Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IA 434



117 Ia 434

69. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16.
Oktober 1991 i.S. Erbengemeinschaft K. gegen Regierungsrat des Kantons
Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Zonenplanung (Art. 15 RPG); Eigentumsgarantie.

    1. Begriff der Nichteinzonung (E. 3b).

    2. Kognition des Bundesgerichts bei der Überprüfung von Zonenplänen
(E. 3c).

    3. Die Zonenplanung hat die Festsetzungen des kantonalen Richtplans
zu berücksichtigen (E. 3d).

    4. Begriff des "weitgehend überbauten Gebietes". Ein Grundstück, das
am Rande des Siedlungsgebietes liegt, darf einer Nichtbauzone zugewiesen
werden (E. 3e).

    5. Die Baulandnachfrage ist vor allem in städtischen Agglomerationen
nicht der einzige Gesichtspunkt, nach welchem sich eine Ortsplanung
auszurichten hat (E. 3f).

    6. Auch eine vollständige Erschliessung begründet keinen Anspruch
auf Einzonung (E. 3g).

Sachverhalt

    A.- Am 28. September 1989 erliessen die Stimmberechtigten der Stadt
Dübendorf eine neue kommunale Nutzungsplanung, u.a. bestehend aus einer
neuen Bauordnung und einem neuen Zonenplan. Dabei wurde ein Teil (ungefähr
zwei Drittel, ein Drittel liegt in der kantonalen Landwirtschaftszone)
des der Erbengemeinschaft K. gehörenden Grundstückes Nr. 2260, welches
gemäss der Zonenplanung 1970 der Bauzone W2 zugeteilt war, der kommunalen
Landwirtschaftszone zugewiesen. Das Grundstück liegt am Rande des Weilers
Fallmen in der Nähe des Schiessstandes von Dübendorf. Es befindet sich
gemäss kantonalem Richtplan im Anordnungsspielraum zwischen Siedlungsgebiet
und Landwirtschaftszone. Nachdem durch die kantonale Baurekurskommission
ein Rekurs von Grundeigentümern gutgeheissen und die ca. 30-50 m nördlich
des Grundstückes der Erbengemeinschaft K. liegenden Parzellen Nrn. 5146,
9994 und 9995 zusätzlich in die Zone W2 eingeteilt worden sind, weist die
Landwirtschaftszone zwischen dem Grundstück der Erbengemeinschaft K. und
der Wohnzone Fallmen nur noch die Breite einer Bautiefe auf.

    Die Erbengemeinschaft K. gelangte gegen die Einteilung ihres
Grundstückes in die kommunale Landwirtschaftszone mit Rekurs an die
kantonale Baurekurskommission. Sie beantragte, es sei der früher zur
Bauzone gehörende Teil ihres Grundstückes wieder einer Bauzone, allenfalls
der Reservezone, zuzuweisen. Die Baurekurskommission wies den Rekurs
am 20. Januar 1988 vollumfänglich ab. Auch der daraufhin angerufene
Regierungsrat des Kantons Zürich wies den Rekurs am 5. Dezember 1990
ab. Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab aus
folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Die Beschwerdeführer machen weiter eine Verletzung von
Art. 22ter BV geltend, da kein überwiegendes öffentliches Interesse an
der Auszonung ihres Grundstückes vorliege.

    b) Im vorliegenden Fall kann entgegen den Ausführungen der
Beschwerdeführer nicht von einer Auszonung gesprochen werden. Nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung liegt im Fall einer Gemeinde, deren
bisheriges Planungsinstrument wie in der Stadt Dübendorf aus dem Jahre
1970 stammt und die sich bemüht, in Beachtung der gesetzlichen Fristen
(§ 343 des Zürcher Planungs- und Baugesetzes, PBG, Art. 35 RPG) erstmals
eine dem eidgenössischen und kantonalen Recht entsprechende Ortsplanung
zu schaffen, eine Nichteinzonung in die Bauzone vor (BGE 115 Ia 346 f.,
112 Ib 487 E. 4a mit Hinweisen). Diese Feststellung schliesst freilich
nicht aus, dass bei der Schaffung des Nutzungsplanes auch die für ein
Grundstück früher geltende Rechtsgrundlage mitberücksichtigt wird.

    c) Die Umzonung des Landes der Beschwerdeführer von der Zone W2 in
die kommunale Landwirtschaftszone belegt dieses mit einer öffentlichen
Eigentumsbeschränkung. Eine solche ist mit der Verfassung nur vereinbar,
wenn sie u.a. im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt (BGE 115 Ia
351; 113 Ia 447 E. 3).

    Die Frage, ob eine Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse
liegt und dieses das entgegenstehende private Interesse überwiegt,
prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei. Es auferlegt sich jedoch
Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von einer Würdigung der örtlichen
Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen und
überblicken können als das Bundesgericht. Zurückhaltung ist namentlich
bei der Überprüfung des Verlaufes einer Bauzonengrenze geboten, denn
das Bundesgericht, das nicht oberste Planungsinstanz ist, hat den
den kommunalen und kantonalen Instanzen hinsichtlich der Grenzziehung
zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu beachten (BGE 115 Ia
385, 352 E. c, je mit Hinweisen).

    d) Vorweg sind die Festsetzungen des kantonalen Richtplans zu
berücksichtigen, denn dieser ist für die nachgeordnete Planung verbindlich
(Art. 9 Abs. 1 RPG). Im vorliegenden Fall befindet sich das fragliche
Grundstück im Anordnungsspielraum, so dass an sich sowohl kantonale als
auch kommunale planerische Massnahmen zulässig sind (BGE 112 Ia 283
f., Urteil des Bundesgerichts vom 4. Mai 1988, publ. in ZBl 90/1989,
S. 122 f.). Aus dem Richtplan ergibt sich sodann, dass die Gemeinden bei
Bauzonen für weilerartige Kleinsiedlungen die bestehenden Bauten eng zu
umfassen haben (Bericht zum Gesamtplan des Kantons Zürich, Beschluss des
Kantonsrates vom 10. Juli 1978, S. 13; vgl. auch unveröffentlichtes
Urteil des Bundesgerichts vom 23. Mai 1989 i.S. Stadt/Land Immobilien
AG c. Stadtgemeinde Uster betreffend den Weiler Riedikon b/Uster, E. 3
a.E.). Die Einweisung des Grundstücks der Beschwerdeführer in die kommunale
Landwirtschaftszone verletzt demnach den Grundsatz der Verbindlichkeit
der Planung gemäss § 16 des Zürcher Planungs- und Baugesetzes nicht. Im
Gegenteil entspricht es durchaus den Vorstellungen des Zürcher
Gesamtplanes, dass bei bestehenden Weilern wie hier eng gezont wird.

    e) Die Beschwerdeführer machen geltend, ein überwiegendes öffentliches
Interesse an der getroffenen Zonenordnung liege nicht vor, weil ihr Land
im Sinne von Art. 15 lit. a RPG für eine Überbauung geeignet und zudem
weitgehend überbaut sei. Die Eignung als Bauland genügt indessen nicht,
um überwiegende Interessen an einer Einweisung in die Nichtbauzone zu
verneinen. Massgebend kann nur eine gesamthafte Abwägung und Abstimmung
aller räumlich wesentlichen Gesichtspunkte und Interessen sein (BGE
115 Ia 353; 114 Ia 368 E. 4, je mit Hinweisen). Ob ein Gebiet als
"weitgehend überbaut" zu betrachten ist, hängt im übrigen nicht allein
von der Zahl der vorhandenen Gebäulichkeiten ab. Erforderlich ist
ausserdem, dass die Gebäudegruppe eine ausreichende Siedlungsqualität
besitzt bzw. einem bestehenden Siedlungszusammenhang zuzurechnen ist
(BGE 113 Ia 450 E. 4d). Der Augenschein hat ergeben, dass die Parzelle
der Beschwerdeführer nicht mehr zum eigentlichen Siedlungsgebiet des
Weilers Fallmen gehört. Sie liegt südwestlich dieses Weilers, und
nordwestlich, westlich sowie südwestlich davon sind mit Ausnahme eines
Bauernhauses und der Hundeausbildungsanlage der Kantonspolizei keine
Gebäude mehr vorhanden. Die östlich der Unteren Geerenstrasse, etwa auf
gleicher Höhe liegenden, eingezonten Grundstücke sind bereits mit einer
Gärtnerei überbaut, wobei hier die Zonengrenze sehr nahe an den bestehenden
Bauten vorbeiführt. Beim Grundstück der Beschwerdeführer handelt es sich
demnach um Land, das am Rande des Siedlungsgebietes liegt und eher zum
anschliessenden Landwirtschaftsgebiet zu zählen ist. Wird solches, relativ
peripher gelegenes Land bei der Festsetzung des dem Raumplanungsrecht
des Bundes und des Kantons entsprechenden Zonenplanes, dessen Ziel unter
anderem auch die Redimensionierung zu grosser altrechtlicher Bauzonen ist,
nicht in eine Bauzone eingewiesen, so ist dies verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden (vgl. unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichtes
vom 10. September 1991 i.S. Ernst c. Gemeinde Meilen, E. 2b). Es liegt im
Wesen der Ortsplanung, dass Zonen gebildet und irgendwo abgegrenzt werden
müssen. In verfassungsrechtlicher Hinsicht genügt es, dass die Planung
sachlich vertretbar, d.h. nicht willkürlich ist (BGE 116 Ia 195; 115 Ia
389 E. b, je mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer behaupten zu Recht nicht,
die Abgrenzung der Bauzone sei im vorliegenden Fall willkürlich erfolgt.

    f) Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, es fehle am
überwiegenden öffentlichen Interesse an der Nichteinzonung, weil ihr
Land voraussichtlich innert der nächsten 15 Jahre als Bauland benötigt
werde. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts stellt der Baulandbedarf
zwar ein wichtiges Entscheidskriterium dar, doch darf es nicht der einzige
Gesichtspunkt sein, nach welchem sich eine Ortsplanung auszurichten
hat (BGE 116 Ia 331 ff. E. 4). In der engeren Agglomeration Zürich
besteht praktisch überall Bedarf an Bauland und es müssten, würde einzig
darauf abgestellt, sehr viele Bauzonen erweitert werden. Eine rein an den
Bauinteressen orientierte Planung ist aber nicht möglich. Sie wäre mit dem
Ziel der Raumplanung, für die haushälterische Nutzung des Bodens zu sorgen
(Art. 1 Abs. 1 RPG), nicht vereinbar. Bei der Erfüllung raumplanerischer
Aufgaben haben die Planungsbehörden eine umfassende Berücksichtigung
und Abwägung der verschiedenen Interessen vorzunehmen. Daraus folgt,
dass Bauzonen nicht ständig wachsen und damit letztlich alle andern
Interessen verdrängen dürfen. Siedlungen sind nach ausdrücklicher
Vorschrift des Gesetzes in ihrer Ausdehnung zu begrenzen (Art. 3 Abs. 3
RPG). Deshalb wurde in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in derartigen
Agglomerationsgemeinden eine gegenüber der Nachfrage restriktivere
Siedlungsplanung als verfassungsrechtlich haltbar erachtet (BGE 114 Ia 370;
unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichts vom 1. Juni 1989 i.S. Lanz
c. Gemeinde Maur, E. 3b). Im Lichte dieser Rechtsprechung erscheint es
daher nicht als verfassungswidrig, wenn der Regierungsrat im Fall der
Stadt Dübendorf mit ihrer grossen Baulandnachfrage nicht entscheidend
auf die vorhandenen Baulandreserven abstellte. Auf die zwischen dem
Regierungsrat und den Beschwerdeführern bestehende Kontroverse über die
tatsächlich noch zur Verfügung stehende eingezonte Fläche braucht deshalb
hier nicht eingegangen zu werden.

    g) Die Beschwerdeführer rügen sodann, es fehle auch an einem
überwiegenden öffentlichen Interesse für die getroffene Planungsmassnahme,
weil ihr Grundstück, anders als es im angefochtenen Entscheid dargestellt
werde, in kanalisationsmässiger Hinsicht groberschlossen sei. Unter
Groberschliessung wird gemäss Art. 4 Abs. 1 des eidgenössischen Wohnbau-
und Eigentumsförderungsgesetzes die Versorgung eines zu überbauenden
Gebietes mit den Hauptsträngen der Erschliessungsanlagen verstanden,
namentlich mit Wasser-, Energieversorgungs- und Abwasserleitungen sowie
Strassen und Wegen, die unmittelbar dem zu erschliessenden Gebiet dienen
(BGE 110 Ib 34, 105 Ia 233). Entgegen der Annahme des Regierungsrates ist
das Grundstück der Beschwerdeführer kanalisationsmässig groberschlossen,
wie der Augenschein ergeben hat. Diese Feststellung führt jedoch nicht zur
Gutheissung der Beschwerde; nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
dürfen oder müssen auch Grundstücke mit Erschliessungsanlagen allenfalls
einer Nichtbauzone zugeteilt werden, wenn dies wie hier aufgrund einer
Abwägung aller Interessen als geboten erscheint (vgl. BGE 113 Ia 367 mit
Hinweisen). Selbst eine vollständige Erschliessung begründet noch keinen
Anspruch auf Einzonung in das Baugebiet, sonst wäre eine sinnvolle Planung
oft von vornherein unmöglich (BGE 107 Ia 243 mit Hinweis).

    h) Gesamthaft gesehen durfte der Regierungsrat ohne
Verfassungsverletzung folgern, aus allgemein planerischen Gründen -
Reduktion der Bauzonen, periphere Lage des fraglichen Grundstücks
ausserhalb des organischen Bauentwicklungsgebietes und am Rande des
Siedlungsgebietes - habe die Stadt Dübendorf das Land nicht einzonen
müssen. Hinzu kommt, dass die Flug- bzw. Schussbahn des Schiessplatzes
Dübendorf nur ungefähr 170 m vom Grundstück der Beschwerdeführer
entfernt liegt. Im Falle seiner Zuweisung in eine Wohnzone käme
nur die Lärmempfindlichkeitsstufe II in Frage (Art. 43 Abs. 1 lit. b
Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986); deren Planungswert von 55
dB(A) könnte jedenfalls ohne aufwendige und teure Lärmschutzmassnahmen
nicht eingehalten werden.