Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IA 247



117 Ia 247

39. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 13.
Februar 1991 i.S. S. gegen Appellationsgerichtspräsident des Kantons
Basel-Stadt (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 87 OG; Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid.

    1. Eine Verfügung, mit welcher über ein Gesuch um Erteilung der
aufschiebenden Wirkung entschieden wird, stellt einen Zwischenentscheid
im Sinne von Art. 87 OG dar (E. 1).

    2. Da die neben der Willkürrüge erhobene Rüge der Verletzung von
Art. 22ter BV offensichtlich unbegründet ist, kommt Art. 87 OG zur
Anwendung (E. 2).

    3. Hinweis auf BGE 116 Ia 177; Vorliegen eines nicht
wiedergutzumachenden Nachteils verneint, da das während des Verfahrens
erstellte Barackenprovisorium im Falle einer Gutheissung der Beschwerde
wieder entfernt werden könnte (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Der Kanton Basel-Stadt beabsichtigt, auf der ihm gehörenden
Eckliegenschaft Schanzenstrasse/Spitalstrasse 26 eine Baracke zu erstellen,
in welcher suchtkranke Drogenabhängige sich ihre Droge unter ärztlicher
Aufsicht spritzen können. Das Bauinspektorat Basel-Stadt erteilte hiefür
dem kantonalen Hochbauamt am 3. April 1990 die Baubewilligung für die
Erstellung dieser Baracke als Provisorium für fünf Jahre bis zum 31. März
1995. S. ist Eigentümerin einer Nachbarliegenschaft. Sie befürchtet, der
Betrieb des sogenannten "Gassenzimmers" in dieser Baracke, in der auch eine
Cafeteria eingerichtet werden soll, führe zu untragbaren Emissionen. Ihr
Rekurs wurde jedoch von der kantonalen Baurekurskommission am 23. August
1990 abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte. S. rekurrierte
in der Folge an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt.
Sie wiederholte im wesentlichen ihre der Baurekurskommission vorgetragenen
Einwendungen und beantragte in verfahrensmässiger Hinsicht, ihrem Rekurs
sei aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

    Am 24. September 1990 traf der Appellationsgerichtspräsident über
das Gesuch um Bewilligung der aufschiebenden Wirkung folgende Verfügung:

    "Das Gesuch um Bewilligung der aufschiebenden Wirkung wird abgewiesen,
   da die Erfolgsaussichten des Rekurses ungewiss sind und das Bedürfnis
   an der sofortigen Ausführung der Baute als dringlich erscheint."

    S. führt staatsrechtliche Beschwerde und beantragt, die Verfügung des
Appellationsgerichtspräsidenten vom 24. September 1990 sei aufzuheben und
es sei ihrem Rekurs an das Verwaltungsgericht betreffend das zur Diskussion
stehende Baubegehren Spitalstrasse 26 aufschiebende Wirkung zu erteilen.

    Das Bundesgericht tritt auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht ein

Auszug aus den Erwägungen:

                  aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerde richtet sich gegen eine Verfügung des
Appellationsgerichtspräsidenten. Gemäss § 17 des baselstädtischen
Gesetzes vom 14. Juni 1928 über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG)
hemmt die Einreichung eines Rekurses die Vollstreckung des angefochtenen
Entscheides nicht, es sei denn, dass der Präsident dies ausdrücklich
anordnet. Gemäss § 24 VRPG trifft der Präsident die ihm nach § 17 VRPG
zustehenden vorsorglichen Verfügungen von sich aus oder auf Antrag
der Parteien. Im vorliegenden Fall hat der Präsident den ausdrücklich
gestellten Antrag der Beschwerdeführerin, ihrem Rekurs sei aufschiebende
Wirkung zuzubilligen, abgewiesen. Von keiner Seite wird geltend gemacht,
diese Präsidialverfügung könne beim Gesamtgericht angefochten werden,
weshalb davon auszugehen ist, dass eine kantonal letztinstanzliche
Verfügung vorliegt. Diese schliesst jedoch das kantonale Verfahren nicht
ab; es handelt sich somit um einen Zwischenentscheid (BGE 116 Ia 179
E. 2a mit Hinweisen), was auch die Beschwerdeführerin anerkennt.

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin nennt keinen bestimmten Artikel der
Bundesverfassung, der durch die angefochtene Verfügung verletzt sein
soll; aus ihren Vorbringen ergibt sich aber, dass sie die Ablehnung
ihres Antrages als willkürlich erachtet, womit sie Art. 4 BV anruft. Zudem
spricht sie von ihren verfassungsmässigen Eigentumsrechten (Art. 22ter BV),
die wegen der von ihr befürchteten Immissionen verletzt sein sollen. Gemäss
Art. 87 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV erst gegen letztinstanzliche Endentscheide zulässig, gegen
letztinstanzliche Zwischenentscheide nur, wenn sie für den Betroffenen
einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben. Werden neben
der Rüge, Art. 4 BV sei verletzt, noch weitere Verfassungsverletzungen
geltend gemacht, so tritt das Bundesgericht auf die Beschwerde in vollem
Umfang ein, allerdings nur dann, wenn diese Rügen nicht mit derjenigen
der Verletzung von Art. 4 BV zusammenfallen, somit selbständige Bedeutung
haben, und nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet sind (BGE 115
Ia 314 mit Hinweisen). Im Zusammenhang mit der Anrufung von Art. 22ter
BV beschränkt sich die Beschwerdeführerin auf die Behauptung, die zu
erwartenden Immissionen würden ihre verfassungsmässigen Eigentumsrechte
aushöhlen. Diese Rüge genügt den gesetzlichen Anforderungen an die
Begründung einer staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 90 Abs. 1 lit. b
OG) in keiner Weise. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, dass der
von ihr behauptete Eingriff gesetzlichen Bestimmungen zuwiderlaufe
oder dass er nicht im öffentlichen Interesse liege oder dass er
unverhältnismässig sei. Die Berufung auf Art. 22ter BV ist daher
offensichtlich unbegründet. Unter diesen Umständen ist zu prüfen,
ob die angefochtene Verfügung für die Beschwerdeführerin einen nicht
wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat.

Erwägung 3

    3.- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts bedarf es
eines nicht wiedergutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur, um einen
Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 OG anfechten zu können; eine bloss
tatsächliche Beeinträchtigung genügt nicht. Der Nachteil ist nur dann
rechtlicher Natur, wenn er auch durch einen für den Betroffenen günstigen
Endentscheid nicht mehr behoben werden könnte (BGE 115 Ia 314 E. c; 108 Ia
104). Dabei ist es nicht nötig, dass sich der Nachteil schon im kantonalen
Verfahren durch einen günstigen Endentscheid beheben lässt. Es genügt,
wenn er in einem anschliessenden bundesgerichtlichen Verfahren beseitigst
werden kann (BGE 99 Ia 249 f.; 116 Ia 445 E. 1 b). Die Beschwerdeführerin
beruft sich in diesem Zusammenhang auf BGE 105 Ia 318 ff. Dieser Entscheid
betraf die Nichtbeförderung eines Schülers. Das Bundesgericht stellte fest,
dass ein Schüler bei Erfüllung der reglementarischen Voraussetzungen
einen Rechtsanspruch auf Beförderung besitze. Die Verweigerung der
aufschiebenden Wirkung eines Rekurses gegen eine Nichtbeförderung könne
daher wegen des Ausfalls des Unterrichts in der höheren Klasse während der
Dauer des Rekursverfahrens zu einem nicht wiedergutzumachenden rechtlichen
Nachteil führen; im Falle eines für den Schüler günstigen Rekursentscheides
sei ein nachträglicher Übertritt in die höhere Klasse nicht mehr möglich.

    Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, in ihrem Fall sei der zu
erwartende Nachteil in noch ausgeprägterem Masse gegeben. Sie begründet
jedoch nicht, worin der zu erwartende rechtliche Nachteil liegen soll,
wenn der Kanton Basel-Stadt auf der Nachbarliegenschaft mit dem Bau der
Baracke auf sein eigenes Risiko beginnt. Dass sie die Bauarbeiten und den
Betrieb auf der Nachbarparzelle während des Rekursverfahrens in Kauf nehmen
muss, stellt keinen rechtlichen Nachteil, sondern bloss eine tatsächliche
Beeinträchtigung dar. Sollte letztinstanzlich die Baubewilligung
aufgehoben werden, so müsste der Kanton das Barackenprovisorium wieder
beseitigen, worüber er sich im klaren ist. Im übrigen richtet sich der
Rekurs gegen den Betrieb des sogenannten "Gassenzimmers", in welchem
schwer suchtkranke Drogenabhängige sich unter hygienisch einwandfreien
Verhältnissen ihre Droge sollen spritzen können. Sollte dieser Betrieb
als unzulässig erklärt werden, so wäre er einzustellen, wobei es wohl
nicht auszuschliessen wäre, dass die Baracke einem anderen Zweck zugeführt
werden könnte.

    Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass im vorliegenden Fall nicht von
einem nicht wiedergutzumachenden Nachteil gesprochen werden kann, da ein
allfälliger Nachteil mit einem günstigen Endentscheid beseitigt würde. Auf
die staatsrechtliche Beschwerde ist daher nicht einzutreten (BGE 115 Ia
319; 106 Ia 228 E. 2). Daran können übrigens auch die Ausführungen in BGE
116 Ia 177 ff. nichts ändern. In diesem Fall konnte ein Bauherr während
eines hängigen kantonalen Rekursverfahrens die ohne Bewilligung begonnenen
Bauarbeiten fortsetzen, weil dem Rekurs die aufschiebende Wirkung entzogen
wurde. Das Bundesgericht führt dazu aus, in der Regel müssten zwar Bauten,
die widerrechtlich erstellt worden seien und für die nachträglich keine
Bewilligung erteilt werden könne, beseitigt werden. Solche Bauten könnten
indessen dann bestehenbleiben, wenn deren Entfernung unverhältnismässig
wäre, zum Beispiel weil die Abweichung vom Erlaubten nur unbedeutend ist
oder der Abbruch nicht im öffentlichen Interesse liegt (BGE 111 Ib 221
E. 6). Könne diese Möglichkeit im gegebenen Fall nicht von vornherein
ausgeschlossen werden, so könne auch ein günstiger Endentscheid
den Nachteil nicht mehr beheben. Aus diesem Grund bejahte dort das
Bundesgericht einen nicht wiedergutzumachenden rechtlichen Nachteil,
trat jedoch wegen der fehlenden Legitimation der Beschwerdeführer auf
die Beschwerde nicht ein (BGE 116 Ia 179 E. 2b). Im vorliegenden Fall
geht es lediglich um ein Barackenprovisorium. Dieses Provisorium könnte
im Falle einer Gutheissung des Rekurses der Beschwerdeführerin ohne
unzumutbare Kosten wieder entfernt werden, weshalb sich der Bauherr -
anders als bei einer Massivbaute mit möglicherweise nur geringfügigen
Verstössen gegen Bauvorschriften - aller Voraussicht nach nicht auf das
Verhältnismässigkeitsprinzip berufen könnte.