Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IA 440



117 Ia 440

70. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
27. September 1991 i.S. X. gegen Verwaltungsgericht des Kantons Bern
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Vollmacht; Handels- und Gewerbefreiheit; selbständige Ausübung des
Berufs eines medizinischen Masseurs.

    1. Eine generelle Vollmacht zur Wahrung aller Interessen des
Vertretenen gilt auch für das bundesgerichtliche Verfahren (Art. 29 Abs. 1
OG; E. 1).

    2. Die gewerbsmässig ausgeübte, privatwirtschaftliche Tätigkeit
eines medizinischen Masseurs steht unter dem Schutz der Handels- und
Gewerbefreiheit (E. 2).

    3. Die Regelung im Kanton Bern, wonach die selbständig ausgeübte
medizinische Massage den Physiotherapeuten vorbehalten ist, lässt sich mit
gesundheitspolizeilichen Gründen nicht rechtfertigen (E. 4). Unzulässige
Motive für eine Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit (E. 5a-e).

Sachverhalt

    A.- Gemäss Art. 14 Abs. 1 des bernischen Gesundheitsgesetzes
vom 2. Dezember 1984 (nachfolgend "Gesundheitsgesetz") bedarf einer
Berufsausübungsbewilligung der Gesundheitsdirektion, wer unter eigener
fachlicher Verantwortung berufsmässig oder gegen Entgelt (lit. a)
"Krankheiten, Verletzungen und andere Störungen der körperlichen
und seelischen Gesundheit feststellt und behandelt". Unter die
Bewilligungspflicht fallen "die Berufe des Gesundheitswesens, namentlich
die Medizinalberufe gemäss Artikel 25 und die anderen Berufe gemäss
Artikel 38" (Art. 14 Abs. 2 Gesundheitsgesetz). Medizinalpersonen im
Sinne von Art. 25 des Gesetzes sind die Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte,
Apotheker und Hebammen, zu den "anderen Berufen" zählt Art. 38 Abs.
1 unter anderem die Physiotherapeuten.

    Der Beruf des medizinischen Masseurs ist im Gesetz nicht
erwähnt. Zwar kann der Regierungsrat durch Verordnung weitere Berufe des
Gesundheitswesens der Bewilligungspflicht unterstellen (Art. 38 Abs. 3
Gesundheitsgesetz), doch hat er zugunsten der medizinischen Masseure von
dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.

    Damit ist im Kanton Bern die selbständig, d.h. unter eigener fachlicher
Verantwortung, ausgeübte medizinische Massage den Physiotherapeuten
vorbehalten (aufgrund von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 5 der
Verordnung über die Physiotherapeutinnen und die Physiotherapeuten vom
4. Mai 1988).

    X. erwarb nach einjährigem Besuch der Fachschule für medizinische
Massage in St. Gallen (Tagesschule) und einjährigem Praktikum an der
Solbadklinik Rheinfelden am 16. April 1981 das Diplom eines medizinischen
Masseurs/Bademeisters.

    Er arbeitete in der Folge von 1981 bis 1986 unter fachlicher Anleitung
von Ärzten als medizinischer Masseur in der Bernischen Höhenklinik
Heiligenschwendi. Daneben besuchte er verschiedene Weiterbildungskurse wie
beispielsweise den Kurs für therapeutische Lymphdrainage am Lehrinstitut
für Lymphologie an der Feldbergklinik in Deutschland.

    Seit 1986 betreibt er eine eigene Massagepraxis in Steffisburg.

    Am 20. September 1988 ersuchte X. die Gesundheitsdirektion des Kantons
Bern, ihm die selbständige Ausübung des Berufs des medizinischen Masseurs
im Kanton Bern zu bewilligen. Die Gesundheitsdirektion wies das Gesuch
ab. Sie begründete dies damit, dass im Kanton Bern die selbständig
ausgeübte medizinische Massage ausschliesslich den Physiotherapeuten
vorbehalten sei und dass die vom Gesuchsteller absolvierte Ausbildung
fachlich und vor allem hinsichtlich ihrer Dauer nicht der Ausbildung
eines Physiotherapeuten entspreche.

    Eine Beschwerde an den Regierungsrat des Kantons Bern blieb ohne
Erfolg.

    Mit Entscheid vom 5. November 1990 wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern die Beschwerde von X. ab. Das Gericht stufte die medizinische
Massage als eine im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. a Gesundheitsgesetz
bewilligungspflichtige Heiltätigkeit ein und bejahte auch, dass das
Gesundheitsgesetz eine genügende gesetzliche Grundlage enthalte,
um die Handels- und Gewerbefreiheit der medizinischen Masseure zu
beschränken. Es verwarf sodann mit ausführlicher Begründung die Einwände
des Beschwerdeführers, wonach sich die Beschränkung der Handels- und
Gewerbefreiheit durch kein öffentliches Interesse rechtfertigen lasse
und unverhältnismässig sei.

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt X., das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern sei aufzuheben und es sei ihm die
Bewilligung zur selbständigen Ausübung des Berufs eines medizinischen
Masseurs zu erteilen. Er beruft sich auf eine Verletzung von Art. 31 BV.

    Am 11. Dezember 1990 wurde der Anwalt des Beschwerdeführers von der
Bundesgerichtskanzlei mit dem Formular "Kostenvorschuss" aufgefordert,
bis spätestens am 16. Januar 1991 die Gerichtskosten sicherzustellen. Die
Rubrik "Besondere Hinweise" des Formulars enthielt folgende Aufforderung:

    Wir ersuchen Sie, uns innert gleicher Frist für das bundesgerichtliche

    Verfahren eine Vollmacht von ... zukommen zu lassen. Im
Unterlassungsfalle
   würde das Bundesgericht gemäss Art. 30 Abs. 2 OG und Art. 20 Abs. 2
   BZP in

    Verbindung mit Art. 40 OG auf Ihre Beschwerde nicht eintreten.

    Am 7. Februar 1991 - nach Ablauf der Frist - machte der
Bundesgerichtsschreiber den Anwalt auf die Auflage vom 11. Dezember 1990
aufmerksam. Der Anwalt räumte ein, dass keine Vollmacht abgeschickt
worden sei, er reichte aber am 8. Februar 1991 eine Vollmachtsurkunde
nach. Gleichzeitig stellte er im Sinne von Art. 35 OG ein Gesuch um
Wiederherstellung der Frist, welches er mit Eingabe vom 11. Februar 1991
noch ergänzte.

    Die Justizdirektion und das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
beantragen, die Beschwerde abzuweisen.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern auf.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 29 Abs. 1 OG haben Parteivertreter eine Vollmacht
zu den Akten zu legen (Satz 1); eine solche kann jederzeit nachgefordert
werden (Satz 2). Es ist unbestritten, dass der Anwalt des Beschwerdeführers
innert Frist keine Vollmacht für das staatsrechtliche Verfahren eingereicht
hat, obwohl er im Formular "Kostenvorschuss" dazu aufgefordert wurde. Bei
den kantonalen Akten befand sich jedoch bereits eine Vollmacht, ausgestellt
auf dem offiziellen Formular des bernischen Anwaltsverbandes, die den
Anwalt ermächtigt, den Beschwerdeführer "vor allen Behörden" zu vertreten
und namentlich "Appellationen, Rekurse, Nichtigkeitsklagen und Beschwerden"
sowie "Revisionen, Kassationen und Wiedereinsetzungen" einzulegen bzw. zu
verlangen.

    a) Eine solche Generalvollmacht genügt auch für das bundesgerichtliche
Verfahren. Das muss, entgegen der Auffassung BIRCHMEIERS im Kommentar zur
Bundesrechtspflege (N 2 zu Art. 29 OG, S. 30), auch für das Verfahren
der staatsrechtlichen Beschwerde gelten (in diesem Sinne auch POUDRET,
Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, N 2.2.3 zu
Art. 29, S. 155 f.;

WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, S. 219
Anm. 55; HANS MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 4. Aufl., S. 59
N 85). Bei der staatsrechtlichen Beschwerde handelt es sich um ein
Rechtsmittel, mit dem kassatorische Rügen vorgebracht werden können und das
den Prozess in einem für die vertretene Partei günstigen Sinn beeinflussen
kann. Vom Anwalt für die staatsrechtliche Beschwerde in jedem Fall eine
spezielle Vollmacht zu verlangen, erweist sich daher als überflüssig
und unangemessen (s. auch BGE 104 Ia 405 E. 4b, wonach es überspitzt
formalistisch ist, von einem Anwalt, der seinen Klienten im ganzen
Verfahren vertreten hat, noch eine spezielle Vollmacht zu verlangen). Es
entspricht denn auch ständiger Praxis der beiden öffentlichrechtlichen
Abteilungen, dass die für das kantonale Verfahren ausgestellte generelle
Ermächtigung in der Regel als genügend angesehen wird.

    b) Das bedeutet nicht, dass das Bundesgericht von einem Anwalt (oder
irgendeinem Vertreter) keine Vollmacht nachfordern kann. Dieses Vorgehen
rechtfertigt sich ohne weiteres, wenn Zweifel über den Umfang einer im
kantonalen Verfahren ausgestellten Vollmacht bestehen, d.h. wenn fraglich
ist, ob die vom Anwalt erhobene Beschwerde durch sie gedeckt sei. Eine
Vollmacht ist aber auch einzuholen, wenn in der Beschwerde überhaupt nicht
auf eine bei den kantonalen Akten befindliche Vollmacht hingewiesen wird;
in einem solchen Fall kann nicht davon ausgegangen werden, der Anwalt sei
zur Vertretung im bundesgerichtlichen Verfahren befugt. Die Einlegung einer
speziellen (schriftlichen) Vollmacht ist ferner dann, wenn der Anwalt
im kantonalen Verfahren aufgrund einer mündlich zu Protokoll erklärten
oder konkludent erteilten Vollmacht zugelassen wurde, erforderlich. Eine
schriftliche Vollmacht für das bundesgerichtliche Verfahren verlangt zwar
nur der italienische Text von Art. 29 Abs. 1 OG ("procura scritta"),
doch schreibt schon Art. 20 Abs. 2 BZP, auf den Art. 40 OG verweist,
eine solche vor. (Zu den Ausnahmen, die es rechtfertigen, von dieser
Regel abzuweichen, vgl. POUDRET, aaO, N 2.3 zu Art. 29, und BIRCHMEIER,
aaO, N 3 zu Art. 29.) Schliesslich kann etwa auch bei leichtfertig oder
trölerisch wirkenden Beschwerden eine spezielle Ermächtigung eingeholt
werden; diese verschafft dem Gericht die Gewissheit, dass der Vertreter
nicht selbständig, ohne Wissen der Partei, Prozesshandlungen vornimmt,
die sich für sie nachteilig auswirken können.

    c) Im vorliegenden Fall bestand indessen kein Grund, eine
Spezialvollmacht einzuholen. Das wurde übersehen, als der Anwalt des
Beschwerdeführers aufgefordert wurde, eine Vollmacht nachzureichen. Auf
die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten, wäre daher durch kein
schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt und würde eine allzu formalistische
Interpretation von Art. 29 Abs. 1 OG darstellen. Es ist deshalb darüber
hinwegzusehen, dass der Anwalt innert der ihm von der Bundesgerichtskanzlei
gesetzten Frist keine Vollmacht eingereicht hat. Auf die staatsrechtliche
Beschwerde ist einzutreten.

    d) Damit kann offenbleiben, ob das Gesuch um Wiederherstellung
der Frist für die Einreichung der Vollmacht gemäss Art. 35 Abs. 1 OG
begründet ist. Es braucht auch nicht geprüft zu werden, ob es zulässig
war, auf dem Formular "Kostenvorschuss" eine Vollmacht zu verlangen,
oder ob hierfür der Anwalt speziell hätte aufgefordert werden müssen,
wie der Beschwerdeführer geltend macht.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Handels- und
Gewerbefreiheit. Unter dem Schutz des Art. 31 BV steht jede gewerbsmässig
ausgeübte, privatwirtschaftliche Tätigkeit, die der Erzielung eines
Gewinnes oder Erwerbseinkommens dient (BGE 116 Ia 121 E. 3), somit auch
die Tätigkeit eines medizinischen Masseurs.

    Art. 31 Abs. 1 BV gewährleistet im Rahmen der Bundesverfassung und
der auf ihr beruhenden Gesetzgebung die Handels- und Gewerbefreiheit,
behält jedoch in Abs. 2 kantonale Bestimmungen über die Ausübung
von Handel und Gewerben vor. Solche Einschränkungen bedürfen einer
gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein überwiegendes öffentliches
Interesse gerechtfertigt sein und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit
(BGE 116 Ia 121 E. 3, 115 Ia 121 E. 2b und dort zitierte Entscheide)
sowie der Rechtsgleichheit (BGE 112 Ia 34, 91 I 462 E. 3) wahren.
Unzulässig sind wirtschaftspolitische oder standespolitische Massnahmen,
die den freien Wettbewerb behindern, um gewisse Gewerbezweige oder
Bewirtschaftungsformen zu sichern oder zu begünstigen. Zulässig sind
dagegen andere im öffentlichen Interesse begründete Massnahmen, namentlich
polizeilich motivierte Eingriffe. Dazu gehören auch Massnahmen zum Schutz
der öffentlichen Gesundheit (BGE 116 Ia 121 f. E. 3 mit Hinweisen).

Erwägung 3

    3.- Gemäss Art. 14 Abs. 1 des bernischen Gesundheitsgesetzes
bedarf einer Berufsausübungsbewilligung, wer unter eigener
fachlicher Verantwortung berufsmässig oder gegen Entgelt (lit. a)
"Krankheiten, Verletzungen und andere Störungen der körperlichen und
seelischen Gesundheit feststellt und behandelt". Damit enthält das
Gesundheitsgesetz eine gesetzliche Grundlage, um die selbständige,
d.h. unter eigener fachlicher Verantwortung, ausgeübte medizinische
Massage bewilligungspflichtig zu erklären. Das ist unbestritten.

    Ob das Gesundheitsgesetz auch eine genügende gesetzliche Grundlage
enthält, um die selbständige Ausübung des Berufs eines medizinischen
Masseurs den Physiotherapeuten vorzubehalten, ist fraglich. (Art. 38 Abs. 1
des Gesundheitsgesetzes erwähnt zwar nur die Physiotherapeuten, nicht auch
die medizinischen Masseure, behält aber in Abs. 3 ausdrücklich "weitere
Berufe" vor, die der Regierungsrat durch Verordnung der Bewilligungspflicht
unterstellen kann.) Die Frage braucht hier jedoch nicht entschieden zu
werden, denn eine eigentliche Rüge erhebt der Beschwerdeführer in diesem
Zusammenhang nicht.

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer macht vielmehr geltend, wenn es keine
gesundheitspolizeilichen Gründe gebe, den medizinischen Masseuren
die selbständige Berufsausübung zu verbieten, dann sei die vom
Verwaltungsgericht geschützte kantonale Regelung, welche diese Tätigkeit
den ausgebildeten Physiotherapeuten vorbehalte, eine unverhältnismässige
Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit. Der Beschwerdeführer
beruft sich damit auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und zumindest
sinngemäss auf das Erfordernis des überwiegenden öffentlichen Interesses.

    a) Nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit von
Verwaltungsmassnahmen, die die Handels- und Gewerbefreiheit einschränken,
dürfen Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerben, die
ein Kanton gestützt auf Art. 31 Abs. 2 BV erlassen kann, nicht über
das hinausgehen, was erforderlich ist, um den gewerbepolizeilichen
Zweck zu erfüllen, durch den sie gedeckt sind: Sie müssen das richtige
Mittel zur Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Zieles
sein und es erlauben, dieses unter möglichster Schonung der Freiheit des
Einzelnen zu erreichen; das gesteckte Ziel muss zudem in einem vernünftigen
Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln, den zu seiner Erlangung notwendigen
Freiheitsbeschränkungen, stehen (BGE 109 Ia 37 E. 4 mit Verweisung).

    Auf dem Gebiet der beruflichen Fähigkeitsausweise kommt dem
Grundsatz der Verhältnismässigkeit und Notwendigkeit die Bedeutung zu,
vor unnötigen und übertriebenen (vielfach standespolitisch motivierten)
Erfordernissen zu bewahren, aber auch, dem Schutzbedürfnis des Publikums
wirksam Rechnung zu tragen (FRITZ GYGI, Wirtschaftsverfassungsrecht,
S. 89). Das gilt namentlich für das Gesundheitswesen im weitesten
Sinn. Einerseits geht es darum, vor - in diesem Bereich nicht seltenen -
standespolitischen Überlegungen (wie die wirtschaftliche Sicherung von
Angehörigen bestimmter Berufe) zu schützen. Solche Motive dürfen nicht
dazu führen, dass durch unverhältnismässige Anforderungen an die Befähigung
oder an den Fähigkeitsausweis einzelne Angehörige dieser Berufe von der
selbständigen Berufsausübung praktisch ausgeschlossen werden. Anderseits
muss den berechtigten öffentlichen Interessen, dass in diesem Bereich
nur fähige Personen tätig sind, Rechnung getragen werden (BGE 112 Ia 325
ff. und Hinweise, vgl. auch 116 Ia 123 ff.).

    b) Der medizinische Masseur übt einen nichtärztlichen
Heilberuf mit physiotherapeutischen Mitteln aus. Im Gegensatz
zum Physiotherapeuten beschränkt sich der medizinische Masseur auf
passive Therapiemassnahmen, wie die Heilmassage, die Elektrotherapie,
die Hydrotherapie usw. Demgegenüber betreibt der Physiotherapeut auch
die aktive Therapie, d.h. die Heilgymnastik. Die medizinische Massage
beschränkt sich somit auf einen Teilbereich der Physiotherapie. Das ist
zwischen den Parteien nicht streitig. Es kann aber nicht gesagt werden,
der medizinische Masseur sei ein "schlechterer" Physiotherapeut. Der
Physiotherapeut verfügt auf dem Gebiet der passiven Therapie über keine
umfassendere oder gründlichere Ausbildung als der medizinische Masseur. Die
Ausbildung des Physiotherapeuten dauert zurzeit drei Jahre, jene des
medizinischen Masseurs zwei Jahre. Das hängt, wie das Verwaltungsgericht
im angefochtenen Entscheid dargelegt hat, damit zusammen, dass der
Physiotherapeut zusätzlich die aktive Therapie beherrschen muss. Ist danach
aber ein medizinischer Masseur für die von ihm ausgeübte Tätigkeit, die
passive Therapie, ebensogut ausgebildet wie ein Physiotherapeut, so ist
nicht einzusehen, weshalb die selbständige Ausübung dieser Tätigkeit den
Physiotherapeuten vorbehalten werden muss. Mit gesundheitspolizeilichen
Gründen lässt sich diese Regelung jedenfalls nicht rechtfertigen.

    Das bestätigt auch der Bericht, den der Regierungsrat zur Frage der
Zulassung der medizinischen Masseure zur selbständigen Berufsausübung
beim Sanitätskollegium des Kantons Bern eingeholt hat. Die aus Ärzten
zusammengesetzte und von einem Vertreter der medizinischen Fakultät
präsidierte medizinische Sektion (des Sanitätskollegiums) stellt darin
fest, aufgrund seiner Ausbildung sei der medizinische Masseur durchaus
fähig, die medizinische Massage unter eigener fachlicher Verantwortung
auszuüben. Er könne selbständig beurteilen, wann ein Patient einer anderen
medizinischen Fachstelle zu überweisen sei, und er sei ebensogut wie
ein Physiotherapeut in der Lage, bei auftretenden Komplikationen richtig
zu reagieren; aus medizinischen Gründen müsse die selbständige Ausübung
des Berufs nicht von der Zusatzausbildung als Physiotherapeut abhängig
gemacht werden. Es genüge, wenn der medizinische Masseur zusätzlich
zur zweijährigen Ausbildung zwei Jahre praktische Ausbildung an einer
anerkannten ärztlichen Ausbildungsstätte genossen habe.

    Das Sanitätskollegium befürwortet deshalb die Zulassung medizinischer
Masseure zur selbständigen Berufsausübung, sofern diese Tätigkeit
(gleich wie die selbständige Ausübung der Physiotherapie, vgl. Art. 2
Abs. 3 der entsprechenden Verordnung vom 4. Mai 1988) auf Zuweisung
eines Arztes erfolgt. Auf diese Meinungsäusserung von Fachleuten kann
abgestellt werden. Auch die kantonalen Instanzen haben dem Gutachten
nichts entgegenzusetzen.

    c) Es ist im übrigen unbestritten, dass der Beschwerdeführer über
eine genügende theoretische und praktische Ausbildung verfügt, um seinen
Beruf selbständig ausüben zu können.

    Die Ausbildung an der vom Beschwerdeführer besuchten Fachschule für
medizinische Massage in St. Gallen steht auf hohem theoretischem Niveau und
ist der Ausbildung an ausländischen Anstalten "mindestens ebenbürtig", wie
aus dem erwähnten Bericht des Sanitätskollegiums hervorgeht. Das zeigt auch
eine Durchsicht des Ausbildungsprogramms, Stoffplans, Prüfungsreglements
und der Promotionsordnung dieser Schule.

    Im Rahmen von Vorarbeiten, welche die gesamtschweizerische Anerkennung
des Berufs des medizinischen Masseurs zum Ziele hatten, erarbeitete die
Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz im Jahre 1980 einen Entwurf für
die "Regelung des Berufs des medizinischen Masseurs". Die Ausbildung an
der Fachschule für medizinische Massage in St. Gallen entspricht sowohl
hinsichtlich ihrer Dauer (24 Monate mit insgesamt rund 3300 Unterrichts-
und Praktikumsstunden) als auch hinsichtlich des vermittelten Wissens
(Fächerkatalog) im wesentlichen den in diesem Entwurf aufgestellten
Richtlinien.

    d) Im Lichte dieser Erwägungen kann dem Beschwerdeführer die
selbständige Ausübung des Berufs des medizinischen Masseurs aus
gesundheitspolizeilichen Gründen nicht verboten oder von einer
Zusatzausbildung als Physiotherapeut abhängig gemacht werden. Auch
das Verwaltungsgericht begründet seinen Entscheid nicht mit Erwägungen
gesundheitspolizeilicher Natur; es weist darin vielmehr ausdrücklich auf
das Gutachten des Sanitätskollegiums hin, dessen Schlussfolgerungen es
nicht in Zweifel zieht.

Erwägung 5

    5.- Das Verwaltungsgericht rechtfertigt seinen Entscheid, den
Beschwerdeführer nicht zur selbständigen Berufsausübung zuzulassen,
vielmehr damit, eine weitere Spezialisierung im Bereich der medizinischen
Hilfsberufe liege nicht im öffentlichen Interesse. Sie führe nicht zu einem
verbesserten Leistungsangebot. Das Verwaltungsgericht befürchtet zudem,
die Anerkennung selbständig tätiger medizinischer Masseure würde zu einer
weiteren Kostensteigerung im Gesundheitswesen führen und die Kontrolle über
die medizinischen Hilfsberufe zusätzlich erschweren. Demgegenüber wendet
der Beschwerdeführer ein, mit diesen Argumenten könne die selbständige
Berufsausübung nicht verboten werden; aus der Handels- und Gewerbefreiheit
folge auch das Recht zur Spezialisierung.

    a) Unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses und der
Verhältnismässigkeit von Verwaltungsmassnahmen ist ein Gemeinwesen nicht
grundsätzlich gehalten, für alle möglichen Berufe oder Berufszweige
Teilbewilligungen vorzusehen. Es darf sich auf die Einführung einer
allgemeinen Bewilligung beschränken und deren Erteilung von der Fachkunde
abhängig machen, wenn das öffentliche Interesse dies verlangt und
der Grundsatz der Verhältnismässigkeit dem nicht entgegensteht. Das
trifft im Gesundheitswesen namentlich dann zu, wenn sich eine einfache
Tätigkeit von riskanten Tätigkeiten nicht leicht unterscheiden lässt und
zum Schutze der Gesundheit der Patienten eine Teilbewilligung mit weniger
weitgehenden fachlichen Anforderungen sich nicht rechtfertigen lässt. So
hat das Bundesgericht ein kantonales Verbot der selbständigen Ausübung des
Berufs der Dentalhygienikerin angesichts gesundheitlicher Komplikationen,
die bei bestimmten Tätigkeiten auftreten können und für deren Behandlung
die Dentalhygienikerin nicht ausgebildet ist, unter dem Gesichtspunkt des
öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit nicht beanstandet (BGE
116 Ia 124 ff. E. 6). Das Verwaltungsgericht verweist sodann auf das (nicht
publizierte) Urteil L. vom 18. November 1988, wo das Bundesgericht ein
Verbot für das Anpassen von Zahnprothesen durch Zahnprothetiker angesichts
der zahnmedizinischen Kenntnisse, welche gewisse Arbeiten im Munde des
Patienten erfordern, nicht als verfassungswidrig bezeichnet hat. Anders
ist jedoch zu entscheiden, wenn sich in klarer und praktikabler Weise
ein Tätigkeitsgebiet abgrenzen lässt, für das sich aufdrängt, geringere
Anforderungen an die fachliche Befähigung zu stellen (BGE 112 Ia 322 ff.).

    b) Das Verwaltungsgericht führt aus, für die Anerkennung selbständig
tätiger medizinischer Masseure bestehe keine Notwendigkeit. Dieser Beruf
sei sehr spezialisiert. Übersichtlichkeit im Bereich der medizinischen
Hilfsberufe sowie eine Beschränkung der selbständigen Berufsausübung
auf in sich geschlossene, eine Einheit bildende Fachbereiche liege im
öffentlichen Interesse.

    Mit dieser Begründung kann den medizinischen Masseuren die selbständige
Berufsausübung jedoch nicht untersagt werden. Zwar ist für die selbständige
Ausübung des Berufs nicht schon deshalb eine Teilbewilligung vorzusehen,
weil ein Lehrgang absolviert wurde. Entscheidend dafür ist vielmehr,
dass es sich um einen in der Schweiz verbreiteten Heilberuf mit klar
umschriebenem Tätigkeitsgebiet und eigenem Berufsbild handelt, wie aus dem
bereits erwähnten Bericht der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz
erhellt. Es gibt spezielle Institute, an denen der Beruf erlernt
werden kann (in der Schweiz die Fachschule für medizinische Massage in
St. Gallen), und Berufsverbände, welche die Wahrung der beruflichen
Interessen der medizinischen Masseure bezwecken (z.B. den Verein
Arbeitsgemeinschaft für Physikalische Therapie oder den Verband
diplomierter Masseure der Schweiz). Bereits im Jahre 1919 wurde in der
Schweiz der Verband diplomierter Masseure und Masseurinnen gegründet. Es
scheint, dass demgegenüber der Beruf des Physiotherapeuten erst später
aus dem Beruf des medizinischen Masseurs/Bademeisters hervorgegangen ist,
wie der Beschwerdeführer geltend macht.

    Wegen der Bedeutung des Berufes gibt es Schulen, an denen
dieser erlernt werden kann, und arbeitet die Schweizerische
Sanitätsdirektorenkonferenz auf seine gesamtschweizerische Anerkennung
hin. Wie aus dem vom Verwaltungsgericht beim Zentralsekretariat der
Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz eingeholten Bericht hervorgeht,
erteilen bereits zehn Kantone medizinischen Masseuren die Bewilligung
zur selbständigen Berufsausübung und zwei weitere Kantone gestatten diese
Tätigkeit auch ohne Bewilligung (Stand August 1990). Medizinische Masseure
werden zudem an öffentlichen Spitälern eingesetzt, jedenfalls im Kanton
Bern. Diese Möglichkeit sieht Art. 4 Abs. 2 der Verordnung des Kantons
Bern über die Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten vom 4. Mai 1988
ausdrücklich vor, "um die physiotherapeutische Versorgung in Spitälern zu
gewährleisten". Mit dem Argument, der Beruf des medizinischen Masseurs
sei nicht regelungsbedürftig oder für dessen Anerkennung bestehe kein
Bedürfnis, ist der angefochtene Entscheid daher nicht zu begründen.

    c) Das Verwaltungsgericht bringt weiter vor, die Anerkennung
selbständig tätiger medizinischer Masseure führe zu keinem qualitativ
verbesserten Behandlungsangebot, da es sich bei der medizinischen
Massage bloss um eine Spezialisierung im Sinne einer Beschränkung auf
einen Teilbereich der physikalischen Therapie handle. Das mag zutreffen,
doch hat umgekehrt die selbständig ausgeübte medizinische Massage keine
Verschlechterung des Therapieangebots zur Folge. Unter dem Gesichtspunkt
der die Bewilligungspflicht rechtfertigenden gesundheitspolizeilichen
Gründe muss es genügen, dass die fachliche Ausbildung für die Ausübung
der in Frage stehenden Tätigkeit ausreicht.

    d) Ebensowenig rechtfertigen die vom Verwaltungsgericht angeführten
Gründe der Kosteneindämmung im Gesundheitswesen eine andere Lösung. Das
Verwaltungsgericht geht davon aus, dass die selbständige Ausübung
der medizinischen Massage im Kanton Bern gleich wie die selbständige
Physiotherapie nur auf Zuweisung eines Arztes (oder Chiropraktors,
vgl. Art. 2 Abs. 3 Verordnung über die Physiotherapeutinnen und
Physiotherapeuten) hin erfolgen dürfte. Ob gesundheitspolizeiliche Gründe
für diese Auffassung sprechen, braucht hier nicht entschieden zu werden,
weil es nicht gerügt wird; auch der Beschwerdeführer geht davon aus,
dass der Heilmassage stets eine ärztliche Diagnose vorauszugehen habe,
und er erklärt sich mit einer entsprechenden Präzisierung der Bewilligung
ausdrücklich einverstanden. Dann ist es aber am behandelnden Arzt zu
entscheiden, ob eine medizinische Massage genügt oder ob von Anfang
an eine (umfassendere) Physiotherapie ins Auge gefasst werden muss.
Spricht der Patient auf die Behandlung nicht an, so muss sich der Arzt
erneut überlegen, welche andere Behandlung helfen könnte. Die Tätigkeit
des medizinischen Masseurs neben jener des Physiotherapeuten führt aber
zu keinen zusätzlichen Kosten.

    e) Das Verwaltungsgericht sucht seinen Entscheid schliesslich damit
zu stützen, dass die Anerkennung des Berufs des medizinischen Masseurs
mit einem unverhältnismässigen Kontrollaufwand durch den Staat verbunden
wäre. Die Frage der Überwachung durch den Staat stellt sich indes bei den
anderen medizinischen Berufen und Hilfsberufen in gleicher oder ähnlicher
Weise. Dass die Kontrolle beim medizinischen Masseur im Vergleich
zu anderen Berufen des Gesundheitswesens ausserordentliche Probleme
aufwerfen würde, wird von den kantonalen Behörden nicht behauptet. Sie
machen auch nicht geltend, die Tätigkeit der medizinischen Massage lasse
sich nicht genügend klar umschreiben oder die Grenzen zur Physiotherapie
seien fliessend. Abgesehen davon wäre es am Staat, in einem solchen Fall
die erforderlichen Richtlinien für die selbständige Berufsausübung
aufzustellen. Auf jeden Fall müsste ein vollständiges Verbot der
selbständigen Berufsausübung für die Durchsetzung der Kontrolle der
medizinischen Massage als unverhältnismässiges Mittel bezeichnet werden.