen Rechten betroffen ist der Beschwerdeführer
nur, soweit seine Grundstücke in Frage stehen.

    d) In tatsächlicher Hinsicht ist festzustellen und durch den
Augenschein sowie die Instruktionsverhandlung bestätigt worden, dass der
für die Beurteilung der umstrittenen Zonierungsfrage erhebliche Sachverhalt
nicht bestritten ist. Dementsprechend kommt der Beschränkung der Kognition
des Bundesgerichts hinsichtlich der Überprüfung von Sachverhaltsfragen
(BGE 115 Ia 372 E. 3 und 385 f. E. 3 mit Hinweisen) im vorliegenden Falle
keine Bedeutung zu.

    e) In rechtlicher Hinsicht macht der Beschwerdeführer richtigerweise
nicht geltend, die Einweisung seiner Parzellen Nr. 607-610 in die
Landwirtschaftszone stütze sich nicht auf eine ausreichende gesetzliche
Grundlage. Diese ist klarerweise in den Art. 14 ff. RPG sowie in
den Art. 33 ff. RPBG gegeben. Die unter Umständen nur begrenzte
Überprüfung der gesetzlichen Grundlage, die sich aus dem Umfang des
Verfassungsschutzes gemäss Art. 22ter BV ergibt (BGE 113 Ia 448 E. 4a),
ist somit im vorliegenden Falle im Hinblick auf die von Art. 6 Ziff. 1
EMRK verlangte umfassende Rechtskontrolle ebenfalls ohne Belang. Es
braucht daher nicht abschliessend beurteilt zu werden, ob und inwieweit
das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 22ter BV der geforderten richterlichen Rechtsanwendungskontrolle
genügt (BGE 114 Ia 19 E. 2c).

    Im vorliegenden Falle ist diese Kontrolle gewährleistet, hängt doch
der Ausgang der Sache von der Interessenabwägung ab. Massgebend ist,
ob ausreichende öffentliche Interessen die Einweisung der in Frage
stehenden Parzellen in die Landwirtschaftszone zu rechtfertigen und
die entgegenstehenden privaten Interessen des Beschwerdeführers an
einer Nutzung seines Landes als Bauland zu überwiegen vermögen. Diese
Frage überprüft das Bundesgericht umfassend; es auferlegt sich lediglich
Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von einer Würdigung der örtlichen
Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen
und überblicken als das Bundesgericht. Dies gilt insbesondere bei der
Überprüfung von Zonengrenzen. Das Bundesgericht, das selbst nicht oberste
Planungsinstanz ist, hat den Beurteilungs- und Ermessensspielraum, welcher
den kommunalen und kantonalen Instanzen hinsichtlich der Grenzziehung
zusteht, zu beachten (BGE 115 Ia 385 f. E. 3 mit Hinweisen).

    Die richterliche Zurückhaltung bei der Beurteilung des Ermessens,
das den Planungsbehörden und dem Gemeinderat zusteht, widerspricht der
EMRK nicht; sie steht der verlangten umfassenden Rechtsanwendungskontrolle
nicht entgegen. So verlangt Art. 6 Ziff. 1 EMRK keine Ermessenskontrolle
(BGE 115 Ia 191 f. E. 4b mit Hinweisen; EBERHARD SCHMIDT-ASSMANN,
Verfahrensgarantien im Bereich des öffentlichen Rechts mit Blick auf
Art. 6 Abs. 1 EMRK, in: Schriften des österreichischen Instituts für
Menschenrechte, Band 1, 1989, S. 89 ff., S. 106 f.). Ob die zuständige
Behörde ihren Beurteilungs- und Ermessensspielraum pflichtgemäss
ausgeübt hat oder ob Ermessensüberschreitung oder -missbrauch vorliegt,
ist Rechtsfrage und wird vom Verfassungsrichter ohne Beschränkung seiner
Kognition geprüft (BGE 107 Ia 38 E. 3c).

    f) Im übrigen sei darauf hingewiesen, dass zu Beginn des Jahres 1992
das vom Kanton Freiburg mit Gesetz vom 24. April 1990 geschaffene kantonale
Verwaltungsgericht seine richterliche Funktion aufnehmen wird. Mit Gesetz
vom 25. September 1991 zur Anpassung der kantonalen Gesetzgebung an das
Gesetz über die Organisation des Verwaltungsgerichts und an das Gesetz
über die Verwaltungsrechtspflege wurde das Raumplanungs- und Baugesetz
vom 9. Mai 1983 in dem Sinne geändert, dass über Einspracheentscheide
des Gemeinderates der Oberamtmann urteilt. Dessen Entscheide können
mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht angefochten werden (Art. 80a
RPBG). Somit wird ab 1992 auf kantonaler Ebene eine umfassende richterliche
Kontrolle umstrittener Zonierungsstreitigkeiten gegeben sein.