Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IA 352



117 Ia 352

56. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
19. Juni 1991 i.S. K. und Kons., Stadt Kloten und Stadt Uster gegen
Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Gemeindeautonomie, Art. 36 Abs. 2 RPG; Verordnung des
Zürcher Regierungsrates vom 5. September 1990 über vorläufige
Einführungsbestimmungen zum RPG.

    Die in der angefochtenen Verordnung vorgesehenen, vor der
kantonalen Baudirektion zu erlassenden Gestaltungspläne für Anlagen der
Materialgewinnung und Materialablagerung treffen die Gemeinden in ihren
hoheitlichen Befugnissen als Trägerinnen der Nutzungsplanung (E. 3b).

    Autonomie der Zürcher Gemeinden auf dem Gebiete der Ortsplanung;
Möglichkeit des kantonalen Gesetzgebers, die Schranken der Autonomie
enger zu ziehen (E. 4).

    Der Zeitablauf seit Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes steht
vorläufigen Regelungen im Sinne von Art. 36 Abs. 2 RPG nicht entgegen,
sofern neue gesetzliche Anforderungen, neue Erkenntnisse der Rechtsprechung
oder auch sonstige Änderungen der Rechtslage zur Folge haben, dass der
Nutzungsplanung Schaden und Fehlentwicklungen drohen, für deren Vermeidung
die gegebenen Instrumente nicht ausreichen (E. 5). Im vorliegenden Fall
liegt die gleiche Interessenlage vor, die den Bundesgesetzgeber zum Erlass
von Art. 36 Abs. 2 RPG veranlasst hatte; die Einführungsverordnung nimmt
nicht in unzulässiger Weise die definitive Regelung vorweg (E. 6).

    Nach geltendem Zürcher Recht geht es bei der Verwirklichung grösserer
Anlagen für die Gewinnung oder Ablagerung von Materialien um Anliegen von
regionaler, kantonaler oder überkantonaler Tragweite. Dies schliesst
die Mitsprache der betroffenen Gemeinden und die Berücksichtigung
kommunaler Interessen nicht aus, erlaubt es jedoch, die Festsetzung
der Gestaltungspläne für solche Anlagen der kantonalen Baudirektion zu
übertragen (E. 7).

Sachverhalt

    A.- Mit Beschluss vom 5. September 1990 erliess der Regierungsrat
des Kantons Zürich gestützt auf Art. 36 des Bundesgesetzes über die
Raumplanung vom 22. Juni 1979 (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) eine
"Verordnung über vorläufige Einführungsbestimmungen zum Bundesgesetz
über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (Einführungsverordnung zum RPG
(EVzRPG))". Die Verordnung betrifft die Festsetzung von Nutzungsplänen für
Anlagen zur Materialgewinnung und Materialablagerung durch die kantonale
Baudirektion und hat folgenden Wortlaut:

    "§ 1. Für die Materialgewinnung und Materialablagerung werden nach
   örtlichem und zeitlichem Bedarf kantonale und regionale Gestaltungspläne
   für jene Flächen festgesetzt, die nach der Richtplanung für diese
   Nutzung vorgesehen sind.

    Mit dem Gestaltungsplan werden im Rahmen eines Gesamtkonzeptes über das
   im Richtplan bezeichnete Gebiet für einen bestimmt umgrenzten Bereich
   die beanspruchte Landfläche, die Abbautiefe und Auffüllhöhe sowie der
   Abbau- oder Deponievorgang samt allfälliger Etappierung festgelegt.

    Der Gestaltungsplan hat auch Festlegungen über die vorgesehenen Bauten
   und Anlagen, die Wiederherstellung oder Neugestaltung der erfassten
   Fläche, den für eine spätere einwandfreie Nutzung vorzusehenden
   Bodenaufbau, die

    Erschliessung und die Transportwege sowie die weiteren für die
Beurteilung
   der Umweltverträglichkeit erforderlichen Angaben zu enthalten.

    § 2. Für die Geltungsdauer dieser Verordnung findet § 308 des Planungs-
   und Baugesetzes (Gesetz über die Raumplanung und das öffentliche
   Baurecht des Kantons Zürich vom 7. September 1975; PBG) keine Anwendung.

    § 3. Diese Verordnung tritt am 1. Oktober 1990 in Kraft."

    Die Stadtgemeinden Kloten und Uster fechten am 24. Oktober 1990
die regierungsrätliche Einführungsverordnung mit staatsrechtlicher
Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie an und sie beantragen
deren Aufhebung. Das Bundesgericht weist die Beschwerden der beiden
Stadtgemeinden ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Angefochten ist ein generell-abstrakter Erlass der kantonalen
Exekutive. Die Beschwerdeführerinnen sind zur staatsrechtlichen Beschwerde
wegen Verletzung ihrer Autonomie befugt, sofern die Einführungsverordnung
sie in ihren hoheitlichen Befugnissen trifft. Ob ihnen im betreffenden
Bereich Autonomie zukommt, ist keine Frage des Eintretens, sondern eine
solche der materiellen Beurteilung (BGE 114 Ia 76 E. 1 mit Hinweisen;
für die abstrakte Normenkontrolle BGE 103 Ia 194 E. 2).

    b) § 1 EVzRPG ordnet im Sinne einer vorläufigen Regelung an, dass
für die Materialgewinnung und Materialablagerung kantonale und regionale
Gestaltungspläne für jene Flächen festgesetzt werden, die nach der
Richtplanung für diese Nutzung vorgesehen sind. § 2 EVzRPG setzt für die
Geltungsdauer der Verordnung § 308 PBG, der die Zulässigkeit grösserer
Anlagen für die Gewinnung oder Ablagerung von Materialien regelt, ausser
Kraft. Damit wird nach § 2 lit. b PBG die kantonale Baudirektion zuständig
für die Festsetzung von Gestaltungsplänen, die für jedermann verbindlich
sind (Art. 21 RPG; BGE 116 Ia 47 E. 4c, cb; 113 Ib 229 E. 2b; 111 Ib 12
f. E. 3 und 14 f. E. 3b).

    Nach geltendem Recht besitzt der Kanton für die Nutzungsplanung
lediglich die Kompetenz, kantonale und regionale Landwirtschaftszonen
und Freihaltezonen anzuordnen (§§ 36-44 PBG). Die nun vorgesehenen
Gestaltungspläne für Anlagen der Materialgewinnung und Materialablagerung,
die sich auf die in der kantonalen Richtplanung bezeichneten
Gemeindegebiete beziehen, treffen die Gemeinden in ihren hoheitlichen
Befugnissen als Trägerinnen der Nutzungsplanung (§§ 45 ff. und 79
ff. PBG). Das vom kantonalen Nutzungsplan erfasste Gemeindegebiet wird
ihrer Planungshoheit entzogen. Diese Betroffenheit ergibt sich auch aus
dem Ausschluss der Anwendung von § 308 PBG. Den Gemeinden wird damit die
ihnen nach geltendem Recht zustehende Bewilligungskompetenz entzogen.
Dass diese wegen der gegebenen kantonalen Bewilligungskompetenzen
für Anlagen zur Gewinnung oder Ablagerung von Materialien (vgl. § 2
lit. h und lit. n der kantonalen Verordnung über den Gewässerschutz vom
22. Januar 1975 und Anhang Ziff. 1.4 der Verordnung über das baurechtliche
Verfahren (Bauverfahrensordnung) in der Fassung vom 5. September 1990
i.V.m. Art. 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979
(Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) und Art. 31 des Bundesgesetzes über den
Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (Umweltschutzgesetz, USG; SR 814.01))
eng begrenzt ist, schliesst den Eingriff in die hoheitlichen Befugnisse
der Gemeinden nicht aus. Auf die staatsrechtlichen Beschwerden ist
deshalb einzutreten.

Erwägung 4

    4.- a) Die Gemeindeautonomie ist durch die staatsrechtliche
Beschwerde in Sachbereichen geschützt, in welchen das kantonale Recht
keine abschliessende Ordnung trifft, sondern diese ganz oder teilweise
der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche
Entscheidungsfreiheit einräumt (BGE 116 Ia 54 E. 2; 115 Ia 44 E. 3). Die
Autonomie der Zürcher Gemeinden ist verfassungsrechtlich garantiert, wobei
Art. 48 KV die Gemeinden nur ermächtigt, ihre Angelegenheiten innerhalb der
Verfassung und Gesetze selbständig zu ordnen (BGE 113 Ia 344 f. E. 2a). Im
vorliegenden Fall sind verfassungsmässige Schranken weder behauptet noch
ersichtlich. Die Autonomie der Zürcher Gemeinden reicht deshalb so weit,
als dies die Gesetzgebung zulässt. Wie das Bundesgericht bereits mehrfach
entschied, steht den Zürcher Gemeinden insbesondere aufgrund der §§ 2
lit. c, 31, 32, und 45 ff. PBG beim Erlass der Ortsplanung ein weiter
Gestaltungsspielraum zu. Sie sind insoweit grundsätzlich autonom (BGE
112 Ia 270 E. 2b und 282 E. 3b, je mit Hinweisen).

    b) Der kantonale Gesetzgeber darf durch Gesetzesänderung die von
ihm einmal gezogenen Schranken nachträglich enger ziehen, solange nicht
irgendwelche unmittelbar durch die Verfassung gewährleistete Befugnisse
oder Anforderungen berührt werden (BGE 113 Ia 214 E. 3b; 103 Ia 194
f. E. 3). In einem früheren Fall, in welchem es um die Zuständigkeit der
Zürcher Behörden zur Nutzungsplanung ging, entschied das Bundesgericht,
die vom Regierungsrat gestützt auf § 182 des Einführungsgesetzes
zum Zivilgesetzbuch erlassene Verordnung zum Schutze des Bachsertales
sowie der dazugehörende Zonenplan verletze die auf Art. 48 KV und § 68a
des ehemaligen kantonalen Baugesetzes für Ortschaften mit städtischen
Verhältnissen beruhende Gemeindeautonomie im Bereiche der Ortsplanung
nicht (BGE 96 I 239 ff. E. 2-6). Gleich urteilte das Bundesgericht in zwei
weiteren Fällen (BGE 94 I 541; Entscheid des Bundesgerichtes i.S. Comune di
Tegna vom 16. Februar 1983, publiziert in Rivista di diritto amministrativo
ticinese (RDAT) 1984 Nr. 70 S. 146 ff.).

    Die Gemeinden können jedoch bei einer Einschränkung ihrer Autonomie
durch die Gesetzgebung verlangen, dass die kantonalen Behörden ihre eigenen
Kompetenzen nicht überschreiten und sowohl die bundesrechtlichen als auch
die kantonalen Vorschriften in jenem Bereich, in dem Autonomie besteht,
nicht verletzen. Ficht eine Gemeinde eine kantonale Verordnung an, kann
sie - wie dies die beschwerdeführenden Gemeinden vorliegend tun - geltend
machen, der Regierungsrat habe zu Unrecht die Kompetenz beansprucht, einen
Sachbereich zu regeln, in welchem die Gemeinde aufgrund der Gesetzgebung
autonom ist. Sie kann weiter vorbringen, der Eingriff in die Autonomie
sei materiell widerrechtlich (BGE 115 Ia 46 E. 3c; 113 Ia 206 E. 2b
und 345 E. 2b; 94 I 547 f. E. 4). Dabei prüft das Bundesgericht, soweit
kantonales Verfassungsrecht in Frage steht, die Rechtsanwendung frei. Die
Anwendung von kantonalem Gesetzes- und Verordnungsrecht prüft es unter
dem Gesichtspunkt der Willkür (BGE 115 Ia 46 E. 3c mit Hinweisen). Einen
angefochtenen Rechtssatz hebt das Bundesgericht jedoch nur auf, wenn er
sich jeder Auslegung entzieht, die mit der Gemeindeautonomie und anderen
angerufenen Garantien übereinstimmt (BGE 115 Ia 47 E. 3c; 113 Ia 131 E. 5;
111 Ia 25 E. 2).

Erwägung 5

    5.- a) Die Beschwerdeführerinnen bestreiten, dass sich der
Regierungsrat für den Erlass der strittigen Verordnung auf Art. 36 RPG
stützen könne, nachdem seit Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes
am 1. Januar 1980 über zehn Jahre vergangen seien. Zulässig wäre
allenfalls der Erlass eines Bauverbotes für jene Gebiete gewesen, auf
denen Deponien oder Anlagen für die Materialgewinnung geplant seien. Die
Einführungsverordnung nehme die definitive Planung vorweg, was dem Sinn von
Art. 36 Abs. 2 RPG widerspreche. Es bestehe keine zeitliche Dringlichkeit
für den Erlass des angefochtenen Hoheitsaktes.

    b) Mit dem Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer gegen
Verunreinigung vom 8. Oktober 1971 (Gewässerschutzgesetz, GSchG; SR
814.20), der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung vom 19. Juni 1972
(AGschV; SR 814.201) und dem Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen
auf dem Gebiete der Raumplanung vom 17. März 1972 (BMR; AS 1972 S. 644
ff.) hatte das Bundesrecht die Begrenzung des Baugebietes als eines
der Hauptanliegen des verfassungsrechtlichen Raumplanungsauftrages
(Art. 22quater BV) verwirklicht (vgl. Art. 20 GSchG in der bis zum
31. Dezember 1979 geltenden Fassung, Art. 27 AGschV, Art. 4 BMR; BGE
103 Ib 110; 102 Ib 72 E. 5c; 100 Ib 399). Das am 1. Januar 1980 in
Kraft getretene Raumplanungsgesetz löste diese Regelung ab, indem es
anordnete, dass Nutzungspläne die zulässige Nutzung des Bodens festlegen,
wobei vorab Bau-, Landwirtschafts- und Schutzzonen auszuscheiden sind
(Art. 14 ff. RPG). Den Kantonen musste indes Zeit eingeräumt werden,
um die Raumplanung auf dem Weg der ordentlichen Gesetzgebung zu schaffen
(Art. 35 RPG). Der Bundesgesetzgeber stellte daher mit den Art. 36 und
37 RPG sicher, dass der bisherige bundesrechtliche Schutz weiterhin bis
zum Vorliegen der den Grundsätzen des Raumplanungsgesetzes entsprechenden
Planungen gewährleistet werden konnte.

    c) Die in Art. 36 RPG vorgesehenen einführenden Massnahmen der
Kantone sollen in erster Linie sicherstellen, dass die Richtpläne und die
Nutzungspläne ohne Gefährdung durch Fehlentwicklungen festgesetzt werden
können (EJPD/BRP, Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung, N 6
zu Art. 36; HEINZ AEMISEGGER, Leitfaden zum Raumplanungsgesetz, VLP Nr. 25,
1980, S. 126). Solche Massnahmen müssen ihrem Zweck entsprechend sofort
wirksam sein. Art. 36 Abs. 2 RPG ermächtigt daher die Kantonsregierungen,
vorläufige Regelungen zu treffen, solange das kantonale Recht keine anderen
Behörden bezeichnet. Die Kantonsregierungen erhielten die Möglichkeit,
das vor dem Raumplanungsgesetz bestehende Bundesrecht einstweilen
weiterzuführen und dafür zu sorgen, dass die Nutzungsplanung vor
Schaden bewahrt wird. Diese Ermächtigung schliesst die Befugnis ein, die
notwendigen organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorschriften mit
Einschluss von Rechtsschutzbestimmungen zu erlassen (EJPD/BRP, aaO, N 11
und N 22 zu Art. 36; MARIUS BASCHUNG, Einführung in das Raumplanungsgesetz,
in: Das Bundesgesetz über die Raumplanung, 1980, S. 18).

    d) Die Raumplanung ist eine ständige Aufgabe (Art. 9 Abs. 2 und
3, Art. 21 Abs. 2 RPG; § 9 Abs. 2 PBG), bei deren Erfüllung auch neue
gesetzliche Anforderungen beachtet werden müssen. Das am 1. Januar 1985
in Kraft getretene Umweltschutzgesetz hat solche neuen Anforderungen an
die Raumplanung festgelegt (so etwa Art. 23 f. USG). Vorliegend ist die
mit den Art. 31 und 32 USG eingeführte Pflicht zur Abfallverwertung und
-beseitigung von Bedeutung. Die Kantone müssen den Bedarf an Deponien
und anderen Entsorgungsanlagen ermitteln und die dafür erforderlichen
Standorte bestimmen.

    Der Zeitablauf seit Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes steht
vorläufigen Regelungen im Sinne von Art. 36 RPG jedenfalls grundsätzlich
nicht entgegen, sofern neue gesetzliche Anforderungen, neue Erkenntnisse
der Rechtsprechung oder auch sonstige Änderungen der Rechtslage zur Folge
haben, dass der Nutzungsplanung Schaden und Fehlentwicklungen drohen,
für deren Vermeidung die gegebenen Instrumente nicht ausreichen. Das
Bundesrecht untersagt den Kantonsregierungen auch nicht, frühere
einführende Massnahmen zu ändern oder zu ergänzen (BGE 114 Ib 184
f. E. 2b). Eine solche Ergänzung hat der Regierungsrat des Kantons Zürich
mit Verordnung vom 22. Dezember 1982 erlassen, um Härten für bestehende
Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzone, welche erst die Rechtsprechung
des Bundesgerichts erkennen liess (BGE 107 Ib 236 f. E. 2b), sofort zu
beseitigen und damit Art. 24 Abs. 2 RPG vor der am 1.

    Januar 1985 in Kraft getretenen Änderung des Planungs- und Baugesetzes
(§ 357 PBG) zur Anwendung zu bringen.

Erwägung 6

    6.- a) Nach dem zürcherischen Planungs- und Baugesetz sind in der
Richtplanung die Gebiete für die Materialgewinnung und Materialablagerung
zu bezeichnen (§ 23 Abs. 1 lit. f und § 25 Abs. 1 lit. e PBG; 104
Ia 46 f. E. 2c). Der vom Kantonsrat verabschiedete Gesamtplan sieht
entsprechende Gebiete vor (BGE 116 Ib 51). Diese raumplanerische Regelung
erklärt die Norm von § 308 PBG über die Zulässigkeit grösserer Anlagen
für die Gewinnung oder Ablagerung von Materialien. Solche Anlagen sind
örtlich und zeitlich nur nach den Festlegungen im Teilrichtplan Landschaft
zulässig. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Raumplanungsgesetzes
besass der Kanton Zürich für Anlagen der Materialgewinnung und
Materialablagerung diese gesetzliche Regelung, welche dem Bundesrecht
entsprach. Zu einführenden Massnahmen für die Sicherung der Möglichkeit,
entsprechende Anlagen in Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen
des Raumplanungsgesetzes zu realisieren, hatte der Kanton keinen Anlass,
konnten doch solche Anlagen jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Vorliegens
der vom Raumplanungsgesetz verlangten Nutzungspläne gestützt auf Art. 24
RPG als standortgebundene Anlagen weiterhin bewilligt werden, wie das
Bundesgericht bezüglich mehrerer Kies- und Lehmgruben entschied (BGE 112
Ib 28 f. E. 2a; 111 Ib 86 ff. E. 2; 108 Ib 364).

    In der kantonalen Praxis wurde indes zu wenig beachtet, dass für
grossflächige Anlagen der Materialgewinnung und -ablagerung grundsätzlich
geeignete Nutzungszonen zu schaffen sind (BGE 115 Ib 306 E. 5a; 112 Ib 28
E. 2a mit Hinweisen). Beim Fehlen von Abbauzonen liess das Bundesgericht
Bewilligungen nach Art. 24 RPG zwar zu, hielt jedoch fest, dass dies nicht
davon befreie, die nötigen Nutzungszonen festzulegen (BGE 111 Ib 86 E. 2;
nicht veröffentlichter Entscheid des Bundesgerichtes i.S. B. c. Gemeinde
Gossau vom 8. Juli 1987, E. 2). Dementsprechend nahm der Regierungsrat
des Kantons Zürich im Rahmen der Revisionsvorlage vom 11. Oktober
1989 zum Planungs- und Baugesetz eine Gesetzesänderung zur Schaffung
kantonaler Nutzungszonen für Materialgewinnung und Materialablagerung
in Aussicht. Noch in BGE 116 Ib 50 bezeichnete es das Bundesgericht als
zulässig, für die in Frage stehende Deponie ausnahmsweise Art. 24 RPG
anzuwenden, allerdings nur mit Rücksicht auf die lange Vorbereitungszeit
des Deponievorhabens (BGE 116 Ib 62 E. 6) sowie in der Meinung, dass das
inskünftig erforderliche Nutzungsplanungsverfahren ohne Verzug geschaffen
werde (vgl. 116 Ib 56 E. 3b). Im Entscheid wurde zum Ausdruck gebracht,
dass ein Nutzungsplanungsverfahren die vom Raumplanungsrecht und vom
Umweltschutzrecht geforderte Koordination aller für die Verwirklichung
einer solchen Anlage nötigen Bewilligungen wohl am besten zu erfüllen
vermöchte (BGE 116 Ib 55 f. E. 3b).

    b) Die umstrittene Einführungsverordnung ist, wie der Regierungsrat
ausführt, eine Folge dieser Rechtsprechung, aus der sich ergibt, dass
grössere Anlagen für die Gewinnung oder Ablagerung von Materialien
inskünftig nicht mehr gestützt auf § 308 PBG i.V.m. Art. 24 RPG
bewilligt werden können. Es liegt im hier zu beurteilenden Fall die
gleiche Interessenlage vor, welche den Bundesgesetzgeber zum Erlass
von Art. 36 RPG veranlasst hatte. Bisheriges Recht, das ausserhalb
der Bauzonen die Erstellung von Anlagen zur Materialgewinnung und
Materialablagerung ohne besondere Planfestsetzung allein gestützt auf
baurechtliche Bewilligungen erlaubte, muss zufolge des Ablaufs der in
Art. 35 RPG enthaltenen Fristen für die Richt- und Nutzungsplanung
und der neuen Anforderungen der Umweltschutzgesetzgebung geändert
werden. An der Sicherstellung dieser Änderung besteht ein erhebliches,
dem Zweck von Art. 36 RPG entsprechendes Interesse. In gleicher Weise,
wie die Regierungen nach dem Dahinfallen der mit dem Gewässerschutzgesetz
und dem Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen auf dem Gebiete der
Raumplanung angeordneten Baugebietsbegrenzung durch die Bezeichnung
vorläufiger Bauzonen gestützt auf Art. 36 Abs. 2 RPG die geordnete
Besiedlung des Landes bis zur Festsetzung der Nutzungspläne sicherstellen
konnten, erlaubt die umstrittene Einführungsverordnung, vorläufige Abbau-
und Deponiezonen in Übereinstimmung mit den geltenden Anforderungen des
Zürcher Rechts und des Bundesrechts anzuordnen.

    c) Die von den Beschwerdeführerinnen genannten Planungszonen gemäss
Art. 27 RPG und § 346 PBG vermögen nur negativ eine Bodennutzung, welche
dem vorgesehenen Nutzungszweck zuwiderlaufen würde, zu vermeiden. Der
Bundesgesetzgeber liess es mit Art. 36 RPG nicht bei dieser Möglichkeit
bewenden, weil die mit dem Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes
eingetretene Rechtsänderung zweckmässige Bodennutzungen, die der
geordneten Besiedlung des Landes entsprechen, nicht verhindern wollte. Die
Kantonsregierungen wurden daher ermächtigt, innerhalb der Schranken des
Raumplanungsgesetzes u.a. auch vorläufige Bauzonen festzusetzen und damit
für die Bodennutzung positive Anordnungen zu treffen, soweit mit diesen
aktuelle öffentliche Interessen verfolgt werden und soweit sie von einer
gefestigten Planungsabsicht getragen sind. Planerische Lücken sollten
vorderhand geschlossen werden können (EJPD/BRP, aaO, N 15 und N 28).

    Die umstrittene Einführungsverordnung verfolgt aktuelle öffentliche
Interessen. Die Verwirklichung dieser Interessen entspricht einer durch das
Umweltschutzrecht des Bundes verdeutlichten Rechtspflicht, deren Tragweite
in neuester Zeit klar erkannt wurde. Gefestigte Planungsabsichten sind
vorhanden, wie die geltende Zürcher Regelung (§ 23 Abs. 1 lit. f, § 25
Abs. 1 lit. e PBG) belegt. Bei dieser Sachlage durfte der Regierungsrat
die Möglichkeit, Planungszonen festzusetzen, als ungenügend erachten,
ohne den von Art. 36 RPG gesetzten Rahmen zu sprengen.

    d) Die Beschwerdeführerinnen wenden ein, die Einführungsverordnung
nehme in unzulässiger Weise die definitive Regelung voraus. In BGE 114
Ib 185 E. 2b hielt das Bundesgericht fest, die gestützt auf Art. 36
Abs. 2 RPG erlassenen Massnahmen dürften als Anordnungen zum Schutz
der künftigen ordentlichen Planung nur vorläufigen Charakter haben
und nicht dazu führen, dass eine geltende Kompetenzausscheidung in
unzulässiger Weise verschoben und umgangen oder dass die spätere
Planung vorweggenommen werde. Die einführenden Massnahmen, welche die
kantonalen Regierungen gestützt auf Art. 36 RPG erliessen, dürften
nicht in unzulässiger Weise die politische Entscheidungsfreiheit der
Gemeindebürger einschränken. Die Ausübung der Kompetenzen, die aus der
vom kantonalen Recht gewährleisteten Gemeindeautonomie flössen, wäre
andernfalls gefährdet, und die Zuständigkeiten zwischen dem Regierungsrat
als kantonaler Genehmigungsinstanz und den Legislativen der Gemeinden
würden verschoben.

    So verhält es sich vorliegend nicht. Anstelle der bisherigen kantonalen
Genehmigungs- und Bewilligungskompetenzen (vgl. vorne E. 3b) tritt für
die Zulassung grösserer Anlagen für Materialgewinnung und -ablagerung das
kantonale Verfahren für die Festsetzung eines Sondernutzungsplanes. Dieses
Verfahren trägt der Mitsprache der Gemeinden und der Bevölkerung im Sinne
der Art. 2 und 4 RPG ausreichend Rechnung. Das Bundesrecht verlangt
nicht, dass jeder Nutzungsplan im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren
beschlossen werden muss (PETER SALADIN, Nutzungspläne als formelles
Gesetz?, Rechtsgutachten 1988, S. 6 f.; PIERRE TSCHANNEN, Richterstaat
in der Raumplanung?, Beiheft 11 zur ZSR, 1990, S. 117 f.). Zahlreiche
Nutzungspläne, namentlich Sondernutzungspläne, werden auf gesetzlicher
Grundlage von der Exekutive festgesetzt (ALFRED KUTTLER, Festsetzung
und Änderung von Nutzungsplänen, Festschrift für Ulrich Häfelin, 1989,
S. 488). Das Zürcher Planungsverfahren entspricht im übrigen auch den
Rechtsschutzanforderungen des Art. 33 RPG.

    Die angefochtene Verordnung hat zeitlich, sachlich und in bezug auf die
geltende Kompetenzordnung eine begrenzte Tragweite. Die Verordnung gilt bis
zum Inkrafttreten der bereits in Aussicht genommenen formellen gesetzlichen
Grundlage für kantonale Sondernutzungspläne. Die sofortige vorläufige
Einführung des Planungsverfahrens für die Festsetzung von Gestaltungsplänen
greift nicht unzulässigerweise in die Befugnisse der kantonalen Legislative
ein, sondern regelt lediglich die Zuständigkeiten der kantonalen Exekutive
neu, indem an die Stelle der kantonalen Bewilligungen die Festsetzung eines
kantonalen Gestaltungsplanes tritt. Dass sich die vorläufige Regelung an
die vorgesehene Gesetzesänderung anlehnt, nimmt dem kantonalen Gesetzgeber
die Entscheidungsfreiheit nicht. Wird die Gesetzesrevision vom Stimmbürger
angenommen, fällt die Einführungsverordnung dahin. Wird sie abgelehnt, wird
es Sache des Regierungsrates sein, dem Kantonsrat unverzüglich eine neue,
allenfalls auf die Anlagen der Materialgewinnung und Materialablagerung
beschränkte Gesetzesvorlage zu unterbreiten. Die Verordnung bezieht sich,
wie der Regierungsrat in seiner Vernehmlassung ausführte, nur auf Anlagen
für Materialgewinnung und -ablagerung, die im kantonalen oder in einem
regionalen Richtplan festgesetzt sind, deren Standortfestsetzung mithin
gemäss Bundesrecht (Art. 31 Abs. 5 USG; Deponien) bzw. kantonalem Recht
(§ 23 Abs. 1 lit. f, § 25 Abs. 1 lit. e, § 30 i.V.m. § 2 lit. a PBG;
Deponien und Abbaugebiete) dem Kanton obliegt.

    e) Der Regierungsrat des Kantons Zürich war somit befugt, sich für
den Erlass der Einführungsverordnung auf Art. 36 RPG zu stützen.

Erwägung 7

    7.- a) Zu prüfen ist weiter, ob der Regierungsrat in materieller
Hinsicht die Autonomie der Zürcher Gemeinden verletzte, wie dies die
beschwerdeführenden Gemeinden geltend machen. Sie begründen ihre Autonomie
im wesentlichen damit, dass den Zürcher Gemeinden die Befugnis zur
Festsetzung der kommunalen Nutzungspläne zustehe (§§ 45 ff. PBG). Diese
Kompetenz umfasse die Zuständigkeit zum Erlass von Gestaltungsplänen
(§§ 83 ff. PBG). Damit könnten die Gemeinden in Verbindung mit
Sonderbauvorschriften (§ 79 Abs. 2 PBG) die Rechtsgrundlagen für Anlagen
der Materialgewinnung und -ablagerung in einer den Anforderungen des
eidgenössischen und kantonalen Rechts genügenden Weise schaffen.

    b) Die zum Planungsinstrumentarium der Zürcher Ortsplanung zählenden
Instrumente der Sonderbauvorschriften und Gestaltungspläne würden es
wohl ermöglichen, für die Materialgewinnung und -ablagerung angemessene
Regelungen zu treffen. Auch ausserhalb der zusammenhängenden Bauzonen des
Baugebietes können oder müssen für bestimmte Nutzungen Gestaltungspläne als
Sondernutzungspläne festgesetzt werden (BGE 116 Ib 139 E. 4 mit Hinweisen).

    Nach geltendem Zürcher Recht und dessen in der Praxis befolgtem
Verständnis geht es bei der Verwirklichung grösserer Anlagen für
die Gewinnung oder Ablagerung von Materialien um Anliegen von
regionaler, kantonaler oder gar überkantonaler Tragweite. Deshalb
steht die Entscheidungsbefugnis und -pflicht bezüglich solcher Anlagen
primär dem Kanton zu, wobei diesbezüglich für die bundesrechtliche
Regelung solcher überkommunaler grossflächiger Nutzungen an die Ziele
und Grundsätze der Raumplanung anzuknüpfen ist. Dabei sind für die
im öffentlichen Interesse liegenden Bauten und Anlagen sachgerechte
Standorte zu bestimmen, wobei auf den Schutz vor schädlichen und lästigen
Einwirkungen zu achten ist (Art. 3 Abs. 3 lit. b und Art. 3 Abs. 4
RPG). In Befolgung der Planungspflicht (Art. 2 RPG) haben die Kantone,
denen es obliegt, die räumliche Entwicklung ihres Gebietes aufzuzeigen,
über die entsprechenden Anliegen in ihrer Richtplanung Aufschluss zu
geben, so u.a. über den Stand und die Entwicklung der Versorgung und der
öffentlichen Bauten und Anlagen (Art. 6 Abs. 3 RPG). Das am 1. Januar
1985 in Kraft getretene Umweltschutzgesetz ordnet für die Lagerung von
Abfällen die kantonale Bewilligungspflicht an (Art. 30 Abs. 2 und 3 USG;
vgl. auch Art. 27 GSchG) und verpflichtet die Kantone, dafür zu sorgen,
dass die Abfälle vorschriftsgemäss verwertet, unschädlich gemacht oder
beseitigt werden (Art. 31 Abs. 1 USG). Die Kantone haben hiezu unter sich
zusammenzuarbeiten und für die Zusammenarbeit der Gemeinden zu sorgen
(Art. 31 Abs. 3 USG). Sie müssen den Bedarf an Deponien und anderen
Entsorgungsanlagen ermitteln und die hiefür erforderlichen Standorte
bestimmen (Art. 31 Abs. 4 und 5; DANIEL VOGEL, Pflicht zur räumlichen
Planung von Abfalldeponien gemäss Art. 31 Abs. 4 USG unter besonderer
Berücksichtigung des Zürcher Rechts, Diss. Zürich 1990, S. 41 ff.).

    Das zürcherische Planungs- und Baugesetz trägt diesen Anliegen dadurch
Rechnung, dass es - wie bereits erwähnt (E. 6a) - vorsieht, dass in der
Richtplanung die Gebiete für Materialgewinnung und Materialablagerung
bezeichnet werden. Daneben legt das kantonale Recht in genereller
Weise fest, dass die Planungen jedes Planungsträgers - wozu auch
der Kanton gehört (§ 8 PBG) - räumlich und sachlich so weit gehen,
als die Erfüllung der ihm zugewiesenen Aufgaben und die Wahrung seiner
Interessen es erfordern (§ 9 Abs. 1 PBG). Der kommunale Hoheitsbereich
wird in den Fällen, die vorliegend zur Diskussion stehen, naturgemäss
überschritten. Diese Feststellung schliesst die Mitsprache der betroffenen
Gemeinden und die Berücksichtigung und Abwägung kommunaler Interessen nicht
aus, lässt jedoch nicht zu, dass der Entscheid über die Zulassung solcher
Anlagen im Gemeindegebiet primär den Gemeindeorganen überlassen bleibt, wie
dies zuträfe, wenn diese Anlagen nur aufgrund kommunaler Gestaltungspläne
verwirklicht werden könnten. Sodann ist daran zu erinnern, dass für
die Bewilligung von Anlagen zur Materialgewinnung und Materialablagerung
bereits aufgrund des eidgenössischen Gewässerschutzgesetzes vom 8. Oktober
1971 die kantonale Genehmigungskompetenz ausschlaggebend war (Art. 20
GSchG, Art. 27 AGschV beide in der bis 31. Dezember 1979 geltenden Fassung,
Art. 4 BMR).