Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 V 62



116 V 62

11. Auszug aus dem Urteil vom 5. März 1990 i.S. T. gegen Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
Regeste

    Art. 5 VwVG: Prüfungsgegenstand bei einer Beschwerde
gegen eine Wiedererwägungsverfügung. Tritt die Verwaltung auf ein
Wiedererwägungsgesuch ein, prüft sie die Voraussetzungen der Wiedererwägung
und fällt sie hierauf einen erneut ablehnenden Sachentscheid, ist dieser
beschwerdeweise anfechtbar. Der Prüfungsgegenstand im nachfolgenden
verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren beschränkt sich darauf,
ob die Voraussetzungen der Wiedererwägung (zweifellose Unrichtigkeit
der ursprünglichen, formell rechtskräftigen Verfügung sowie erhebliche
Bedeutung der Berichtigung) gegeben sind.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts
kann die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung, welche
nicht Gegenstand materieller richterlicher Beurteilung gebildet hat, in
Wiedererwägung ziehen, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung
von erheblicher Bedeutung ist (BGE 115 V 186 Erw. 2c, 212 Erw. 2c und
314 Erw. 4a/cc mit Hinweisen).

    Nach der Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts kann
die Verwaltung weder vom Betroffenen noch vom Richter zu einer
Wiedererwägung verhalten werden. Es besteht demnach kein gerichtlich
durchsetzbarer Anspruch auf Wiedererwägung (BGE 110 V 34 Erw. 3, 109 V
121 Erw. 2a mit Hinweisen). Verfügungen, mit denen das Eintreten auf
ein Wiedererwägungsgesuch abgelehnt wird, sind somit grundsätzlich nicht
anfechtbar.

    Wenn die Verwaltung aber auf ein Wiedererwägungsgesuch eintritt,
die Wiedererwägungsvoraussetzungen prüft und anschliessend einen
erneut ablehnenden Sachentscheid fällt, ist dieser beschwerdeweise
anfechtbar (ZAK 1989 S. 36 Erw. 1 mit Hinweisen; GOSSWEILER, Die
Verfügung im schweizerischen Sozialversicherungsrecht, Diss. Bern
1983, S. 180). Die nachfolgende gerichtliche Überprüfung hat sich
in einem solchen Fall indessen auf die Beurteilung der Frage zu
beschränken, ob die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung der
bestätigten Verfügung gegeben sind. Prozessthema ist also diesfalls,
ob die Verwaltung zu Recht die ursprüngliche, formell rechtskräftige
Verfügung nicht als zweifellos unrichtig oder ihre Korrektur als von
unerheblicher Bedeutung qualifizierte. Von dieser Betrachtungsweise ist
das Eidg. Versicherungsgericht in dem in ZAK 1988 S. 554 publizierten
Urteil ausgegangen, wo sich der Versicherte dagegen beschwerte,
dass die Ausgleichskasse rechtskräftige Verfügungen betreffend
Nichterwerbstätigenbeiträge wiedererwägungsweise durch solche betreffend
Beiträge aus selbständiger Erwerbstätigkeit ersetzt hatte. Wollte man das
Prüfungsthema des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens über die
Wiedererwägungsvoraussetzungen hinaus auf eine uneingeschränkte materielle
Prüfung des strittigen Rechtsverhältnisses ausdehnen, bedeutete dies, der
Verwaltung die Möglichkeit einzuräumen, nach rechtskräftiger Erledigung
eines Versicherungsfalles durch voraussetzungslosen Erlass einer zweiten
Verfügung betreffend das gleiche Rechtsverhältnis bei gleicher Sachlage
dem Versicherten erneut den Rechtsmittelweg zu eröffnen. Eine solche
Befugnis der Verwaltung besteht jedoch praxisgemäss nicht (BGE 99 V 5
Erw. 2a; RKUV 1984 Nr. K 577 S. 105 Erw. 2a).