Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 117 IA 202



117 Ia 202

36. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 29. Mai 1991 i.S. Schweizerische Eidgenossenschaft gegen Kanton
Basel-Landschaft, Susanne Leutenegger Oberholzer sowie Landrat,
Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft
(staatsrechtliche Klage) Regeste

    Art. 113 Abs. 1 Ziff. 1 BV und Art. 83 lit. a OG: Kompetenzkonflikt
zwischen Bund und Kanton Basel-Landschaft; Verordnung über die Behandlung
von Staatsschutzakten des Bundes.

    1. Verfahren der staatsrechtlichen Klage: Zulässigkeit der Klage im
vorliegenden Fall (E. 1b); Parteien (E. 1c); Anwendung von Art. 91-96 OG
(E. 1d).

    2. Gegenstand des Verfahrens der staatsrechtlichen Klage bildet
einzig die Frage nach der Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Kanton
hinsichtlich der Einsicht in die Staatsschutzakten. Organstreitigkeiten
und gesetzliche Grundlage der Überwachung sind nicht zu prüfen (E. 2).

    3. Der Bund als Gemeinwesen ist für die Sorge auf dem Gebiete seiner
innern und äussern Sicherheit aufgrund einer ungeschriebenen Kompetenz
zuständig (E. 4a, b und d); Praxis der Ausübung dieser Zuständigkeit
(E. 4c); Grenzen dieser Bundeskompetenz, insbesondere hinsichtlich der
kantonalen Befugnisse (E. 5).

    4. Der Bund ist für die Behandlung der Staatsschutzakten zuständig
(E. 6). Er kann materielle und formelle Regeln für deren Einsichtnahme
erlassen; die Zentralisierung der Beurteilung von Einsichtsgesuchen
und der Einbezug der von den kantonalen Behörden angelegten Akten sind
kompetenzgemäss (E. 7). Der Bund hat sich mit dem Erlass der Verordnung
über die Behandlung von Staatsschutzakten im Rahmen seiner Zuständigkeit
gehalten.

    5. Folgen der Gutheissung der staatsrechtlichen Klage (E. 8 und 9).

Sachverhalt

    A.- Im Anschluss an die Veröffentlichung des Berichtes der
Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) vom 22. November 1989
(BBC 1990 I 637) ersuchte Susanne Leutenegger Oberholzer die Behörden
des Kantons Basel-Landschaft um Einsicht in Staatsschutzakten. Die
Kantonspolizei trat auf das Gesuch nicht ein und stellte gestützt auf die
Verordnung des Bundesrates über die Behandlung von Staatsschutzakten
dessen Weiterleitung an den Sonderbeauftragten für die Behandlung
der Staatsschutzakten in Aussicht. Susanne Leutenegger Oberholzer
gelangte darauf an den Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft. Dieser
wies die Beschwerde gegen die Verfügung der Kantonspolizei ab, auf das
Gesuch um Einsicht in die Akten des eidgenössischen Staatsschutzes nicht
einzutreten und dieses an den Sonderbeauftragten weiterzuleiten (Ziff. 1
des Dispositivs).

    Diesen Entscheid focht Susanne Leutenegger Oberholzer u.a. beim
Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft an. Das Verwaltungsgericht
hiess die Beschwerde mit Urteil vom 7. November 1990 teilweise gut,
hob Ziff. 1 des Dispositivs des regierungsrätlichen Entscheides auf und
wies die Angelegenheit zur materiellen Prüfung des die Staatsschutzakten
des Bundes betreffenden Einsichtsbegehrens an den Regierungsrat zurück
(Ziff. 1 des Dispositivs) (teilweise publiziert in: BJM 1991 S. 12 und
SJZ 87/1991 S. 68). Das Verwaltungsgericht führte aus, die Zuständigkeit
zum Erlass generell-abstrakter Normen im Bereiche des Staatsschutzes sei
in erster Linie Sache der Bundesversammlung, und der Bundesrat könne
verfassungsunmittelbare Verordnungen nur bei zeitlicher Dringlichkeit
und für beschränkte Zeit erlassen. Es fehle daher an der Kompetenz
zur Beobachtung und Verhütung von die innere Sicherheit gefährdenden
Handlungen und ebenso für den Erlass der bundesrätlichen Verordnung
über die Behandlung von Staatsschutzakten. Diese Verordnung könne sich
ebensowenig auf Art. 17 Abs. 3 Bundesstrafprozess stützen, da damit in
keiner Weise eine politische Polizei geschaffen worden sei. Angesichts
dieser Rechtslage sei für die Frage der Akteneinsicht vielmehr allein
kantonales Recht anwendbar.

    In der Folge hat die Schweizerische Eidgenossenschaft, vertreten durch
das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement, beim Bundesgericht
staatsrechtliche Klage erhoben. Sie stellte folgende Rechtsbegehren:

    "1.- Es sei festzustellen, dass die präventive Polizei des Bundes über
   ausreichende verfassungsrechtliche und gesetzliche Grundlagen
   verfügt und dass der Bundesrat zuständig ist, die Behandlung von
   Staatsschutzakten des

    Bundes und dabei insbesondere die Einsichtsgewährung zu regeln.

    2.- Es sei die Nichtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts des

    Kantons Basel-Landschaft vom 7. November 1990 in der Beschwerdesache

    Leutenegger Oberholzer Susanne gegen den Regierungsrat des Kantons

    Basel-Landschaft betreffend Akteneinsichtsrecht festzustellen.

    Eventualiter sei das Urteil aufzuheben.

    3.- Es sei festzustellen, dass der Bundesrat zur Beurteilung der

    Beschwerde von Susanne Leutenegger Oberholzer vom 5. Juli 1990
zuständig
   ist, soweit die Beschwerde nicht durch den Entscheid des Bundesgerichts
   betreffend die staatsrechtliche Klage des Kantons Genf gegen die

    Eidgenossenschaft vom 18. Juli 1990 gegenstandslos wird.

    4.- Eventualantrag: Es sei die vorliegende Eingabe als
   verwaltungsrechtliche Klage entgegenzunehmen.

    5.- Es sei durch vorsorgliche Verfügung den Behörden des Kantons

    Basel-Landschaft sofort zu untersagen, in die in ihrem Kanton
vorhandenen

    Staatsschutzakten des Bundes Einsicht zu gewähren."

    Susanne Leutenegger Oberholzer sowie der Landrat und das
Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft sind in das
bundesgerichtliche Verfahren einbezogen worden. Durch Gewährung
der aufschiebenden Wirkung (Art. 94 OG) ist der Vollzug des
verwaltungsgerichtlichen Urteils aufgeschoben worden.

    Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Klage gut, soweit darauf
eingetreten werden kann.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der vorliegenden
staatsrechtlichen Klage von Amtes wegen (BGE 117 Ia 238, 106 Ib 158
E. 1, 103 Ib 248 E. 1; WALTER HALLER, BV-Kommentar, Rz. 12 zu Art. 113;
WILHELM BIRCHMEIER, Handbuch des Bundesgesetzes über die Organisation
der Bundesrechtspflege, S. 288).

    b) Nach Art. 113 Abs. 1 Ziff. 1 BV bzw. Art. 83 lit. a OG
beurteilt das Bundesgericht im Verfahren der staatsrechtlichen
Klage Kompetenzkonflikte zwischen Bundesbehörden einerseits und
kantonalen Behörden andererseits. Im vorliegenden Fall macht die
Eidgenossenschaft einen solchen Kompetenzkonflikt geltend. Ein solcher
hat sich dadurch ergeben, dass auf der einen Seite der Bund beansprucht,
über die Gewährung von Einsicht in die Staatsschutzakten des Bundes in
ausschliesslicher Kompetenz zu befinden; mit der Verordnung über die
Behandlung von Staatsschutzakten des Bundes vom 5. März 1990 (StaVo;
SR 172.014 = AS 1990 386) sind Regeln formeller und materieller
Natur zur Einsichtsgewährung erlassen und ein Sonderbeauftragter für
die Durchführung eingesetzt worden. Auf der andern Seite ist mit dem
kantonal letztinstanzlichen Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons
Basel-Landschaft angeordnet worden, dass die kantonalen Behörden in
Anwendung von kantonalem Recht (materieller und formeller Natur) Gesuche
um Einsicht in Staatsschutzakten zu behandeln haben. Damit ist zwischen
dem Bund und dem Kanton Basel-Landschaft ein Kompetenzkonflikt entstanden,
der Gegenstand eines Verfahrens der staatsrechtlichen Klage nach Art. 83
lit. a OG bilden kann (vgl. BIRCHMEIER, aaO, S. 292 f.).

    Der vorliegende Kompetenzkonflikt ist angesichts der Regelung und
Tätigkeit auf Bundesebene und in Anbetracht des verwaltungsgerichtlichen
Urteils konkreter und aktueller Natur (vgl. BGE 103 Ia 333; BIRCHMEIER,
aaO, S. 285 f.; HALLER, aaO, Rz. 17). Die staatsrechtliche Klage ist an
keine Frist gebunden, da ausschliesslich das öffentliche Interesse an der
Kompetenzordnung in Frage steht (BGE 74 I 29 E. 1; ULRICH HÄFELIN/WALTER
HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 2. Auflage 1988, N 1769;
FRITZ FLEINER/ZACCARIA GIACOMETTI, Schweizerisches Bundesstaatsrecht,
Zürich 1949, S. 876); es ist daher unerheblich, dass die Eidgenossenschaft
eine Frist von dreissig Tagen seit Eröffnung des verwaltungsgerichtlichen
Urteils eingehalten hat.

    Staatsrechtliche Streitigkeiten werden vom Bundesgericht im Rahmen der
gestellten Anträge sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht
frei geprüft (BGE 106 Ib 158 E. 1b, mit Hinweisen). Das Bundesgericht
kann im Urteil Feststellungen über die streitigen Kompetenzfragen treffen
oder Rechtssetzungs- bzw. Rechtsanwendungsakte aufheben (vgl. BIRCHMEIER,
aaO, S. 287 und 289; HÄFELIN/HALLER, aaO, N 1771; FLEINER/GIACOMETTI,
aaO, S. 876). Soweit die Eidgenossenschaft derartige Feststellungs-
und Aufhebungsanträge stellt, sind diese dem Grundsatze nach - und
vorbehältlich der nachfolgenden Erwägungen - zulässig.

    Daraus ergibt sich, dass die staatsrechtliche Klage im vorliegenden
Fall zulässig ist. Damit scheidet die eventualiter eingereichte
verwaltungsrechtliche Klage im Sinne von Art. 116 lit. g OG aus, da
diese nach Art. 117 lit. a OG gegenüber der staatsrechtlichen Klage
subsidiär ist.

    c) Im Verfahren der staatsrechtlichen Klage treten als Parteien die
Eidgenossenschaft und der betroffene Kanton auf (vgl. HÄFELIN/HALLER, aaO,
N 1755; FLEINER/GIACOMETTI, aaO, S. 875; WALTHER BURCKHARDT, Kommentar
der Schweizerischen Bundesverfassung, 3. Auflage 1931, S. 776). Für
den Bund handelt grundsätzlich der Bundesrat, der im vorliegenden Fall
das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement mit der Vertretung
vor dem Bundesgericht beauftragt hat. In einem vom Bund eingeleiteten
Kompetenzkonfliktsverfahren tritt grundsätzlich die kantonale Regierung für
den Kanton auf (BGE 74 I 162 E. 3; BIRCHMEIER, aaO, S. 294; HÄFELIN/HALLER,
aaO, N 1766 f.). Nach § 77 Abs. 1 lit. b der Kantonsverfassung des Kantons
Basel-Landschaft vertritt der Regierungsrat den Kanton nach innen und
aussen. Im vorliegenden Fall sind Susanne Leutenegger Oberholzer sowie
der Landrat und das Verwaltungsgericht als weitere Beteiligte im Sinne von
Art. 93 Abs. 1 OG und der Rechtsprechung ins Verfahren einbezogen worden
(vgl. BGE 100 Ia 447 E. 1, 90 I 12, 75 I 47; WALTER KÄLIN, Das Verfahren
der staatsrechtlichen Beschwerde, S. 222, mit Hinweisen). Diese können im
Verfahren eigenständige Begehren stellen. Der Antrag des Regierungsrates,
die Klage gutzuheissen, kann daher nicht die Abschreibung des Verfahrens
wegen Klageanerkennung zur Folge haben.

    d) Susanne Leutenegger Oberholzer hatte am 4. Februar 1991 darum
ersucht, sie wegen ihres unmittelbaren Interesses am Ausgang des Verfahrens
als weitere Beteiligte im Sinne von Art. 93 Abs. 1 OG ins Verfahren
einzubeziehen; demgegenüber hat sie in ihrer Eingabe vom 18. März 1991
beantragt, es seien grundsätzlich die Bestimmungen des BZP und zusätzlich
Art. 91 und 95 OG als Spezialbestimmungen für anwendbar zu erklären und
dementsprechend sei sie als Intervenientin im Sinne von Art. 15 Abs. 3
BZP anzuerkennen.

    Das Organisationsgesetz enthält keinen Hinweis darauf, nach welchen
Verfahrensbestimmungen staatsrechtliche Klagen im Sinne von Art. 83 OG
zu behandeln sind. In der Literatur wird angenommen, dass die Regeln
des staatsrechtlichen Beschwerdeverfahrens analog angewendet werden
und über Art. 40 OG allenfalls Bestimmungen des BZP herangezogen
werden können (BIRCHMEIER, aaO, S. 287; HÄFELIN/HALLER, aaO, N 1770;
FLEINER/GIACOMETTI, aaO, S. 876). Das Bundesgericht hat in konstanter
Praxis die Verfahrensbestimmungen insbesondere von Art. 91-96 OG immer
auf derartige Verfahren angewendet (BGE 106 Ib 154). Diese Praxis
kann nicht mit dem Hinweis in Zweifel gezogen werden, die Art. 84
ff. OG gingen systematisch und vom Wortlaut her von einem Beschwerde-
und eben nicht von einem Klageverfahren aus. Diese Lösung ist entgegen
der Auffassung von Susanne Leutenegger Oberholzer auch hinsichtlich von
weiteren Verfahrensbeteiligten sachgerecht: Private können im Verfahren der
staatsrechtlichen Klage wegen der allein streitigen Kompetenzfrage weder
Partei noch Nebenintervenienten sein (BGE 24 Ia 91 E. 2; BIRCHMEIER, aaO,
S. 287; vgl. HÄFELIN/HALLER, aaO, N 1755 und 1766). Doch können sie, wie
oben dargelegt und für Susanne Leutenegger Oberholzer vom Bundesgericht
angeordnet, wegen ihrer Interessen am Ausgang des Verfahrens als weitere
Beteiligte im Sinne von Art. 93 Abs. 1 OG auftreten und ihre Rechte geltend
machen. Demnach ist auch im vorliegenden Verfahren auf die Bestimmungen
über die staatsrechtliche Beschwerde abzustellen.

Erwägung 2

    2.- Die Eidgenossenschaft hat mit ihrer staatsrechtlichen Klage
eine Reihe von Begehren gestellt. Für die Prüfung, ob diese zulässig
sind, gilt es vorerst, den zulässigen Streitgegenstand des vorliegenden
staatsrechtlichen Klageverfahrens näher zu umschreiben.

    a) Im Verfahren der staatsrechtlichen Klage nach Art. 83 lit. a
OG können vom Bundesgericht Kompetenzkonflikte zwischen dem Bund und
den Kantonen beurteilt werden. Wie oben dargelegt, besteht dieser im
vorliegenden Fall darin, dass sowohl der Bund als auch der Kanton
Basel-Landschaft beanspruchen, über Gesuche um Einsicht in die
Staatsschutzakten zu befinden und hierfür die eigenen (materiellen
und formellen) Bestimmungen anzuwenden. Gegenstand des Verfahrens ist
somit die Abgrenzung der behördlichen Zuständigkeiten zwischen den sich
gegenüberstehenden Gemeinwesen und die Ausscheidung der Kompetenzen von
Bund und Kanton. Es geht damit um die Verbandskompetenz und die Frage,
ob der Bund bzw. der Kanton die von der Kompetenzordnung gezogene Grenze
beachtet habe. Damit fallen als Gegenstand des staatsrechtlichen
Klageverfahrens Streitigkeiten der Abgrenzung zwischen einzelnen
Behörden innerhalb des einen Gemeinwesens ausser Betracht (BIRCHMEIER,
aaO, S. 285 und 291; HÄFELIN/HALLER, aaO, N 1755 und 1757; HALLER,
aaO, Rz. 25; FLEINER/GIACOMETTI, aaO, S. 872). Organstreitigkeiten und
Fragen nach der Organkompetenz sind demnach nicht zu beurteilen; hierfür
stehen andere Rechtsbehelfe zur Verfügung wie etwa der Entscheid der
(vereinigten) Bundesversammlung nach Art. 85 Ziff. 13 BV (und Art. 92
BV) über Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bundesbehörden. Die Frage, ob
das betreffende Gemeinwesen von seiner (behaupteten) Zuständigkeit in der
richtigen Art und Weise Gebrauch gemacht hat, betrifft nicht die Abgrenzung
der Zuständigkeiten und ist daher im Verfahren der staatsrechtlichen
Klage grundsätzlich nicht zu behandeln. Immerhin ist die Frage nach der
richtigen Ausübung der Kompetenz des einen Gemeinwesens insofern auch zu
überprüfen, als sie von der formellen Zuständigkeitsfrage bisweilen nur
schwer getrennt werden und daher auf die Kompetenzabgrenzung zwischen Bund
und Kanton Auswirkungen haben kann (vgl. HALLER, aaO, Rz. 25; BIRCHMEIER,
aaO, S. 290 f. und 293 f.; FLEINER/GIACOMETTI, aaO, S. 873 f.; BURCKHARDT,
aaO, S. 774 ff.).

    b) Das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft hat in
seinem Urteil dem Bundesrat die Kompetenz abgesprochen, gestützt auf
die Bundesverfassung bzw. den Bundesstrafprozess die Überwachung
zu Staatsschutzzwecken anzuordnen und Regeln über die Einsicht in
Staatsschutzakten zu erlassen. Als Folge hat die Eidgenossenschaft vor
dem Bundesgericht um Feststellung ersucht, dass die präventive Polizei
des Bundes über eine hinreichende verfassungsmässige und gesetzliche
Grundlage verfüge und der Bundesrat zum Erlass der Regelung der Behandlung
von Staatsschutzakten zuständig sei (Ziff. 1).

    Auf dieses Begehren kann nur zum Teil eingetreten werden: In
der Kompetenzauseinandersetzung zwischen dem Bund und dem Kanton
Basel-Landschaft kann es ausschliesslich um die Frage gehen, ob der
Bund als solcher für den Staatsschutz im allgemeinen und allenfalls
zur Einrichtung einer präventiven Polizei zuständig sei. Hingegen kann
grundsätzlich nicht beurteilt werden, in welcher Art und Weise der Bund
von dieser behaupteten Kompetenz Gebrauch gemacht hat; insbesondere
steht nicht zur Diskussion, ob auf Bundesebene das richtige Organ
(Bundesversammlung oder Bundesrat) gehandelt hat und ob dabei die
richtige Rechtssetzungsstufe und -form gewählt worden ist. Angesichts
der konkreten Kompetenzstreitigkeit, die sich ausschliesslich auf die
Beurteilung der Akteneinsicht bezieht (E. 1b), ist die Bundeszuständigkeit
im Bereiche des Staatsschutzes allerdings nur hinsichtlich der Behandlung
der Staatsschutzakten, nicht hingegen für den Staatsschutz und die
präventive Polizei im allgemeinen zu prüfen. - Darüber hinaus ist auch
nicht darüber zu befinden, ob die sog. politische Polizei über eine
hinreichende gesetzliche Grundlage im Sinne des Legalitätsprinzips nach
Bundesverfassungsrecht oder Europäischer Menschenrechtskonvention verfüge
(vgl. beispielsweise im Bereiche der persönlichen Freiheit und von Art. 8
EMRK zur Überwachung von verdächtigen Personen BGE 109 Ia 279 E. 4 sowie
Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 24. April 1990 i.S. Kruslin,
Série A vol. 176-A = RUDH 1990 S. 164). Denn die Frage nach der
hinreichenden gesetzlichen Grundlage betrifft die Zuständigkeitsabgrenzung
zwischen Bund und Kantonen nicht. - Hinsichtlich der Behandlung von
Staatsschutzakten kann daher ebensowenig geprüft werden, ob der Bundesrat
die Verordnung über die Behandlung von Staatsschutzakten hat erlassen
dürfen; es ist lediglich zu untersuchen, ob der Bund als solcher - in
der Kompetenzauseinandersetzung gegenüber dem Kanton Basel-Landschaft -
zur Regelung der Akteneinsicht in formeller und materieller Hinsicht
und zur Durchführung des Einsichtsverfahrens zuständig ist. - Demnach
kann auf Ziff. 1 des Klagebegehrens nur insoweit eingetreten werden,
als mit ihr die Feststellung verlangt wird, der Bund als solcher sei für
den Staatsschutz im Bereiche der Staatsschutzakten und für die Behandlung
von Staatsschutzakten zuständig.

    Gleich verhält es sich mit Ziff. 3 des Klagebegehrens: Unter diesem
Gesichtswinkel kann lediglich geprüft werden, ob eine Bundesbehörde
oder eine kantonale Instanz zur Beurteilung der gegen den Entscheid des
Regierungsrates gerichteten Beschwerden zuständig ist. Die Abgrenzung
zwischen Bundesrat und Bundesgericht erfolgt im Meinungsaustausch nach
Art. 96 OG bzw. auf Entscheid der Bundesversammlung hin.

    Der Antrag nach Ziff. 2, es sei das Urteil des Verwaltungsgerichts
nichtig zu erklären bzw. aufzuheben, ist an sich zulässig. Aus
der Begründung der Eidgenossenschaft geht indessen hervor, dass
sich die staatsrechtliche Klage ausschliesslich gegen Ziff. 1 des
verwaltungsgerichtlichen Urteils richtet. Demnach ist die Prüfung des
Begehrens darauf zu beschränken.

    c) Zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens kann zusätzlich angefügt
werden, dass in keiner Weise in materieller Hinsicht Anspruch und Umfang
der Einsicht von Susanne Leutenegger Oberholzer in die sie betreffenden
Staatsschutzakten zu beurteilen sind. Hierüber haben nach Klärung der
Zuständigkeitsfrage vielmehr die entsprechenden Behörden zu befinden.

Erwägung 4

    4.- Aufgrund der vorstehenden Umschreibung des Gegenstandes
des vorliegenden Verfahrens (E. 2) ist im folgenden die Klage der
Eidgenossenschaft gegen den Kanton Basel-Landschaft materiell zu prüfen.
Hierfür ist von der Frage nach der Zuständigkeit des Bundes (im Sinne
der Verbandskompetenz) in den Bereichen der innern und äussern Sicherheit
auszugehen.

    Die Eidgenossenschaft beruft sich in ihrer Klage zunächst einmal auf
eine stillschweigende Kompetenz des Bundes für den Bereich des präventiven
Staatsschutzes als einer notwendig mitgegebenen primären Staatsaufgabe.
Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht nicht so sehr zu einer derartigen
ungeschriebenen Verbandskompetenz als vielmehr nach Art. 102 BV zur
Zuständigkeit des Bundesrates als Organ des Bundes in diesem Bereich
Stellung genommen.

    a) Es kann in dieser Hinsicht angenommen werden, dass dem Bund als
Gemeinwesen grundsätzlich die Kompetenz zusteht, für seine innere und
äussere Sicherheit zu sorgen. Diese Zuständigkeit fällt dem Bund wegen
seiner Staatlichkeit als notwendige mitgegebene primäre Staatsaufgabe
zu und ist im Bestand des gesamtschweizerischen Gemeinwesens als solchem
begründet (vgl. KURT

    EICHENBERGER, BV-Kommentar, Rz. 149 sowie Rz. 156 zu Art. 102;
RAINER J. SCHWEIZER, Notwendigkeit und Grenzen einer gesetzlichen
Regelung des Staatsschutzes, in: ZBl 92/1991 S. 299, mit weitern
Hinweisen). Dabei handelt es sich nicht um eine Zuständigkeit, welche
dem Bund von der Bundesverfassung explizit zugeschrieben wird, sondern
um eine ungeschriebene oder stillschweigende Bundeskompetenz; solche
ungeschriebene Zuständigkeiten werden in der Doktrin im allgemeinen
anerkannt (vgl. DIETRICH SCHINDLER, BV-Kommentar, Rz. 70 zu Art. 85;
JEAN-FRANÇOIS AUBERT, BV-Kommentar, Rz. 92 zu Art. 85; JEAN-FRANÇOIS
AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, supplément 1967-1982,
Ziff. 616; und allgemein PETER SALADIN, BV-Kommentar, Rz. 125 ff.
sowie 132 zu Art. 3; YVO HANGARTNER, Die Kompetenzverteilung zwischen Bund
und Kantonen, Bern und Frankfurt 1974, S. 69 ff.; JEAN-FRANÇOIS AUBERT,
Traité de droit constitutionnel suisse, Ziff. 620 ff.).

    b) Diese Bundeskompetenz im Bereiche der innern und äussern Sicherheit
kommt trotz ihrer ungeschriebenen Natur in verschiedener Hinsicht zum
Ausdruck. Zum einen verweist Art. 2 BV als einen der Hauptzwecke des Bundes
auf die Handhabung von Ruhe und Ordnung im Innern. Diese Bestimmung stellt
nach allgemeiner Auffassung zwar keine Kompetenzausscheidung zwischen dem
Bund und den Kantonen dar und weist dem Bund keine Zuständigkeiten zu,
entbehrt indessen auch nicht jeglicher rechtlicher Bedeutung (vgl. AUBERT,
BV-Kommentar, Rz. 21 zu Art. 2; PETER SALADIN, BV-Kommentar, Rz. 133 zu
Art. 3); die Sorge für die innere und äussere Freiheit gehört zum Bestand
des Gemeinwesens (vgl. EICHENBERGER, aaO, Rz. 149 zu Art. 102). Ähnlich
verhält es sich zum andern mit den Bestimmungen in Art. 85 BV (insbesondere
Ziff. 6 und 7) und in Art. 102 BV (insbesondere Ziff. 9 und 10). Diese
umschreiben auf dem Gebiete der innern und der äussern Sicherheit die
Zuständigkeiten der Bundesversammlung einerseits und des Bundesrates
andererseits und nehmen damit die sog. horizontale Kompetenzausscheidung
zwischen einzelnen Bundesorganen vor. Die Zuschreibung von Zuständigkeiten
an Organe setzt indessen die materielle Verbandskompetenz voraus (SCHINDLER
und AUBERT, aaO, Rz. 70 und 91 zu Art. 85; EICHENBERGER/SCHINDLER, aaO,
Rz. 5 und 6 zu Art. 102; vgl. den Überblick bei BEAT SCHELBERT, Die
rechtliche Bewältigung ausserordentlicher Lagen im Bund, Diss. Bern 1986,
S. 185 ff.). In diesem Sinne kommen dem Bund im Bereiche der innern und
äussern Sicherheit tatsächlich auch entsprechende Kompetenzen zu.

    c) Darüber hinaus zeigt eine historische Betrachtung der
Bundesanwaltschaft und der Sicherheitsvorkehren auf Bundesebene, dass die
Zuständigkeit für die Sorge von innerer und äusserer Sicherheit vom Bund
stets in Anspruch genommen worden ist.

    Eine ständige Bundesanwaltschaft ist erstmals im Jahre 1849
geschaffen, später indessen durch eine Ordnung mit einem lediglich im
Einzelfall ernannten Bundesanwalt abgelöst worden (Bundesgesetz über
die Organisation der Bundesrechtspflege vom 5. Juni 1849, Offizielle
Sammlung, Band I, 1848/1850, S. 65; Art. 37 des Bundesgesetzes über die
Organisation der Bundesrechtspflege vom 27. Brachmonat 1874, AS Band I,
1875, S. 137 (147)). Der Bundesanwalt hatte insbesondere die Verrichtungen
der Staatsanwaltschaft bei der Anklagekammer und dem Kassationsgericht zu
besorgen sowie die Voruntersuchung in streitigen Fällen von Heimatlosigkeit
und Zivilprozesse vor dem Bundesgericht im Interesse der Eidgenossenschaft
zu führen (Art. 45 Organisationsgesetz von 1849; Bundesgesetz über den
Geschäftskreis und die Besoldung des Generalanwaltes vom 20. Dezember 1850,
Offizielle Sammlung, Band II, 1850/1851, S. 167). Das Amt des ständigen
Bundesanwaltes wurde im Jahre 1889 wiederhergestellt (Bundesgesetz über
die Bundesanwaltschaft vom 28. Juni 1889, BS 1 406). Nach Art. 3 hatte
der Bundesanwalt unter anderem die Fremdenpolizei und entsprechende
Untersuchungen hinsichtlich Handlungen zu überwachen, welche die innere
und äussere Sicherheit der Schweiz gefährdeten.

    In der Folge sind in Volksabstimmungen verschiedene Vorlagen
auf dem Gebiete der innern und äussern Sicherheit abgelehnt worden
(vgl. Verzeichnis von Referendumsvorlagen, dringlichen Bundesbeschlüssen,
Initiativbegehren und eidgenössischen Abstimmungen, BBl 1970 II 1665 (1706
ff.)). Im Jahre 1933 unterbreitete der Bundesrat die Botschaft zu einem
Bundesgesetz über den Schutz der öffentlichen Ordnung (sog. Lex Häberlin
II, BBl 1933 I 753); der auf Art. 64bis BV gestützte Entwurf bedrohte mit
Strafe die Aufforderung zu Verbrechen oder Vergehen, den Landfriedensbruch,
die Aufforderung und Verleitung zur Verletzung militärischer
Dienstpflichten, Widerhandlungen gegen Versammlungsverbote sowie
Amtshandlungen ausländischer Beamter und politischer Nachrichtendienste
für das Ausland. Die Vorlage vom 13. Oktober 1933 ist auf Referendum hin
in der Volksabstimmung vom 11. März 1934 abgelehnt worden.

    Noch im Jahre 1934 ist eine Verfassungsinitiative zum Schutze der Armee
und gegen ausländische Spitzel eingereicht worden (BBl 1934 III 596). Der
Bundesrat arbeitete eine Botschaft zu einem Bundesbeschluss aus (BBl 1935
I 742). Der entsprechende Bundesbeschluss vom 21. Juni 1935 betreffend
den Schutz der Sicherheit der Eidgenossenschaft stützte sich auf Art. 2,
Art. 64bis, Ziff. 6 und 7 von Art. 85 sowie auf Ziff. 9 und 10 von Art. 102
BV, wurde - unter Ausschluss des Referendums - dringlich erklärt und sofort
in Kraft gesetzt (AS 1935 482). Er enthielt gewisse, in der Volksabstimmung
vom 11. März 1934 abgelehnte Bestimmungen. Insbesondere stellte er
Amtshandlungen für einen fremden Staat und den politischen, militärischen
und wirtschaftlichen Nachrichtendienst zugunsten des Auslandes unter
Strafe; zusätzlich wurde der Bundesanwaltschaft "zur einheitlichen
Durchführung des Fahndungs- und Informationsdienstes im Interesse der
Wahrung der innern und äussern Sicherheit der Eidgenossenschaft das
nötige Personal beigegeben" (Art. 8). Dieser Bundesbeschluss wurde mit dem
Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember
1943 formell aufgehoben (Art. 169, AS 1944 271 (325)); die materiellen
Bestimmungen sind ins Strafgesetzbuch übernommen worden; die Vorschrift
von Art. 8 ist modifiziert und ergänzt neu als Abs. 3 in Art. 17 des
Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege (BStP, ursprünglicher
Text AS 1934 685) eingefügt worden (Art. 168 OG, AS 1944 271 (318)).

    Im Bundesratsbeschluss betreffend den Polizeidienst der
Bundesanwaltschaft hat der Bundesrat im Jahre 1958, gestützt u.a. auf
Art. 70 und Ziff. 8 und 10 von Art. 102 BV den Polizeidienst der
Bundespolizei umschrieben (SR 172.213.52, AS 1958 267). Sodann sind weitere
Vorlagen auf dem Gebiete der innern und äussern Sicherheit ausgearbeitet
worden: Mit dem Bundesbeschluss über die Unterstützung der "Interkantonalen
Mobilen Polizei" vom 4. Juni 1969 sollten von seiten des Bundes spezielle
Polizeieinheiten unterstützt werden; das Vorhaben scheiterte am Widerstand
der Kantone; der Bundesbeschluss stützte sich auf Art. 85 Ziff. 7 BV
(AS 1969 525). Schliesslich verabschiedeten die Eidgenössischen Räte am
9. März 1978 das Bundesgesetz über die Erfüllung sicherheitspolizeilicher
Aufgaben des Bundes (BBl 1978 I 652). Danach hätten die Kantone dem Bund
Polizeikräfte zur Erfüllung sicherheitspolizeilicher Aufgaben, besonders
im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Terror zur Verfügung stellen
sollen. Das Gesetz, welches sich ausdrücklich auf die "Zuständigkeit
des Bundes zur Erfüllung seiner Aufgaben im sicherheitspolizeilichen
Bereich" abstützte (vgl. insbes. die Botschaft des Bundesrates, BBl 1977
II 1279 (1287 ff.)), wurde auf Referendum hin in der Volksabstimmung vom
3. Dezember 1978 verworfen.

    Dieser historische Rückblick zeigt lediglich auf, in welchem Ausmass
entsprechende Bundeskompetenzen in Anspruch genommen worden sind,
vermag indessen über die Zulässigkeit im einzelnen kaum etwas auszusagen
(vgl. auch AUBERT, BV-Kommentar, Rz. 92 zu Art. 85; SCHELBERT, aaO,
S. 185-198, mit weitern Hinweisen und Beispielen).

    d) An den vorstehenden Erwägungen über die stillschweigende Kompetenz
des Bundes vermag auch eine Betrachtung unter dem Gesichtswinkel von Art. 3
BV nichts zu ändern. Diese Verfassungsbestimmung bringt in allgemeiner
Weise die Aufgabenaufteilung zwischen dem Bund und den Kantonen zum
Ausdruck, und Praxis und Lehre nehmen an, dass damit die Staatsaufgaben
lückenlos zwischen dem Bund und den Kantonen verteilt sind (vgl. SALADIN,
aaO, Rz. 121 zu Art. 3). Wie oben dargelegt, wird aber auch anerkannt, dass
dem Bund ungeschriebene oder stillschweigende Zuständigkeiten zukommen
(vgl. SALADIN, aaO, Rz. 125 ff., mit weitern Hinweisen). Das hat zur
Folge, dass der Bund im betreffenden Bereich zuständig ist und demnach
die umfassende subsidiäre Zuständigkeit der Kantone (vgl. SALADIN, aaO,
Rz. 76 zu Art. 3) nicht zum Zuge kommt. Die Kantone können demnach nicht
gestützt auf Art. 3 BV Zuständigkeiten beanspruchen, welche dem Bund
bereits aufgrund stillschweigender Zuweisung zukommen.

    e) Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass der Bund als Gemeinwesen für
die Sorge auf dem Gebiete der innern und äussern Sicherheit grundsätzlich
zuständig ist. Mit der Anerkennung dieser Zuständigkeit wird indessen,
wie oben dargelegt, nicht zur Frage Stellung genommen, welches Organ auf
Bundesebene zum Handeln berechtigt ist und in welchen Formen und unter
welchen Voraussetzungen im einzelnen von dieser Zuständigkeit Gebrauch
gemacht werden darf.

Erwägung 5

    5.- Im folgenden sind, soweit erforderlich, die Grenzen dieser
Bundeszuständigkeit speziell im Hinblick auf die Kompetenzabgrenzung
zwischen dem Bund und den Kantonen kurz darzulegen, bevor die mit dem
vorliegenden Verfahren aufgeworfene Streitfrage im einzelnen behandelt wird
(E. 6).

    Bei der Ausübung der Kompetenzen im Bereiche der innern und äussern
Sicherheit haben die Organe des Bundes die verfassungsrechtliche Ordnung
zu beachten. Diese Bindung an die Verfassung kommt für den Bundesrat in
der Einleitung zu Art. 102 BV ausdrücklich zum Ausdruck, gilt indessen
aufgrund der Rechtsprechung und angesichts von Art. 71 BV auch für
die Bundesversammlung (BGE 64 I 372 f.; EICHENBERGER, aaO, Rz. 8 ff. zu
Art. 102; vgl. die Übersicht bei SCHELBERT, aaO, 191 f.). Sie bezieht sich
einerseits auf die Beachtung der Grundrechte und zielt andererseits auf
die Respektierung der Zuständigkeiten anderer Staatsorgane und insbesondere
der Kantone ab (EICHENBERGER, aaO, Rz. 12 ff. zu Art. 102).

    Hinsichtlich der Wahrung von Ruhe und Ordnung betrifft dies
insbesondere die Kantone. Diesen kommt für ihr Gebiet primär die allgemeine
Polizeihoheit zu. Die Befugnis zum Schutze der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung besteht für die Kantone - in gleicher Weise wie für den
Bund - schon wegen ihres Bestandes als selbständiges Gemeinwesen
(EICHENBERGER, aaO, Rz. 156 zu Art. 102; SCHWEIZER, aaO, S. 300;
vgl. auch AUBERT, BV-Kommentar, Rz. 90 zu Art. 85; SALADIN, aaO, Rz. 132
zu Art. 3). Angesichts dieser kantonalen Befugnis einerseits und der
oben beschriebenen des Bundes andererseits ergeben sich damit in diesem
Bereiche parallele oder konkurrierende Zuständigkeiten (AUBERT, Traité,
Ziff. 707). Demnach sind der Bund für seine eigene Sicherheit, die Kantone
für die ihre zuständig. Wo im einzelnen die Grenze zu ziehen ist, wird
in der Literatur unterschiedlich beantwortet: Zum einen wird ausgeführt,
der Bund könne unter Umständen an die Stelle der Kantone treten und er sei
auf jeden Fall insofern zuständig, als seine eigene Sicherheit in Frage
stehe (EICHENBERGER, aaO, Rz. 158 f. zu Art. 102); zum andern wird die
Auffassung vertreten, dem Bund komme die Zuständigkeit dann zu, wenn die
Kantone ihre Aufgabe nicht wahrnehmen könnten (SALADIN, aaO, Rz. 132 zu
Art. 3; vgl. auch SCHWEIZER, aaO, S. 299 f.). Wie es sich damit verhält,
braucht angesichts des Gegenstandes des vorliegenden Klageverfahrens
nicht im einzelnen geprüft zu werden. Es genügt die Feststellung, dass
parallele Zuständigkeiten von Bund und Kantonen bestehen und dass der
Bund die allgemeinen Polizeikompetenzen der Kantone zu beachten hat.

Erwägung 6

    6.- a) Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Klage ersucht die
Eidgenossenschaft um die Feststellung, dass der Bund im Bereiche der
präventiven Polizei im allgemeinen zuständig ist und insbesondere über
die Behandlung der Staatsschutzakten befinden könne. Wie oben dargelegt
(E. 2b), bezieht sich der vorliegende konkrete Kompetenzkonflikt nicht auf
die präventive Polizei im allgemeinen, sondern ausschliesslich auf die
Behandlung der Staatsschutzakten. Die Frage nach einem eidgenössischen
Staatsschutz ist daher lediglich im Zusammenhang mit der Behandlung der
Staatsschutzakten zu prüfen.

    b) Nach Art. 3 StaVo gelten als Staatsschutzakten nach Personen
erschlossene Informationen in Karteien und Dossiers der Bundesanwaltschaft
und der kantonalen Nachrichten- oder Spezialdienste. Diese sind im
Interesse der innern und äussern Sicherheit angelegt worden und sollen
dem eidgenössischen Staatsschutz dienen. Unter Staatsschutz werden alle
nicht militärischen und nicht aussenpolitischen Massnahmen im Interesse
der innern und äussern Sicherheit der Eidgenossenschaft verstanden
(vgl. Bericht des Bundesrates über die Sicherheitspolitik der Schweiz
(Konzeption der Gesamtverteidigung) vom 27. Juni 1973, BBl 1973 II 112
ff. (140)). Sie sollen die gegen die Sicherheit des Landes gerichteten
Handlungen frühzeitig erkennen und ihnen mit polizeilichen Abwehrmassnahmen
und strafrechtlicher Verfolgung und Sanktion begegnen (vgl. SCHWEIZER,
aaO, S. 286). Demgemäss besorgt der Polizeidienst der Bundesanwaltschaft
nach dem Bundesratsbeschluss aus dem Jahre 1958 die Beobachtung und
Verhütung von Handlungen, die geeignet sind, die innere oder äussere
Sicherheit der Eidgenossenschaft zu gefährden (politische Polizei),
und führt die gerichtspolizeilichen Ermittlungen bei der Verfolgung
der strafbaren Handlungen gegen die innere oder äussere Sicherheit der
Eidgenossenschaft (gerichtliche Polizei) (BRB vom 29. April 1958 betreffend
den Polizeidienst der Bundesanwaltschaft, SR 172.213.52 = AS 1958 267). Die
Karteien und Dossiers enthalten demgemäss unter anderem Informationen
über laufende Ermittlungsverfahren und Erkenntnisse im Bereiche der
Terrorbekämpfung, der Spionageabwehr und des organisierten Verbrechens
(vgl. Art. 5 Abs. 2 lit. a StaVo). Sie sind in Zusammenarbeit zwischen
eidgenössischen und kantonalen Behörden angelegt worden und weisen auch
Informationen von ausländischen Sicherheits- und Nachrichtendiensten auf
(vgl. Art. 5 Abs. 2 lit. c StaVo).

    Die Karteien und Dossiers enthalten damit Angaben über
Terrorbekämpfung, Spionageabwehr und organisiertes Verbrechen. Es
versteht sich von selbst, dass diese Bereiche in zentraler Weise die
innere und äussere Sicherheit des Bundes betreffen. Gleich verhält es
sich mit den Hinweisen ausländischer Sicherheitsdienste, welche für die
Eidgenossenschaft in den genannten Bereichen im Einzelfall wie auch
hinsichtlich längerfristiger Strategien von unmittelbarer Bedeutung
sind. Die Tragweite bezieht sich auf Angaben sowohl präventiver als auch
repressiver Natur. Damit enthalten die Karteien und Dossiers Angaben,
welche für den Bund in seiner Sorge um die innere und äussere Sicherheit
von unmittelbarem Interesse sind.

    Die Karteien und Dossiers betreffen mit den erwähnten Angaben
die Interessen der Eidgenossenschaft als gesamtes Gemeinwesen. Neben
dem Bund werden zwar auch die Kantone in ihren Sicherheitsbelangen
betroffen. Dieser Umstand vermag indessen an der unmittelbaren Tragweite
der vorhandenen Staatsschutzakten für den Bund nichts zu ändern. Denn die
Sicherheitsinteressen greifen über die einzelnen Kantone hinaus auf die
Eidgenossenschaft als Ganzes. Hingegen ist den kantonalen Interessen bei
der Beurteilung von Umfang und Gebrauch der Zuständigkeit durch den Bund
Rechnung zu tragen (unten E. 7b). - Ebensowenig kann die Betroffenheit
der Eidgenossenschaft durch die Art und Weise des in den letzten Jahren
betriebenen Staatsschutzes in Zweifel gezogen werden. Denn eine Beurteilung
derartiger Tätigkeiten fällt zum vornherein schwer (vgl. SCHWEIZER, aaO,
S. 291 und 292); und auch das Festhalten von allenfalls unbedeutenden
Ereignissen vermag am grundsätzlichen Interesse des Bundes nichts zu
ändern.

    Diese Zusammenstellung zeigt, dass die Staatsschutzakten mit ihren
Angaben den Bund in seiner Sorge um die innere und äussere Sicherheit
unmittelbar betreffen und damit einen Bereich berühren, für den der Bund,
wie dargelegt, grundsätzlich zum Handeln befugt ist. Dies bedeutet, dass
der Bund auch für die Behandlung dieser Staatsschutzakten zuständig ist
und über deren Verwendung befinden kann. Insbesondere etwa die Offenlegung
solcher Staatsschutzakten mit all den möglichen und oben beschriebenen
Angaben vermag in zentraler Weise in die Sorge um die innere und äussere
Sicherheit der Eidgenossenschaft einzugreifen und die Erfüllung des
Staatsschutzauftrages zu gefährden (vgl. Art. 1 Abs. 1 StaVo). Aus diesen
Gründen kommt dem Bund die ausschliessliche Kompetenz zur Behandlung der
Staatsschutzakten zu.

Erwägung 7

    7.- Aufgrund dieser Überlegungen ist im folgenden zu prüfen, ob
der Bund mit der Verordnung über die Behandlung von Staatsschutzakten
hinsichtlich der Abgrenzung zu den Kantonen von seiner Zuständigkeit
richtigen Gebrauch gemacht hat. Wie bereits mehrfach betont, geht es
dabei nicht um die Frage nach dem zuständigen Organ auf Bundesebene,
sondern ausschliesslich um die Verbandskompetenz.

    a) Mit der genannten Verordnung bezweckt der Bund, den von Einträgen
betroffenen Personen die Wahrung der Persönlichkeitsrechte zu ermöglichen
und gleichzeitig die Erfüllung des Staatsschutzauftrages sicherzustellen
(Art. 1 Abs. 1 StaVO). Hierfür wird das Einsichtsverfahren beim Bund
zentralisiert: Ein vom Bundesrat eingesetzter Sonderbeauftragter nimmt die
Staatsschutzakten in Obhut und befindet mit beschwerdefähiger Verfügung
über die Einsichtsgesuche (Art. 1 Abs. 2, Art. 4, Art. 5 und Art. 8
StaVo); werden Gesuche um Einsicht bei kantonalen Behörden gestellt,
so sind diese an den Sonderbeauftragten zum Entscheid weiterzuleiten
(Art. 11 Abs. 1 StaVo).

    Aufgrund dieser Ordnung wird das Verfahren über die Einsicht in
Staatsschutzakten ausschliesslich den Organen des Bundes vorbehalten und
beim Sonderbeauftragten zentralisiert. Sie hält sich an die oben dargelegte
Zuständigkeit des Bundes, über die Behandlung von Staatsschutzakten
zu befinden. Diese Kompetenz umfasst ohne Zweifel die Regelung des
Verfahrens für die Behandlung der Staatsschutzakten und für die Gesuche
um Einsicht. Die Zentralisierung erweist sich als sachgerecht, weil die
Staatsschutzinteressen der Eidgenossenschaft selber betroffen sind und
die Eigenart der Akten eine über den einzelnen Kanton hinausreichende
Beurteilung erfordert (vgl. EICHENBERGER, aaO, Rz. 159 f. zu Art. 102;
SCHWEIZER, aaO, S. 300). Unter diesem Gesichtswinkel hat sich der Bund
mit der Regelung des Verfahrens im Rahmen seiner Zuständigkeit gehalten.

    b) Als Staatsschutzakten gelten gemäss Art. 3 StaVo die Karteien
und Dossiers der Bundesanwaltschaft bzw. der kantonalen Nachrichten-
und Spezialdienste, soweit sie im Auftrage des Bundes erstellt worden
sind. Nach Art. 11 Abs. 2 StaVo werden als Akten der Bundesanwaltschaft
alle diejenigen betrachtet (inklusive die entsprechenden Vorarbeiten),
welche die kantonalen Behörden an die Bundespolizei geleitet haben und
die ihnen nicht zurückgeschickt worden sind. Die Verordnung bezieht damit
alle Akten ein, die im Auftrage bzw. im Interesse der Eidgenossenschaft
erstellt worden sind. Es gehören somit auch Akten dazu, die von den
Kantonen angelegt worden sind.

    Aufgrund des Geltungsbereiches der Verordnung werden alle diese
Akten dem bei den Bundesorganen zentralisierten Einsichtsverfahren
unterstellt. Diese Ordnung erweist sich auch hinsichtlich der von
den kantonalen Behörden angelegten Aktenstücke als sachgerecht. Sie
ist wegen der über die Kantone hinausreichenden Bedeutung für die
innere und äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft notwendig. Eine
sachgerechte Beurteilung der Akten liesse sich ohne diesen Einbezug nicht
realisieren. Dabei werden die Zuständigkeiten der Kantone für ihren eigenen
Bereich durchaus gewahrt. Die vom Sonderbeauftragten ausgeschiedenen und
nicht vernichteten Akten gelten als kantonale Akten, und ihre Behandlung
richtet sich materiell und formell nach kantonalem Recht (Art. 11 Abs. 3
StaVo). Auch weitere, von der Tätigkeit der Bundesanwaltschaft unabhängig
erstellte Dossiers der Kantone unterstehen dem kantonalen Recht. Bei
dieser Sachlage ist der Bund auch in dieser Hinsicht nicht über seine
Zuständigkeit hinausgegangen.

    c) Demnach kann zusammenfassend festgestellt werden, dass sich der Bund
mit dem Erlass der Verordnung über die Behandlung von Staatsschutzakten
im Rahmen seiner Zuständigkeit gehalten hat. Insofern ist die Klage der
Eidgenossenschaft gutzuheissen.

Erwägung 8

    8.- Aufgrund der vorstehenden Feststellung, dass der Bund zum Erlass
der Verordnung über die Behandlung von Staatsschutzakten befugt war, gilt
es im folgenden die Konsequenzen für das vorliegende Verfahren zu prüfen.

    a) Die genannte Verordnung sieht klar vor, dass das Verfahren um
Einsicht in die betroffenen Staatsschutzakten bei den Organen des Bundes
zentralisiert ist. Diesen allein kommt die Aufgabe zu, über die Einsicht
oder Geheimhaltung bzw. über die Vernichtung zu befinden. Angesichts
dieser ausschliesslichen Zuständigkeit der Bundesorgane haben die
kantonalen Behörden in keiner Weise die Kompetenz, die gleiche Frage
zu beurteilen. Aus diesem Grunde war das Verwaltungsgericht nicht
zuständig, über den Grundsatz der Akteneinsicht zu befinden und die
kantonalen Behörden zur materiellen Prüfung des Einsichtsgesuches von
Susanne Leutenegger Oberholzer anzuhalten. Mit seinem Entscheid hat
es eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, welche ausschliesslich dem
Bunde zukommt.

    Damit stellt sich die Frage, welche Folge sich aus der Unzuständigkeit
des Verwaltungsgerichts ergebe und ob sein Urteil nichtig zu erklären oder
als anfechtbarer Entscheid aufzuheben sei. Fehlerhafte Verwaltungsakte
sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dann nichtig, wenn der
ihnen anhaftende Mangel besonders schwer ist, wenn er offensichtlich
oder zumindest leicht erkennbar ist und wenn zudem die Rechtssicherheit
durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet ist (BGE
104 Ia 176 E. c, 116 Ia 219, 114 Ib 184, 113 IV 124 f., 109 V 236 f.,
EuGRZ 1985 S. 621). Für den vorliegenden Fall wird die Zuständigkeit der
Organe des Bundes, über Einsichtsgesuche zu befinden, durch die Verordnung
über die Behandlung von Staatsschutzakten zwingend bestimmt, und es muss
daher die Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts als schwerwiegender
Mangel betrachtet werden. Angesichts von Wortlaut sowie Sinn und Zweck der
Verordnung kann auch die leichte Erkennbarkeit nicht verneint werden. Dem
steht auch nicht der Umstand entgegen, dass das Verwaltungsgericht mit
eingehender Begründung die (Organ-)Kompetenz des Bundesrates in Zweifel
gezogen hat. Schliesslich wird durch die Annahme der Nichtigkeit die
Rechtssicherheit in keiner Weise in Frage gestellt, da die materielle
Prüfung des Einsichtsgesuches nicht vorweggenommen, sondern vielmehr von
den Bundesorganen nun an die Hand genommen werden kann.

    Demnach ist das Urteil des Verwaltungsgerichts hinsichtlich Ziff. 1
des Dispositivs, welche das Gesuch um Einsicht in die Staatsschutzakten
betrifft, nichtig zu erklären.

    b) Die Nichtigerklärung hat zur Folge, dass Ziff. 1 des Dispositivs
des Entscheides des Regierungsrates wieder Gültigkeit erlangt. Dagegen
hat Susanne Leutenegger Oberholzer beim Bundesgericht staatsrechtliche
und verwaltungsgerichtliche Beschwerde erhoben. Über diese ist getrennt
vom vorliegenden Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt zu befinden.

Erwägung 9

    9.- Demnach ist die staatsrechtliche Klage der Eidgenossenschaft
gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann, es wird
festgestellt, dass der Bund mit der Verordnung über die Behandlung von
Staatsschutzakten seinen Zuständigkeitsbereich gewahrt hat, und das Urteil
des Verwaltungsgerichts wird in bezug auf Ziff. 1 des Dispositivs als
nichtig erklärt.