Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 116 V 307



116 V 307

47. Urteil vom 16. Oktober 1990 i.S. Ausgleichskasse des Kantons Waadt
gegen Bundesamt für Sozialversicherung und Eidgenössische Ausgleichskasse
gegen Bundesamt für Sozialversicherung betreffend Kassenzugehörigkeit
der SRG Regeste

    Art. 62 Abs. 1 AHVG und Art. 111 AHVV: Zugehörigkeit zur
Eidgenössischen Ausgleichskasse.

    - Gesetzmässigkeit von Art. 111 AHVV bejaht (Erw. 3a).

    - Nach Art. 111 Satz 2 AHVV liegt es im Ermessen der Verwaltung, welche
"andern Institutionen" der Eidgenössischen Ausgleichskasse angeschlossen
werden sollen (Erw. 3b).

    Art. 117 Abs. 3 AHVV: Kassenzugehörigkeit von Zweigniederlassungen.

    - Zum Begriff der Zweigniederlassung (Erw. 4a).

    - Zum Begriff der "besondern Verhältnisse" (Erw. 4b).

    - Aktivlegitimation zur Einreichung des Gesuchs, Zweigniederlassungen
ausnahmsweise andern Ausgleichskassen als jener des Hauptsitzes
anzuschliessen (Erw. 4c).

Sachverhalt

    A.- Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) ist ein
Verein gemäss Art. 60 ff. ZGB. Als nationales Rundfunkunternehmen setzt
sie sich aus den drei Regionalgesellschaften der vier Sprachregionen
zusammen, nämlich aus der Radio- und Fernsehgesellschaft der deutschen
und rätoromanischen Schweiz (RDRS), der Société de radiodiffusion et de
télévision de la Suisse romande (SRTR) und der Società cooperativa per
la radiotelevisione nella Svizzera italiana (CORSI; Art. 8 Abs. 1 der
Konzession für die SRG). Sie veranstaltet Radio- und Fernsehprogramme in
diesen Sprachregionen, wo sie die Programme auch herstellt (Art. 2 Abs. 1
und Art. 3 Abs. 1 Konzession SRG). Gemäss Art. 12 Abs. 4 der Konzession
ist der Verein SRG Arbeitgeber des Personals.

    Die Regional- und Mitgliedgesellschaften SRG vertreten die Anliegen
des Publikums ihres Einzugsgebiets bei der SRG und jene der SRG gegenüber
dem Publikum und wirken bei programmpolitischen Grundsatzentscheiden mit
(Art. 9 Abs. 2 und Art. 10 lit. d Konzession SRG).

    Die SRG rechnet über die Sozialversicherungsbeiträge mit den
Ausgleichskassen der Kantone Zürich, Bern, Basel-Stadt, Waadt, Genf
und Tessin sowie mit der Eidgenössischen Ausgleichskasse (EAK) ab. Mit
Schreiben vom 10. August 1988 wurde das Bundesamt für Sozialversicherung
(BSV) von der SRG ersucht, ihr ab 1. Januar 1989 die zentrale Abrechnung
bei der EAK zu gestatten. Am 18. Dezember 1989 erliess das Bundesamt die
folgende Verfügung:

    "Die SRG rechnet als Arbeitgeberin des gesamten, im Rahmen der

    Konzessionsbestimmungen tätigen Personals ab 1.1.1991 die

    AHV/IV/EO/ALV/Beiträge wie folgt ab:

    - Eidg. Ausgleichskasse: zuständig für die Generaldirektion, das Studio

    Bundeshaus, Radio International, Telefonrundspruch sowie für alle
übrigen
   nationalen Dienste.

    - Ausgleichskasse des Kantons Zürich: zuständig für den gesamten Radio-
   und Fernsehbereich der deutschen und der rätoromanischen Schweiz.

    - Ausgleichskasse des Kantons Genf: zuständig für den gesamten
Radio- und

    Fernsehbereich der französischen Schweiz.

    - Ausgleichskasse des Kantons Tessin: zuständig für den gesamten Radio-
   und Fernsehbereich der italienischen Schweiz."

    B.- a) Gegen diese Verfügung richtet sich die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde der EAK, welche durch die Eidgenössische
Versicherungskasse beantragen lässt, die bundesamtliche Verfügung sei
in dem Sinne abzuändern, dass die SRG als Arbeitgeberin des gesamten
im Rahmen der Konzessionsbestimmungen tätigen Personals ab 1. Januar
1991 über die bundesrechtlichen Sozialversicherungsbeiträge mit der EAK
abzurechnen habe; allenfalls sei die Sache zu neuem Entscheid an das
Bundesamt zurückzuweisen.

    Das Bundesamt und die zur Vernehmlassung beigeladenen Ausgleichskassen
des Kantons Genf, Zürich und Tessin tragen auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Die SRG verzichtet auf eine
Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    Auf die Begründung der Anträge wird, soweit erforderlich, in den
rechtlichen Erwägungen zurückzukommen sein.

    b) Auch die Ausgleichskasse des Kantons Waadt hat die Verfügung des
Bundesamtes für Sozialversicherung mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
an das Eidg. Versicherungsgericht weitergezogen mit dem Antrag, die
bundesamtliche Verfügung sei dahin abzuändern, dass die SRG für den Radio-
und Fernsehbereich der französischen Schweiz mit der Ausgleichskasse des
Kantons Waadt abzurechnen habe. Die SRTR habe ihren Sitz in Lausanne,
weshalb sich die einseitige Zuweisung an die Ausgleichskasse des Kantons
Genf nicht rechtfertige.

    Das Bundesamt und die Ausgleichskasse des Kantons Genf beantragen die
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Auch in diesem Fall verzichtet
die SRG darauf, zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde Stellung zu nehmen.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Da die beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden sich gegen denselben
vorinstanzlichen Entscheid richten, den gleichen Sachverhalt betreffen
und sich die gleichen Rechtsfragen stellen, rechtfertigt es sich, die
Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (BGE
110 V 148 Erw. 1 und 108 V 192 Erw. 1).

Erwägung 2

    2.- Die angefochtene Verfügung des BSV betrifft nicht die Bewilligung
oder Verweigerung von Versicherungsleistungen. Mit der Beschwerde können
daher einzig die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden, einschliesslich
Überschreiten oder Missbrauch des Ermessens (Art. 104 lit. a OG), und
die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhaltes (Art. 104 lit. b OG), nicht aber die Unangemessenheit
(Art. 104 lit. c OG).

    Bei der Unangemessenheit geht es um die Frage, ob der zu prüfende
Entscheid, den die Behörde nach dem ihr zustehenden Ermessen im Einklang
mit den allgemeinen Rechtsprinzipien in einem konkreten Fall getroffen
hat, nicht zweckmässigerweise anders hätte ausfallen sollen (BGE 114 V 316
Erw. 5a mit Hinweisen). Ermessensmissbrauch dagegen (Art. 104 lit. a OG)
ist gegeben, wenn die Behörde im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens
bleibt, sich aber von unsachlichen, dem Zweck der massgebenden Vorschriften
fremden Erwägungen leiten lässt oder allgemeine Rechtsprinzipien, wie
das Verbot von Willkür und von rechtsungleicher Behandlung, das Gebot von
Treu und Glauben sowie den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, verletzt
(BGE 114 V 87 Erw. 4b mit Hinweisen). Ermessensüberschreitung (Art. 104
lit. a OG) liegt vor, wenn die Behörde Ermessen walten lässt, wo ihr das
Gesetz keines einräumt, oder wo sie statt zweier zulässiger Lösungen eine
dritte wählt. In diesem Zusammenhang ist auch die Ermessensunterschreitung
bedeutsam, die darin besteht, dass die entscheidende Behörde sich als
gebunden betrachtet, obschon sie nach Gesetz berechtigt wäre, nach Ermessen
zu handeln, oder dass sie auf Ermessensausübung ganz oder teilweise zum
vorneherein verzichtet (BGE 98 V 131 Erw. 2 mit Hinweisen; vgl. auch BGE
111 V 248 Erw. 2b).

Erwägung 3

    3.- Gemäss Art. 62 Abs. 1 AHVG errichtet der Bundesrat "eine
Ausgleichskasse für das Personal der Bundesverwaltung und der
Bundesanstalten". Ferner bestimmt Art. 111 AHVV:

    "Der Eidgenössischen Ausgleichskasse werden die Bundesverwaltung, die
   eidgenössischen Gerichte und die Bundesanstalten angeschlossen. Es
   können ihr auch andere Institutionen angeschlossen werden, die der
   Oberaufsicht des Bundes unterstellt sind oder zum Bund in enger
   Beziehung stehen."

    a) Im vorliegenden Verfahren wird die Gesetzmässigkeit von Art. 111
AHVV von der Ausgleichskasse des Kantons Tessin ausdrücklich bestritten mit
der Begründung: Der Verordnungstext gebe den Sinn der gesetzlichen Regelung
nicht richtig wieder. Die SRG sei keine Bundesanstalt und könne deshalb der
EAK nicht angeschlossen werden. Die strikte Anwendung des zweiten Satzes
von Art. 111 AHVV würde zu Ergebnissen führen, die der Gesetzgeber nicht
gewollt habe. Die Ausgleichskasse des Kantons Zürich verweist in ihrer
Stellungnahme vom 23. März 1990 zur Begründung ihres Abweisungsantrages
auf ihre frühere Eingabe an das Bundesamt vom 28. September 1988, mit der
sie ebenfalls die Gesetzmässigkeit der zitierten Verordnungsbestimmung
bestritten hat.

    Es ist offensichtlich, dass Art. 111 AHVV über den Wortlaut des
Art. 62 Abs. 1 AHVG hinausgeht, erwähnt dieser doch - abgesehen
vom Personal der Bundesverwaltung und von Bundesanstalten - weder
die eidgenössischen Gerichte noch andere Institutionen. Schon
die Nichterwähnung der eidgenössischen Gerichte, die weder der
Bundesverwaltung noch den Bundesanstalten zuzurechnen sind, zeigt, dass
der Gesetzestext zu eng konzipiert worden ist. Es wäre sinnlos gewesen,
für das Personal der Bundesverwaltung und der Bundesanstalten eine eigene
Ausgleichskasse zu schaffen, die eidgenössischen Gerichte dieser aber
nicht anzuschliessen. Diese Auffassung wird erhärtet durch die Botschaft
des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Alters- und
Hinterlassenenversicherung vom 24. Mai 1946, wo ausgeführt wird (BBl 1946
II 455):

    "Wie in der Lohn- und Verdienstersatzordnung, soll der Bund auch in der

    Alters- und Hinterlassenenversicherung eine besondere Ausgleichskasse
für
   das Bundespersonal errichten können. Dafür spricht in erster Linie der

    Umstand, dass es kaum anginge, wenn sich der Bund als Arbeitgeber einer
   kantonalen Ausgleichskasse oder gar einer Verbandsausgleichskasse
   anzuschliessen hätte. Zudem ist in der Bundesverwaltung eine solche
   Zahl von Arbeitnehmern beschäftigt, dass sich auch aus diesem Grunde die

    Errichtung einer besondern Ausgleichskasse für das Bundespersonal
   aufdrängt. Dieser Ausgleichskasse soll auch das Personal der

    Bundesanstalten und eventuell weiterer eidgenössischer Institutionen
   angeschlossen werden."

    Daraus ergibt sich die klare Absicht des Bundesrates, die vom
Gesetzgeber sanktioniert wurde, eine Anschlussmöglichkeit an die EAK nicht
nur für das Personal der Bundesverwaltung und der Bundesanstalten, sondern
u. U. auch für "weitere eidgenössische Institutionen" zuzulassen. Was
unter diesem unbestimmten Begriff zu verstehen ist, hat der Bundesrat in
zulässiger Weise in Art. 111 AHVV umschrieben. Damit steht im Einklang,
dass das Eidg. Versicherungsgericht in seinem frühern Urteil in Sachen
SRG gegen BSV vom 19. Juni 1985 die Gesetzmässigkeit der fraglichen
Bestimmung stillschweigend vorausgesetzt hat.

    b) Zum materiellen Gehalt von Art. 111 Satz 2 AHVV hat das Eidg.
Versicherungsgericht in seinem soeben zitierten Urteil festgehalten: Die
Bestimmung behalte ein freies Ermessen vor, indem sie es der Verwaltung
überlasse, zwischen verschiedenen Lösungen zu wählen. Im übrigen habe
sie offensichtlich den Charakter eines unbestimmten Gesetzesbegriffes,
aus dem ebenfalls Gestaltungsfreiheit resultiere, gegenüber welcher
der Richter eine gewisse Zurückhaltung wahre. Im Hinblick auf diese
Ausführungen und angesichts seiner eingeschränkten Kognition hat das
Eidg. Versicherungsgericht die Verfügung des Bundesamtes damals geschützt,
mit welcher dieses das Gesuch der SRG vom 8. April 1983 um Anschluss an
die EAK abgewiesen hatte.

    Die EAK meint indessen, der damalige Entscheid könne für das
vorliegende Verfahren nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein, weil sich
"nur die Ausgleichskasse des Kantons Waadt aktiv einem Anschluss an die EAK
widersetzt" habe und - im Gegensatz zu heute - die Arbeitgebereigenschaft
der SRG nicht restlos klar gewesen sei. Diese Argumentation übersieht
aber, dass für die Beurteilung der vorliegenden Verfügung keineswegs
entscheidend ist, ob ihr die interessierten Ausgleichskassen zustimmen
oder nicht. Massgebend ist einzig und allein, ob sie sich im Rahmen
der von Gesetz, Verordnung und Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze
hält. Ferner übersieht die EAK, dass die Frage der Arbeitgebereigenschaft
der SRG im Urteil vom 19. Juni 1985 ausdrücklich als nicht erheblich für
den Verfahrensausgang betrachtet worden ist.

    Irgendwelche Gründe für ein Abweichen von den in jenem Urteil
festgestellten Grundsätzen werden von keiner Seite geltend gemacht und sind
auch sonst nicht erkennbar. Ebensowenig wird behauptet, und es fanden sich
in den Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass das Bundesamt im Zusammenhang
mit der Anwendung von Art. 111 AHVV vorliegend einen im Rahmen von Art. 104
oder 105 OG zu rügenden Fehler begangen habe. Im Lichte von Art. 111 AHVV
kann daher die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht gutgeheissen werden.

Erwägung 4

    4.- Im vorliegenden Verfahren wird seitens der EAK argumentiert, die
angefochtene Verfügung verletze Art. 117 Abs. 3 AHVV. Diese Bestimmung
lautet:

    "Zweigniederlassungen werden der Ausgleichskasse angeschlossen, welcher
   der Hauptsitz angehört. Bei Vorliegen besonderer Verhältnisse kann das

    Bundesamt Ausnahmen bewilligen."

    Die EAK macht im wesentlichen geltend, die verschiedenen Studios
und regionalen Zentren, welche die SRG landesweit betreibe, seien keine
Zweigniederlassungen im Sinne der zitierten Bestimmung; ausserdem lägen
keine besondern Verhältnisse vor, welche eine Ausnahme vom Grundsatz der
einheitlichen Kassenzugehörigkeit erlauben würden.

    a) Zum Begriff der Zweigniederlassung (succursale, succursale) hat
sich das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 110 V 359 Erw. 5b geäussert
und dazu ausgeführt: Das Gesetz definiert die Zweigniederlassung
nicht. Aber nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist mit
diesem Rechtsbegriff jeder kaufmännische Betrieb gemeint, der zwar
rechtlich Teil des Hauptunternehmens ist, von dem er abhängt, der aber
in eigenen Räumlichkeiten dauernd eine gleichartige Tätigkeit wie
das Hauptunternehmen ausübt und dabei eine gewisse wirtschaftliche
und geschäftliche Selbständigkeit geniesst (vgl. auch BGE 101 Ia 41
Erw. 1). Zu dieser Selbständigkeit als Voraussetzung für das Bestehen
einer Zweigniederlassung war in BGE 103 II 201 Erw. 3a, bestätigt durch
BGE 108 II 124 Erw. 1, ausgeführt worden: Der Betrieb ist autonom in
diesem Sinne, wenn er ohne tiefgreifende Änderungen als selbständiges
Unternehmen betrieben werden könnte. Dass die Zweigniederlassung alle
Tätigkeiten des Hauptsitzes ausüben könnte, ist nicht erforderlich. Es
genügt, wenn das örtliche Unternehmen dank seinem spezialisierten Personal
und seiner eigenen Organisation ohne grosse Änderungen imstande wäre,
seine Tätigkeit als örtliche Niederlassung selbständig zu betreiben. Es
handelt sich um eine Selbständigkeit in den Aussenbeziehungen, die unter
Berücksichtigung der gesamten Umstände von Fall zu Fall zu würdigen
ist; die interne Unterordnung oder Zentralisierung ist dagegen ohne
entscheidende Bedeutung (BGE 89 I 412 Erw. 6; vgl. auch BGE 101 Ia 41 Erw.
1 und FORSTMOSER, Schweizerisches Aktienrecht I, S. 413 ff.).

    Diese Umschreibung des Begriffes der Zweigniederlassung und der
im Zusammenhang damit verlangten wirtschaftlichen und geschäftlichen
Selbständigkeit wurde vom Bundesgericht für das Handelsregisterrecht
(Art. 935 OR) entwickelt (vgl. GAUCH, Der Zweigbetrieb im schweizerischen
Zivilrecht, S. 103 ff.). Sie ist jedoch grundsätzlich auch für die
Auslegung des in Art. 117 Abs. 3 AHVV verwendeten gleichen Ausdrucks
heranzuziehen, da Anhaltspunkte für die Annahme eines in diesem Bereich
abweichenden Willens des Verordnungsgebers fehlen.

    Die vom Bundesamt als Zweigniederlassungen im Sinne von Art. 117
Abs. 3 AHVV qualifizierten Radio- und Fernsehbereiche der deutschen
und rätoromanischen, der französischen sowie der italienischen Schweiz
stehen der SRG für die von ihr für die verschiedenen Sprachregionen zu
veranstaltenden und dort auch herzustellenden Programme zur Verfügung. Sie
sind somit Teil der SRG und erfüllen auf Dauer deren Aufgaben in
eigenen Räumlichkeiten. Die dezentralisierte Programmproduktion soll
offensichtlich den unterschiedlichen Bedürfnissen der sprachlich
und kulturell vielgestaltigen Schweiz weitestgehend Rechnung tragen,
was einen entsprechenden Handlungsspielraum der betreffenden Studios
voraussetzt. Dieser ist bezüglich der Gestaltung der einzelnen Sendungen
recht umfassend, was allein schon eine beträchtliche Selbständigkeit der
Studios bei der Erfüllung ihrer Aufgaben voraussetzt. Wie weit Kompetenzen
zum Abschluss von Arbeits- und andern Verträgen und im finanziellen Bereich
dezentralisiert sind, lässt sich aufgrund der Akten nicht feststellen.
Jedenfalls spricht nicht gegen diese Selbständigkeit, dass die SRG gemäss
Art. 12 Abs. 4 ihrer Konzession Arbeitgeberin des Personals ist; das ist
zwangsläufig ein Ausfluss fehlender Rechtspersönlichkeit der regionalen
Betriebsstätten. Nichts Abweichendes ergibt sich sodann aus der Tatsache,
dass sämtliche Gehälter und Honorare über die Datenverarbeitung bei
der Generaldirektion der SRG in Bern zentral abgerechnet und überwiesen
werden, wobei auch für Mitarbeiter, die für mehrere Studios tätig sind,
nur ein einziges Personalkonto geführt wird. Die Zentralisierung in diesem
Bereich schliesst die Selbständigkeit im Verkehr mit Aussenstehenden in
anderem Zusammenhang nicht aus.

    b) Damit das Bundesamt eine Ausnahme vom Anschluss der
Zweigniederlassungen an die Ausgleichskasse bewilligen kann, welcher
der Hauptsitz angeschlossen ist, müssen nach Art. 117 Abs. 3 Satz 2 AHVV
"besondere Verhältnisse" vorliegen.

    Das Bundesamt führt in diesem Zusammenhang aus: Die Möglichkeit einer
Aufteilung der Kassenzuständigkeit habe sich allein am Erfordernis der
ordnungsgemässen Durchführung der AHV/IV zu orientieren. Bei Vorliegen
achtenswerter Gründe und Fehlen einer Gefahr für diesen ordnungsgemässen
Vollzug habe das Bundesamt daher einem Gesuch um Kassenaufteilung
zu entsprechen. Im vorliegenden Fall liege die Begründung für eine
sprachregionale Kassenzuständigkeit im Sinne besonderer Verhältnisse
bei der gesellschaftspolitischen Aufgabe der SRG. Damit könne auch den
Bedürfnissen der Versicherten entsprochen werden, in ihrer Region in der
Muttersprache mit der für sie zuständigen Ausgleichskasse zu verkehren.

    Die EAK wendet demgegenüber ein, die einheitliche Regelung der
Kassenzugehörigkeit in Art. 64 Abs. 3 AHVG, wonach die Kassenzugehörigkeit
eines Arbeitgebers sich auf alle Arbeitnehmer erstreckt, für die er
Beiträge zu leisten hat, sei unabdingbare Voraussetzung für eine
reibungslose Durchführung der AHV/IV. Eine Ausnahme von dieser
einheitlichen Regelung gestützt auf Art. 117 Abs. 3 AHVV könne
sinnvollerweise nur hingenommen werden, wenn dadurch die Durchführung
erleichtert würde. Dies treffe vorliegend nicht zu; vielmehr
ergäben sich aus der Aufteilung auf verschiedene Ausgleichskassen
Schwierigkeiten. Inwiefern aus dem gesellschaftspolitischen Auftrag der
SRG ein Grund für die dezentrale Kassenzugehörigkeit abgeleitet werden
könne, sei nicht ersichtlich. Im übrigen könne auch die EAK den Wunsch
der Versicherten zum Verkehr in ihrer Muttersprache erfüllen, habe sie
doch in allen Sprachregionen zahlreiche Versicherte, bei denen dies schon
heute geschehe.

    Mit der EAK kann der bundesamtlichen Argumentation nicht gefolgt
werden, dass zwischen der gesellschaftspolitischen Aufgabe der SRG und der
Aufteilung der Kassenzugehörigkeit auf die verschiedenen Sprachregionen
ein Zusammenhang bestehe, der unter dem Gesichtspunkt der "besonderen
Verhältnisse" zu würdigen wäre. Periodische Beitragsüberweisungen an die
eine oder andere Ausgleichskasse beeinflussen die Verankerung der SRG in
den betreffenden Sprachregionen kaum und den gesellschaftspolitischen
Auftrag überhaupt nicht in erkennbarer Weise. Abgesehen davon
könnten wohl die meisten Zweigniederlassungen von Arbeitgeberfirmen in
ähnlicher Weise geltend machen, die Erfüllung ihrer Aufgabe sowie der
Verkehr ihrer Arbeitnehmer mit der Ausgleichskasse würden durch eine
Aufteilung der Kassenzugehörigkeit erleichtert. Ein Sachverhalt, wie er
in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle vorliegt, vermag jedoch keine
"besonderen Verhältnisse" im Sinn dieses Ausdruckes zu begründen. Dieser
verlangt nämlich das Vorliegen von Umständen, die sich von den üblichen
klar unterscheiden.

    Die Grundfrage ist allerdings, ob dem Art. 117 Abs. 3 Satz 2 AHVV
überhaupt diese Bedeutung zukommt. Die EAK bejaht dies sinngemäss,
indem sie die "besonderen Verhältnisse" dann als gegeben betrachtet, wenn
durch die Aufteilung der Kassenzugehörigkeit die Durchführung der AHV/IV
erleichtert wird. Diese Auffassung entspricht der Praxis des Bundesamtes
in den ersten Jahren nach Einführung der AHV (BINSWANGER, Kommentar zum
Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, S. 254),
die auf die damals weit überwiegende Art der manuellen Datenverarbeitung
zugeschnitten war, bei welcher die dezentrale Abrechnung eine
administrative Erleichterung darstellen konnte. Bei der heute zunehmend
verbreiteten elektronischen Datenverarbeitung ist dies jedoch kaum mehr
der Fall, so dass die Bestimmung von Art. 117 Abs. 3 AHVV infolge der
technischen Entwicklung praktisch toter Buchstabe wäre.

    Nach bundesamtlicher Auffassung hat der Begriff der besondern
Verhältnisse sich am Begriff der ordnungsgemässen Durchführung der
AHV/IV zu orientieren; wenn "achtenswerte Gründe" für eine Aufteilung der
Kassenzugehörigkeit gegeben seien und keine Gefährdung der ordnungsgemässen
Durchführung der AHV/IV bestehe, müsse dem Begehren um Aufteilung
entsprochen werden. Wesentliche Bedeutung misst das Bundesamt - mit Recht -
offenbar der Notwendigkeit der ordnungsgemässen Durchführung zu, beinhaltet
diese doch die Wahrung des gesetzmässigen Zustandes. Die "achtenswerten
Beweggründe" lassen sich kaum konkretisieren. Sie liessen sich jedoch
eventuell dahin verstehen, dass offensichtlich sinnlosen Begehren um
selbständigen Anschluss von Zweigniederlassungen nicht entsprochen werden
müsste. Eine derartige Deutung des Ausdruckes "besondere Verhältnisse"
ist nicht unhaltbar. Sie entspricht der im mehrfach zitierten Urteil des
Eidg. Versicherungsgerichts vom 19. Juni 1985 verankerten Rechtsauffassung.

    Schliesslich ist festzuhalten, dass die richtige Lösung im Hinblick auf
die enge Kognition des Eidg. Versicherungsgerichts nicht davon abhängig
gemacht werden darf, ob das Bundesamt aus Gründen der Zweckmässigkeit
die Zentralisierung bei der EAK hätte wählen sollen, die auch von der
SRG beantragt wurde.

    c) Art. 117 Abs. 3 AHVV ermächtigt das Bundesamt zur Bewilligung von
Ausnahmen. Eine solche Bewilligung setzt, wie das Bundesamt zutreffend
ausführt, eine entsprechende Willensäusserung in Form eines Gesuchs
voraus. Das Bundesamt weist darauf hin, dass im vorliegenden Fall
der Wunsch nach dezentraler Kassenzugehörigkeit von verschiedenen
Ausgleichskassen ausgegangen ist. Dies trifft zwar zu. Fraglich ist
jedoch, ob die Ausgleichskassen überhaupt aktiv legitimiert sind,
ein solches Begehren zu stellen. Naheliegender ist, dass nicht
den Ausgleichskassen, sondern den Zweigniederlassungen der SRG diese
Aktivlegitimation zukommt. Nur diese wissen ohne weiteres Bescheid, ob ihre
Struktur unter die fragliche Bestimmung fallen könnte, während es zu wenig
sinnvollen administrativen Umtrieben führte, wenn die Ausgleichskassen den
Anstoss zur Abklärung solcher Fragen von sich aus gäben. Bezeichnenderweise
scheint auch die Praxis in den Anfängen der AHV davon ausgegangen zu
sein, dass das Gesuch von der Zweigniederlassung auszugehen habe und der
Zustimmung durch den Hauptsitz bedürfe (BINSWANGER, S. 254). Stichhaltige
Gründe für seine heutige Auffassung nennt das Bundesamt nicht; solche sind
auch sonstwie nicht ersichtlich. Es ist daher davon auszugehen, dass die
Zweigniederlassung der Arbeitgeberfirma, nicht aber die Ausgleichskassen
zur Einreichung eines Gesuches um dezentrale Kassenzugehörigkeit
legitimiert sind. Damit ist sichergestellt, das durchführungstechnisch
heute kaum mehr begründete Aufteilungen einer Belegschaft auf verschiedene
Ausgleichskassen in Abweichung vom Grundsatz von Art. 64 Abs. 3 AHVG
nur im Einverständnis mit dem betreffenden Arbeitgeber erfolgen und eine
Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzipes durch eine objektiv nicht
gebotene behördliche Massnahme ausgeschlossen wird.

    Im vorliegenden Fall hat keine der allfälligen Zweigniederlassungen
der SRG um dezentrale Kassenzugehörigkeit ersucht. Noch weniger
hat der Hauptsitz einer solchen Lösung zugestimmt, sondern vielmehr
den Anschluss für seine sämtlichen Arbeitnehmer an die EAK verlangt,
der er selber angehört. Damit fehlt ein konstitutives Element für eine
dezentrale Lösung. Die bundesamtliche Verfügung ist daher in Gutheissung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der EAK aufzuheben. Daraus ergibt
sich ohne weiteres die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der
Ausgleichskasse des Kantons Waadt.

Entscheid:

       Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der EAK und
in Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Ausgleichskasse
des Kantons Waadt wird die Verfügung des BSV vom 18. Dezember 1989
aufgehoben mit der Feststellung, dass die SRG für das gesamte im Rahmen
ihrer Konzessionsbestimmungen tätige Personal vom 1. Januar des auf
die Zustellung des vorliegenden Urteils folgenden Jahres hinweg mit der
Eidgenössischen Ausgleichskasse abzurechnen hat.