Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 V 318



116 V 318

48. Urteil vom 14. Dezember 1990 i.S. Verein X gegen Bundesamt für
Sozialversicherung Regeste

    Art. 101bis AHVG, Art. 225 Abs. 5 AHVV und Art. 129 Abs. 1 lit. c OG.

    Art. 101bis AHVG räumt keinen bundesrechtlichen Anspruch ein auf
Beiträge zur Förderung der Altershilfe. Verfügungen des Bundesamtes für
Sozialversicherung über die Beitragsgewährung bzw. -verweigerung sind
deshalb nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar.

Sachverhalt

    A.- Der Verein X hat den Zweck, durch freiwillige Helfer eine
Organisation zu bilden zur Betreuung schwerkranker Menschen. Für die
Ausbildung der Betreuer führt er zusammen mit kirchlichen und karitativen
Institutionen Kurse durch. Am 7. April 1989 und 10. Februar 1990 ersuchte
er das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) um Gewährung von Beiträgen
an die Aufwendungen für die Kurse in den Jahren 1989 und 1990.

    Das BSV lehnte die Gesuche im wesentlichen mit der Begründung ab,
dass gemäss Kreisschreiben vom 1. Januar 1986 über die Beiträge der AHV
an Organisationen der privaten Altershilfe die verlangten Leistungen nur
zugesprochen würden, wenn der rechtliche Träger der Organisation ein Verein
oder eine Stiftung sei. Im vorliegenden Fall sei diese Voraussetzung
nicht erfüllt, da die Träger der Kurse zusammen eine einfache Gesellschaft
bildeten (Verfügung vom 4. Mai 1990).

    B.- Der Verein X lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit
dem Antrag:

    "Es sei das Gesuch vom 7. April 1989 bzw. 10. Februar 1990 für einen

    Beitrag im Jahre 1989 bzw. 1990 gutzuheissen.

    Eventuell: Es sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer die

    Voraussetzungen gemäss Art. 101bis AHVG erfüllt, und es sei das
Gesuch zur
   weiteren, materiellen Prüfung an die Vorinstanz zurückzuweisen."

    Das BSV beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidg.  Versicherungsgericht
letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen
Verfügungen im Sinne von Art. 97 und 98 lit. b-h OG auf dem
Gebiet der Sozialversicherung. Hinsichtlich des Begriffs der mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren Verfügungen verweist Art. 97 OG
auf Art. 5 VwVG. Nach Art. 5 Abs. 1 VwVG gelten als Verfügungen Anordnungen
der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes
stützen und zum Gegenstand haben: Begründung, Änderung oder Aufhebung von
Rechten oder Pflichten, Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder
Umfanges von Rechten oder Pflichten, Abweisung von Begehren auf Begründung,
Änderung, Aufhebung oder Feststellung von Rechten oder Pflichten, oder
Nichteintreten auf solche Begehren.

    b) Entscheide über die Gewährung bzw. Verweigerung von Beiträgen zur
Förderung der Altershilfe nach Art. 101bis AHVG sind gestützt auf Art. 225
Abs. 5 AHVV in erster Instanz durch das BSV zu erlassen. Gegen dessen
Verfügungen kann gemäss Art. 203 AHVV in Verbindung mit Art. 97 und Art. 98
lit. c sowie Art. 128 OG unmittelbar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
an das Eidg. Versicherungsgericht erhoben werden. Unzulässig ist
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 129 Abs. 1 lit. c
OG jedoch gegen Verfügungen über die Bewilligung oder Verweigerung
vermögensrechtlicher Zuwendungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch
einräumt, ausser Stundung oder Erlass von Versicherungsbeiträgen. Diese
Eintretensvoraussetzung ist von Amtes wegen zu prüfen, auch wenn sich
die Parteien nicht dazu geäussert haben (BGE 116 V 50 Erw. 7b mit Hinweis).

    c) Nach der Rechtsprechung ist ein bundesrechtlicher Anspruch auf einen
Beitrag zu bejahen, wenn das Bundesrecht selber die Bedingungen umschreibt,
unter welchen Leistungen zu gewähren sind, ohne dass es im Ermessen der
gesetzesanwendenden Behörde läge, ob sie einen Beitrag gewähren will oder
nicht. Die eidgenössischen Gerichte haben deshalb einen bundesrechtlichen
Anspruch auf Leistungen wiederholt auch dann bejaht, wenn die betreffende
Rechtsnorm als Kann-Vorschrift formuliert war (BGE 116 V 50 Erw. 7c,
111 V 281 Erw. 2b mit Hinweisen).

    Im Lichte dieser Rechtsprechung ist zu prüfen, ob Art. 101bis AHVG
einen bundesrechtlichen Anspruch auf Beiträge zur Förderung der Altershilfe
einräumt oder ob die Beitragsgewährung im Ermessen der Verwaltung steht,
was einen Rechtsanspruch auf finanzielle Unterstützung ausschliesst
(BGE 116 V 50 Erw. 7c, 106 Ib 127 Erw. 2a, 96 V 127 f.).

Erwägung 2

    2.- a) Art. 101bis Abs. 1 AHVG bestimmt, dass die Versicherung
gemeinnützigen privaten Institutionen Beiträge gewähren kann an die
Personal- und Organisationskosten für die Durchführung folgender Aufgaben
zugunsten Betagter: Beratung, Betreuung und Beschäftigung (lit. a);
Kurse, die der Erhaltung oder Verbesserung der geistigen oder körperlichen
Fähigkeiten, der Selbstsorge sowie der Herstellung des Kontaktes mit der
Umwelt dienen (lit. b); Hilfeleistungen, wie Haushalthilfe, Hilfe bei
der Körperpflege und Mahlzeitendienst (lit. c); Aus- und Weiterbildung
von Lehr-, Fach- und Hilfspersonal (lit. d). Der Bundesrat bestimmt die
Höhe der Beiträge und die Bedingungen, unter denen sie gewährt werden
(Abs. 2). Soweit aufgrund anderer Bundesgesetze Beiträge an Aufwendungen
im Sinne von Abs. 1 gewährt werden, richtet die Versicherung keine Beiträge
aus (Abs. 4).

    b) Dem Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich kein
bundesrechtlicher Anspruch der berechtigten Organisationen auf
Beiträge der AHV entnehmen. Auch die Gesetzesmaterialien weisen nicht
in diese Richtung. Die Diskussion in den vorberatenden parlamentarischen
Kommissionen ging vor allem um die Frage, ob die Beitragsberechtigung auch
auf öffentlich-rechtliche Institutionen wie Gemeinden und Landeskirchen
auszudehnen oder ob eine Einschränkung auf gesamtschweizerische
Institutionen oder sogar eine Streichung der Bestimmung vorzunehmen
sei (Protokoll der Kommission des Nationalrates, Sitzungen vom 14.
und 15. Februar 1977, S. 56 ff.; Protokoll der Kommission des
Ständerates, Sitzung vom 26. April 1977, S. 8 f. und S. 11 f.). Aus
dem Widerstreit der Auffassungen resultierte einzig eine Änderung von
Abs. 4 des bundesrätlichen Vorschlages, der folgenden Wortlaut hatte
(Botschaft des Bundesrates über die neunte Revision der Alters- und
Hinterlassenenversicherung vom 7. Juli 1976; BBl 1976 III 104):

    "Soweit auf Grund anderer Bundesgesetze Beiträge an Aufwendungen
im Sinne
   von Absatz 1 gewährt werden, entfällt ein Anspruch auf Beiträge der

    Versicherung."

    Der Antragsteller hatte geltend gemacht, in Art. 101bis AHVG sei
zunächst (Abs. 1) nur davon die Rede, dass die Versicherung Beiträge
gewähren könne; in Abs. 4 werde dann aber von einem "Anspruch"
gesprochen, was zu einem gewissen Leistungsautomatismus führen könne;
das Wort "Anspruch" sei daher zu eliminieren (Protokoll der Kommission
des Ständerates, Sitzung vom 26. April 1977, S. 9). Diesem Antrag, der
zur Gesetz gewordenen Regelung führte, stimmte Bundesrat Hürlimann zu
im wesentlichen mit der Argumentation, Abs. 1 der Bestimmung sei als
Kann-Vorschrift ausgelegt, damit "gezielt angesetzt" werden könne; es
werde also nicht jedes von der Koordinationsstelle mit einer Empfehlung
weitergeleitete Gesuch ohne weiteres subventioniert; damit dürfte
gewährleistet sein, dass beispielsweise eine wohlhabende Gemeinde, die die
Aufgabe einer privaten Organisation anvertraut habe, nicht subventioniert
werde, während in ärmeren Berggemeinden Hilfe möglich sei (aaO, S. 10).

    Die Erklärungen von Bundesrat Hürlimann in Verbindung mit der
Gutheissung des Antrages auf Eliminierung des Begriffs "Anspruch" in Abs. 4
zur Herstellung der Koordination mit der Kann-Bestimmung in Abs. 1 und
zur Verhinderung eines "Leistungsautomatismus" zeigen, dass kein Anspruch
auf Gewährung der in Art. 101bis AHVG vorgesehenen Beiträge geschaffen,
sondern diese dem Ermessen der zuständigen Behörde anheimgestellt
werden wollte. Besteht demnach kein bundesrechtlicher Anspruch auf
die fraglichen Beiträge, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss
Art. 129 Abs. 1 lit. c OG gegen die Verfügung des BSV unzulässig. Auf
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher nicht einzutreten.

Erwägung 3

    3.- (Kostenpunkt)