Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IA 472



117 Ia 472

73. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 14.
November 1991 i.S. Sozialdemokratische Partei Basel-Stadt und Mitbeteiligte
sowie A. gegen Kanton Basel-Stadt (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 2 ÜbBest. BV, Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit,
Art. 10 und 11 EMRK, Datenschutz, Unschuldsvermutung; § 40 Abs. 4 des
baselstädtischen Übertretungsstrafgesetzes (ÜStG); Vermummungsverbot.

    Das in § 40 Abs. 4 ÜStG statuierte Verbot, sich bei
bewilligungspflichtigen Versammlungen, Demonstrationen und sonstigen
Menschenansammlungen unkenntlich zu machen, verstösst nicht gegen Art. 2
ÜbBest. BV (E. 2).

    Das Vermummungsverbot stellt namentlich im Hinblick darauf, dass
Ausnahmen bewilligt werden können, keinen unzulässigen Eingriff in die
Meinungsäusserungs- und die Versammlungsfreiheit dar (E. 3).

    Es verletzt auch den Anspruch auf Datenschutz (E. 4b) und den Grundsatz
der Unschuldsvermutung nicht (E. 4d).

Sachverhalt

    A.- Der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt beschloss am 13.
September 1989 auf Antrag des Regierungsrates, § 40 des kantonalen
Übertretungsstrafgesetzes vom 15. Juni 1978 durch einen Absatz 4 zu
ergänzen, der wie folgt lautet:

    (Nach diesem Gesetz wird bestraft):

    "Wer sich bei bewilligungspflichtigen Versammlungen, Demonstrationen
und
   sonstigen Menschenansammlungen unkenntlich macht. Es können Ausnahmen
   bewilligt werden".

    Gegen diese Gesetzesänderung wurde das Referendum ergriffen. In
der Volksabstimmung vom 20. Mai 1990 nahmen die Stimmbürger des
Kantons Basel-Stadt die Vorlage mit 33 528 Ja gegen 13 368 Nein
an. Das Abstimmungsergebnis wurde im Kantonsblatt vom 23. Mai 1990
veröffentlicht. Mit Beschluss vom 19. September 1990 erklärte der
Grosse Rat die Volksabstimmung über die Änderung des kantonalen
Übertretungsstrafgesetzes als gültig. Dieser Beschluss wurde im
Kantonsblatt vom 22. September 1990 publiziert.

    Die Sozialdemokratische Partei Basel-Stadt und Mitbeteiligte
einerseits, Frau A. anderseits reichten gegen das Vermummungsverbot
staatsrechtliche Beschwerde ein. Das Bundesgericht weist die Beschwerden
ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- In beiden Beschwerden wird vorgebracht, die neue Bestimmung
des Übertretungsstrafgesetzes des Kantons Basel-Stadt (im folgenden
abgekürzt: ÜStG) verstosse gegen Art. 2 ÜbBest. BV. Diese Rüge ist vorab
zu behandeln, denn wenn sie begründet wäre, hätte das die Aufhebung der
angefochtenen Norm zur Folge und müsste auf die weiteren Einwendungen
der Beschwerdeführer nicht mehr eingegangen werden.

    a) Der in Art. 2 ÜbBest. BV enthaltene Grundsatz der derogatorischen
Kraft des Bundesrechts bedeutet, dass die Kantone in Sachgebieten,
welche die Bundesgesetzgebung abschliessend geregelt hat, nicht zur
Rechtsetzung befugt sind (BGE 115 Ia 272 E. 12a mit Hinweisen). Wird mit
staatsrechtlicher Beschwerde eine Verletzung dieses Grundsatzes gerügt,
so prüft das Bundesgericht frei, ob die beanstandete kantonale Norm mit
dem Bundesrecht vereinbar ist (BGE 115 Ia 272 E. 12a mit Hinweisen).

    b) Nach Art. 64bis Abs. 1 BV ist der Bund zur Gesetzgebung im
Gebiete des Strafrechts befugt. Diese verfassungsrechtliche Ordnung wird
durch das Strafgesetzbuch (StGB) näher ausgeführt. Art. 400 Abs. 1 StGB
bestimmt, dass mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die strafrechtlichen
Bestimmungen der Kantone aufgehoben sind. Vorbehalten bleiben nach
Art. 400 Abs. 2 StGB die strafrechtlichen Bestimmungen der Kantone
über Gegenstände, die das Strafgesetzbuch der kantonalen Gesetzgebung
ausdrücklich überlassen hat. Diese Gegenstände sind in Art. 335 StGB
umschrieben. Es handelt sich um das Übertretungsstrafrecht, soweit es nicht
Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist (Ziff. 1 Abs. 1), die Übertretung
kantonaler Verwaltungs- und Prozessvorschriften (Ziff. 1 Abs. 2 sowie
die Strafbestimmungen zum Schutze des kantonalen Steuerrechts (Ziff. 2)

    Im vorliegenden Fall wird eine kantonale Gesetzesbestimmung
angefochten, die zum Übertretungsstrafrecht gehört. Es fragt sich daher
zunächst, ob der kantonale Gesetzgeber zum Erlass der Norm aufgrund
von Art. 335 Ziff. 1 Abs. 1 StGB befugt war. Diese Vorschrift behält den
Kantonen die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vor, als
es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist. Nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichts dürfen die Kantone eine Handlung nicht schon dann
als Übertretung unter Strafe stellen, wenn sie der eidgenössische
Gesetzgeber nicht als strafbar erklärt. Wenn ein Tatbestand nicht in das
Strafgesetzbuch aufgenommen wurde, kann das bedeuten, dass er überhaupt
straflos bleiben soll (sog. qualifiziertes Schweigen des Gesetzes). Das
trifft dann zu, wenn das Strafgesetzbuch die Angriffe auf ein Rechtsgut
durch ein geschlossenes System von Normen regelt. Behandelt es dagegen
ein bestimmtes strafrechtliches Gebiet überhaupt nicht oder stellt es
nur einen Teil der Tatbestände daraus unter Strafe, um den von Kanton
zu Kanton wechselnden Ansichten über die Strafwürdigkeit einer Handlung
Rechnung zu tragen, so bleibt Raum für kantonales Übertretungsstrafrecht
(BGE 104 IV 290 f. E. 3a; 89 IV 95 f. E. 4a; 81 IV 126 und 165; 74 IV 109,
je mit Hinweisen).

    Nach der angefochtenen Vorschrift des baselstädtischen
Übertretungsstrafgesetzes wird bestraft, wer sich bei
bewilligungspflichtigen Versammlungen, Demonstrationen und sonstigen
Menschenansammlungen unkenntlich macht. Diese Handlung ist vom
eidgenössischen Gesetz nicht mit Strafe bedroht. Es stellt sich die
Frage, ob ein qualifiziertes Schweigen des Bundesgesetzes vorliegt,
d.h. ob das Strafgesetzbuch die Angriffe auf das mit der kantonalen
Vorschrift geschützte Rechtsgut durch ein geschlossenes System von Normen
regelt. Aus der Entstehungsgeschichte des § 40 Abs. 4 ÜStG ergibt sich,
dass diese Vorschrift zunächst den öffentlichen Frieden schützen will. Der
Regierungsrat führte im Ratschlag und Entwurf vom 16. Mai 1989 zu der
hier in Frage stehenden Änderung bzw. Ergänzung des § 40 ÜStG aus,
in den letzten Jahren sei es bei Demonstrationen in Basel immer dann
zu Gewaltanwendungen gekommen, wenn Vermummte an den Manifestationen
teilgenommen hätten. Das Vermummungsverbot solle dazu beitragen,
Gewalttätigkeiten bei Demonstrationen zu vermeiden. Bestimmungen zum
Schutze des öffentlichen Friedens enthält auch das Strafgesetzbuch
(zwölfter Titel, Art. 258 ff.). Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung handelt es sich dabei nicht um eine abschliessende
Regelung, sondern um eine Auslese von nur wenigen Tatbeständen, die der
eidgenössische Gesetzgeber wegen ihrer besonderen Bedeutung zu Verbrechen
bzw. Vergehen erhoben hat (BGE 71 IV 102 ff.). Das leuchtet ein, denn
die Bedürfnisse, den öffentlichen Frieden mit Strafnormen zu schützen,
können in den einzelnen Kantonen ganz unterschiedliche sein, so dass
es sich rechtfertigen kann, ihnen eine gewisse Rechtsetzungsbefugnis zu
belassen. Die Beschwerdeführerin A. ist der Meinung, die Feststellung des
Bundesgerichts, dass für kantonale Übertretungen Raum bleibe, betreffe
nur den zwölften Titel des StGB und lasse sich nicht auf dessen einzelne
Vorschriften ausdehnen. Die Art. 258 bis 264 StGB machen zusammen den
zwölften Titel des Gesetzes aus, und es spricht nichts dafür, dass
von diesen Vorschriften der Art. 260 StGB eine abschliessende Ordnung
enthielte, wie es die Beschwerdeführerin behauptet. Das erwähnte Urteil
des Bundesgerichts bezieht sich klarerweise auch auf Art. 260 StGB. Diese
Vorschrift regelt den Vergehenstatbestand des Landfriedensbruchs, der dann
gegeben ist, wenn jemand an einer öffentlichen Zusammenrottung teilnimmt,
bei der mit vereinten Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätigkeiten
begangen werden. Die angefochtene kantonale Norm greift nicht in diese
Ordnung ein. Sie bildet einen neuen Übertretungstatbestand, der demjenigen
Strafe androht, der sich bei bewilligungspflichtigen Versammlungen,
Demonstrationen und sonstigen Menschenansammlungen unkenntlich macht. Sie
will, wie Art. 260 StGB, in diesem Sinn den öffentlichen Frieden
schützen. Wie dargelegt wurde, regelt das Strafgesetzbuch die Angriffe auf
dieses Rechtsgut nicht durch ein geschlossenes System von Normen, so dass
kein qualifiziertes Schweigen des eidgenössischen Gesetzes vorliegt und der
kantonale Gesetzgeber mithin befugt ist, eine Übertretungsstrafbestimmung
zu erlassen.

    Die beanstandete Norm dient nicht nur dem öffentlichen Frieden,
sondern verfolgt noch einen andern Zweck, wie es im übrigen auch andere
Strafnormen gibt, die mehrere Rechtsgüter schützen. Der Regierungsrat
hielt im erwähnten Ratschlag und Entwurf fest, bei einer Demonstration
im Januar 1988 in Basel seien Vermummte mit beispielloser Aggressivität
auf Passanten, Journalisten und Polizeibeamte losgegangen und hätten
dabei sechs Menschen verletzt. Da die Täter vermummt gewesen seien,
sei es der Polizei nicht gelungen, jemanden ins Recht zu fassen. Mit dem
Verbot, sich bei Demonstrationen unkenntlich zu machen, soll verhindert
werden, dass jemand aus der Anonymität heraus Straftaten begehen und
sich damit leichter einer Strafverfolgung entziehen kann. Geschütztes
Rechtsgut ist hier die ordnungsgemässe Tätigkeit der Polizei bei der
Abklärung strafbarer Handlungen. Die Beschwerdeführer machen geltend,
das Interesse der Polizei an einer Erleichterung ihrer Ermittlungsarbeit
sei kein Rechtsgut im Sinne des Strafrechts. Der kantonale Gesetzgeber
habe sich ausschliesslich von Überlegungen polizeilicher Opportunität
leiten lassen, was unzulässig sei. Dem kann nicht beigepflichtet
werden. Das Strafgesetzbuch enthält zum Beispiel Bestimmungen, die
Handlungen gegen die Rechtspflege mit Strafe bedrohen (siebzehnter Titel,
Art. 303 ff.). Mit diesen Vorschriften will der ordnungsgemässe Gang der
Rechtspflege geschützt werden. In gleicher Weise ist es zulässig, wenn
im Interesse bzw. zum Schutz einer ordnungsgemässen Ermittlungstätigkeit
der Polizei Strafbestimmungen aufgestellt werden. Da das eidgenössische
Gesetz die Angriffe auf dieses Rechtsgut nicht abschliessend behandelt
(vgl. Art. 285 ff. StGB und BGE 81 IV 163, 165), bleibt auch unter diesem
Gesichtspunkt Raum für kantonales Übertretungsstrafrecht.

    Im weiteren handelt es sich bei der angefochtenen kantonalen
Norm nicht nur um eine solche des Polizeiübertretungsstrafrechts,
sondern ausserdem um eine Vorschrift des Verwaltungsstrafrechts im
Sinne von Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Nach dieser Bestimmung sind die
Kantone befugt, Strafrechtssätze zu erlassen, welche der Durchführung
verwaltungsrechtlicher Vorschriften dienen (BGE 115 Ia 274 E. 12c/cc). Der
Kanton Basel-Stadt hat in § 15 der Verordnung über den Strassenverkehr
nähere Bestimmungen zum gesteigerten Gemeingebrauch durch Umzüge und
andere Veranstaltungen auf öffentlichen Strassen und Plätzen erlassen,
deren Durchführung die Strafandrohungen in § 40 ÜStG dienen sollen
(Ratschlag und Entwurf des Regierungsrats, S. 5). Das gilt auch für den
Abs. 4, der die Unkenntlichmachung bei Versammlungen und Demonstrationen
strafbar erklärt. Die beanstandete Norm lässt sich demnach auch auf
Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2 StGB abstützen.

    Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der kantonale Gesetzgeber aufgrund
von Art. 335 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB zum Erlass des § 40 Abs. 4 ÜStG
befugt war. Die Rüge, er habe gegen den Grundsatz der derogatorischen
Kraft des Bundesrechts verstossen, ist daher unbegründet.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführer machen sodann geltend, § 40 Abs. 4
ÜStG verletze die durch die Bundesverfassung und die Europäische
Menschenrechtskonvention garantierten Rechte der freien Meinungsäusserung
und der freien Versammlung.

    a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist bei der Prüfung
der Verfassungsmässigkeit eines Erlasses im Rahmen der abstrakten
Normenkontrolle massgebend, ob der betreffenden Norm nach anerkannten
Auslegungsregeln ein Sinn beigemessen werden kann, der sie mit den
angerufenen Verfassungsgarantien vereinbar erscheinen lässt. Gleich
verhält es sich, wenn mit der Beschwerde Garantien der Europäischen
Menschenrechtskonvention angerufen werden. Das Bundesgericht hebt
eine kantonale Norm nur dann auf, wenn sie sich jeder verfassungs- und
konventionskonformen Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer
solchen in vertretbarer Weise zugänglich ist (BGE 114 Ia 354 f. E. 2, 401
f. E. 5; 113 Ia 131, 324; 111 Ia 25 f. E. 2; 109 Ia 69 E. 2c, 121 E. 3b,
277 E. 2a mit Hinweisen). Ob ein kantonaler Erlass mit Verfassung und
Konvention vereinbar ist, prüft das Bundesgericht frei (BGE 114 Ia 354
E. 2; 113 Ia 131; 111 Ia 24 mit Hinweisen).

    b) Die Meinungsäusserungs- und die Versammlungsfreiheit sind durch das
ungeschriebene Verfassungsrecht des Bundes sowie durch die Art. 10 und 11
EMRK gewährleistet. Die beiden Vorschriften der EMRK räumen dem Bürger
keinen weitergehenden Schutz ein als die verfassungsmässigen Ansprüche
auf freie Meinungsäusserung und freie Versammlung (BGE 108 Ia 318 E. 2a;
unveröffentlichte Erwägung 2 von BGE 103 Ia 310 ff.). Das Bundesgericht
berücksichtigt indessen bei der Konkretisierung dieser Ansprüche auch
die Rechtsprechung der Konventionsorgane (vgl. BGE 108 Ia 67 E. 2c;
105 Ia 29 E. 2b).

    c) Es stellt sich zunächst die Frage, ob die angefochtene kantonale
Norm in den Schutzbereich dieser Freiheitsrechte eingreift. Die
Meinungsäusserungsfreiheit berechtigt den Bürger, seine Meinung frei zu
bilden, zu äussern und sie andern bekanntzugeben (BGE 113 Ia 316 E. 4b
mit Hinweisen). Der Begriff der Meinung wird weit gefasst. Es sind
darunter nicht nur die Ergebnisse von Denkvorgängen sowie rational fassbar
und mitteilbar gemachte Überzeugungen in der Art von Stellungnahmen,
Wertungen, Anschauungen, Auffassungen und dergleichen zu verstehen,
sondern auch das Kunstschaffen und dessen Erzeugnisse (BGE 101 Ia 150
E. 2; Urteile des Bundesgerichts vom 19. September 1962, publiziert
in ZBl 64/1963, S. 365, und vom 20. September 1985, veröffentlicht
in ZBl 87/1986, S. 129). Als Mittel der geschützten Meinungsäusserung
kommen grundsätzlich alle Äusserungsmöglichkeiten in Frage, namentlich
das gesprochene und geschriebene Wort, künstlerische Ausdrucksmittel,
Tonträger, Filme, Spruchbänder, Lautsprecheranlagen, Ansteckknöpfe, Fahnen
(HÄFELIN/ HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 2.A., Zürich 1988,
S. 390, N 1270; JÖRG PAUL MÜLLER, Die Grundrechte der schweizerischen
Bundesverfassung, Bern 1991, S. 91; BGE 111 Ia 322; 107 Ia 59 ff. u. 64
ff.). Die Versammlungsfreiheit garantiert dem Bürger das Recht, mit andern
zur gemeinsamen Verfolgung eines bestimmten Zwecks zusammenzukommen
(BGE 107 Ia 229 E. 4b/aa). Unter den Schutz dieses Grundrechts fällt
jede Zusammenkunft mehrerer Menschen auf privatem oder öffentlichem Grund
mit dem Zweck, untereinander oder gegen aussen Meinungen mitzuteilen, zu
diskutieren oder ihnen symbolischen Ausdruck zu geben (JÖRG PAUL MÜLLER,
aaO, S. 158). Die hier in Frage stehende Vorschrift verbietet, sich bei
bewilligungspflichtigen Versammlungen, Demonstrationen und sonstigen
Menschenansammlungen unkenntlich zu machen. Sie untersagt damit dem
Bürger, an solchen Veranstaltungen in einer Aufmachung teilzunehmen,
die ihn unkenntlich macht. Es gibt Teilnehmer, die deshalb in einer
solchen Aufmachung erscheinen, um auf diese Art ihre Meinung zum Thema der
Versammlung zum Ausdruck zu bringen. So können zum Beispiel die Teilnehmer
einer Kundgebung für saubere Luft Gasmasken tragen, um damit gegen die
schlechte Luft zu protestieren, oder bei einer Demonstration gegen den
Bau eines Atomkraftwerks kommt es vor, dass die Teilnehmer mit gänzlich
weiss geschminkten Gesichtern erscheinen, was den Tod symbolisieren und
auf die Gefahren einer solchen Anlage hinweisen soll. Die Maskierung oder
sonstige Unkenntlichmachung ist hier Mittel der Meinungsäusserung und
zugleich auch Mittel zur Verwirklichung des Versammlungszwecks, der darin
besteht, eine bestimmte Meinung nach aussen kundzutun. In solchen Fällen
wird mit dem Verbot, sich bei Versammlungen und Demonstrationen unkenntlich
zu machen, eine bestimmte Form der Ausübung der Meinungsäusserungs- und
der Versammlungsfreiheit betroffen und damit in den Schutzbereich dieser
Freiheitsrechte eingegriffen. In den übrigen Fällen hat das Verbot zur
Folge, dass der Bürger nicht in der von ihm gewünschten Aufmachung an
Versammlungen teilnehmen und seine Meinung äussern kann. Auch hier berührt
die kantonale Norm den Schutzbereich der genannten Grundrechte am Rande.

    d) Die Meinungsäusserungs- und die Versammlungsfreiheit gelten
wie andere Freiheitsrechte nicht unbegrenzt. Einschränkungen sind
zulässig, sofern sie auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage
beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sind
(BGE 113 Ia 317; 104 Ia 103; 102 Ia 53 f. E. 3). Zudem dürfen die
berührten Freiheitsrechte weder völlig unterdrückt noch ihres Gehaltes
als Institution der Rechtsordnung entleert werden (BGE 115 Ia 247 E. 5b;
102 Ia 53; 100 Ia 402). Die Beschwerdeführer sind der Meinung, diese
Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Es ist im folgenden zu prüfen,
wie es sich damit verhält.

    e) Die angefochtene Ordnung ist in § 40 Abs. 4 des baselstädtischen
Übertretungsstrafgesetzes festgelegt, mithin in einem formellen Gesetz. Die
Beschwerdeführer machen geltend, diese Norm bilde keine genügende
gesetzliche Grundlage, weil sie viel zu unbestimmt abgefasst sei. Das
Bundesgericht hat zum Gebot der Bestimmtheit rechtlicher Normen erklärt,
es dürfe nicht in absoluter Weise verstanden werden. Der Gesetzgeber
könne nicht völlig darauf verzichten, allgemeine Begriffe zu verwenden,
die formal nicht eindeutig generell umschrieben werden könnten und die
an die Auslegung durch die Behörde besondere Anforderungen stellten;
denn ohne die Verwendung solcher Begriffe wäre er nicht in der Lage, der
Vielgestaltigkeit der Verhältnisse Herr zu werden (BGE 109 Ia 284). In
ähnlicher Weise hat sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
zur Frage der Bestimmtheit der Gesetze geäussert. Er führte aus, es sei
unmöglich, zu absoluter Bestimmtheit bei der Gestaltung von Gesetzen
zu gelangen, denn es sei kaum möglich, ein Gesetz zu formulieren, das
jedes mögliche Ereignis abdecke. Es sei daher unvermeidlich, dass viele
Gesetze mehr oder minder vage Begriffe enthielten und ihre Auslegung
und Anwendung der Praxis zu überlassen seien (Urteil vom 25. März 1983
i.S. Silver und andere, Serie A, Band 61, S. 33, Ziff. 88 = EuGRZ 1984,
S. 150). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und der Organe der
Europäischen Menschenrechtskonvention muss das Gesetz lediglich so präzise
formuliert sein, dass der Bürger sein Verhalten danach richten und die
Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden
Grad an Gewissheit erkennen kann (BGE 109 Ia 282/83 mit Hinweis auf die
Rechtsprechung der Strassburger Organe).

    Nach § 40 Abs. 4 ÜStG wird bestraft, wer sich an
bewilligungspflichtigen Versammlungen, Demonstrationen und sonstigen
Menschenansammlungen unkenntlich macht. Es ist zunächst zu prüfen, ob diese
Umschreibung der Veranstaltungen die nötige Bestimmtheit aufweist. Wie
die kantonale Behörde ausführt, sind unter den "bewilligungspflichtigen
Versammlungen, Demonstrationen und sonstigen Menschenansammlungen" jene
Veranstaltungen zu verstehen, für die gemäss § 15 der baselstädtischen
Verordnung über den Strassenverkehr vom 7. Dezember 1964 (VO) eine
Bewilligung des Polizei- und Militärdepartements erforderlich ist.
Das Adjektiv "bewilligungspflichtig" bezieht sich somit entgegen den
Befürchtungen der Beschwerdeführer auch auf die genannten sonstigen
Menschenansammlungen. Einer Bewilligung nach § 15 VO bedürfen öffentliche
Umzüge mit mehr als 60 Zugteilnehmern oder mit einer Zuglänge von über
30 m und andere Veranstaltungen (Versammlungen, Kundgebungen usw.) auf
öffentlichen Strassen und Plätzen. Der Regierungsrat erklärt in der
Duplik, aufgrund einer beim kantonalen Polizeidepartement eingeholten
Vernehmlassung sei festzuhalten, dass bei kleineren Gruppen, die
eine politische Versammlung oder eine Kundgebung stehend auf einem
verkehrsfreien Platz durchführen, auf eine Bewilligung gemäss § 15 VO
mangels Gefährdung von Polizeigütern verzichtet werde. Generell würden
"ruhende Veranstaltungen" in Analogie zu den Umzügen erst ab einer
Teilnehmerzahl von 60 Personen der Bewilligungspflicht nach § 15 VO
unterstellt. Es ist demnach davon auszugehen, dass sich § 40 Abs. 4
ÜStG nur auf solche Veranstaltungen bezieht, die auf öffentlichem
Grund stattfinden und eine grössere Zahl von Teilnehmern aufweisen. Bei
dieser Auslegung kann nicht gesagt werden, der Tatbestand sei insoweit zu
unbestimmt umschrieben. Werden nur Veranstaltungen auf öffentlichem Grund
und mit einer grösseren Teilnehmerzahl von § 40 Abs. 4 ÜStG erfasst,
so trifft es entgegen der Meinung der Beschwerdeführer nicht zu, dass
"praktisch jede Form, in der Menschen zusammenkommen", unter diese
Vorschrift fällt. Was die Basler Fasnacht angeht, so wird nach § 42 ÜStG
bestraft, "wer den Vorschriften über die Fasnacht zuwiderhandelt". Damit
hat der Gesetzgeber die mit der Fasnacht zusammenhängenden Aktivitäten,
welche ohne Maskierung nicht denkbar sind, vom Vermummungsverbot
ausgenommen.

    Die angefochtene Norm verbietet dem Bürger, sich bei
Veranstaltungen der erwähnten Art unkenntlich zu machen. Der Begriff der
"Unkenntlichmachung" ist ein allgemeiner Begriff. Es ist jedoch klar,
was damit gemeint ist. Der Bürger darf zu den genannten Veranstaltungen
nicht in solcher Aufmachung erscheinen, dass sein Gesicht nicht erkannt
und seine Identität nicht festgestellt werden kann. Da die Mittel, mit
denen sich ein Teilnehmer unkenntlich machen kann, vielfältig sind,
ist es praktisch unmöglich, die verschiedenen zur Unkenntlichmachung
führenden Handlungen im Gesetz einzeln aufzuzählen. Es ist bei dieser
Sachlage unvermeidlich, zur Umschreibung des verbotenen Verhaltens einen
allgemeinen Begriff zu verwenden. Der Bürger kann aufgrund des leicht
verständlichen Begriffs der Unkenntlichmachung in hinreichender Weise
erkennen, was er nicht tun darf, und sein Verhalten danach richten. Das
ist entscheidend. Ob eine bestimmte Aufmachung im Einzelfall dazu führt,
dass die Person nicht erkannt werden kann, wird die kantonale Behörde
bei der Anwendung der Norm zu beurteilen haben. Dabei kann ohne weiteres
erwartet werden, dass sie zwischen einer noch tolerierbaren Aufmachung
und einer Unkenntlichmachung zu unterscheiden weiss. Bemerkt sei hier
lediglich, dass es entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer natürlich
nicht gegen das Vermummungsverbot verstösst, wenn bei einer Kundgebung
des Spitalpersonals die Teilnehmer in weissen Kitteln erscheinen, da eine
solche Aufmachung die betreffende Person nicht unkenntlich macht.

    § 40 Abs. 4 ÜStG sieht sodann vor, dass Ausnahmen bewilligt werden
können. Das bedeutet, dass die Unkenntlichmachung dann nicht strafbar ist,
wenn hiefür eine Ausnahmebewilligung erteilt wurde. Die Beschwerdeführer
machen zu Unrecht geltend, auch insoweit sei die Norm zu unbestimmt. Es ist
auch hier praktisch unmöglich, im Gesetz im einzelnen festzulegen, wann
eine Ausnahmebewilligung erteilt werden kann, hängt doch die Beurteilung
dieser Frage jeweils vom Thema der betreffenden Veranstaltung und vom Kreis
der zu erwartenden Teilnehmer ab. Das Gebot der Bestimmtheit ist daher
nicht verletzt, wenn der Gesetzgeber nicht näher umschrieben hat, unter
welchen Voraussetzungen eine Ausnahmebewilligung erteilt werden kann. Dass
der Bewilligungsbehörde mit dieser allgemeinen Umschreibung ein weiter
Ermessensspielraum eingeräumt wird, kann sich im übrigen für den Bürger
durchaus vorteilhaft auswirken. Hätte nämlich das Gesetz die Ausnahmen
in bestimmter Weise umschrieben, wäre die Behörde bei der Erteilung der
Ausnahmebewilligung auf die im Gesetz genannten Fälle beschränkt. Mit der
hier gewählten Regelung hat sie hingegen die Möglichkeit, eine Ausnahme
vom Vermummungsverbot immer dann zu bewilligen, wenn sie berechtigte
Gründe hiefür als gegeben erachtet. Nach dem Gesagten ist der Einwand
der Beschwerdeführer unbegründet, es fehle deshalb an einer gesetzlichen
Grundlage, weil die angefochtene Norm zu unbestimmt formuliert sei.

    f) Es stellt sich sodann die Frage, ob die beanstandete Einschränkung
der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit im öffentlichen
Interesse liegt und ob dieses das entgegenstehende private Interesse
der Beschwerdeführer überwiegt. Mit dem in § 40 Abs. 4 ÜStG statuierten
Verbot der Unkenntlichmachung werden, wie sich aus dem Ratschlag und der
Beschwerdeantwort des Regierungsrats ergibt, zwei Ziele verfolgt. Zum einen
soll das Verbot dazu beitragen, Gewalttätigkeiten bei Demonstrationen
zu verhindern bzw. das einer Menschenansammlung, insbesondere einer
Demonstration, inhärente Gefahrenpotential möglichst klein zu halten. Zum
andern soll mit der Massnahme verhindert werden, dass jemand aus der
Anonymität heraus Straftaten begehen und damit die Ermittlungstätigkeit der
Polizei erschweren oder gar vereiteln kann. Kommt es bei Demonstrationen
oder sonstigen Menschenansammlungen auf öffentlichem Grund zu gewalttätigen
Handlungen (z.B. Werfen von Steinen, Farbbeuteln oder Molotowcocktails),
wird die öffentliche Ordnung und Sicherheit beeinträchtigt, denn solche
Handlungen stellen eine erhebliche Gefahr für die in der Nähe befindlichen
Menschen und Sachen und damit für die Rechtsgüter Leben, körperliche
Unversehrtheit und Eigentum dar. Es liegt daher im öffentlichen Interesse,
dass eine Massnahme ergriffen wird, um die Gefahr von Gewalttätigkeiten
bei Demonstrationen möglichst klein zu halten. Das gleiche gilt für den
andern Zweck, der mit dem Vermummungsverbot angestrebt wird. Es besteht
ein gewichtiges öffentliches Interesse, dass die Tätigkeit der Polizei
bei der Ermittlung von Straftätern nicht erschwert oder gar verunmöglicht
wird. Die beanstandete Einschränkung der Meinungsäusserungs- und der
Versammlungsfreiheit ist somit durch ein öffentliches Interesse gedeckt.
Dieses hat nach dem Gesagten ein sehr erhebliches Gewicht. Die mit
der Massnahme verbundene Grundrechtseinschränkung ist demgegenüber von
geringerem Gewicht. Sie hindert den Bürger nicht, seine Meinung frei zu
bilden, zu äussern und sie andern bekanntzugeben, und lässt ihm auch die
Freiheit, mit andern zur gemeinsamen Verfolgung eines bestimmten Zwecks
zusammenzukommen. Der Kerngehalt des Rechts auf freie Meinungsäusserung und
freie Versammlung wird durch die Massnahme nicht betroffen, was besonders
klar wird, wenn in Rechnung gestellt wird, dass Ausnahmen zugelassen
sind, worauf später einzugehen ist. Die Massnahme hat einzig zur Folge,
dass der Bürger nicht an einer grösseren Veranstaltung teilnehmen darf,
wenn er sich unkenntlich macht. Bei dieser Situation ergibt sich, dass das
öffentliche Interesse am Verbot der Unkenntlichmachung das entgegenstehende
Interesse des Privaten an einer uneingeschränkten Grundrechtsausübung
eindeutig überwiegt.

    g) Im weiteren ist zu prüfen, ob der Eingriff mit dem Grundsatz
der Verhältnismässigkeit vereinbar ist. Allgemein wird unter diesem
Gesichtspunkt verlangt, dass die vom Gesetzgeber gewählte Massnahme zur
Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Ziels geeignet und
tauglich ist. Ausserdem muss der angestrebte Zweck in einem vernünftigen
Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln bzw. den zu seiner Erreichung
notwendigen Freiheitsbeschränkungen stehen (BGE 112 Ia 70 E. 5c; 101 Ia
176 E. 3; 97 I 508; 93 I 219; 91 I 464 mit Hinweisen). Ein staatlicher
Eingriff hat zu unterbleiben, wenn der verfolgte Zweck auch mit einer
für die Freiheit der Bürger weniger einschneidenden Massnahme erreicht
werden könnte (BGE 107 Ia 67 E. 2b; 101 Ia 176 E. 3).

    aa) Wie ausgeführt wurde, zielt die hier in Frage stehende Massnahme
darauf ab, Gewalttätigkeiten bei Demonstrationen zu verhindern bzw. das
einer Menschenansammlung inhärente Gefahrenpotential möglichst klein
zu halten. Die Beschwerdeführer wenden ein, das Vermummungsverbot sei
ungeeignet und untauglich, um dieses Ziel zu erreichen, denn es gebe
keinen Erfahrungssatz, wonach Vermummte die Gewaltbereitschaft der Menge
fördern würden. Das Verbot sei deshalb auch unnötig.

    Die allgemeine Lebenserfahrung zeigt und wissenschaftliche
Untersuchungen über Massendelikte bestätigen, dass sich der Einzelne
in der Masse eher zu Ausschreitungen hinreissen lässt (FRITZ FALB,
Demonstrationen und Strafrecht, ZStrR 91/1975, S. 238 mit Hinweis auf
ERNST HAFTER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, S. 454). Der
Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt vertritt die Ansicht, die Gefahr von
Ausschreitungen werde beträchtlich erhöht, wenn sich Vermummte unter den
Teilnehmern der Veranstaltungen befänden. Er weist darauf hin, seit den
Jugendunruhen anfangs der 80er Jahre sei es bei Demonstrationen in Basel
immer wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. Es sei dabei
festgestellt worden, dass die Gewalttaten vorwiegend von vermummten
Demonstrationsteilnehmern ausgegangen seien. Die Beschwerdeführer
bestreiten diese Behauptung, doch bringen sie nichts vor, was Zweifel
an der Richtigkeit der Angaben des Regierungsrats zu rechtfertigen
vermöchte. Diese sind deshalb als zutreffend zu betrachten. Gleiche
Erfahrungen waren übrigens auch in der Bundesrepublik Deutschland gemacht
worden und führten dazu, dass § 125 des deutschen Strafgesetzbuches,
der den Landfriedensbruch untersagt, im Jahre 1985 durch einen Absatz
2 ergänzt wurde, welcher die Vermummung strafbar erklärt. Auch hier
wurde als Argument für die Einführung dieser Bestimmung vorgebracht,
es sei vom Erfahrungssatz auszugehen, dass die Teilnahme von Vermummten
an öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel in der Regel zu einer
Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit führe. Die Vermummung
sei in hohem Masse geeignet, den Zusammenhalt gewalttätiger Demonstrationen
zu fördern und die Neigung zu Gewalttätigkeiten zu vergrössern (JÖRN-HENRIK
MEYN, Die sogenannte Vermummung und passive Bewaffnung - verfassungs-
und verwaltungsrechtliche Probleme unter besonderer Berücksichtigung
der Änderung des Versammlungsgesetzes von 1985 -, in: Europäische
Hochschulschriften, Reihe II, Bd. 749, 1988, S. 207/8 mit Hinweisen
auf Drucksachen des Deutschen Bundestages; RUPERT SCHOLZ, Rechtsfrieden
im Rechtsstaat, in: Neue Juristische Wochenschrift 1983, S. 711). Wohl
trifft es zu, dass es Versammlungsteilnehmer gibt, die sich nicht deshalb
vermummen, um aus der Anonymität heraus Straftaten begehen zu können,
sondern weil sie damit verhindern wollen, von der Polizei erkannt und
datentechnisch erfasst zu werden, oder weil sie z.B. durch das Tragen einer
Maske ein bestimmtes Thema symbolisch darstellen wollen. Das ändert jedoch
nichts daran, dass aufgrund der in den letzten Jahren im Kanton Basel-Stadt
bei Demonstrationen gemachten Erfahrungen von der These des Regierungsrats
ausgegangen werden muss, wonach die Anwesenheit Vermummter die Gefahr
von Ausschreitungen wesentlich erhöht. Verhält es sich so, dann bildet
das Verbot, sich bei solchen Veranstaltungen unkenntlich zu machen, eine
geeignete und taugliche Massnahme, um die Gefahr von Gewalttaten möglichst
klein zu halten und damit die öffentliche Sicherheit besser zu schützen.

    Was das Gebot der Erforderlichkeit bzw. Notwendigkeit eines
Grundrechtseingriffs anbelangt, so ist auch eine geeignete Massnahme
dann unzulässig, wenn eine gleich geeignete, mildere Anordnung für
den angestrebten Erfolg ausreicht (ULRICH ZIMMERLI, Der Grundsatz der
Verhältnismässigkeit im öffentlichen Recht, ZSR 97/1978 II, S. 14). Die
Beschwerdeführer sind der Meinung, der angestrebte Zweck könne auch mit
einem weniger einschneidenden Eingriff erreicht werden, nämlich dadurch,
dass die Behörde im Einzelfall ein Vermummungsverbot mittels Auflage
anordne. Es besteht indessen ein erhebliches Interesse daran, dass aus
generalpräventiven Gründen eine generelle Ordnung geschaffen wird und
nicht bloss von Fall zu Fall Anordnungen getroffen werden, bei denen
im übrigen stets die Gefahr besteht, dass sie nicht zur Kenntnis aller
Teilnehmer gelangen.

    bb) Die Beschwerdeführer vertreten ferner die Auffassung, der mit dem
Vermummungsverbot verfolgte Zweck stehe in keinem vernünftigen Verhältnis
zu den mit der Massnahme verbundenen Einschränkungen.

    Das in § 40 Abs. 4 ÜStG statuierte Verbot der Unkenntlichmachung soll
verhindern, dass es bei grösseren Veranstaltungen auf öffentlichem Grund
zu Ausschreitungen kommt und dass die Teilnehmer aus der Anonymität
heraus Straftaten begehen und damit die Ermittlungstätigkeit der
Polizei erschweren oder vereiteln können. Der Regierungsrat erklärt,
es könne in einem Rechtsstaat wohl kaum toleriert werden, dass
Teilnehmer einer Demonstration, welche nachgewiesenermassen für diverse
Gewalttätigkeiten verantwortlich seien, zufolge der Vermummung nicht
identifiziert und der Strafjustiz übergeben werden könnten. Es muss in
einem Rechtsstaat auch nicht geduldet werden, dass durch gewalttätige
Handlungen vermummter Teilnehmer die öffentliche Sicherheit und damit
hochrangige Rechtsgüter (Leben, körperliche Unversehrtheit, Eigentum)
schwer gefährdet werden. Wenn zur Abwehr dieser Gefahren das hier in
Frage stehende Verbot der Unkenntlichmachung erlassen wurde, kann nicht
gesagt werden, die Massnahme stehe in keinem vernünftigen Verhältnis
zum angestrebten Zweck. Wie dargelegt wurde, ist die mit der Massnahme
verbundene Grundrechtsbeschränkung von geringerem Gewicht als das erwähnte
öffentliche Interesse.

    Entscheidend ist sodann, dass das in § 40 Abs. 4 ÜStG vorgesehene
Verbot der Unkenntlichmachung nicht absolut gilt, sondern Ausnahmen
bewilligt werden können. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass die
Behörde aufgrund der allgemein gehaltenen Regelung die Möglichkeit hat,
eine Ausnahmebewilligung immer dann zu erteilen, wenn sie legitime Gründe
für eine Unkenntlichmachung als gegeben erachtet. Der Regierungsrat hält
denn auch in der Beschwerdeantwort fest, Ausnahmen vom Vermummungsverbot
seien nicht nur dann möglich, wenn Interessen des Persönlichkeitsschutzes
oder religiöse Anschauungen mitspielten (wie z.B. bei Kundgebungen
von Homosexuellen oder von islamischen Frauen), sondern auch dann,
wenn es sich um Demonstrationen handle, deren Motiv und Zweck nur
durch Unkenntlichmachung des Gesichts in optimaler Weise dargestellt
werden könnten (z.B. Veranstaltungen gegen die schlechte Luft mittels
Gasmasken). Dies zeigt, dass die kantonale Behörde gewillt ist, beim
Entscheid über die Ausnahmebewilligung die verschiedenen Interessen nach
objektiven Gesichtspunkten gegeneinander abzuwägen und dabei dem legitimen
Bedürfnis, Veranstaltungen mit Appellwirkung an die Öffentlichkeit
durchführen zu können, angemessen Rechnung zu tragen. In Anbetracht
all dieser Umstände kann nicht gesagt werden, der mit § 40 Abs. 4 ÜStG
verbundene Eingriff schränke das Recht auf freie Meinungsäusserung und
freie Versammlung übermässig und unzumutbar ein und sei deshalb nicht
mehr verhältnismässig.

    h) Daraus ergibt sich, dass die Beschwerdeführer zu Unrecht behaupten,
die Vorschrift lasse sich nicht verfassungs- und konventionskonform
auslegen. Gerade die von ihnen kritisierte Ausnahmeklausel gibt der
Behörde die Möglichkeit, vom Vermummungsverbot abzusehen, wenn es mit
Verfassung oder Konvention in Widerspruch geriete. In der Rechtslehre wird
denn auch sinngemäss die Auffassung vertreten, ein Vermummungsverbot,
das Ausnahmen zulasse, sei mit der Verfassung vereinbar (JÖRG PAUL
MÜLLER, aaO, S. 163). Mit der in § 40 Abs. 4 ÜStG vorgesehenen, sehr
allgemein gehaltenen Ausnahmeregelung besteht Gewähr dafür, dass das
Vermummungsverbot in der Praxis eine sinnvolle und den Umständen des
Einzelfalls Rechnung tragende Anwendung finden kann. Dass die Behörde
die Vorschrift einmal in verfassungswidriger Art auslegen könnte, ist
zwar nicht von vornherein auszuschliessen, doch ist das für die Frage
der Aufhebung der Norm ohne Belang, denn diese lässt sich, wie dargelegt
wurde, ohne besondere Schwierigkeiten verfassungskonform auslegen (BGE
106 Ia 138 E. 3a).

    Nach dem Gesagten stellt das in § 40 Abs. 4 ÜStG statuierte Verbot der
Unkenntlichmachung keinen unzulässigen Eingriff in die Meinungsäusserungs-
und die Versammlungsfreiheit dar.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführer erheben eine Reihe weiterer Rügen, die im
folgenden zu behandeln sind.

    a) Sie machen geltend, die angefochtene kantonale Norm verletze
das verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit und den
Anspruch auf Privatsphäre nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK. Sodann sind sie
der Ansicht, das Vermummungsverbot verstosse gegen die Kunstfreiheit
sowie gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 49 BV und
Art. 9 EMRK. Sie weisen darauf hin, es werde bei Veranstaltungen oft mit
Künstlern zusammengearbeitet, welche ihre Darbietungen zum Teil vermummt
präsentierten (z.B. Strassentheater). Die Glaubens- und Gewissensfreiheit
werde dadurch beeinträchtigt, dass sich das Verbot auch gegen Personen
richte, die in Ausübung und Verbreitung ihrer religiösen Überzeugung
vermummt an einer Veranstaltung teilnähmen.

    Die Teilnahme an den hier fraglichen Veranstaltungen steht unter dem
Schutz der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit. Neben der
Rüge der Verletzung dieser beiden Freiheitsrechte kommt der Berufung
auf die persönliche Freiheit, die Kunstfreiheit, die Glaubens-
und Gewissensfreiheit sowie den Anspruch auf Privatsphäre keine
selbständige Bedeutung zu. Selbst wenn man übrigens annähme, das eine
oder andere der erwähnten Grundrechte hätte selbständige Bedeutung,
so wäre das für den Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens ohne
Belang, denn die Einschränkung wäre auch insoweit mit Verfassung und
Konvention vereinbar, und zwar aus den gleichen Gründen, wie sie bei
der Überprüfung der Norm unter dem Gesichtspunkt der Meinungsäusserungs-
und der Versammlungsfreiheit dargelegt wurden (vgl. E. 3).

    b) Die Beschwerdeführer erachten das Vermummungsverbot als unvereinbar
mit dem Anspruch auf Datenschutz. Sie bringen vor, die an einer Versammlung
oder Demonstration preisgegebenen Daten müssten als "hochsensibel"
eingestuft werden, würden doch an einer solchen Veranstaltung
Gesinnung, politische sowie religiöse Anschauungen deutlich. Der
Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Datenschutz bezeichne in Art. 3
lit. e (BBl 1988 II S. 516/17) Daten über religiöse, weltanschauliche,
politische oder gewerkschaftliche Ansichten und Tätigkeiten als besonders
schützenswert. Bevor diese Voraussetzung nicht garantiert werden könne,
müsse es jeder Person erlaubt sein, sich bei Versammlungen unkenntlich zu
machen. Das Vermummungsverbot habe ferner zur Folge, dass alle Teilnehmer
einer Kundgebung gezwungen seien, sich der Möglichkeit von polizeilichen
Foto- und Filmaufnahmen und damit deren Sammlung und Speicherung
auszusetzen. Für solche polizeilichen Observationen bestünden aber keine
gesetzlichen Grundlagen, und solange es an solchen fehle, müsse dem Bürger
als Korrelat gestattet sein, sich bei Versammlungen unkenntlich zu machen.

    Diese Befürchtungen der Beschwerdeführer sind im Lichte der
jüngsten Diskussion über das Anlegen und Aufbewahren von Fichen ernst
zu nehmen. Das ändert aber nichts daran, dass das Bundesgericht, wie
erwähnt, eine kantonale Norm nur aufhebt, wenn sie sich jeder verfassungs-
und konventionskonformen Auslegung entzieht. Bei der Auslegung der Norm
hat das Bundesgericht davon auszugehen, dass sich die Behörden an die
geltende Rechtsordnung halten und die Vorschriften über den Datenschutz
beachten. Sollte das in einem konkreten Fall nicht zutreffen, könnte sich
der Betroffene dagegen zur Wehr setzen. Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung hat die Behörde darauf zu achten, dass sie keine
unnötigen und keine unkorrekten Personendaten aufbewahrt. Die Aufbewahrung
personenbezogener Daten kann zu einem Eingriff in das Privatleben führen,
und das Recht, von Daten über die eigene Person Kenntnis zu nehmen,
erscheint als notwendige Voraussetzung für den Anspruch auf allfällige
Berichtigung. Nur soweit überwiegende öffentliche oder private Interessen
entgegenstehen, darf die Akteneinsicht verweigert werden (BGE 113 Ia 1 ff.,
257 ff.). Das Bundesgericht erachtete es im Urteil BGE 113 Ia 1 ff. als mit
dem aus Art. 4 BV folgenden Anspruch auf Akteneinsicht unvereinbar, dass
einem Bürger die Einsicht in die seine Person betreffenden Eintragungen
in einem Polizeiregister verweigert worden war, und im andern zitierten
Urteil (BGE 113 Ia 257 ff.) erklärte es eine kantonale Gesetzesvorschrift
als verfassungswidrig, die den Behörden in absoluter Weise untersagte, dem
Betroffenen Einsicht in die über seine Person bestehenden polizeilichen
Akten zu gewähren. Die im vorliegenden Fall angefochtene Norm ist auch
unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes nicht zu beanstanden. Das
Vermummungsverbot zielt nicht darauf ab, Personendaten zu beschaffen
und zu bearbeiten. Sein Zweck besteht darin, das einer Versammlung oder
Demonstration inhärente Gefahrenpotential möglichst klein zu halten und
zu verhindern, dass Teilnehmer unter dem Schutz der Vermummung unerkannt
Straftaten begehen können. Ob die Polizei bei Demonstrationen filmen und
fotografieren darf, hängt nicht mit dem Vermummungsverbot zusammen. Wie
es sich damit verhält, ist hier nicht zu prüfen, da dies keine Frage der
Auslegung des § 40 Abs. 4 ÜStG ist.

    Nach dem Gesagten trifft es entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer
nicht zu, dass die angefochtene Bestimmung mit dem Anspruch auf Datenschutz
unvereinbar ist.

    c) Als unbegründet erweist sich ferner die Rüge, die kantonale Norm
verletze Art. 7 EMRK. Diese Vorschrift enthält - ebenso wie Art. 1 StGB
- den Grundsatz, dass niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung
verurteilt werden kann, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder
internationalem Recht nicht strafbar war. Die angefochtene Norm entspricht
dieser Garantie. Es handelt sich um eine Gesetzesbestimmung, die ein
bestimmtes Verhalten ausdrücklich mit Strafe bedroht, hinreichend bestimmt
ist und sich verfassungs- und konventionskonform auslegen lässt. Das
Gesetz bestimmt in keiner Weise, dass die beanstandete Norm auch auf
Handlungen anzuwenden wäre, die vor deren Inkrafttreten begangen wurden.

    d) Schliesslich beklagen sich die Beschwerdeführer über eine Verletzung
der in Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Garantie der Unschuldsvermutung. Sie
bringen vor, das Vermummungsverbot führe dazu, dass auch ein friedlicher
Demonstrationsteilnehmer allein deshalb bestraft werde, weil er sich
unkenntlich mache. Dabei werde von der Tatsache ausgegangen, dass sich bei
politischen Demonstrationen nur vermumme, wer beabsichtige, Straftaten zu
begehen. Es gebe jedoch legitime Gründe für eine Vermummung. Würden aber
alle Vermummten als Gewalttäter eingeschätzt, laufe das Vermummungsverbot
auf eine Verdachtsstrafe hinaus.

    Auch diese Überlegungen gehen fehl. Nach Art. 6 Ziff. 2 EMRK wird
bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld vermutet, dass der wegen
einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist. Wenn jemandem unter
Strafandrohung verboten wird, vermummt an einer Veranstaltung teilzunehmen,
wird damit in keiner Weise behauptet, er habe sich einer andern Straftat
schuldig gemacht. Das Verbot trägt bloss der Erfahrungstatsache Rechnung,
dass bei Demonstrationen die Gefahr von Gewaltanwendung grösser ist,
wenn vermummte Personen beteiligt sind. Eine Bestrafung aufgrund des
§ 40 Abs. 4 ÜStG stellt klarerweise keine Verdachtsstrafe dar. Wenn
jemand nach dieser Bestimmung bestraft wird, wird seine Schuld durch
ein Gerichtsurteil in einem Verfahren festgestellt, in dem ihm alle
Verteidigungsrechte nach Art. 6 EMRK zustehen. Von einer Verletzung des
Grundsatzes der Unschuldsvermutung kann deshalb nicht die Rede sein.

Erwägung 5

    5.- Auch was die Beschwerdeführer sonst noch vorbringen, ist
nicht geeignet, den Nachweis zu erbringen, dass § 40 Abs. 4 ÜStG einer
verfassungs- und konventionskonformen Auslegung nicht zugänglich wäre. Die
Beschwerden sind daher abzuweisen.