Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IA 277



117 Ia 277

44. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 3. Juli 1991 i.S. K. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV. Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung.

    Der von Art. 4 BV garantierte Anspruch auf unentgeltliche
Rechtsverbeiständung ist grundsätzlich auch für das nichtstreitige
Verwaltungsverfahren betreffend Rückversetzung in den Massnahmenvollzug
bzw. Vollzug der aufgeschobenen Strafe (Art. 45 Ziff. 3 Abs. 1 StGB)
gewährleistet (E. 5a).

    Voraussetzungen für die Bejahung eines unmittelbar aus
der Bundesverfassung fliessenden Anspruches auf unentgeltliche
Rechtsverbeiständung (Zusammenfassung, E. 5b). Die Notwendigkeit der
Verbeiständung ist im vorliegenden Fall zu bejahen: Die zuständige
Behörde hat in einem früheren Verfahrensstadium den Antrag gestellt,
die aufgeschobene Freiheitsstrafe sei zu vollziehen, obwohl aus
den Akten schwerwiegende Indizien für die Massnahmebedürftigkeit des
Beschwerdeführers ersichtlich sind. Es stellen sich somit schwierige Tat-
und Rechtsfragen (E. 5b/bb-cc).

Sachverhalt

    A.- Am 5. Dezember 1985 verurteilte die I. Strafkammer des
Obergerichtes des Kantons Zürich K. wegen Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz, Raub und weiteren Delikten zu vier Jahren Zuchthaus
und einer Busse. Der Strafvollzug wurde zugunsten einer Massnahme gemäss
Art. 44 Ziff. 1 i. V. m. Ziff. 6 StGB aufgeschoben und K. wurde in
eine Drogenentziehungsanstalt eingewiesen. Mit Verfügung vom 23. Juni
1987 bewilligte die Justizdirektion des Kantons Zürich seine bedingte
Entlassung aus dem Massnahmenvollzug und setzte ihm zur Bewährung eine
Probezeit von zwei Jahren an.

    Am 3. August 1988 wurde K. in Frankreich wegen Betäubungsmitteldelikten
zu vier Jahren Freiheitsentzug und Busse verurteilt. Die Justizdirektion
des Kantons Zürich stellte am 3. Juni 1989 unter Hinweis auf diese
Verurteilung dem Obergericht den Antrag, es sei die aufgeschobene
Freiheitsstrafe zu vollziehen. Mit Beschluss vom 7. November 1989
trat das Obergericht auf die Eingabe der Justizdirektion nicht ein, da
diese über die Frage der Rückversetzung in den Massnahmenvollzug noch
keinen förmlichen und in Rechtskraft erwachsenen Entscheid im Sinne von
Art. 45 Ziff. 3 Abs. 1 StGB gefällt habe. Die von der Justizdirektion
und der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen diesen Entscheid
erhobenen kantonalen und eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerden wurden
am 20. März bzw. 14. Mai 1990 vom Kassationsgericht des Kantons Zürich
und vom Bundesgericht abgewiesen.

    Mit Eingabe vom 30. November 1989 stellte K. der Justizdirektion
den Antrag, er sei in den Massnahmenvollzug zurückzuversetzen und es
sei ihm im Rückversetzungsverfahren die unentgeltliche Prozessführung
und Rechtsverbeiständung zu gewähren. Mit Zwischenentscheid vom
5. September 1990 wies die Justizdirektion das Gesuch um unentgeltliche
Rechtsverbeiständung ab. Den dagegen von K. erhobenen Rekurs wies der
Regierungsrat des Kantons Zürich mit Beschluss vom 12. Dezember 1990
ab. Die gegen den Beschluss des Regierungsrates erhobene staatsrechtliche
Beschwerde heisst das Bundesgericht gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- Zur Hauptsache rügt der Beschwerdeführer, der angefochtene
Entscheid verletze den unmittelbar aus Art. 4 BV fliessenden Anspruch
auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung. Es fragt sich zunächst, ob der
betreffende Verfassungsanspruch grundsätzlich auch für das Verfahren gemäss
Art. 45 Ziff. 3 Abs. 1 StGB gewährleistet ist, bei dem die zuständige
Behörde über die Rückversetzung in den Massnahmenvollzug entscheidet oder
dem Richter den Vollzug der aufgeschobenen Strafe beantragt.

    a) In einem Strafverfahren hat der bedürftige Angeklagte unmittelbar
gestützt auf Art. 4 BV Anspruch auf unentgeltliche Verteidigung, wenn es
sich nicht um einen Bagatellfall handelt und der Straffall in tatsächlicher
und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, denen der Angeklagte
nicht gewachsen ist (BGE 115 Ia 105 mit Hinweisen; 109 Ia 13 E. 3b). Wie
das Bundesgericht weiter entschieden hat, stellt auch das Verfahren, in dem
der Richter bei Versagen einer im Haupturteil angeordneten Behandlung über
die Vollstreckung der Strafe oder die Anordnung einer anderen Massnahme
zu befinden hat, eine Fortsetzung bzw. Ergänzung des Hauptverfahrens dar,
und sind die Regeln über die Gewährung der amtlichen Verteidigung analog
anzuwenden, sei dies in den Fällen von Art. 43 Ziff. 3 StGB (BGE 106 Ia
182 f. E. 2a) oder in solchen von Art. 44 Ziff. 3 StGB (unveröffentlichtes
Urteil vom 12. Juli 1984 i.S. C. W.).

    In BGE 112 Ia 17 f. E. 3c wurde ein unmittelbar aus Art. 4 BV
fliessender Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung auch "im
Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsgerichtsverfahren" anerkannt, "wo
dies zur Wahrung der Interessen des unbemittelten Bürgers erforderlich
ist". Gemäss einem nach Art. 16 OG durchgeführten Meinungsaustausch
zwischen dem Eidgenössischen Versicherungsgericht und dem Bundesgericht
wurde mit diesem Entscheid der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege
für das nichtstreitige Verwaltungsverfahren, welches zum Erlass
einer anfechtbaren Verfügung führt, weder verneint noch bejaht
(BGE 114 V 232 E. 4b; die Regeste von BGE 112 Ia 14 bezieht sich in
diesem Sinne auch ausdrücklich nur auf das "Verwaltungsbeschwerde- und
Verwaltungsgerichtsverfahren"). Das Eidgenössische Versicherungsgericht
hat den Anspruch in gewissen sachlichen und zeitlichen Grenzen in
der Folge auf das nichtstreitige IV-Abklärungsverfahren gemäss Art.
65 ff. IVV ausgedehnt (BGE 114 V 234 ff. E. 5a-c). Umso mehr müssen die
vom Bundesgericht entwickelten Regeln zum Anspruch auf unentgeltliche
Rechtsverbeiständung auch für das Verwaltungsverfahren betreffend
Rückversetzung in den Massnahmenvollzug nach bedingter oder probeweiser
Entlassung gemäss Art. 45 Ziff. 3 Abs. 1 StGB Berücksichtigung finden,
können die entsprechenden Entscheide doch zu empfindlichen Eingriffen
in die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen führen (vgl. z.B. für
den Fall einer Rückversetzung in die Verwahrung im Verfahren von Art. 45
Ziff. 3 StGB den Entscheid der Europäischen Kommission für Menschenrechte
i.S. Christinet c. CH, DR 17.35). Gerade in diesem Grenzbereich zwischen
Strafrecht und Verwaltungsrecht, in dem ebenfalls heikle Rechts- und
Tatfragen oder schwierige Verfahrenssituationen denkbar sind, darf es
nicht allein vom Zufall des vom Gesetzgeber gewählten Verfahrensweges
abhängen, ob ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege besteht oder
nicht (vgl. BGE 112 Ia 17 E. 3b). Vielmehr muss es dem Bedürftigen
ermöglicht sein, zur Geltendmachung schwerwiegender Interessen
gegenüber den Behörden einen Rechtskundigen beizuziehen, sofern dies
zur Wahrung seiner Rechte notwendig erscheint und sein Standpunkt
nicht aussichtslos ist. Was das Rückversetzungsverfahren gemäss Art. 45
Ziff. 3 Abs. 1 StGB angeht, werden sogar Zweifel daran geäussert, ob die
Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde den Anforderungen der Europäischen
Menschenrechtskonvention überhaupt genügen kann (vgl. STEFAN TRECHSEL,
Kurzkommentar StGB, Art. 45 N 8).

    Der Entscheid der Justizdirektion ist für den Beschwerdeführer
von erheblicher Tragweite: Bei einer Verweigerung der Rückversetzung
in die Massnahme und einem Vollzug der aufgeschobenen Strafe hätte der
Beschwerdeführer unbestrittenermassen eine Restfreiheitsstrafe von 354
Tagen zu verbüssen, sofern ihm Untersuchungshaft und Massnahmenvollzug
durch den Richter angerechnet werden (Art. 44 Ziff. 5 StGB). Der
Beschwerdeführer befindet sich demgegenüber heute auf freiem Fuss und
geht nach Darstellung des Regierungsrates seit längerem einer geregelten
Erwerbstätigkeit nach. Als Konsequenz einer Rückversetzung in die
Massnahme hätte der Beschwerdeführer eine stationäre Behandlung in einer
Heilanstalt für Drogensüchtige zu gewärtigen, deren neue Höchstdauer zwei
Jahre beträgt und deren Gesamtdauer bei mehrfacher Rückversetzung bis auf
sechs Jahre ausgedehnt werden kann (Art. 45 Ziff. 3 Abs. 6 StGB). Obwohl
es sich beim Entscheid betreffend Rückversetzung bzw. beim Vollzug der
Reststrafe nicht um eine neuerliche strafrechtliche Beurteilung und
Sanktionierung handelt sondern um die Fortsetzung des Vollzuges infolge
der Nichtbewährung während der Probezeit (vgl. HUBERT STURZENEGGER,
Die bedingte Entlassung im schweizerischen Strafrecht, Diss. ZH 1954,
S. 131), zieht der Verwaltungsentscheid gemäss Art. 45 Ziff. 3 Abs. 1 StGB
gleichwohl einschneidende Konsequenzen auf die persönlichen Verhältnisse
des Beschwerdeführers nach sich. Für den Fall, dass die Justizdirektion dem
Richter Antrag auf Vollzug der aufgeschobenen Strafe stellen sollte, wäre
deren Entscheid insofern noch von besonderer Tragweite, als der Richter
in der Folge die Vollstreckung zwingend anordnen müsste und allenfalls
noch über die Anrechnung der durchgeführten Massnahme (Art. 44 Ziff.
5 StGB) zu entscheiden hätte (Appellationsgericht BS, BJM 1985, S. 312;
Obergericht ZH, SJZ 1979, S. 332; vgl. STEFAN TRECHSEL, aaO, N 9).

    Alle diese Umstände sprechen dafür, dem Beschwerdeführer die
unentgeltliche Rechtsverbeiständung schon im Verwaltungsverfahren vor
der Justizdirektion des Kantons Zürich zu ermöglichen, sofern die von
der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien erfüllt sind.

    b) Im folgenden ist demnach zu prüfen, ob die einzelnen Voraussetzungen
gegeben sind, welche die Bundesgerichtspraxis für die Bejahung eines
unmittelbar aus Art. 4 BV fliessenden Anspruches auf unentgeltliche
Rechtsverbeiständung entwickelt hat. Das Bundesgericht prüft das
Vorliegen dieser Voraussetzungen mit freier Kognition (BGE 112 Ia 9 E. 2
mit Hinweisen).

    aa) Als erstes setzt der Anspruch auf unentgeltliche
Rechtsverbeiständung voraus, dass der Gesuchsteller bedürftig ist
(BGE 114 V 231 E. 4a; 112 Ia 9 E. 2, 15 E. 3a). Die Bedürftigkeit des
Beschwerdeführers ist vorliegend unbestritten und geht auch aus den Akten
hervor. Der Regierungsrat behauptet nicht, dass aus dem Umstand, dass
der Beschwerdeführer seit seiner Haftentlassung aus dem französischen
Strafvollzug Ende 1989 ein geordnetes Leben aufgebaut habe, etwas
Gegenteiliges abzuleiten wäre.

    bb) Nach ständiger Praxis des Bundesgerichtes kann über den
Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung hinaus aus Art. 4 BV nur
dann ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung abgeleitet
werden, wenn letztere notwendig erscheint. Dabei sind die konkreten
Umstände des Einzelfalles und die Eigenheiten der anwendbaren kantonalen
Verfahrensvorschriften zu berücksichtigen. Falls es sich nicht um ein
Strafverfahren handelt, bei dem die Ausfällung einer freiheitsentziehenden
Massnahme oder einer Strafe in Aussicht steht, deren Dauer die Gewährung
des bedingten Strafvollzuges ausschliesst, müssen zur relativen Schwere
des Falles besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten
hinzukommen (BGE 115 Ia 105; 112 Ia 15 E. 3a, je mit Hinweisen; 102
Ia 90 f. E. 2b). Dass im betreffenden Verfahren die Offizialmaxime
gilt, stellt keinen hinreichenden Grund dar, die Notwendigkeit der
unentgeltlichen Rechtsverbeiständung zu verneinen (BGE 115 Ia 105;
112 Ia 11 E. 2c; 110 Ia 28, je mit Hinweisen). Es kann im vorliegenden
Fall offengelassen werden, ob allein schon angesichts der besonderen
Wichtigkeit und Tragweite des Verfahrens ein Anspruch auf unentgeltliche
Rechtsverbeiständung bejaht werden muss (vgl. Urteil des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte vom 24. Mai 1991 i.S. Quaranta c. CH,
EGMR Série A, vol. 205, Ziff. 33). Wie aus den nachfolgenden Erwägungen
ergeht, sind nämlich vorliegend zusätzlich auch noch schwierige Tat-
und Rechtsfragen zu beurteilen.

    Der Regierungsrat stellt sich auf den Standpunkt, es seien im
vorliegend von der Justizdirektion zu entscheidenden Fall "keine nicht
leicht zu behandelnden tatsächlichen Fragen zu beantworten", deshalb
erscheine die unentgeltliche Rechtsverbeiständung des Beschwerdeführers
nicht notwendig. Der Beschwerdeführer sei nach eigenen Angaben nach
seiner bis Ende 1989 dauernden Inhaftierung in Frankreich in die
Schweiz zurückgekehrt, er wohne heute in Wald ZH und gehe "seit längerem
einer geregelten Erwerbstätigkeit nach", Drogenrückfälle seit seiner
Inhaftierung seien auf Grund der Akten nicht ersichtlich. Es sei daher
"davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seit rund drei Jahren
keine Drogen mehr konsumiert und es ihm überdies nach seiner Entlassung
gelungen ist, ein geordnetes Leben aufzubauen". Aufgrund dieser Sachlage
sei die Massnahmebedürftigkeit des Beschwerdeführers "zum vornherein
ausgeschlossen" und es würden sich im Verfahren gemäss Art. 45 Ziff. 3
Abs. 1 StGB keine schwierigen Tat- oder Rechtsfragen stellen.

    Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Im Gutachten
der Psychiatrischen Klinik Rheinau vom 23. Juli 1985 wurde beim
Beschwerdeführer eine "ausgeprägte Suchtstruktur" diagnostiziert,
nachdem dieser seit 1981 unter anderem Heroin und Kokain geschnupft
hatte. Gestützt auf das psychiatrische Gutachten schob das Obergericht des
Kantons Zürich die ausgefällte Freiheitsstrafe zu Gunsten einer Massnahme
gemäss Art. 44 Ziff. 6 StGB auf, worauf der Beschwerdeführer mit Verfügung
vom 10. Dezember 1985 in eine Drogenentziehungsanstalt eingewiesen
wurde. Nach seiner bedingten Entlassung aus dem Massnahmenvollzug am
30. Juni 1987 wurde der Beschwerdeführer noch während der zweijährigen
Probezeit vom französischen Tribunal de Grande Instance de Thionville
u.a. wegen Drogenschmuggels zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe
verurteilt. Unbestrittenermassen befand sich der Beschwerdeführer
vom 23. April 1988 bis Ende 1989 im Strafvollzug in Frankreich. Der
Beschwerdeführer legt dar, er sei "in Frankreich trotz eineinhalbjähriger
tadelloser Bewährung im stationären Massnahmenvollzug in bezug auf den
Konsum harter Drogen massiv rückfällig geworden" und im französischen
Strafvollzug sei "keinerlei therapeutische Arbeit geleistet" worden.

    Angesichts dieser Aktenlage muss die Auffassung des Regierungsrates,
die Massnahmebedürftigkeit des Beschwerdeführers könne "zum vornherein
ausgeschlossen werden" und es stellten sich diesbezüglich keine
schwierigen Fragen, zumindest auf grosse Bedenken stossen. Fragwürdig
erscheint besonders die Auffassung, es könne angenommen werden, dass der
Beschwerdeführer "seit rund drei Jahren keine Drogen mehr konsumiert"
habe, nachdem eine ausgeprägte Drogensucht gutachtlich festgestellt
worden ist, der Beschwerdeführer am 3. August 1988, also nicht lange
nach seiner bedingten Entlassung aus dem Massnahmenvollzug, wieder
einschlägig wegen Drogenschmuggels verurteilt wurde und er sich bis
Ende 1989 im unbetreuten Strafvollzug befand. Angesichts der allgemein
bekannten Drogenproblematik im Strafvollzug (vgl. KURT BIENER, Die
Gesundheitsproblematik im Strafvollzug, Grüsch 1989, S. 48; HANS FUESS,
Der Drogenabhängige im Strafvollzug, Der Strafvollzug in der Schweiz 1982,
S. 62 ff.; FRANZ MOGGI, Drogenabhängige im Straf- und Massnahmenvollzug,
Der Strafvollzug in der Schweiz 1982, S. 58 ff.) erschiene unter diesen
Umständen ein Nichtrückfall eher erstaunlich.

    cc) Entgegen der Auffassung des Regierungsrates stellen sich
somit bezüglich der im Verfahren gemäss Art. 45 Ziff. 3 Abs. 1 StGB
abzuklärenden Massnahmebedürftigkeit des Beschwerdeführers offensichtlich
schwierige Tat- und Rechtsfragen. In formeller Hinsicht ist das Verfahren
vor der Zürcher Justizdirektion zwar nicht besonders kompliziert
ausgestaltet, völlig anspruchslos erscheint es - gerade für einen
möglicherweise behandlungsbedürftigen Drogensüchtigen - indessen nicht;
mit verfahrensrechtlichen Problemen hatte sich auch schon das Bundesgericht
auseinanderzusetzen (insbesondere ist dem Betroffenen im Verfahren nach
Art. 45 Ziff. 3 Abs. 1 StGB ausreichendes rechtliches Gehör zu gewähren,
BGE 102 Ib 250 E. 3; vgl. zu materiell- und formellrechtlichen Fragen
auch HUBERT STURZENEGGER, aaO, S. 95 ff.; 122 ff.; HANSPETER HÄNNI,
Die Praxis der bedingten bzw. probeweisen Entlassung aus dem Straf- und
Massnahmenvollzug im Kanton Graubünden, Diss. BS 1978, S. 147 ff.). Im
vorliegenden Fall liegen zudem noch spezielle Umstände vor, welche
die vollständige Unvoreingenommenheit und Objektivität der zuständigen
Behörde aus der Sicht des Beschwerdeführers fraglich erscheinen lassen
könnten. So hat sich die Justizdirektion zum vorliegenden Fall insoweit
bereits geäussert, als sie dem Obergericht des Kantons Zürich schon
am 3. Juni 1989 den Antrag gestellt hatte, es sei die aufgeschobene
Strafe zu vollziehen. Den Nichteintretensentscheid des Obergerichtes
zogen die Justizdirektion und die Staatsanwaltschaft mit kantonalen
und eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerden bis vor Bundesgericht.
Die Beschwerden wurden mit Entscheiden vom 20. März bzw. 14. Mai 1990
abgewiesen, die Justizdirektion und der heutige Beschwerdeführer standen
sich in den Verfahren zumindest formal als Parteien gegenüber.

    In Würdigung all dieser Umstände ist die Notwendigkeit einer
unentgeltlichen Rechtsverbeiständung im vorliegenden Fall zu bejahen.

    dd) Als weitere Voraussetzung für einen direkt aus Art. 4
BV ableitbaren Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung
verlangt die Praxis des Bundesgerichtes, dass das Rechtsbegehren des
Gesuchstellers nicht zum vornherein aussichtslos erscheint (BGE 112
Ia 18 mit Hinweisen). Wie bereits ausgeführt, kann der Auffassung
des Regierungsrates, der Nachweis einer Massnahmebedürftigkeit des
Beschwerdeführers sei zum vornherein ausgeschlossen, damit sei auch dessen
Begehren um Rückversetzung in den Massnahmevollzug aussichtslos, nicht
gefolgt werden (E. bb). Die zuständige Behörde wird vielmehr abklären
müssen (nötigenfalls unter Anordnung der geeigneten Beweismassnahmen),
ob sich seit der Entlassung des Beschwerdeführers die tatsächlichen
Verhältnisse betreffend Drogensucht in der Weise geändert haben, dass
entgegen dem letzten psychiatrischen Gutachten und den erwähnten Indizien
eine Massnahmebedürftigkeit verneint werden kann. Das Rechtsbegehren
des Beschwerdeführers im Verfahren gemäss Art. 45 Ziff. 3 Abs. 1 StGB
erscheint in diesem Zusammenhang nicht als zum vornherein aussichtslos.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf
eingetreten werden kann, und der Entscheid des Regierungsrates des Kantons
Zürich vom 12. Dezember 1990 wird aufgehoben.