Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IA 452



117 Ia 452

71. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30.
Januar 1991 i.S. K. gegen Präsident des Obergerichts des Kantons Zürich
und Mitbeteiligte sowie Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche
Beschwerde) Regeste

    Art. 85 lit. a OG: Wahl eines Bezirksgerichts; behördliche
Intervention.

    1. Zulässigkeit von behördlichen oder privaten Informationen vor
Sachabstimmungen oder Wahlen im allgemeinen (E. 3).

    2. Besonderheiten bei Richterwahlen (E. 4).

    3. Beurteilung der Aussagen des Obergerichtspräsidenten über die
Zustände an einem Bezirksgericht im Vorfeld der Gesamterneuerungswahl
(E. 5a); Verhalten der politischen Partei und weitere Umstände des
Wahlganges (E. 5b-d).

    4. Kein entscheidender Einfluss der gerügten Unregelmässigkeiten auf
den Wahlausgang (E. 6).

Sachverhalt

    A.- Die Gesamterneuerungswahl eines zürcherischen Bezirksgerichts mit
fünf Mitgliedern wurde auf den 1. April 1990 angesetzt. Die Schweizerische
Volkspartei SVP nominierte anfangs Oktober 1989 ihre bisherigen vier
Mitglieder und schlug davon den bisherigen Gerichtspräsidenten K. wiederum
für das Präsidium vor. Sie unterbreitete diese Wahlvorschläge Mitte
Dezember 1989 dem Bezirksrat.

    Ende Dezember 1989 erschien in einer Lokalzeitung unter dem Titel
"Oppositionsparteien und Obergericht kritisieren Bezirksgericht" ein
Zeitungsartikel über die Bezirksgerichtswahl. Der Journalist beschrieb
darin das Umfeld der bevorstehenden Wahlen und wies auf die "einseitige
Zusammensetzung", auf angeblich mangelnde Wahlmöglichkeiten sowie auf
Kandidaturen von Frauen hin. Zudem berichtete er über ein Interview
mit dem Präsidenten des Obergerichts und der Verwaltungskommission
des Obergerichts des Kantons Zürich und mit dem bisherigen
Bezirksgerichtspräsidenten. Dieser Zeitungsartikel umfasst u.a. folgende
Abschnitte:

    "Obergericht kritisiert

    Anders tönt es beim Obergericht, der administrativen Aufsichtsbehörde
   aller Bezirksgerichte. Mit dem Bezirksgericht ... sind wir nicht sehr
   zufrieden, bekannte der Präsident des Obergerichts und der

    Verwaltungskommission ... gegenüber (der Lokalzeitung). Die Prozesse
   würden zuwenig gefördert und blieben zu lange liegen, kritisiert er. Als

    Beispiel für den wachsenden Pendenzenberg nannte er die Zivilprozesse,
die
   vom Kollegialgericht zu behandeln sind. Seit 1984 hätten die
   Pendenzen dauernd auf mittlerweilen 47 zugenommen, dies bei jährlichen
   Neueingängen von 59 im Jahr 1986, 64 (1987) und 54 (1988).'An anderen
   Bezirksgerichten erreichen die Pendenzen höchstens einen Stand, der
   der Hälfte der

    Neueingänge entspricht', betont der Obergerichtspräsident.

    Die Verwaltungskommission (muss) dem Bezirksgericht ... eine

    Spezialbehandlung angedeihen lassen. So habe sie eine

    Spezialberichterstattung über die hängigen Verfahren verlangt,
früher den
   damaligen Gerichtsschreiber als Ersatzrichter bezeichnet und im Sommer
   dieses Jahres einen zusätzlichen Sekretär bestellt. Zudem taucht der vom

    Obergericht für das Bezirksgericht ... bezeichnete Referent
regelmässig im

    Bezirkshauptort auf, um Akten einzusehen.

    Die Probleme liegen im personellen Bereich, ist der Präsident des

    Obergerichts überzeugt. Einerseits verfüge das Gericht nur über einen
   einzigen Kanzleibeamten, nämlich Gerichtsschreiber M., andererseits
   falle es Präsident K. schwer, 'Fälle aus der Hand zu geben'. Eine

    Stellenvermehrung kommt für (ihn) nicht in Frage. Erst vor sechs Jahren
   wurde das Präsidium in ein Vollamt umgewandelt, die vergleichsweise
   kleine

    Geschäftslast am ... Bezirksgericht ... lässt vorläufig keine weitere

    Aufstockung zu.

    Höhere Belastung des Präsidenten

    'Wir haben einen starken Pendenzendruck', gesteht Gerichtspräsident K.
   ein. Verantwortlich dafür sei aber nicht das Gericht allein. 'Die Schuld
   liegt auch bei den Parteien und Anwälten, die alle Rechtsmöglichkeiten
   ausschöpfen'. Auch habe die Belastung der beiden einzigen Juristen am

    Gericht (er selbst und der Gerichtsschreiber) in den letzten Jahren
   zugenommen, weil 'wir uns im Gegensatz zu grösseren Gerichten nicht
   spezialisieren können'. Zwar stünden ihm Auditoren (Praktikanten) zur

    Verfügung, da diese aber relativ bald ihre Stelle wieder wechselten,
könne
   er länger dauernde Verfahren nicht delegieren. 'Wir wollen unsere
   Sache gut machen, wissen aber auch, dass Entscheide innert nützlicher
   Frist gefällt werden müssen', sind sich der Präsident und der
   Gerichtsschreiber einig.

    Die Zahl der Fälle ist in den letzten Jahren ziemlich konstant
geblieben.

    Die Verfahren wurden laut dem Präsidenten aber umfangreicher und
   komplizierter. Die Arbeitslast verlagerte sich - wie an andern

    Bezirksgerichten auch - vom Kollegialgericht auf den Einzelrichter und
   damit den Präsidenten, der in allen Verfahrensarten auch Einzelrichter
   ist. Zwei Drittel aller Fälle entscheidet heute der Einzelrichter. Als
   besonders kompliziert und langwierig bezeichnet der Präsident die
   (in seiner Gegend) relativ häufigen Erbschaftsangelegenheiten und die
   aufwendigen Beweisverfahren, namentlich bei Bauabrechnungsprozessen."

    Dieser kritische Bericht über das Bezirksgericht und insbesondere
über den Bezirksgerichtspräsidenten K. veranlasste die SVP zu einer neuen
Beurteilung der Lage. An einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung
von Ende Januar 1990 verzichtete die Partei zum einen auf einen Sitz
und schlug zum andern neu den bisherigen Gerichtsschreiber M. als
Mitglied und Präsident des Bezirksgerichts vor. - In der Folge gaben die
Erneuerungswahlen in der Presse viel zu reden.

    Am 1. April 1991 fand die Erneuerungswahl statt. Der bisherige
Gerichtsschreiber blieb an fünfter Stelle. Der bisherige Gerichtspräsident
erreichte auf dem sechsten Platz zwar das absolute Mehr, schied indessen
als überzählig aus der Wahl. - In einem zweiten Wahlgang wurde der
bisherige Gerichtsschreiber zum Präsidenten des Bezirksgerichts gewählt.

    Der bisherige Gerichtspräsident K. hat die Wahl vom 1. April 1990
beim Regierungsrat des Kantons Zürich ohne Erfolg angefochten und darauf
beim Bundesgericht Stimmrechtsbeschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a
OG erhoben. Er rügt im wesentlichen eine unzulässige Beeinflussung der
Wahl. Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit
es auf sie eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer macht mit der vorliegenden Beschwerde
zur Hauptsache geltend, das Wahlrecht sei durch eine unzulässige
Beeinflussung der Wähler verletzt worden. Die Stimmbürger hätten ihren
Willen angesichts des Interviews des Obergerichtspräsidenten und der
ausgedehnten Pressekampagne nicht frei äussern können.

    a) Das vom Verfassungsrecht des Bundes gewährleistete Stimm- und
Wahlrecht räumt dem Bürger allgemein den Anspruch darauf ein, dass kein
Abstimmungs- oder Wahlergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen
der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt (BGE
114 Ia 432 E. 4a, 113 Ia 52 und 294, 102 Ia 268 E. 3, mit Hinweisen). Es
soll garantiert werden, dass jeder Stimmbürger seinen Entscheid gestützt
auf einen möglichst freien und umfassenden Prozess der Meinungsbildung
treffen kann (BGE 114 Ia 432 E. 4a, 113 Ia 294 E. 3a, 98 Ia 79, mit
Hinweisen). Das Ergebnis eines Urnengangs kann unter anderem durch eine
unzulässige Beeinflussung der Willensbildung der Stimmbürger verfälscht
werden. Dies trifft insbesondere bei gewissen Informationen im Vorfeld
von Urnengängen zu. Die Praxis des Bundesgerichts hat die Zulässigkeit
von solchen Informationen in verschiedener Hinsicht differenziert.

    b) Nach der Rechtsprechung sind gewisse behördliche Informationen zu
Sachabstimmungen wie etwa Abstimmungserläuterungen zulässig, in denen eine
Vorlage zur Annahme empfohlen wird und die Gründe dargelegt werden, welche
für die Mehrheit des Parlaments ausschlaggebend gewesen sind (BGE 112 Ia
335 E. c, 106 Ia 200, mit Hinweisen). Eine unerlaubte Beeinflussung liegt
indessen dann vor, wenn die Behörde ihre Pflicht zu objektiver Information
verletzt und über den Zweck und die Tragweite der Vorlage falsch orientiert
oder wenn sie in unzulässiger Weise in den Abstimmungskampf eingreift
und positive, zur Sicherung der Freiheit der Stimmbürger aufgestellte
Vorschriften missachtet oder sich sonstwie verwerflicher Mittel bedient
(BGE 114 Ia 432 E. 4a, 113 Ia 335 E. b, mit Hinweisen). Das Bundesgericht
hat das Eingreifen der Behörde in den Abstimmungskampf nur als Ausnahme
zugelassen und auf Fälle beschränkt, in denen triftige Gründe für eine
solche Intervention gegeben waren (BGE 114 Ia 433 E. c, mit Hinweisen). Es
hat dabei unterschiedliche Konstellationen beurteilt (vgl. BGE 114 Ia
433 E. c): Zum einen Informationen desjenigen Gemeinwesens, das die
Abstimmung selber durchführte (vgl. BGE 112 Ia 332, insbes. 337); zum
andern ein Eingreifen einer Gemeinde in den Abstimmungskampf über eine
kantonale Vorlage (BGE 108 Ia 155, insbesondere 158 ff., 105 Ia 244);
schliesslich war in einem Fall eine Beeinflussung der Abstimmung des
untergeordneten Gemeinwesens durch das übergeordnete streitig (BGE 114
Ia 427, insbes. 434 f.).

    Stellt das Bundesgericht derartige Mängel fest, so hebt es indessen
die Abstimmung nur auf, wenn die gerügten Unregelmässigkeiten erheblich
sind und das Ergebnis beeinflusst haben könnten. Die Auswirkung braucht
vom Beschwerdeführer nicht nachgewiesen zu werden; vielmehr genügt es,
wenn eine derartige Beeinflussung im Bereiche des Möglichen liegt. Mangels
einer ziffernmässigen Feststellung der Auswirkung eines Verfahrensmangels
ist dessen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis nach den gesamten Umständen
und grundsätzlich mit freier Kognition zu beurteilen. Dabei wird namentlich
auf die Schwere des festgestellten Mangels und dessen Bedeutung im Rahmen
der gesamten Abstimmung sowie auf die Grösse des Stimmenunterschiedes
abgestellt. Erscheint die Möglichkeit, dass die Abstimmung ohne den
Mangel anders ausgefallen wäre, nach den gesamten Umständen als derart
gering, dass sie nicht mehr ernsthaft in Betracht fällt, so kann von der
Aufhebung des Urnenganges abgesehen werden (BGE 113 Ia 59, 112 Ia 338,
mit Hinweisen).

    Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können auch private
Informationen zu Sachabstimmungen in unzulässiger Weise die Willensbildung
der Stimmbürger beeinflussen. Von einer unzulässigen Einwirkung wird
dann gesprochen, wenn mittels privater Publikationen in einem so späten
Zeitpunkt mit offensichtlich unwahren und irreführenden Angaben in den
Abstimmungskampf eingegriffen wird, dass es dem Bürger nach den Umständen
unmöglich ist, sich aus andern Quellen ein zuverlässiges Bild von den
tatsächlichen Verhältnissen zu machen (BGE 98 Ia 80, 625 f., 102 Ia
268 f., ZBl 81/1980 S. 251). Einflüsse dieser Art vermögen indessen
nur ausnahmsweise die Aufhebung einer Abstimmung zu rechtfertigen.
Verstösse von privater Seite gegen die guten Abstimmungssitten und die
Verwendung von falschen und irreführenden Angaben im Abstimmungskampf
lassen sich, so verwerflich sie auch immer sein mögen, nicht völlig
ausschliessen und sind daher in gewissem Ausmasse in Kauf zu nehmen. Eine
Aufhebung einer Abstimmung kann daher nur mit grösster Zurückhaltung in
Betracht gezogen werden; überdies kommt die Kassation lediglich dann in
Frage, wenn die Auswirkungen der beanstandeten unerlaubten Beeinflussung
auf das Abstimmungsergebnis ausser Zweifel stehen oder zumindest sehr
wahrscheinlich sind (BGE 98 Ia 80, 625 f., 102 Ia 268 f., ZBl 81/1980
S. 251).

    c) In bezug auf Wahlen hat das Bundesgericht ein behördliches
Eingreifen in den Wahlkampf grundsätzlich ausgeschlossen. Bei den Wahlen
kommt den Behörden keine Beratungsfunktion zu wie bei Sachentscheiden. Hier
haben sie nicht von Rechts wegen mitzuwirken und ihre Auffassung der
öffentlichen Interessen zu wahren. Es ist zu verhindern, dass sich
der Staat im Wahlkampf auch nur indirekt in den Dienst parteiischer
Interessen stellt. Eine Intervention kommt daher höchstens dann in Frage,
wenn sie im Interesse der freien und unverfälschten Willensbildung
und Willensbetätigung der Wähler als unerlässlich erscheint. So kann
z.B. eine Richtigstellung offensichtlich falscher Informationen, die im
Verlaufe eines Wahlkampfes verbreitet werden, als zulässig erscheinen;
indessen dürfte die Behörde bei einer solchen Gelegenheit nicht selber
Wahlpropaganda betreiben oder einen Kandidaten verunglimpfen (BGE 113
Ia 296 f., 114 Ia 433). - Stellt das Bundesgericht in dieser Hinsicht
Mängel fest, so hebt es die Wahl nach den gleichen Grundsätzen auf wie im
Falle von mangelhaften Sachabstimmungen infolge unzulässiger behördlicher
Informationen (BGE 113 Ia 302, mit Hinweisen).

    Schliesslich hat das Bundesgericht schon Angelegenheiten beurteilt,
in denen die Rechtmässigkeit von Einwirkungen auf Wahlen von privater
Seite in Frage standen. Es hat dazu allgemein festgehalten, dass gewisse
unsachliche, übertreibende oder gar unwahre Behauptungen im Wahlkampf
kaum vermieden werden könnten und diese trotz ihrer Verwerflichkeit die
nachträgliche Kassation einer Wahl in der Regel nicht rechtfertigten. Aus
praktischen Gründen sei auch hier grösste Zurückhaltung geboten. Eine
Wiederholung einer Wahl könne - gleich wie bei Abstimmungen - nur bei ganz
schwerwiegenden Verstössen verlangt werden und unter der Voraussetzung,
dass die Auswirkung des Mangels auf den Ausgang der Wahl ausser Zweifel
steht oder zumindest als sehr wahrscheinlich erscheint (BGE 102 Ia 269,
98 Ia 79, vgl. auch BGE 113 Ia 302). Eine derartige schwerwiegende
Beeinflussung einer Wahl auf Gemeindeebene hat das Bundesgericht darin
erblickt, dass ein Kandidat in letzter Stunde des Stimmenkaufs beschuldigt
worden war, und dementsprechend hat es die Wahl aufgehoben (Urteil vom
3. Februar 1939 i.S. Thomann, in einer Zusammenfassung wiedergegeben in:
ZBl 40/1939 S. 249).

Erwägung 4

    4.- Soweit wie im vorliegenden Fall die Wahl von richterlichen Behörden
in Frage steht, fällt dem einzelnen Stimmbürger eine Beurteilung der
Kandidaten oftmals schwer. Insbesondere die fachliche Qualifikation der
Kandidaten kann nicht leicht abgeschätzt werden, auch wenn der Bürger
aufgrund der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen unmittelbar und
aufgrund der Gerichtsberichterstattung in den Medien mittelbar davon
Kenntnis erhalten kann, wie das Recht verwaltet und die Rechtspflege
ausgeübt wird (BGE 113 Ia 319 f.).

    Auf der andern Seite unterliegt ein Bezirksgericht, dessen Mitglieder
vom Volk gewählt werden, nicht nur der demokratischen Kontrolle. Vielmehr
übt der Kantonsrat die Oberaufsicht über die Rechtspflege aus, wofür
ihm das Obergericht jährlich u.a. Bericht über die seiner direkten
Aufsicht unterstellten Bezirksgerichte erstattet (§ 105 und § 106 Abs. 1
des Gerichtsverfassungsgesetzes, GVG). Die Aufsichtsbehörden haben
insbesondere für einen ordentlichen Gang der Justiztätigkeit sowie für
eine Prozesserledigung innert der durch Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK
gebotenen Fristen zu sorgen. Nach § 108 GVG kann die Aufsichtsbehörde
auf Beschwerde hin oder von Amtes wegen organisatorische Massnahmen und
insbesondere gestützt auf das Ordnungsstrafengesetz des Kantons Zürich
disziplinarische Verfügungen (Verweis und Busse nach Art. 4 Abs. 1)
ergreifen. Immerhin können die vom Volk gewählten Beamten und Angestellten
auch nach dem Ordnungsstrafengesetz nicht in ihrem Dienst eingestellt
werden (§ 4 Abs. 3).

    Abgesehen von individuellen Erfahrungen kommt daher für den Entscheid,
welchem Kandidaten der einzelne Stimmbürger seine Stimme gibt, den
Wahlvorschlägen der politischen Gruppierungen ausschlaggebende Bedeutung
zu; der Stimmbürger wird weitgehend darauf vertrauen (müssen), dass die
politischen Parteien ihre Kandidaten sorgfältig ausgesucht haben. Daneben
können indessen gerade auch Informationen über die Qualifikation eines
Kandidaten, welche von amtlicher Seite stammen, für den Stimmbürger eine
wichtige Rolle spielen. Dazu gehören sowohl allgemeine amtliche Berichte
wie etwa Geschäfts- oder Rechenschaftsberichte, die ohne grösseren Aufwand
konsultiert werden können, als auch spezielle Informationen im Vorfeld
eines Wahlganges.

Erwägung 5

    5.- Ausgangspunkt der Auseinandersetzungen um die streitige
Bezirksrichterwahl war unbestrittenermassen das Interview, das der
Obergerichtspräsident dem Journalisten gewährt hatte und das mit dessen
Zustimmung Ende Dezember 1989 erschien. In diesem Zeitungsartikel war von
der Forderung nach einer echten Wahlmöglichkeit und dem Anliegen nach einer
weiblichen Vertretung die Rede; zum andern wurde Kritik an der Amtsführung
des Beschwerdeführers während der zu Ende gehenden Amtsperiode geübt,
und der Beschwerdeführer erhielt Gelegenheit zur Entgegnung.

    a) Die Kritik an der Amtsführung des Beschwerdeführers geht
unbestrittenermassen auf das Interview des Obergerichtspräsidenten und
den darauf erschienenen Artikel zurück. Sie bezieht sich auf die am
Bezirksgericht seit Jahren vorhandenen grossen Rückstände; als Gründe
hierfür wurden Probleme "im personellen Bereich" angegeben; weiter wurden
darin die aufsichtsrechtlichen Massnahmen des Obergerichts erwähnt.

    Diese Tatsachen sind im wesentlichen unbestritten. Sie ergeben sich
auch weitgehend aus den verschiedenen Akten. Insbesondere beschäftigte
sich die Verwaltungskommission des Obergerichts in ihren jährlichen sog.
Zensurbeschlüssen seit Jahren in ausserordentlichem (und zunehmendem)
Umfang mit der Situation am Bezirksgericht und ordnete verschiedenste
Aufsichtsmassnahmen an; dazu zählten u.a. eine Spezialberichterstattung
über eine grosse Zahl von Pendenzen, der Einsatz des Gerichtsschreibers als
ausserordentlicher nebenamtlicher Einzelrichter mit speziellen Befugnissen
und die Empfehlung an den Beschwerdeführer, von gewissen arbeitsaufwendigen
Ämtern zurückzutreten. Im Rechenschaftsbericht des Obergerichts an den
Kantonsrat für das Jahr ... wurde auf die Pendenzen am Bezirksgericht
hingewiesen und als Grund dafür angegeben, dass die Verfahren häufige
und lange Bearbeitungslücken aufwiesen. Die Justizverwaltungskommission
befasste sich ebenfalls mit der Situation am Bezirksgericht und führte
vor dem Kantonsrat aus, dass die Art der Bearbeitungspausen zeige, dass
es nicht an der personellen Kapazität, sondern an einer konsequenten
Prozessleitung durch den Gerichtspräsidenten fehle. - Welches die Gründe
für die Pendenzen im einzelnen sind, ist streitig. Der Beschwerdeführer
macht in dieser Hinsicht geltend, dass das Bezirksgericht seit Jahren über
zu wenig juristisches Personal verfüge; das Gericht habe das Obergericht
in seinen Berichterstattungen seit Jahren auf diesen Zustand aufmerksam
gemacht. Darüber hinaus wendet er ein, dass sich die Situation insbesondere
im Jahre 1989 gebessert habe, was sich mit der Berichterstattung belegen
lässt. - Im vorliegenden Fall braucht nicht abgeklärt zu werden, welche
Ursachen im einzelnen zu den Pendenzen und Rückständen geführt haben. Es
ist daher auch nicht auf die unzähligen Vorbringen der Parteien im
bundesgerichtlichen Verfahren einzugehen.

    Das Interview, das der Obergerichtspräsident dem Journalisten
gewährt hat, stellt unabhängig vom Inhalt klarerweise eine Intervention
in die Auseinandersetzung um die Erneuerungswahlen dar. Nach der oben
dargelegten Systematik handelt es sich dabei um ein Eingreifen von
behördlicher Seite des übergeordneten kantonalen Gemeinwesens in die
Wahl auf der untergeordneten Bezirksstufe. Ein solches Handeln ist nach
der dargelegten Rechtsprechung grundsätzlich ausgeschlossen und kommt
lediglich ganz ausnahmsweise in Frage, wenn es im Interesse der freien und
unverfälschten Willensbildung und -betätigung als unerlässlich erscheint.

    Wie es sich damit verhält, lässt sich nicht leicht beurteilen. Eine
gewisse Information über die Art und Weise der Prozessführung am
Bezirksgericht kann für den einzelnen Stimmbürger durchaus wichtig
und wertvoll sein. Sie erlaubt es ihm, die Wahl verantwortungsvoll und
in Kenntnis der Sachlage zu treffen. Letztlich geht es dabei um das
Vertrauen in die Justiz, welche nicht nur unparteiisch und unabhängig sein
(vgl. BGE 114 Ia 55 f.), sondern auch kompetent und innert Fristen, welche
den Anforderungen von Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK gerecht werden,
entscheiden soll. - Der Regierungsrat hat im angefochtenen Entscheid zu
Recht festgehalten, dass das Interview im Ton sachlich und nicht polemisch
gehalten sei. Es können darin keine parteipolitischen Interessen oder
gar eine eigentliche Wahlpropaganda zugunsten eines andern Kandidaten
erblickt werden. Ebensowenig stellt das Interview eine Verunglimpfung
des Beschwerdeführers dar. - Immerhin ist es sehr fraglich, ob die
streitigen Informationen im gegebenen Zeitpunkt ausgerechnet vom
Präsidenten des die Aufsicht führenden Obergerichts erteilt werden
durften. Zum einen hätte der Journalist ohne weiteres auf die amtlichen
Dokumente wie die Rechenschaftsberichte des Obergerichts und die
Diskussion im Kantonsrat verwiesen werden können. Zum andern verfügt die
Aufsichtsbehörde grundsätzlich über andere Mittel der Intervention. Mit dem
Beschwerdeführer kann die Frage aufgeworfen werden, ob die Aufsichtsbehörde
- in Anbetracht der angeblich alarmierenden Zustände - nicht schon in einem
früheren Zeitpunkt mit zusätzlichen administrativen und disziplinarischen
Massnahmen hätte eingreifen müssen, unter Wahrung der Verfahrensrechte
des Beschwerdeführers. In dieser Hinsicht erweist sich das Interview des
Obergerichtspräsidenten tatsächlich als problematisch.

    Die Frage der Zulässigkeit der Intervention des Obergerichtspräsidenten
braucht indessen angesichts der nachfolgenden Erwägungen nicht
abschliessend beurteilt zu werden.

    b) Das streitige Interview erschien Ende Dezember 1989. Daraufhin nahm
die SVP an ihrer ausserordentlichen Delegiertenversammlung Ende Januar
1990 eine neue Lagebeurteilung vor und änderte ihre Wahlvorschläge ab,
indem sie auf einen Sitz verzichtete und anstelle des Beschwerdeführers
M. als Mitglied und Präsidenten nominierte. Dem Protokoll der Versammlung
kann entnommen werden, dass wegen der Kritik an der Überalterung und dem
Ruf nach Einsitz einer Frau auf einen Sitz verzichtet worden ist. Zum
andern war es der Zeitungsartikel, der Anlass zu erneuten Abklärungen
und schliesslich zum Verzicht auf die Kandidatur des Beschwerdeführers
und zur Nomination von M. gab.

    Dieser Hergang der Ereignisse zeigt, dass es vorerst einmal die
Partei selber war, welche ihre Nomination in Wiedererwägung zog und
hierfür Erkundigungen beim obergerichtlichen Referenten einholte. Es war
also die Partei, welche auf ihre ursprüngliche Nomination zurückkam und
einen andern Kandidaten vorschlug. Sie tat dies nach erneuter Diskussion
aus eigenem Entschluss und wollte damit offenbar ihre Verantwortung
gegenüber dem Stimmbürger wahrnehmen. Sie war gestützt auf die Anordnung
des Bezirksamtes frei, ihre Nominationen noch bis Ende Januar 1990 zu
ergänzen, zu ändern oder zurückzuziehen. Es standen einer Änderung der
Wahlvorschläge auch sonst keine rechtlichen Hindernisse entgegen. Auch
kann ihr nicht vorgeworfen werden, sich beim Obergericht nochmals eingehend
erkundigt zu haben. Ihr Vorgehen kann unter dem Gesichtswinkel des Stimm-
und Wahlrechts in keiner Weise beanstandet werden. Insbesondere kann darin
keine unzulässige Beeinflussung der Stimmbürger erblickt werden, welche
eine freie und ungehinderte Willensäusserung beeinträchtigt hätte. Mit der
neuen Unterstützung von M. anstelle des Beschwerdeführers ist die Partei
an die Öffentlichkeit gelangt und hat ihren für den Ausgang wichtigen
Wahlvorschlag den Wählern unterbreitet; sie hat ihr Vorgehen zudem den
Parteifreunden in einem offenen Brief erläutert. Es ist verständlich, dass
dieser Schritt der Partei unter den Wählern und in den Zeitungen einiges
zu reden gab, was unter dem Gesichtswinkel des Stimm- und Wahlrechts
ebenfalls in keiner Weise zu beanstanden ist. Der Beschwerdeführer kann
der SVP zum Wechsel der Nomination daher in rechtlicher Hinsicht auch
keinen Vorwurf machen, gehört es doch zum Risiko einer Wahl, dass die
portierende Gruppierung selbst einen eigenen Kandidaten überhaupt nicht
unterstützt oder wie im vorliegenden Fall im Stich lässt. (...)

    d) Schliesslich beanstandet der Beschwerdeführer auch die
Berichterstattung in der Presse. Angesichts des Verhaltens der SVP und
ihrer neuen Wahlvorschläge ist es nicht weiter erstaunlich und nicht zu
beanstanden, dass die Presse ausgiebig über die Bezirksgerichtswahlen
berichtete. Soweit darin Kritik an der Amtsführung des Beschwerdeführers
geübt wurde, beruhte sie auf gewissen unbestrittenen Tatsachen wie etwa
der ungewöhnlich grossen Zahl von Pendenzen und der langen Prozessdauer
sowie auf Informationen der SVP selber. Darüber hinaus hatte auch der
Beschwerdeführer Gelegenheit, sich in der Presse zu Wort zu melden
und seinen Standpunkt zu vertreten. Gesamthaft gesehen kann daher die
Berichterstattung in der Presse nicht in einem Ausmass als unsachlich,
übertrieben oder unwahr bezeichnet werden, als dass sie im Lichte der
oben dargelegten Rechtsprechung als unzulässig erscheinen würde.

Erwägung 6

    6.- Unabhängig von der Frage nach der Zulässigkeit des Interviews des
Obergerichtspräsidenten ist im folgenden im Sinne der oben dargelegten
Grundsätze zu prüfen, ob der gerügte Mangel das Wahlergebnis beeinflusst
haben könnte.

    In dieser Hinsicht ist vorerst einmal festzuhalten, dass der
Beschwerdeführer in keiner Weise daran gehindert worden ist, sich um einen
Sitz am Bezirksgericht zu bewerben und sich der Wahl zu stellen. Er konnte
sich, soweit ersichtlich, während des Wahlkampfes frei äussern und hatte
auch Zugang zur Presse.

    Das Interview des Obergerichtspräsidenten war grundsätzlich
geeignet, einen erheblichen Einfluss auszuüben, da es von kompetenter
Seite her stammt und einen für den Wähler nur schwer zu beurteilenden
Bereich betrifft. So ist es denn auch nicht weiter umstritten, dass
dieses Interview die Diskussionen um den Bezirksgerichtspräsidenten
im wesentlichen auslöste. Die Auswirkungen des Interviews auf das
Wahlergebnis werden indessen durch eine Reihe von Umständen gemindert,
welche gewissermassen die Kausalität unterbrechen.

    Zum einen ist die SVP auf ihre ursprüngliche Nomination zurückgekommen
und hat im Anschluss an die ausserordentliche Delegiertenversammlung M. als
Kandidaten vorgeschlagen. Angesichts der Bedeutung von Wahlvorschlägen
insbesondere bei Richterwahlen hat damit die Partei selber einen
wesentlichen Beitrag zur Nichtwahl des Beschwerdeführers beigetragen,
der unabhängig vom streitigen Interview gewichtet werden muss und nicht
der Intervention des Obergerichtspräsidenten zugeordnet werden kann. Zum
andern war eine gewisse Kritik an den Zuständen am Bezirksgericht und an
der Amtsführung des Beschwerdeführers aufgrund des Rechenschaftsberichtes
des Obergerichts und der Diskussion im Kantonsrat bereits bekannt und
damals in der Lokalpresse verbreitet worden. Es hätte demnach auch ohne
das streitige Interview auf diese allgemein zugänglichen Informationen
zurückgegriffen werden können. Und angesichts einer gewissen Opposition
gegen die ersten Wahlvorschläge der SVP kann auch durchaus angenommen
werden, dass davon Gebrauch gemacht worden wäre.

    Es darf ferner berücksichtigt werden, dass der streitige Artikel zu
einem sehr frühen Zeitpunkt erschienen ist. In jenem Moment hat sich der
durchschnittliche Stimmbürger noch nicht im einzelnen mit der erst mehr
als drei Monate später angesetzten Wahl auseinandergesetzt. Der Zeitpunkt
erlaubte es zudem, dass zu den Ausführungen Stellung genommen und der
Standpunkt des Beschwerdeführers dargelegt werden konnten.

    Schliesslich dürfen auch die Stimmenverhältnisse in Betracht
gezogen werden. Bei einem absoluten Mehr von 3409 Stimmen erreichten die
bisherigen Richter A., B. und C. 5423, 5374 und 4688 Stimmen. Die neuen
Mitglieder D. und M. erhielten 4596 und 4438 Stimmen. Der Beschwerdeführer
erreichte mit 3708 Stimmen zwar das absolute Mehr, fiel aber als überzählig
aus der Wahl. Trotz dieses beachtlichen Resultats besteht gegenüber M. eine
Differenz von 730 Stimmen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers
kann bei einer Wahl von fünf Richtern mit einer Zahl von acht Kandidaten
mit nennenswerter Stimmenzahl trotz der Konkurrenzsituation zwischen
den Juristen K. und M. der Stimmenunterschied nicht einfach halbiert
werden. Selbst bei der Berechnung des Beschwerdeführers verbleibt eine
Stimmendifferenz von rund 10 Prozent. Diese ist so gewichtig, dass ein
anderer Wahlausgang nicht leichthin angenommen werden kann.

    Gesamthaft gesehen zeigt sich somit, dass die gerügten
Unregelmässigkeiten den Wahlausgang nicht entscheidend beeinflusst
haben. Die Möglichkeit, dass die Wahl ohne das Interview des
Obergerichtspräsidenten anders ausgefallen wäre, erscheint in Anbetracht
der gesamten Umstände als derart gering, dass von einer Aufhebung des
Urnenganges abgesehen werden muss.

Erwägung 7

    7.- Aus diesen Gründen ist die vorliegende Stimmrechtsbeschwerde
abzuweisen.