Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 V 322



116 V 322

49. Auszug aus dem Urteil vom 6. November 1990 i.S. T. gegen
Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und Rekurskommission des Kantons
Thurgau für die AHV Regeste

    Art. 21 Abs. 1 IVG, Art. 2 Abs. 2 HVI, Ziff. 6.02* HVI-Anhang,
Art. 4 Abs. 2 BV. Der Begriff "Berufsausübung" in Ziff. 6.02* HVI-Anhang
umfasst nicht nur die Erwerbstätigkeit, sondern auch die Beschäftigung
im Aufgabenbereich im Sinne von Art. 27 Abs. 2 IVV. Mit Bezug auf die im
HVI-Anhang mit * bezeichneten Hilfsmittel hält eine Schlechterstellung von
Versicherten, die im gesetzlich anerkannten Aufgabenbereich tätig sind,
gegenüber Erwerbstätigen weder vor Art. 4 Abs. 2 BV noch vor Art. 21
Abs. 1 IVG stand.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Nach Ziff. 6.02* des Anhanges zur Verordnung über die Abgabe
von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (HVI-Anhang) werden
Hörapparate abgegeben, sofern bei Schwerhörigkeit durch den Einsatz
eines solchen Gerätes die Schulung, Ausbildung oder Berufsausübung
erleichtert wird. In Beantwortung der in ZAK 1988 S. 390 Erw. 4b
offengelassenen Frage ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass
der in Ziff. 6.02* HVI-Anhang verwendete Begriff "Berufsausübung"
nicht nur die Erwerbstätigkeit, sondern auch die Arbeitsverrichtung im
Aufgabenbereich nach Art. 27 Abs. 2 IVV umfasst. Dies ergibt sich bei
gesetzeskonformer Verordnungsauslegung ohne weiteres aus Art. 21 Abs. 1
IVG, wo die Ausübung einer Erwerbstätigkeit und die Beschäftigung eines
Versicherten in seinem Aufgabenbereich einander gleichgestellt sind. Mit
Bezug auf die im HVI-Anhang mit * bezeichneten Hilfsmittel ist deshalb
eine Schlechterstellung von Versicherten, die im gesetzlich anerkannten
Aufgabenbereich (z.B. als Hausfrau) tätig sind, gegenüber Erwerbstätigen
nicht zulässig. Diesem Umstand wird in Art. 2 Abs. 2 HVI Rechnung
getragen. Eine andere Betrachtungsweise liesse sich auch im Lichte einer
verfassungskonformen Auslegung nach Art. 4 Abs. 2 BV nicht rechtfertigen;
denn auch heute noch sind mehrheitlich weibliche Versicherte im Hinblick
auf die Kinderbetreuung vorwiegend im Haushalt tätig. Nur unter Beachtung
dieser Gleichstellung von Erwerbstätigkeit und Aufgabenbereich (wie sie
übrigens auch in Ziff. 2 des Abklärungsformulars des Bundesamtes für
Sozialversicherung "Fragebogen für den ärztlichen Experten betreffend die
Abgabe eines Hörgerätes" zum Ausdruck gelangt) ist auch Rz. 6.01.4/6.02.4*
WHMI nicht zu beanstanden, wonach eine binaurale Versorgung bei Erzielung
eines wesentlich besseren Resultats u.a. bei Jugendlichen und Erwachsenen
übernommen werden kann, deren berufliche Tätigkeit oder Schulung und
Ausbildung beidseitiges Hören erfordert (vgl. auch BGE 106 V 13 Erw. 2).