Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IA 396



117 Ia 396

62. Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. November 1991 i.S. Konkursmasse
Intercontinental Brokerage Corporation gegen Herborg und Kassationsgericht
des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 87 OG.

    1. Der Entscheid, mit dem ein Urteil von einer Rechtsmittelinstanz
aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen wird, ist ein Zwischenentscheid, der für den Betroffenen
keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat. Auf eine dagegen
erhobene staatsrechtliche Beschwerde ist daher nicht einzutreten (E. 1).

    2. Eine Ausnahme ist nur dann gegeben, wenn die sachliche Zuständigkeit
der Rechtsmittelinstanz streitig ist, was im vorliegenden Fall nicht
zutrifft (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Über die Intercontinental Brokerage Corporation (ICB) mit Sitz
in den Vereinigten Staaten und über deren Tochter ICB GmbH mit Sitz in
Düsseldorf wurden vom Amtsgericht Düsseldorf am 6. April 1990 sogenannte
Anschlusskonkurse eröffnet. Mit Verfügung vom 9. Juli 1990 anerkannte der
Konkursrichter des Bezirkes Zürich diese Konkurse im Sinne von Art. 166 ff.
IPRG. Mit Eingabe vom 11. Juli 1990 ersuchte Karl-Heinz Herborg, der
für eine Forderung von Fr. 6'083'141.70 auf Guthaben der ICB bei einem
Bankinstitut in Zürich einen Arrest erwirkt hatte, um Akteneinsicht sowie
um Zulassung als Nebenintervenient und beantragte Abweisung des Gesuchs
um Anerkennung des Anschlusskonkursdekrets. Mit Verfügung vom 12. Juli
1990 wies der Konkursrichter diese Begehren ab. Dagegen rekurrierte
Karl-Heinz Herborg an das Obergericht des Kantons Zürich. Dieses nahm den
Rekurs als Einsprache entgegen, wies jedoch das Begehren auf Abweisung
des Gesuchs um Anerkennung des Anschlusskonkurses mit Entscheid vom
9. Oktober 1990 ab. Gegen diesen Entscheid erhob Karl-Heinz Herborg neben
einer Berufung an das Bundesgericht, auf die mit Urteil vom 19. März 1991
nicht eingetreten wurde, Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht
des Kantons Zürich. Mit Entscheid vom 2. September 1991 hiess dieses die
Nichtigkeitsbeschwerde gut und wies die Sache im Sinne der Erwägungen
zu neuem Entscheid an das Obergericht zurück. Gegen den Entscheid des
Kassationsgerichts hat die Konkursmasse Intercontinental Brokerage
Corporation staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
BV eingereicht.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung von Art. 4 BV sind
nach Art. 87 OG erst gegen letztinstanzliche Endentscheide zulässig, gegen
letztinstanzliche Zwischenentscheide nur, wenn sie für den Betroffenen
einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben. Als Endentscheid
im Sinne von Art. 87 OG wird jeder Entscheid betrachtet, der ein Verfahren
vorbehältlich der Weiterziehung an eine höhere Instanz abschliesst, sei es
durch einen Entscheid in der Sache selbst, sei es aus prozessualen Gründen.
Zwischenentscheide sind dagegen solche Entscheide, die das Verfahren nicht
abschliessen, sondern bloss einen Schritt auf dem Weg zum Endentscheid
darstellen, gleichgültig, ob sie eine Verfahrensfrage oder - vorausnehmend
- eine Frage des materiellen Rechts zum Gegenstand haben (BGE 116 II 82,
115 Ia 317, 115 II 104 E. 2a, mit Hinweisen). Das Kassationsgericht hat
den Zivilprozess zwischen den Parteien nicht beendigt, sondern es hat das
obergerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an
das Obergericht zurückgewiesen. Rückweisungsentscheide gelten aber nach
ständiger Rechtsprechung als Zwischenentscheide (BGE 106 Ia 228 E. 2 und
233 E. 3b).

    Der Rückweisungsentscheid des Kassationsgerichts hat für die
Beschwerdeführerin keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur
Folge. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Nachteil auch durch einen
für die Beschwerdeführerin günstigen Endentscheid nicht mehr behoben
werden könnte (BGE 115 Ia 314 E. 2c und 319, 115 II 104 E. 2b, mit
Hinweisen). An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Zunächst kann nicht
ausgeschlossen werden, dass das Obergericht in seinem neuen Urteil,
das es in Berücksichtigung der Erwägungen des Kassationsgerichts zu
fällen hat, wiederum zum gleichen Ergebnis gelangt, wenn auch mit einer
anderen Begründung. Sollte das neue Urteil aber für die Beschwerdeführerin
ungünstiger ausfallen, so könnte sie dagegen Nichtigkeitsbeschwerde und
gegen einen negativen Entscheid des Kassationsgerichts gegebenenfalls
wiederum staatsrechtliche Beschwerde erheben, mit der auch der
vorliegende Zwischenentscheid vom 2. September 1991 angefochten werden
könnte. Insbesondere kann die Frage, ob der Beschwerdegegner überhaupt
zum Verfahrensbeitritt legitimiert sei, ohne rechtlichen Nachteil für die
Beschwerdeführerin auch noch im Anschluss an den Endentscheid aufgeworfen
werden. Dass der Prozess durch das Rückweisungsverfahren verlängert und
verteuert wird, bildet eine Beeinträchtigung bloss tatsächlicher Natur
und ist daher ohne Belang (BGE 116 II 83, 115 Ia 314 E. 2c und 319,
115 II 104 E. 2b, 106 Ia 233/234 E. 3c, mit Hinweisen).

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, sie habe die
Zulässigkeit der vom Beschwerdegegner erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde
bestritten, da dieser nicht legitimiert sei, als Nebenintervenient
oder sonstiger Berechtigter seine Rechte als Gläubiger im Verfahren
auf Anerkennung des im Ausland eröffneten Konkurses wahrzunehmen. Das
Bundesgericht sei aber in den nicht veröffentlichten Urteilen vom 14. März
1956 und vom 16. November 1960 auf staatsrechtliche Beschwerden gegen
Rückweisungsentscheide des Kassationsgerichts des Kantons Zürich, in
welchen die Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde bestritten worden
sei, eingetreten.

    Die in Art. 87 OG vorgesehene Beschränkung der Anfechtbarkeit
letztinstanzlicher Zwischenentscheide gilt in der Tat nicht
absolut. Vielmehr lässt die Rechtsprechung Ausnahmen zu bei Entscheiden
über gerichtsorganisatorische Fragen, die ihrer Natur nach endgültig zu
erledigen sind, bevor das Verfahren weitergeführt werden kann. Dazu gehören
namentlich Entscheide über die Zusammensetzung des Gerichts und solche über
die örtliche und sachliche Zuständigkeit (BGE 115 Ia 313 E. 2a und 317/318,
mit Hinweisen). In BGE 87 I 177/178 und 373 hat das Bundesgericht unter
Hinweis auf die beiden von der Beschwerdeführerin erwähnten Entscheide
ausgeführt, es sei in Anwendung dieser Rechtsprechung unter anderem auch
auf staatsrechtliche Beschwerden eingetreten, mit denen im Anschluss an
einen Zwischenentscheid über ein ausserordentliches Rechtsmittel dessen
Zulässigkeit angefochten worden sei, so insbesondere auf Beschwerden
gegen Rückweisungsentscheide des Zürcher Kassationsgerichts, mit denen die
Zulässigkeit der Kassationsbeschwerde bestritten worden sei. Im Entscheid
Trillhaase vom 16. November 1960, auf welchen sich diese Bemerkung
bezieht, ging es indessen lediglich um die sachliche Zuständigkeit
des Kassationsgerichts, die nach der erwähnten Rechtsprechung ohnehin
sofort überprüfbar ist, worauf Ludwig (Endentscheid, Zwischenentscheid
und Letztinstanzlichkeit im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren,
ZBJV 110/1974 S. 185) zu Recht hinweist. Die sachliche Zuständigkeit des
Kassationsgerichts war im vorliegenden Fall indessen nicht streitig, konnte
doch keinem Zweifel unterliegen, dass gegen den obergerichtlichen Entscheid
die Nichtigkeitsbeschwerde an sich gegeben und dass das Kassationsgericht
zur Prüfung der damit erhobenen Rügen sachlich zuständig war. Fraglich
war nur, ob der Beschwerdegegner zum Verfahrensbeitritt befugt war. Indem
das Kassationsgericht diese Frage bejahte, entschied es jedoch nicht über
seine sachliche Zuständigkeit, sondern es beurteilte nur eine Vorfrage, die
schon vom Obergericht geprüft und im gleichen Sinn beantwortet worden war,
nicht anders, als wenn es in einem gewöhnlichen Zivilprozess beispielsweise
die Einrede der fehlenden Aktivlegitimation verworfen hätte. Dass von
der Beantwortung dieser Vorfrage auch die Legitimation zur Erhebung der
Nichtigkeitsbeschwerde abhing, vermag daran nichts zu ändern. Hätte das
Obergericht die Zulässigkeit der Intervention des Beschwerdegegners in
einem selbständigen Vorentscheid bejaht, wäre gegen seinen Entscheid die
staatsrechtliche Beschwerde nur unter den Voraussetzungen von Art. 87
OG zulässig gewesen. Es ist nicht einzusehen, weshalb es sich anders
verhalten soll, wenn ein Kassationsverfahren dazwischengeschaltet bzw. der
Vorentscheid vom Kassationsgericht bestätigt wird. Da der angefochtene
Entscheid für die Beschwerdeführerin nach dem Gesagten keinen nicht
wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat, kann demzufolge auf die
staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden.